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PUSZTASTRME 3

Eines Morgens lie die Mutter Oberin Kata zu sich rufen. Als diese in ihrer schwarzen Tracht, welche die Blsse ihres feinen Gesichtes nur noch mehr hervorhob, in das Zimmer der Oberin eintrat, ahnte sie schon, da nun ein erneuter Wandel in ihrem Leben bevorstehen wrde.

"Guten Morgen, Mutter Oberin!" grte das junge Mdchen mit einem Knicks. "Ihr habt mich rufen lassen?"

"Guten Morgen, Kata. Ja, ich lie dich rufen, weil ich sehe, da du wieder so weit gekrftigt bist, da du nun eine Aufgabe bei uns bernehmen kannst. Du weit sicher, da in dem unserem Orden angeschlossenen Spital viele deiner Gefhrtinnen ihren tglichen Dienst verrichten?" fragte die Oberin das junge Mdchen.

Kata nickte, sie wute jetzt, welche Aufgabe ihr zugeteilt werden wrde – und freute sich sogar darauf.

"Das wei ich, ehrwrdige Mutter und es wrde mir sehr gefallen, dort zu helfen." fgte sie hinzu. Die Oberin betrachtete sie mit einem langen, durchdringenden Blick. Was sie sah, erfreute sie. Das junge Mdchen schien sich von seinem krperlichen Leiden endlich gut erholt zu haben und auch die Wunden seiner Seele schienen langsam zu vernarben. Die neue Aufgabe wrde ihr noch mehr helfen, sie von ihrem Kummer ablenken und ihr endlich das Gefhl geben, ihren Dank den Nonnen gegenber abtragen zu knnen. Deshalb hatte die Mutter Oberin am Vortage das Spital besucht und sich lange mit dessen Leiterin beraten. Auer einigen Schwerkranken, welche stndige rztliche Aufsicht bentigten, gab es mehrere Patienten, welche an dem einen oder anderen Gebrechen litten, aber weder Geld noch Angehrige hatten, um an einem anderen Platz leben zu knnen. Nach langem Zaudern war ihre Wahl auf einen jungen Mann gefallen, einen Maler, welcher durch eine rtselhafte Krankheit an den Rollstuhl gefesselt war. Zwar waren die Nonnen sich dessen bewut, da die Konstellation – junger Mann und junges Mdchen – gewisse Gefahren in sich bergen knnte, doch entschied schlielich die berzeugung der Mutter Oberin, da Kata nach dem Erlebten sicherlich nicht den Wunsch verspren wrde, sich einem Mann zu nhern und da der fragliche junge Mann wohl kaum in der Lage sein wrde, ihr zu nahe zu treten. So also setzte die Mutter Oberin ihre Rede fort.

"In unserem Spital lebt ein junger Mann – sein Name ist Tibor – er ist Maler und gelhmt. Wir haben dich dazu auserwhlt, seine Pflegerin und vor allem seine Gesellschafterin zu sein, denn auer dem Gebrauch seiner Beine hat er auch die Lust am Leben verloren. Vielleicht knnte es dir gelingen, ihm seinen Lebenswillen zurck zu geben." Kata zauderte.

"Ich bin geehrt durch euren Glauben in mich, ehrwrdige Mutter – aber ich mchte eigentlich nicht mit einem Mann ..... ihr versteht schon, was ich meine..." flsterte sie kaum hrbar. Die Oberin wute nur zu gut, wovor das junge Mdchen Angst hatte, aber sie blieb unerbittlich, auch das gehrte mit zur Verarbeitung des Erlebten.

"Mein Kind, ich traue dir mehr zu, als du dir selbst! Dies ist eine Prfung fr dich, sie kann aber heilsam fr euch beide sein!" meinte die Oberin bestimmt.

"Auerdem ist es schon entschieden – du fngst morgen frh mit deinem Dienst im Spital an." Damit entlie sie das junge Mdchen, welches sich in Gedanken versunken auf den Weg in die kleine Kapelle machte, um dort im Gebet die Kraft fr den kommenden Tag zu finden.

Am nchsten Morgen kam eine der Nonnen zu Kata und fhrte sie ins Spital. Das junge Mdchen schritt zunchst noch zaudernd durch die sauberen Gnge, bis die Nonne vor einer Tr stehenblieb und anklopfte.

