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ABRECHNUNG 6

"Ich will aber warmes Essen! Auf, mach mir schnell etwas, bis ich mich umgezogen habe!" Damit begab er sich in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Kim war den Trnen nahe, doch beeilte sie sich, dem Wunsch ihres Mannes nachzukommen und bereitete ein warmes Essen fr ihn, ihr war der Appetit vergangen. Am Tisch bediente sie ihn, dann konnte sie die frage nicht mehr zurckhalten:

"Jos, knnen wir jetzt einmal gemeinsam Ferien machen?"

"Ferien?" fuhr Jos mit vollem Mund auf. "Wir knnen uns keine Ferien leisten! Wir mssen einen neuen Anbau an die Stallungen bauen, ich will einige Schafe kaufen!"

"Aber wozu denn Schafe? Und was soll heien >wir bauen

"Na, ganz klar, du und ich! Wer denn sonst? Ich kann kein Geld ausgeben, damit eine Firma uns was baut! Und Schafzucht ist der letzte Schrei, damit kann man sicher viel Geld verdienen!" Kim war wie versteinert. Ja fehlte es ihnen denn an Geld? Hatte Jos ihr nicht gesagt, da Geld zum Leben genug vorhanden sei?

"Aber Jos, ich dachte, wir htten gengend Geld?"

"Das schon, aber nicht fr solche Kleinigkeiten, die wir auch alleine machen knnen!"

"Jos, ich bin eine Frau, ich kann keine schweren Arbeiten verrichten und habe auch noch nie gesehen, wie ein Stall gebaut wird!"

"Du kannst genauso gut alle Arbeiten verrichten, wie es die anderen Frauen hier auch tun, oder spielst du jetzt die schwache Auslnderin?" in Joss Stimme schwang beiender Hohn mit.

"Ich werde tun, was du von mir verlangst." flsterte Kim mit heiserer Stimme, dann verlie sie den Raum. So waren die nchsten Wochen damit angefllt, die Fundamente des neuen Gebudes auszuheben, zu betonieren und Stein auf Stein zu mauern. Kim arbeitete dabei ber ihre Krfte, Jos spannte sie immer mehr auch zu den schwersten Arbeiten ein, bis ihr eines Abends die schwere Wasserkanne zum Blumengieen aus der Hand fiel und sie zu zittern anfing.

"Was ist denn nun schon wieder los? Warum schmeit du die Kanne hin?" lie sich Joss Stimme vernehmen, der im khlen Salon sa und ein Glas Whisky in der Hand hielt.

"Ich habe die Kanne nicht >hingeschmissen< wie du sagst! Ich habe einfach keine Kraft mehr in der Hand, fhle nicht mehr, ob ich etwas halte, oder nicht!"

"Oh Gott, dann geh eben zu einem Arzt! Aber erst, wenn der Stall fertig ist. Vorher wirst du noch gebraucht!"

"Aber ich sage dir doch, ich habe kein Gefhl mehr in der Hand, nur wahnsinnige Schmerzen!"

"Das sind doch alles nur Ausreden! Wenn dir die Hand nach Ende der Bauarbeiten noch immer weh tut, bringe ich dich zu einem Arzt, vorher rechne nicht auf meine Untersttzung!" Notgedrungen bandagierte sich also Kim ihre Hand und schuftete unter Schmerzen weiter, bis der Stall fertig war. Dann fuhr sie ihr Mann zu einem Arzt.

"Meine Gte, Seora, was haben sie denn mit ihrer Hand gemacht? Sind sie etwa unter die Bergleute gegangen?" witzelte der Arzt beim Anblick von Kims geschwollenem Gelenk, nicht ahnend, wie nah er der Wirklichkeit kam.

"Ach was, sie meint nur, sie habe Schmerzen!" warf Jos ein. "Aber so schlimm wird es ja nicht sein!"

"Oh doch, mein lieber Seor Almerida! Sie jedenfalls wrden mit so etwas keinem Stier mehr gegenbertreten, denn ich wrde dann fr ihr Leben keine Peseta mehr verwetten! Ihre Frau hat Glck, wenn sie den vollen Gebrauch ihrer Hand behlt! Jetzt mu ich sie aber erst einmal fr mindestens sechs Wochen eingipsen!"

"Gips? Da kann sie ja nicht mit arbeiten!"

"Ich dachte, als ihre Frau brauche sie nicht zu arbeiten?"

"Natrlich nicht, aber den Haushalt fhrt sie selbst!"

"Na, dann mssen sie ihr eben helfen oder eine Hilfe einstellen. Denn selbst wenn der Gips ab ist, darf sie nicht sofort wieder ihre Arbeiten aufnehmen!" Kim lie das Gesprch ruhig ber sich ergehen, doch freute es sie heimlich, da der Arzt, wenn auch indirekt, Jos einmal die Meinung sagte. Als sie dann mit eingegipster Hand im Auto sa, schaute Jos sie von der Seite an.

"Das freut dich wohl, da du jetzt nicht zu schaffen brauchst?"

"Es freut mich weniger, da ich frchten mu, den Gebrauch der Hand zu verlieren, wenn ich nicht aufpasse!" gab Kim zurck.

"Ach, dummes Gequatsch der rzte, die machen immer alles schlimmer, als es ist! Wenn der Gips erst einmal ab ist, erwarte ich von dir, da du deine Arbeiten wieder voll aufnimmst. Und auch jetzt glaube nicht, da ich dir eine Hilfe einstelle. Du kannst sehr gut mit einer Hand kochen oder putzen!" Damit war fr ihn das Gesprch beendet und schweigend setzten sie die Heimfahrt fort. Auf der Hazienda angekommen ging Kim in ihr Zimmer und legte sich auf das groe Bett. Die Augen weit offen, doch den Blick ins Innere gerichtet fragte sie sich, was Jos so verndert haben knne. Wieso und wann war aus dem zuvorkommenden jungen Mann ein solcher Despot geworden? Als er abends zu ihr kam, lag sie noch immer angezogen auf dem Bett.

"Was soll denn das heien? Warum bist du nicht ausgezogen? Komm her, ich will dich!"