"Herein!" ertnte von drinnen eine angenehme, mnnliche Stimme, dann ffnete die Nonne die Tr und trat ein, gefolgt von der noch immer zaudernden Kata.

"Guten Morgen, Herr Tibor!" grte die Nonne einen jungen Mann, welcher in einem Rollstuhl sa, vor sich eine niedrige Staffelei.

"Guten Morgen, Schwester Mria!" grte der junge Mann und schaute verwundert auf Kata, die scheu und mit niedergeschlagenen Augen an der Tr stehengeblieben war.

"Wen bringt ihr mir denn da?" Die Nonne drehte sich um und winkte Kata zu sich heran.

"Das ist Kata, Herr Tibor! Sie lebt in unserem Kloster und wir, das heit die ehrwrdige Mutter Oberin und die Oberin des Spitals, haben beschlossen, da sie euch als Pflegerin und Gesellschafterin dienen soll." Der junge Mann schaute sich nun das Mdchen interessiert an, konnte aber fast nichts von ihr sehen, denn sie hielt die Augen weiter gesenkt und ihre Tracht verdeckte alle Linien ihres Krpers.

"Sie ist ein wenig verlegen, mein Herr, denn heute ist ihr erster Tag im Spital und alles noch sehr ungewohnt fr sie, bitte helft ihr also ein wenig bei der Eingewhnung." bat die Nonne. Dann wendete sie sich an Kata.

"Mein liebes Kind, ich lasse dich jetzt mit Herrn Tibor alleine, da knnt ihr euch besser kennenlernen. Auf Wiedersehen, Herr Tibor!" Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Zimmertr, die sie hinter sich ins Schlo zog, noch bevor der junge Mann oder Kata sich von ihr verabschieden konnten.

Kata stand nun zitternd mit noch immer niedergeschlagenen Augen vor dem jungen Mann, bereit, jeden Moment die Flucht zu ergreifen, sollte dieser sich ihr nhern wollen. Doch der Maler schaute sie nur mit einem durchdringenden Blick an.

"Man hat dich gezwungen, mich zu pflegen!" Das war eine Feststellung, doch das junge Mdchen reagierte auch jetzt noch nicht. Verwundert schttelte der junge Mann den Kopf.

"Wie sollst du mir Gesellschaft leisten, wenn du nicht redest – hast du etwa Angst vor mir?" zuckte ihm ein Gedanke durch den Kopf. Da er damit das Richtige getroffen hatte, bewies ihm Katas Reaktion: sie senkte ihren Kopf noch tiefer, damit er die Trnen nicht sehen sollte, welche ihr nun vor Verzweiflung die Wangen hinunter rannen. Der junge Mann machte eine kleine Bewegung, um seinen Rollstuhl ein wenig nher an Kata zu bringen, doch lie ihn die pltzliche Panik in ihren weit aufgerissenen Augen innehalten. Endlich konnte er ihr ins Gesicht blicken – und was er sah, erstaunte ihn: sie war trotz ihrer Tracht und dem verweinten Gesicht wunderschn! Das gebte Auge des Malers erkannte die feinen Linien und edlen Gesichtszge trotz der Trnen und der panisch aufgerissenen Augen.

"Ich tue dir doch nichts!" versuchte er sie mit seiner warmen Stimme zu beruhigen. "Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Auerdem bin ich doch an diesen Stuhl hier gefesselt." bemerkte er mit tonloser Stimme, in der all seine Verzweiflung ber sein Gebrechen schwang. Dieser Tonfall lie Kata aufhorchen, diese Verzweiflung war auch ihr bekannt! Schon begann ihre Angst zu schwinden, denn hier war sie auf einen Leidensgenossen getroffen! Sie wischte sich die Trnen ab und sprach zu erstem Mal mit dem jungen Mann.

"Verzeiht mir mein Verhalten, Herr Tibor! Aber das hier ist alles so neu fr mich...."

"Du brauchst mich nicht um Verzeihung zu bitten, mein Kind." antwortete ihr mit ruhiger Stimme der Maler.

"Ich kann deine Gefhle verstehen und spre, da auch du Schweres hinter dir hast." Kata nickte.

"Das ist richtig, aber darber mchte ich nicht sprechen, mein Herr!"