"Jos, bitte la mich heute in Ruhe, ich habe starke Schmerzen und bin noch ganz benommen von der Spritze, die der Arzt mir verabreicht hat!" bat Kim mit schwacher Stimme, doch Jos regte ihr Widerstreben noch mehr auf.

"Zieh dich aus, habe ich gesagt! Du bist meine Frau! Du hast mir zu Willen zu sein, wenn ich es mag!"

"Bitte, Jos, versteh mich doch auch ein bichen!"

"Das will ich aber nicht!" rief er und begann, sie unsanft und mit ruppigen Griffen zu entkleiden. Als sie sich gegen seine Gewalt wehren wollte, packte er ihren wehen Arm und drehte ihn, bis sie schrie.

"Wenn du nicht willst, da es weh tut, dann la mich geflligst machen!" herrschte er sie an. Vor Schmerz und Enttuschung ber das Verhalten ihres Mannes entkrftet lie Kim willenlos alles mit sich geschehen, was ihr Mann von ihr verlangte. Aber etwas zerbrach in ihr, etwas lie sie an der Liebe ihres Mannes und dem Respekt zu ihr zweifeln. Nach dieser Nacht der Vergewaltigung durch den eigenen Mann zog sich Kim immer mehr in sich zurck. Freude fand sie fast nur noch in den langen Ritten auf ihrem geliebten Pferd und bei den langen Gesprchen mit ihrer Freundin. Jos war wieder auf Tournee, gefeierter denn je, begehrter auch, denn je. Seine Clique vergrerte sich zusehends, oft auch mit Elementen, die mehr der Halb- oder Unterwelt angehrten. Doch in seinem Siegesrausch war Jos alles egal, Hauptsache ER wurde gefeiert! Seine Frau sah er nur noch selten, oft trank er sich vorher Mut an, bevor er sich ihr nherte. Die Nacht wurde dann qulend lang fr Kim, die sich immer neuen seltsamen Wnschen ihres Mannes beugen mute. Oft, wenn sie vorgab zu schlafen, wenn er das Zimmer betrat, holte er sich doch von ihr, was er wollte, wehrte sie sich manchmal, so wendete er Gewalt an, um sie gefgig zu machen. Bei all diesen Dingen gab es fr Kim nur einen Gedanken: Durchhalten! Denn, was ihr Mann noch nicht wute, sie hatte es durch einen Test erfahren - sie trug sein Kind unter dem Herzen! Sie wollte einen gnstigen Moment abwarten, um es ihm zu sagen. Die Gelegenheit bot sich dann auch eines Morgens, als er mit frohem Gesicht in den Hof einfuhr und Kim strahlend zwei Ohren und den Huf eines Stieres unter die Nase hielt.

"Ich habe es geschafft! Der Traum meines Lebens ist in Erfllung gegangen! Mein grter Sieg! Schau her!" Von Ekel erfllt und doch glcklich, ihren Mann bei so guter Laune zu sehen, nherte sich Kim den Symbolen seines groen Erfolges.

"Wie schn fr dich, Jos! Ich habe auch eine gute Nachricht fr dich! Komm mit ins Haus, dann sage ich sie dir!" Neugierig folgte ihr Jos in den groen Salon, wo Kim ihm ihre Arme um den Hals legte.

"Lieber, wir bekommen ein Kind!"

Doch auf seine Reaktion war sie nicht gefat.

"Was!!! Ja hast du denn keine Verhtungsmittel genommen? Was sollen wir denn mit einem Kind?"

Kim war entsetzt.

"Aber du hast mir doch einmal gesagt, du wrdest so gerne einen Sohn haben! Da habe ich natrlich gedacht, du wrdest dich ber die Nachricht freuen!" Die Enttuschung stand Kim ins Gesicht geschrieben.

"Einen Sohn, ja, aber wer sagt dir, da es ein Sohn wird? Und ich htte lieber noch etwas gewartet, ich fhle mich zum Vater nicht berufen! Ja, wenn ich meinen Beruf einmal an den Nagel hnge oder hngen mu, ja dann!"

"Aber Jos!" Kims Stimme kam ganz leise und verzagt. "Aber, dann wre ich ja eventuell schon eine alte Frau!" Jos schien zu berlegen.

"Na, vielleicht hast du Recht und es ist besser so, na, dann wollen wir mal feiern!" Und schon go er sich ein Glas mit Whisky ein. Sowieso trank er, animiert durch seine sogenannten Freunde, in letzter Zeit immer hufiger, kam manchmal sogar richtig betrunken nach Hause. Auch sein Zigarettenkonsum stieg. Hatte er frher hier und da mal an einer gezogen, so waren es jetzt schon ein bis zwei Pckchen am Tag und nicht von der billigsten Sorte. Kim bemerkte diesen Wandel mit Schmerzen, wurde ihr dadurch und durch sein Verhalten ihr Ehemann immer fremder, immer unangenehmer. Ihre einzige Hoffnung war, da er das Kind doch noch lieben lernen und ber es wieder zu seinem frheren Lebensstil zurckfinden wrde. Aber Kim hoffte vergebens. Als das Kind endlich geboren wurde, gab er ihm den Namen Csar und verschwand, sich zu betrinken - oder zu feiern, wie er es nannte. Kim widmete sich ganz dem kleinen Geschpf, fhrte nebenbei den Haushalt und ertrug die zwar immer selteneren dabei aber immer bizarrer werdenden Annherungen ihres Gatten.

"Es ist besser, wenn du mit dem Kind in einem anderen Zimmer schlfst, ich brauche meine Ruhe und das Geschrei in der Nacht ist unertrglich!"

"Schon gut, Jos, ich nehme das Gsteschlafzimmer am anderen Ende des Flurs."

"Ja, das ist weit genug weg - wenigstens hoffe ich das!" Damit war fr ihn die Sache erledigt und Kim zog mit dem Kind in das kleine, ungemtliche Zimmer. Ihren Mann sah sie damit noch weniger, war aber nicht unbedingt unglcklich darber. Sie versuchte manchmal, wenn Jos scheinbar guter Laune war, das Kind zu ihm zu bringen und gemeinsam erste Spiele mit ihm zu machen oder einfach nur darauf wartend, da der Vater es ein wenig liebhaben wrde, sehr oft endeten diese Versuche jedoch damit, da Jos sie anschrie, sie solle das Baby doch wegnehmen, er habe jetzt keine Zeit oder Lust, sich mit ihm zu befassen, auerdem sei das Sache der Mutter, er brauche seine Ruhe. So lebten Kim und Csar ihr Leben hinter den weien Mauern der Hazienda und Jos das seine im Kreis seiner Freunde und Bewunderer. Unterbrochen wurde die Eintnigkeit nur, als Joss Vater und Mutter in kurzem Abstand starben. Kim nahm an den Trauerfeiern teil, das Kind blieb so lange bei Rosa, die sich rhrend um es kmmerte. Jos schien durch den pltzlichen Verlust der Eltern wieder etwas zu seiner Familie zurckzufinden, doch war diese Besserung leider nicht von langer Dauer. Eines Tages erreichte Kim ein Pckchen ihrer Mutter. Mit gemischten Gefhlen ffnete sie es - auer einem kleinen Anzug fr das Enkelchen befanden sich auch wieder ein paar Unterhosen fr sie darin und ein Schreiben, da es der Gromutter nicht sehr gut ginge. Als Jos nach einigen Tagen wieder einmal auf der Hazienda erschien, natrlich ohne seine Frau oder sein Kind mit einem Ku zu begren, bat ihn Kim zu einer Unterredung. Als Jos sich gemtlich vor dem groen Kamin niedergelassen hatte und behaglich an seinem Whisky nippte, brachte Kim ihr Anliegen vor.

"Jos, hier ist ein Brief meiner Mutter, in dem steht, da meine Gromutter sehr krank ist. Ich mchte dich bitten, mir zu erlauben, mit Csar nach Irland zu fliegen, damit ich Granny ihren Urenkel noch zeigen kann, auerdem wird es auch fr mich das letzte Mal sein, da ich sie sehe! Bitte, la mich gehen!" Jos schien zu berlegen.

"Ich glaube, ich kann es dir nicht gut verweigern!" meinte er schlielich. "Aber findest du es gut, das kleine Kind da mitzuschleppen?"

"Es ist die letzte Gelegenheit, Jos, verstehe doch: meine Gromutter liegt im Sterben!"

"Dann bring es eben hinter dich!"

"Danke, Jos!" Kim wollte ihm einen Ku geben, doch Jos wehrte ab.

"La das, ich will deine Dankbarkeit nicht! Komm lieber so schnell wie mglich zurck! Ach so, du wirst ja Geld brauchen fr den Flug und so, komm spter in mein Zimmer, ich werde es dir dann geben!"

"Danke, Jos!" Freudig verlie Kim den Salon und begann damit, die Reise vorzubereiten. Viel wrde sie nicht bentigen, da sie vorhatte nur wenige Tage bei den Eltern zu bleiben. Aber es wrde sie aus ihrer jetzigen Lethargie aufrtteln und sie war auch froh, einmal wieder mit Maude reden zu knnen. Die Schwester fehlte ihr am meisten. Spter begab sie sich zu Jos, um ihr Reisegeld in Empfang zu nehmen.

"Na endlich, ich dachte schon, du wrdest dein Geld nicht abholen wollen!" spottete Jos, als sie die Tr ffnete. "Komm nur rein, ich will es dir vorzhlen." Zgernd ging Kim auf ihn zu, da sie sah, da er in der Zwischenzeit wieder eifrig dem Alkohol zugesprochen hatte. Aber sie brauchte das Geld, da sie kein eigenes mehr besa. Von dem Taschengeld das Jos ihr, nicht immer regelmig und nicht immer ausreichend, gab, mute sie die Ausgaben des Haushaltes bestreiten, dazu Rechnungen bezahlen, die das Haus betrafen und auch all die Dinge kaufen, die sie und das Kinde bentigten. Oft sehnte sie sich danach, arbeiten gehen zu drfen, um wenigstens ein wenig eigenes Geld zu besitzen, doch diesbezgliche Bitten blockte Jos jedesmal kategorisch ab oder wurde wtend.

"Bitte, gib mir das Geld, ich brauche es nicht nachzhlen!"

"Aber ich will es dir vorzhlen, denn du wirst mit jeder Peseta abrechnen mssen!"

"Gut, dann fangen wir also an!" Kim sprte, da sie ihn nicht reizen durfte, sonst wrde sie das Geld vielleicht nie erhalten. Doch pltzlich wurden Joss Augen ganz schmal und er musterte sie durchdringend.

"Die Mutterschaft hat dir hbsche Brste verliehen - das bringt mich auf Ideen...."

"Oh, Jos, bitte nicht jetzt..." bat Kim, doch Jos hatte sie schon gepackt und begann, ihr mit brutalen Griffen die Kleidung vom Krper zu reien. Wohl oder bel mute Kim sich seinen mehr als seltsamen und widerlichen Wnschen fgen. Erst als er befriedigt war, entlie er sie wieder aus dem Schraubstock seiner Arme.

"Hier ist das Geld - verschwinde!" Damit warf er ihr die Scheine vor die Fe. Kim raffte das Geld gemeinsam mit ihren Kleidern zusammen und verlie fluchtartig das Zimmer. Erniedrigt und mibraucht. Erst als sie im Flugzeug nach Irland sa, ihr schlafendes Kind auf den Knien, schlich sich der Gedanke ein, wie einfach es doch wre, nie wieder aus Irland fortzugehen. Aber dann kam die Erinnerung an den bsen Traum und die Unterhosen und sie schimpfte sich wegen ihrer eigenen Schwche aus. Sie hatte gewhlt, es gab kein Zurck mehr und auch kein Verstecken vor der Verantwortung. Auerdem lie ihr Stolz es nicht zu, mit irgend jemandem ber ihre Ehe zu sprechen, das mute sie ganz alleine mit sich selbst abmachen. Die Mutter holte sie wie selbstverstndlich am Flughafen ab.

"Na, dann zeig mir mal meinen Enkel! Wie heit er doch gleich - ach ja, Csar - was fr ein berheblicher Name, den hat wohl der Vater ausgesucht!"

"Hello, Mum, nein, den haben wir beide ausgesucht! Auch ist das in Spanien ein ganz gewhnlicher Vorname, nichts Besonderes! Wie geht es Granny?"