"Das brauchst du auch nicht. Aber bitte nenne mich doch Tibor, das heit, wenn du akzeptierst, da ich dich dann mit Kata anreden darf." bat der junge Mann. Nun erst wagte Kata, einen genaueren Blick auf den jungen Mann vor ihr zu werfen. Sie sah zwei traurige, braune Augen unter dunklen, hoch gewlbten Brauen, eine Stirn, in welche eine widerspenstige Locke seines ihm bis auf die breiten Schultern reichenden, gelockten braunen Haares fiel, welches auch seine Ohren bedeckte. Er hatte hohe Wangenknochen, eine gerade Nase, ein mnnlich markantes Kinn und einen sensiblen Mund. Wrde er nicht im Rollstuhl sitzen, knnte sie seine hohe Gestalt bewundern, welche ehemals sportlich gesthlt war, denn er war einst ein ausgezeichneter Reiter, Fechter und Schwimmer gewesen, bevor er den Gebrauch seiner Beine verloren hatte. Er trug ein sauberes, weies Hemd und eine dunkelgrne Weste, alles andere aber wurde von einer karierten Decke verhllt.

"Ihr drft es – Tibor!" antwortete ihm das junge Mdchen zgernd und reichte dem Maler die Hand, welche dieser zart ergriff.

"Ich danke dir, Kata! Setze dich doch bitte hier auf diesen Stuhl, damit wir uns einander besser vorstellen knnen." bat der junge Mann und zeigte auf einen einfachen Holzstuhl, der neben einem kleinen Tischchen stand - und dieses Mal gehorchte Kata seiner Bitte. Tibor brachte seinen Rollstuhl vor ihr zum Stehen und begann.

"Man nennt mich Tibor, den Maler, denn meine Familie hat mich schon vor langer, langer Zeit verstoen, so da ich keinen anderen Namen mehr trage." erklang es bitter aus seinem Mund. "Ich male und zeichne fr mein Leben gern und habe die Kunst zu meinem Beruf gemacht. Auerdem hilft sie mir, denn als Gegenleistung fr meine Betreuung hier im Spital male ich den Nonnen Heiligenbilder oder frische die Farben der in der Kirche stehenden, geschnitzten Statuen auf. Manchmal fertige ich auch Bildnisse von Damen und Herren des Brgertums an, aber am liebsten male ich Szenen aus der Natur. Obwohl" fgte er traurig hinzu, "ich mir diese jetzt aus meiner Erinnerung hervor kramen mu, denn seitdem ich den Gebrauch meiner Beine verloren habe, bin ich nicht mehr aus dem Spital heraus gekommen." seufzte er und tiefe Trauer ber den Verlust seiner Bewegungsfhigkeit schwang in seiner Stimme.

"Tibor, erzhlt mir doch bitte, wieso und seit wann ihr gelhmt seid." bat Kata scheu den jungen Mann, fgte jedoch als sie den schmerzlichen Zug sah, der sein schnes Gesicht berzog, schnell hinzu:

"Das heit, wenn ihr es wollt und knnt." Tibor zuckte zusammen und schluckte schwer.

"Es fllt mir noch immer nicht leicht, darber zu sprechen, aber um dir zu zeigen, da ich Vertrauen zu dir habe und deine Anwesenheit mir angenehm ist, will ich dir mein Schicksal erzhlen." Er senkte seinen Kopf, so da seine langen, gelockten Haare ihm vor die Augen fielen und so seine Gesichtszge ihrem Blick verbargen.

"Ich war einst ein sehr sportlicher Mann." begann er stockend seinen Bericht. "Zwar sieht man es mir heute nicht mehr an, aber ich hatte einst nicht wenig Erfolg als Reiter, die meisten meiner Kmpfe mit dem Florett konnte ich gewinnen und auch im Schwimmen fand sich so leicht keiner, der mir htte gefhrlich werden knnen. Meine Reisen hatten mich in viele Lnder der Erde gefhrt, wo ich mich in den unglaublichsten Situationen behaupten mute. Dabei hatte ich aber immer nur die Suche nach neuen Erlebnissen und Eindrcken fr meine Malerei im Sinn. Kannst du dir vorstellen, welch sanfte Farben ein Sonnenuntergang in Italien hervorbringt?" fragte er das junge Mdchen und seine Stimme hatte bei dieser Frage einen ganz neuen, schwrmerischen Klang erhalten. Als er aufschaute, sah er in ihre erstaunten Augen.