"Wieder besser, sie hat sich dank guter rztlicher Betreuung schnell erholt. Jetzt erwartet sie euch gespannt. Aber du darfst sie noch nicht zu sehr anstrengen."

"Natrlich, aber ich werde ihr mein Baby doch schon heute vorstellen - schlielich ist es ihr Urenkelchen!" Im Haus der Eltern begrte sie schnell ihren Vater, Maude war noch nicht zu Hause, dann ging sie zu ihrer Gromutter. Die alte Dame sa aufrecht in die Kissen gelehnt in ihrem Bett und blickte freudig auf Kim und Csar, als diese in ihr Zimmer kamen.

"Hello, Granny! Wie geht es dir! Schau, ich habe dir dein Urenkelkind mitgebracht!" Kim gab ihrer Gromutter einen leichten Ku auf die faltigen Wangen und umarmte sie. Csar setzte sie auf die Bettdecke, wo er sogleich herum krabbelte.

"Schn, da du gekommen bist, Kim! Und auch, da du mir dein Kind mitgebracht hast. Aber du hast dich verndert, bist zur Frau geworden - hast aber auch Kummer!" Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

"Ja, Granny, aber darber mchte ich heute nicht reden!"

"Schon gut, mein Kind, dann schttest du mir eben ein anderes Mal dein Herz aus!" meinte die Gromutter verstndnisvoll und streichelte das Baby. "Csar, ein hbscher Name, hoffentlich erleidet er nicht das gleiche Los, wie sein Namenspatron! Ist es ein liebes Kind?"

"Oh, ja, er ist sehr brav. Manchmal auch bockig, wie alle Kinder, aber doch schnell wieder beruhigt." Kim war glcklich darber, da die Gromutter ihr keine weiteren Fragen zu ihrer Ehe stellte. Doch eine mute sie doch beantworten.

"Deinem Mann geht es gut, ja? Warum hat er euch nicht begleitet?"

"Jos geht es gut, danke, er lt auch alle gren." Diese Notlge mute sie anwenden. "Leider ist er wieder auf Tournee, da ist er unabkmmlich!"

"Natrlich, das verstehe ich! Gre ihn herzlich von mir, wenn du wieder zuhause bist und sage ihm, deine alte Gromutter bitte, da er auf sich aufpat, um seiner Frau und seines Sohnes willen!"

"Ich werde es ihm ausrichten, Granny. Doch Mum hat gesagt, du sollst dich noch schonen, ich gehe jetzt also lieber, schaue aber heute abend noch einmal vorbei!" Damit verlie sie mit dem Kind das Zimmer. Am Nachmittag kam auch Maude nach Hause und die beiden Schwestern lagen sich in den Armen.

"Maude, was bist du gewachsen, seit ich dich nicht gesehen habe! Und so richtig gemausert hast du dich - aus dem kleinen Entlein der schne Schwan!"

"Sag es doch laut: aus dem hlichen Entlein!" witzelte Maude. "Aber auch du hast dich verndert, Kim, das macht wohl die Mutterschaft!"

"Sicher, schau her, da ist der Kleine!"

"Wie s! Wie alt ist er denn?"

"Schon fast ein Jahr alt. Nchsten Monat hat er Geburtstag!"

"Luft er denn schon?"

"Ja, aber noch ist ihm Krabbeln sicherer! - Maude, wozu die vielen Fragen zu meinem Kind?"

"Ooch, nur so....!" "Maude, schau mich an - du bist verliebt!" Und als Maude die Augen niederschlug, umarmte sie die Schwester.

"Pa nur auf, da es auch der Richtige ist!" warnte Kim die Jngere. Doch die war sehr feinfhlig und sprte, da die Schwester eine groe Last bedrckte.

"Ist denn deiner nicht der Richtige?"

"Das kann man so einfach nicht sagen, jedenfalls bin ich mir selbst nicht im Klaren darber, also wollen wir das Thema lieber fallen lassen!" bat Kim und die Schwester schickte sich drein. Am Abend sa Kim noch einmal mit dem Kind bei der Gromutter, die sich sehr ber die Gegenwart des kleinen Wesens freute.

"Ein Kind vermag sehr viel, es kann manchmal sogar Ehen kitten!" bemerkte die Gromutter weise. "Und wenn es nichts mehr gibt, fr das sich zu leben lohnt - so ist es doch das Kind, das unsere ganze Liebe und Frsorge bentigt!" Kim nickte nur zustimmend, blieb aber stumm. "Na, jedenfalls wnsche ich dir alles Glck der Erde, mein Kind!" schlo die Gromutter ihre Rede.

"Danke, Granny! Es tut mir leid, da ich schon so bald wieder abreisen mu, aber du wirst es verstehen!"

"Natrlich mein Kind, mach dir mal keine Gedanken um mich, ich bin alt, meine Zeit ist abgelaufen. Aber ich kann nicht sagen, da ich je irgend etwas in meinem Leben bereut htte. Schau, als ich geboren wurde, da gab es noch nicht einmal Autos! Ich durfte erleben, wie der Mensch auf dem Mond stand, wie Computer so klein und billig wurden, da sie fast jedermann zuhause haben kann - aber ich habe auch zwei schreckliche Kriege miterlebt, wo die Menschheit sich selbst zerfleischt hat und den Brgerkrieg in unserem Land, wo Menschen, die sich Christen nennen, andere Menschen, andere Christen umbringen! Mein Leben war nicht frei von Mhsal und Pein, aber es hat auch viele Momente das Glcks darin gegeben! Und la mich dir noch etwas sagen, du bist alt genug, es zu verstehen, auch wenn ich nur vage zu dir spreche: Verzeihe deiner Mutter ihren groen Fehler! Sie hat gesndigt, aber sie konnte wohl nicht anders. Versuche nur, DEIN Leben rein zu erhalten!"

"Ich verspreche es dir, Granny!" Kim konnte sich zwar nicht so ganz vorstellen, welche Snde ihre Mutter begangen haben sollte und wann, doch sprte sie, da die Gromutter ihr eine Mitteilung von groer Wichtigkeit gemacht hatte. Mochte die Zeit die Aufklrung des Geheimnisses bringen.