"Ich kann es mir nicht vorstellen, aber ich glaube, da es fr einen Knstler eine groe Bedeutung hat, denn selbst ich kann mich immer wieder an den Farbtnen der Natur erfreuen." meinte Kata nachdenklich.

"Ihr wart also auch in Italien?" fragte sie den jungen Mann, um dem Gesprch eine Fortsetzung zu geben.

"Ich war nicht nur in Italien, ich habe auch Frankreich, Spanien und Griechenland besucht. Zuletzt war ich in gypten, um die Kunstwerke der frhen Pharaonen zu bewundern und zu studieren. Als ich nach Hause kam, befiel mich ein schlimmes Fieber, ich ging ins Spital und fiel wenig spter in ein tiefes Koma. Als ich nach ein paar Tagen wieder daraus erwachte - war ich gelhmt!" sagte er und seine Stimme brach. Von Mitleid ergriffen, nahm Kata die schmale Hand mit den langen Fingern, die so gut den Pinsel und Stift zu fhren verstanden, in ihre kleinen Hnde.

"Konnten die rzte euch denn nicht helfen?" fragte sie verwundert. "Ich meine, es war der Lhmung doch kein Unfall oder etwas hnliches vorausgegangen."

"Nein, die rzte standen und stehen noch immer ratlos vor meinem Fall. Noch nie hat jemand gehrt, da ein Fieber Auslser einer Lhmung sein knnte, zumal, wie Untersuchungen ergeben haben, kein wichtiges Teil meines Krpers geschdigt ist und auch keine nervlichen Grnde vorhanden sind." meinte Tibor und zuckte bedauernd mit den Schultern. "Der Spezialist, den die Nonnen konsultiert hatten, fate sein Urteil so zusammen: ich sei ein medizinisches Wunder, knne also auch nur auf ein Wunder hoffen, welches mir eventuell den Gebrauch meiner Beine zurckgbe." seufzte er. "Und damit ist mir nicht viel geholfen!"

"Ich kann verstehen, wie euch zumute ist," flsterte Kata, "dennoch solltet ihr froh darber sein, da das Schicksal euch zum Beispiel nicht das Augenlicht genommen hat, so knnt ihr immer noch Zuflucht in der Kunst suchen."

Tibor blickte erstaunt auf, zog seine Hand aber nicht zurck. Er mute zugeben, da die Berhrung dieser kleinen Mdchenhand etwas Trstendes an sich hatte und auch ihre Worte zeigten ihm, da sie sehr verstndnisvoll und einfhlsam war.

"Das ist schon richtig, Kata!" antwortete er nach kurzem Nachdenken, "Doch wenn du mein vorheriges Leben gekannt httest, wrdest du verstehen, warum ich mir manchmal in meinen einsamen Nchten den Tod wnsche."

"Das drft ihr nicht sagen!" fuhr Kata auf. "Nichts kann so schlimm sein, da man sich den Tod......" dann brach sie ab, denn sie erkannte, da sie am allerwenigsten sich als Richterin aufspielen durfte, hatte sie sich doch vor gar nicht so langer Zeit selbst gewnscht, lieber tot als lebend zu sein. Tibor erkannte aus ihrem Zgern, da es einen Punkt im Leben des jungen Mdchens gegeben haben mute, welcher auch sie vor die schwere Frage gestellt hatte, ob es denn wert sei, das Leben weiterzufhren. Sollte er in ihr eine Leidensgefhrtin gefunden haben? Um ihr aus der Klemme ihres Gewissens zu helfen, fuhr er mit seinem Bericht fort.

"Seit zwei Jahren lebe ich nun hier im Spital und die Nonnen waren so freundlich, mir die Mglichkeit zum Malen zu geben. Sie bringen mir Pinsel und Farben, oft etwas Leinwand oder Holz aus Sammlungen, damit ich meine Fhigkeiten nicht verliere. Aber die Erinnerungen werden immer blasser und oft suche ich lange Zeit nach dem richtigen Farbton, ohne ihn je ganz treffen zu knnen."