"Und ich wnsche dir, deinem Kind und deiner Familie viel Glck!" Damit zog die Gromutter Csar an sich und kte ihn auf beide Wangen, bevor sie ihn Kim reichte. "Werdet glcklich!" Kim umarmte die Gromutter zrtlich und diese kte sie auf die Stirn, dann verlie Kim das Zimmer mit ihrem Kind. Der Rckflug war fr den bernchsten Tag geplant, doch am Morgen kam die Mutter mit Trnen in den Augen zum Frhstckstisch.

"Lloyd, Kinder, meine Mutter, eure Gromutter ist heute Nacht gestorben!"

"Mein Gott!" Kim konnte es nicht fassen. Hatte die Gromutter doch noch am Abend so munter mit ihr gesprochen! Oder hatte die alte Dame nur der Gedanke am Leben gehalten, da ihre Enkelin mit dem Urenkel zu ihr kommen werde? Jedenfalls war sie glcklich gestorben, so wie sie es sich immer gewnscht hatte: bei klarem Verstand und relativ guter krperlicher Verfassung trotz ihrer 93 Jahre, einfach im Schlaf hinber gleiten ins Reich Gottes. Kim schickte sogleich ein Telegramm an Jos, da sie die Beerdigung abwarten und somit erst in einer Woche heimkommen wrde. Die Gromutter wurde wrdig neben ihrem Ehemann beigesetzt, die Feier im kleinen Kreis war kurz, die Familie zeigte ihre Trauer nicht gerne ffentlich. Kim flog mit dem Gefhl zurck nach Spanien, da sie jetzt ihre einzige Vertraute fr immer verloren hatte, ihre Schwester wollte sie nicht mit ihren Eheproblemen belasten, zumal die Schwester gerade zum ersten Mal richtig verliebt war und ihrer Mutter gegenber war die Hemmschwelle zu gro. Am Flughafen wartete niemand auf die junge Frau mit Kind und so mute Kim ein Taxi mieten, in der Hoffnung, da Jos auf der Hazienda war oder ihr zumindest ein wenig Geld dagelassen hatte, um das Taxi zu bezahlen. Das riesige Haus war leer und auch von Joss groem Wagen war keine Spur zu sehen, Kim suchte schnell in Joss Zimmer nach etwas Geld, doch auer ein paar Mnzen lag nichts in seinem Nachttisch. Im groen Sekretr im Salon fand sie endlich genug Geld, um das Taxi bezahlen zu knnen. Aber sie fand zu ihrem Erstaunen auch etwas anderes: den Grundbuchauszug der Hazienda - alleiniger Besitzer: Jos Almerida! Wie versteinert schaute sie auf die Urkunde. Das konnte ja nicht stimmen! Sie hatten das Anwesen gemeinsam gekauft! Von ausschlielich ihrem Geld! Jos hatte ihr doch gesagt, sie wren nach spanischem Recht als Ehepaar gemeinsame Besitzer zu gleichen Teilen und zur Sicherung ihres Geldes sei eine Hypothek auf seine Hlfte zu seinen Lasten eingetragen. Hier stimmte etwas ganz gewaltig nicht!!! Aber noch grer war ihr Schock, als sie den Stall betrat. Black Diamonds Box war leer!! Zuerst dachte sie, er wre im Freien mit den anderen Pferden, doch ein kurzer Blick in den Auslauf belehrte sie eines Besseren: ihr Pferd war nicht da!! In Trnen aufgelst rannte sie an Csars Bettchen, ri ihn an sich und lief die Strecke bis zum Haus ihrer Freundin, bei der sie atemlos in einem Sessel niedersank.

"Mein Gott, Kim, was ist denn mit dir los? Du bist doch nicht etwa die ganze Strecke mit deinem Kind hierher GERANNT?"

"Doch, Rosa, ich konnte nicht anders!" brachte Kim unter Atemholen und Schluchzen hervor. "Stell dir vor, mein Pferd ist nicht auf der Hazienda! Und auch von Jos fehlt jede Spur! Ich hatte ihm doch ein Telegramm geschickt, da ich wegen der Beerdigung meiner Gromutter erst heute ankomme. Aber am Flughafen hat niemand auf mich und Csar gewartet, ich mute mir ein Taxi nehmen, dann fand ich erst kein Geld, es zu bezahlen, als ich dann gengend fand, sah ich den Grundbuchauszug der Hazienda, die zur Hlfte mir gehren und auf deren andere Hlfte - die Jos gehrt - eine Hypothek zu meinen Gunsten eingetragen sein sollte - Herr Almerida als alleiniger Besitzer eingetragen ist! Und dann ist auch noch mein geliebtes Pferd verschwunden - ich kann nicht mehr, Rosa! Ich bin am Ende!"

"Nur mal mit der Ruhe, Kim! Sicher wird sich alles aufklren, wenn Jos erst einmal zurck ist. Weit du denn genau, da er dein Telegramm auch erhalten hat? Und vielleicht hat dein Pferd sich verletzt und ist in der Tierklinik? Wer ist denn euer Tierarzt, der mte es doch eigentlich wissen!"

"Oh, Rosa, was wrde ich ohne dich machen? Manchmal denke ich, mein Verstand hat gelitten und ich kann nicht mehr selbstndig denken oder die Ereignisse berschlagen sich einfach und ich komme nicht mehr mit!" seufzte Kim und schpfte neue Hoffnung ob der Worte ihrer Freundin.

"Komm, ich sehe, dein Csar ist eingeschlafen. Wir sagen meiner Haushlterin Bescheid, sie soll auf ihn aufpassen, bis wir wiederkommen. Ich meine, wir mten zuerst einmal den Tierarzt fragen, dann sehen wir weiter.

"Danke, Rosa, du tust so viel fr mich!"

"Ach, das ist doch gar nichts. Erstens zeigt sich wahre Freundschaft erst im Unglck und zweitens stelle ich mir immer vor, das Gleiche wrde mir widerfahren und ich htte niemanden, der mir zur Seite steht! Also los jetzt!" Damit verfrachtete sie Kim in ihrem Auto und sie machten sich auf den Weg in die Stadt. Doch welch eine Enttuschung: Der Tierarzt versicherte Kim, da er weder zu ihrem Pferd gerufen worden wre, noch es in die Klinik eingewiesen habe. Um ganz sicher zu gehen, rief er in Kims Beisein die Klinik fr Grotiere an, doch war dort kein Pferd wie Black Diamond in Behandlung, nur zwei Grauschimmel und eine Fuchsstute wurden dort gepflegt. Kim schwankte, als sie, von Rosa gesttzt, die Praxis des Veterinrs verlie.

"Rosa, wo ist mein Pferd???" hauchte Kim.

"Ich wei es auch nicht!" mute die Freundin zugeben. "Jetzt kannst du nur auf Jos warten, er mu es ja wissen!" Nachdem sie Csar bei Rosa abgeholt hatten, fuhren sie zur Hazienda.

"Soll ich bei dir bleiben, whrend du wartest?" bot Rosa hilfsbereit an, doch Kim wollte der Konfrontation mit ihrem Mann lieber alleine entgegensehen.

"Nein, vielen Dank Rosa, aber das mu ich alleine durchstehen!"

"Wie du meinst, na, dann: viel Glck und hoffentlich lst sich alles zum Guten auf! Ich wnsche es dir!" Damit verabschiedete sich die Freundin und fuhr nach Hause. Kim legte ihren kleinen Sohn schlafen, dann begann die lange Wartezeit. Es war weit nach Mitternacht, als sie Rder auf dem Kies knirschen hrte und aus ihrem Halbschlaf erschpft hoch fuhr. Jetzt schlug das groe Tor zu, dann gingen die Lichter im Salon an.

"Du bist hier?" Jos schien sich kaum auf den Beinen halten zu knnen, so betrunken war er und der Anblick seiner Frau in einem der gemtlichen Ledersessel schien ihn zu erstaunen.

"Ich hatte dir ein Telegramm geschickt, da ich heute komme!"

"Ach, verdammt, das hatte ich ganz vergessen!"

"Ja, so scheint es mir auch!"

"Aber warum bist du nicht in deinem Zimmer?" In irgendeinem Winkel seines benebelten Hirns kam Jos ein kleiner Gedanke. "Hast du auf mich gewartet?"

"Das habe ich! Aus mehreren Grnden!" Kims Stimme klang jetzt schneidend. "WO IST MEIN PFERD???? UND WARUM BIST DU ALLEINBESITZER DER HACIENDA???"

"Ach, du hast geschnffelt? Das schtze ich aber gar nicht, meine Liebe!" Jos hatte nur die letzte Frage Kims mitbekommen.

"Ich habe nicht geschnffelt, wie du es nennst, Jos, ich brauchte Geld fr das Taxi, das mich und unser Kind hierher gebracht hat, da du ja unsere Ankunft vergessen hattest, wie es scheint. Dabei ist mir auch der Grundbuchauszug in die Hnde gefallen. Aber zu meiner anderen Frage: Wo ist Black Diamond?"

"Den gibt es nicht mehr!" In Joss Stimme schwang ein Unterton von Freude mit, der Kim nicht entging.

"Was hast du mit meinem Pferd gemacht? Ich wei, du hast ihn nie geliebt, aber das ist kein Grund, mir zu verschweigen, was mit ihm geschehen ist!" Ihre Stimme zitterte vor Aufregung und gleichzeitiger Angst vor Joss Antwort.

"Er ist tot! Das sollte dir gengen!"

"Tot!!!" Ein Schrei des Entsetzens lste sich aus Kims Kehle. "Wie kann er denn tot sein! Vor zehn Tagen war er noch gesund und munter!"

"Er hatte eine Kolik, daran ist er eingegangen, ich habe ihn dann gleich abfahren lassen. Was soll die Aufregung? Pferde sterben nun einmal wie andere Lebewesen auch und auerdem gehrt es sich nicht, wenn meine Frau reitet. Ich hatte sowieso vor, es dir zu untersagen." bemerkte Jos kalt, dann lie er Kim in Trnen aufgelst stehen und verschwand schweren Schrittes in seinem Zimmer. Fr Kim brach eine Welt zusammen. Sie sollte niemals erfahren, was in Wirklichkeit mit ihrem Pferd geschehen war. War es wirklich gestorben - und woran? War es etwa gestohlen worden, ohne da Jos nachsuchen lie? Oder hatte Jos es eigenhndig verkauft? Diese Fragen sollten niemals eine Antwort erfahren. In dieser Nacht kam der Traum wieder, aber kein junger Mann erschien, sie zu retten.

Als sie Jos am nchsten Mittag, als er unrasiert und mit zerknittertem Gesicht zum Frhstck erschien, zur Rede stellte wegen der Hazienda, schien er nicht aus der Ruhe zu bringen.

"Ich bin der Alleinbesitzer, weil nach spanischem Recht Auslnder keinen Grundbesitz erwerben drfen - und du bist ja Auslnderin!" "Jos, als wir den Kaufvertrag abgeschlossen haben, hast du mir aber etwas ganz anderes gesagt!"

"Kann sein, ich erinnere mich da nicht mehr dran! Jedenfalls kann man das Grundbuch nicht mehr ndern, dein ganzer Zirkus, den du anstellst, ist also umsonst. Ich will auch nie wieder ein Wort darber hren. Und wenn du noch einmal in meinen Sachen herumstberst, wirst du mich kennenlernen! Versuche es also ja nie wieder!"