"Habt ihr das Spital denn noch nie verlassen?" fragte Kata erstaunt. Der junge Maler schttelte den Kopf.

"Zum einen hatte ich nicht den Wunsch danach und zum anderen wollte ich die Nonnen nicht noch mit mehr Arbeit belasten. Die armen Frauen eilen ja sowieso den ganzen Tag von einem der Patienten zum anderen, um jedem die bestmgliche Pflege angedeihen zu lassen." antwortete er. In den Augen des jungen Mdchens blitzte es auf:

"Aber jetzt bin ich ja da! Ich werde euch in den Garten fahren, damit ihr wieder einmal an die frische Luft kommt und euch an den Wundern des Frhlings erfreuen knnt!" rief sie frhlich aus. "Beginnen wir doch gleich damit!" Zuerst wollte Tibor abwehren, doch dann fhlte er, da er den Enthusiasmus des jungen Mdchens nicht zerstren drfe und so stimmte er schlielich zu.

"Wenn du meinst .............."

"Aber natrlich! Verget das Skizzenbuch nicht, ihr findet im Garten sicherlich ein paar Motive fr eure nchsten Bilder." sagte Kata und schaute sich auch schon nach dem Buch um.

"Es liegt auf dem kleinen Nachttisch." half ihr Tibor bei der Suche. "Ich kann sehr oft nicht gut schlafen, da zeichne ich noch ein wenig. Im Liegen ermdet das mich sehr, also ist es die beste Medizin gegen Schlaflosigkeit."

Kata brachte ihm das Buch und einige Bleistifte, die daneben gelegen hatten und legte sie ihm in den Scho. Dann schob sie den Rollstuhl vorsichtig in den Garten. Der junge Mann war im ersten Moment von der frischen Luft und dem wohltuenden Duft der blhenden Bume wie betubt, doch dann atmete er in tiefen Zgen und fragte sich, warum er sich nur all die ganzen Monate lang in seinem Zimmer vergraben hatte. Doch die Antwort fiel ihm nicht schwer: er war ja immer allein gewesen und hatte seiner Verzweiflung freien Lauf gelassen. Jetzt aber hatte er eine Begleiterin, die ihm schon nach kurzer Zeit neuen Lebensmut zu geben schien.

"Vielen Dank, da du mich hierher gebracht hast!" lchelte er Kata zu. "Ich gebe zu, erst jetzt merke ich, wie sehr ich die freie Natur vermit habe! Deine Gegenwart wirkt wahre Wunder!" Vor so viel berschwang schlug das junge Mdchen verschmt die Augen nieder. Der erste Ausflug in den Klostergarten dauerte nicht sehr lange, dennoch hatte Tibor, bevor er ermdete, Zeit gefunden einige Skizzen anzufertigen. Als Kata sah, da sich seine Augen immer fter von selbst schlossen, stand sie von der Bank auf, auf welcher sie gesessen hatte und brachte den jungen Mann wieder auf sein Zimmer zurck. Dort legte sie Skizzen und Stifte auf den kleinen Tisch, half dem Maler, sich auf sein Bett zu legen und berlie ihn dem Schlaf – und seinen Gedanken. Tibor war zwar von dem Ausflug ermdet, konnte aber trotzdem keine Ruhe finden. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu dem jungen Mdchen zurck, welches so unverhofft in sein Leben getreten war und es schon nach wenigen Stunden erreicht hatte, da er sich besser fhlte, als je zuvor seitdem er den Gebrauch seiner Beine verloren hatte. Er sah ihre schmale Gestalt vor sich, das zarte Gesicht mit den zuerst vor Angst so dunklen Augen und hrte wieder ihr leises Lachen, als sie sich im Garten ber eine uerung von ihm freute. Doch erinnerte er sich auch daran, wieviel Schmerz in ihrer Stimme gelegen hatte, als sie von Tod und Leiden sprach. Tibor fragte sich, was wohl dieses liebenswerte Mdchen erlitten habe, doch konnte die Antwort nur von Kata selbst kommen. Endlich bermannte ihn dann doch der Schlaf, aus welchem er erst am Abend wieder, neu gestrkt, erwachte.