"Es wird nie wieder vorkommen!" versprach Kim, um ihn zu beschwichtigen. In letzter Zeit hatte sie gelernt, seine Wutausbrche ebenso zu frchten wie seine Annherungsversuche. So vermied sie soweit wie mglich den Kontakt mit ihrem Mann, wenn dieser auf der Hazienda weilte und begann freier zu atmen, wenn er abwesend war. So verging die Zeit. Csar wuchs heran und feierte seinen zweiten Geburtstag. Auch begann er die Spannung zwischen den Eltern zu spren, verlangte fters nach seinem Vater, der sich aber weiterhin nicht um ihn kmmerte, streckte ihm die rmchen bittend entgegen, in der Hoffnung, einmal in die Arme genommen oder gekt zu werden - vergeblich. Wenn Kim Zeugin solcher Szenen wurde, fhlte sie, wie sich ihr Herz zuschnrte. Nein, in diesem Punkt hatte die Gromutter Unrecht: in ihrer Ehe wrde es dem Kind nicht gelingen, die Eltern wieder zusammen zu bringen! Gelang es dem kleinen Bub ja schon nicht, die Zuneigung des eigenen Vaters zu gewinnen! Jos kam eigentlich nur noch auf die Hazienda, wenn er neue Wsche brauchte oder Stiere auswhlte. Kim erfuhr nur noch von ihrer Freundin, die eine Tageszeitung abonniert hatte oder aus dem Fernsehen, wo ihr Mann gerade war. Um des Kindes willen hatte sie bis zu diesem Tage von einer Scheidung Abstand genommen, auch entsprach dieser Schritt weder ihrer Erziehung noch ihrem Glauben, auch wenn sie nicht kirchlich verheiratet waren - Jos hatte diese Zeremonie immer vor sich her geschoben, bis sie in Vergessenheit geraten war. Doch eines Abends erschien Jos - erstaunlicherweise nchtern und begann in seinem Zimmer Koffer mit seinen Habseligkeiten zu fllen. Kim, die gerade vorbei ging und die offenen Koffer sah, konnte nicht an sich halten, zu fragen:

"Gehst du wieder auf Tournee?" Jos hielt nicht mit dem Zusammenlegen seiner Hemden inne.

"Ich verschwinde von hier, bis unsere Scheidung durch ist!" bemerkte er trocken, wie nebenschlich. "Das wird so in zwei Monaten sein! Bis dahin wirst du ja etwas gefunden haben, wo du unterkommst, wenn nicht, kannst du ja wieder nach Irland gehen!" Kim war wie vom Blitz getroffen - wie konnte er ihr hier und so nebenbei erklren, er werde sich scheiden lassen und sie habe die Hazienda zu verlassen!

"Das werden wir ja sehen!" brachte sie noch heraus, dann rannte sie in ihr Zimmer und verschlo die Tr hinter sich. Csar schlief friedlich in seinem Bettchen, nichts ahnend von dem Unglck, das sich ber ihm und seiner Mutter zusammenbraute. Am nchsten Morgen hatte Jos die Hazienda verlassen, Kim sollte ihn nur noch einmal in ihrem Leben wiedersehen. Sie dachte, da Angriff die beste Verteidigung sei und begab sich zu einem in der Nachbarschaft wohnenden Anwalt, den sie ber Jos kennengelernt hatte. Sie wurde sogleich vorgelassen, die freundliche Sekretrin versprach, sich in der Zwischenzeit um Csar zu kmmern, und so stand Kim im Bro des Anwaltes.

"Setzen sie sich, Seora Almerida, wobei kann ich ihnen behilflich sein?" Kim mute erst einmal tief Luft holen.

"Bei meiner Scheidung!" brachte sie schlielich leise heraus, doch der Anwalt hatte es gehrt.

"Sie wollen sich scheiden lassen?"

"Nein, mein Mann hat die Scheidung schon eingereicht, der Schriftsatz wird mir bald zugestellt werden, ich mchte mich aber vorher schon ber meine Rechte informieren!"

"Das ist ihr gutes Recht und auch empfehlenswert, leider kann ich ihnen aber keine guten Mitteilungen machen!" Der Anwalt schien zu zgern, doch Kim bat ihn, ihr doch nichts zu verheimlichen und so fuhr der Anwalt fort: "Sie sind nur zivilrechtlich getraut worden, der Auflsung ihrer Ehe steht also so nichts im Wege. Der Hausbesitz ist auf den Namen ihres Mannes eingetragen - er bleibt also Eigentmer der Hazienda!"

"Das kann ja wohl nicht wahr sein!" brauste Kim auf. "Die Hazienda ist von meinem Geld bezahlt worden, ich sollte mit einer Hlfte ins Grundbuch eingetragen werden, die Hlfte meines Mannes zu meinen Gunsten mit einer Hypothek belastet werden!"

"Ja, Anfangs schon. Aber Seor Almerida hat dann den Auftrag gegeben, da sie Auslnderin seien, besser alles auf seinen Namen zu nehmen, was auch geschehen ist!"

"Ohne mein Wissen, ohne meine Zustimmung!"

"Das ist nicht wahr, ihr Mann hat eine Einverstndniserklrung von ihnen vorgelegt!"

"Mein Gott!" Kim konnte es nicht glauben. "Mein Mann hat meine Unterschrift geflscht, ich htte niemals meine Zustimmung zu solch einer Transaktion gegeben!"

"Das mssen sie schon mit ihrem Mann abmachen!" warf der Anwalt ein, nach der Scheidung knnen sie ja einen Proze anstrengen, sie werden aber wenig Aussicht auf Erfolg haben, da sie ja dann geschieden sind und es ihnen als ble Nachrede untergeschoben wird, wenn sie das Schriftstck anfechten. Ihr Mann hat ja die Scheidung schon eingereicht, sie haben also keine Chance, die Sache etwa noch vor der Scheidung zu begleichen! Aber das ist auch nicht so wichtig!" Kim fhlte den Boden unter ihren Fen schwinden. Was konnte der Anwalt noch zu sagen haben, was wichtiger war, als der Verlust des Hauses? Sie sollte es gleich erfahren. "Viel wichtiger ist die Position ihres Sohnes!"

"Was hat mein Kind damit zu tun? Ich bin die Mutter, der Vater hat sich nie um das Wohl oder Wehe seines Sohnes gekmmert, auerdem ist Csar gerade einmal zwei Jahre alt!" Der Anwalt schttelte traurig den Kopf.

"Hier geht es nicht um das Alter, noch um die Beziehung zwischen Vater und Sohn - hier zhlt allein die Staatsbrgerschaft! Sie sind zwar die Mutter, aber sie sind Auslnderin! Der spanische Sohn wird dem spanischen Vater zugesprochen werden!"

"Nein!!!!!"

Hat sie geschrien oder war es ein stummer Aufschrei, in der Kehle erstickt? Kim wute es nicht zu sagen. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und ergriff in einer Geste wilder Verzweiflung die Hnde des Mannes, die so ruhig auf der glatten Tischplatte lagen.

"Sagen sie, da es nicht wahr ist! Haben sie Erbarmen mit einer armen Mutter! Ich verliere lieber mein Haus und alles, was dazu gehrt - aber lassen sie mir mein Kind!" Der Anwalt streifte mit einer bedauernden Gebrde Kims Hnde von sich ab.

"Gesetz ist Gesetz, daran kann ich nichts ndern - sie htten eben die spanische Staatsbrgerschaft annehmen sollen! Guten Tag!" Kim wute nachher nicht mehr, wie sie zur Tr hinaus gekommen war. Dort spielte die junge Sekretrin noch immer mit Csar. Kim schnappte sich ihr Kind und strmte aus dem Haus, von den verwunderten Blicken der jungen Frau begleitet. In ihrer Verzweiflung achtete Kim nicht auf den Weg, den sie einschlug, nur weg, weg von diesem unmenschlichen Anwalt, der nur sein Gesetz kannte, weg von allem Unglck und Leid, nur weg. So gelangte sie schlielich zum Haus ihrer Freundin. Auf Kims strmisches Klingeln ffnete Rosa die Tr und konnte ihre Freundin gerade noch auffangen, bevor diese, ihr Kind fest umklammert, ohnmchtig zusammenbrach. Rosa zog Kim auf ein Sofa, legte den schreienden Csar auf einen weichen Teppich und gab ihm ein kleines Auto zum Spielen, worauf das Geschrei verstummte. Dann erst kmmerte sie sich um die Mutter. Mit etwas Salmiak brachte sie Kim wieder zu sich.

"Mein Kind, wo ist mein Kind!" schrie diese, als sie Csar nicht mehr sah. Doch Rosa beruhigte sie.

"Er ist hier, auf dem Teppich und spielt!"

"Ich dachte schon, sie htten ihn mir genommen!"

"Aber Kim, was redest du da fr ein dummen Zeug? Ist dir nicht gut? Was ist passiert?"

"Oh, Rosa! Jos lt sich scheiden, die Hazienda gehrt ihm - und auch das Kind!"

"Wie bitte?" Rosa traute ihren Ohren nicht. War die Freundin in einem Fiebertraum? Aber als diese ihr stockend und von Schluchzen unterbrochen den Stand der Dinge, wie ihn ihr der Anwalt mitgeteilt hatte, erzhlte, verstand sie den Zustand der Freundin.

"Kann man denn berhaupt nichts dagegen unternehmen?"

"Ich wei es nicht, habe aber keine Hoffnung! Warum hat mir auch nie jemand geraten, die Staatsbrgerschaft anzunehmen?"

"Es hat wohl nie jemand daran gedacht, da alles so enden knnte und du bist ja auch nicht erfahren in all den rechtlichen Dingen!" wollte sie Rosa trsten, doch Kim sah mit starrem Blick durch sie hindurch.

"Er bekommt Csar nicht, lieber tte ich uns - oder ihn!" brach es aus Kim heraus.

"Kim, Kim, was sind das fr Gedanken? Willst du das Kind und dich tten oder Jos? Was soll das? Hast du den Verstand verloren?"

"So scheint es!" antwortete ihr mit dumpfer Stimme Kim. Pltzlich schien ihr ein Gedanke zu kommen. "Ich werde einfach mit Csar fliehen! Soll er doch versuchen, uns zu finden!" Aber Rosa mute ihr auch diese Idee ausreden.

"Man htte euch schnell gefunden! Die Polizei hat Einsicht in alle Akten, seien es die der Meldebehrde oder des Zollamtes! Wie stellst du dir das denn vor? Wohin willst du gehen, wovon leben? Bald mu dein Sohn in die Schule - unter welchem Namen, mit falschen Papieren etwa?" Bei ihren Worten verfiel Kim in eine tiefe Depression - sie hatte eingesehen, da es keinen gangbaren Ausweg gab: Sie wrde ihr Kind verlieren! Mit einem Aufsthnen sank sie auf das Sofa zurck und blieb leblos liegen. Rosa schickte indessen die Haushlterin nach einem guten Arzt, spielte mit Csar und betete, da es doch noch eine gute Lsung fr Kim geben wrde. Der Arzt diagnostizierte bei Kim einen totalen Nervenzusammenbruch und wollte sie in ein Krankenhaus einweisen lassen, doch als Rosa ihm von den Grnden des Zusammenbruches erzhlte, entschied er, da sie bei der Freundin und zusammen mit ihrem Kind besser aufgehoben sei. Er versprach, jeden Tag vorbei zu kommen und wnschte gute Besserung. Kim dmmerte mehrere Tage zwischen Schlafen und Wachen vor sich hin, nahm fast keine Nahrung zu sich, fragte nur immerzu nach ihrem Kind. Dann brachte Rosa Csar zu seiner Mutter, die ihn fest an sich drckte und heie Trnen weinte. Nach einiger Zeit kam Kim wieder ein wenig zu sich, Rosa versuchte dann, sie auf die Trennung vorzubereiten, da zwischenzeitlich der ber Kims Aufenthaltsort informierte Postbote das amtliche Schreiben bei Rosa abgeliefert hatte. Kim mute den Erhalt besttigen, der Inhalt besagte, da der Scheidungstermin in zwei Wochen war, bis dahin waren alle persnlichen Gegenstnde Kims aus der Hazienda zu entfernen, die Schlssel abzugeben und das Gebude in ordentlichen Zustand zu versetzen. Eine Aufgabe, welche die Shne Rosas bernahmen, die whrend der Ferien nach Hause gekommen waren. Kims Sachen wurden vorlufig in einem leeren Nebengebude bei Rosa untergebracht und Kim behielt vorerst das Gstezimmer, in dem sie seit ihrem Zusammenbruch mit Csar Zuflucht gefunden hatte. So kam der Tag der Scheidung. Rose begleitete Kim und Csar in den Gerichtssaal, wo schon Jos wartete. An seiner Seite befand sich eine blutjunge spanische Schnheit. Nicht lter als sechzehn, aber mit perfektem Krperbau. Sie schmiegte sich an Jos wie eine schnurrende Katze, aller Welt zeigend, da er ihr Besitz sei.

 
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