Kata war inzwischen ihren anderen Pflichten im Spital nachgegangen und hatte in der Stille der kleinen Kapelle fr die Genesung des jungen Mannes gebetet. Der schmerzliche Ausdruck in seinen schnen Augen erinnerte sie an das eigene Schicksal und sie gelobte, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dem jungen Maler die Freude am Leben wiederzugeben.

Die folgenden Tage verbrachte sie immer fter in der Gesellschaft des jungen Mannes, nicht nur, weil dies die ihr auferlegte Pflicht war, sondern weil sie sich in seiner Gegenwart wohlzufhlen begann. Die Gesprche mit dem intelligenten Maler bereiteten ihr groe Freude und auch Tibor war es anzumerken, da er die Gesellschaft des jungen Mdchens geno. Katas anfngliche Furcht vor dem MANN war verschwunden, sie sah in ihm einen Leidensgenossen, mit welchem sich auf angeregte Weise die Zeit verbringen lie.

"Du hast mir noch immer nichts von dir berichtet," meinte Tibor eines Tages whrend eines Aufenthaltes im menschenleeren Klostergarten zu Kata, als sie sich schon eine lngere Zeit kannten und er den Zeitpunkt fr gekommen hielt, ein wenig ber das junge Mdchen, welches ihn so aufopferungsvoll und mit tiefer Hingabe pflegte, zu erfahren. Als er aber den Zug tiefen Schmerzes sah, welcher bei seinen Worten das Gesicht des Mdchens berzog, htte er sich am liebsten die Zunge abgebissen und seine Worte rckgngig gemacht.

"Verzeih mir, Kata! Ich wollte dir nicht zu nahe treten!" flsterte er und streckte seine Hand um Vergebung bittend aus. Das junge Mdchen fhlte seine Verlegenheit, stand von der Bank auf, auf welcher sie vorher neben seinem Rollstuhl gesessen hatte und kniete vor ihm nieder. Sie legte ihre zarte Hand in die feingliedrigen Finger des Malers und hauchte mit gesenktem Kopf:

"Ich verzeihe euch, Tibor, denn wenn es mir auch sehr schwer fllt, ihr habt nach so langer Zeit das Recht dazu, etwas ber mich zu erfahren."

"Ich habe kein Recht dazu, wenn es dir Leiden bereitet!" bekrftigte der junge Mann. "Nur wenn du dich stark genug fhlst, und denkst, da ich es wert bin, da du mir dein Vertrauen schenkst, dann bitte ich dich darum, mir von dir zu erzhlen."

Kata nickte leicht und schaute dann mit trnenfeuchten Augen zu ihm auf.

"Ihr sollt alles ber mich erfahren, denn ich vertraue euch!" hauchte sie leise. Noch immer vor ihm kniend begann sie mit ihrer Erzhlung.

"Ich bin die Tochter eines Pferdehirten und einer kleinen Landadeligen. Meine Eltern waren bis zu ihrem frhen Tode in tiefer Liebe vereint, auch wenn die Ehe als eine Mesalliance angesehen wurde. Ich wuchs von Liebe umgeben in der Puszta auf, wir fhrten ein hartes aber glckliches Leben zusammen mit unseren Tieren. An ihrem Todestag weihte mich meine Mutter in ein schmerzliches Geheimnis ein: Meine Urgromutter, die wohl so etwas wie eine Hexe gewesen sein mu, hatte die Familie mit einem Fluch belegt, da sie die Heirat meiner Mutter mit einem armen Pferdehirten nie fr gut geheien hatte. Der Fluch besagte, da der Familie immer dann ein Unglck widerfahren wrde, wenn ein groes Unwetter kme." schluchzend brach sie ab, denn zu gewaltig war die Erinnerung an die Schicksalsschlge, welche sie und ihre Familie bei jedem groen Unwetter getroffen hatten. Tibor beugte sich aus seinem Stuhl und umschlang schtzend das zitternde Mdchen mit seinen starken Armen.

"Kata, Kata! Wenn es dir zuviel wird, dann hr auf mit deinem Bericht! Ich kann es nicht ertragen, wenn du wegen meiner dummen Neugier leiden mut." Doch das junge Mdchen schttelte nur leicht den Kopf:

"Es mu ja doch einmal aus mir heraus, vielleicht bringt es mir sogar Erleichterung, wenn ich mein Leid mit einem Gefhrten teilen kann!" flsterte sie unter Trnen, dann hatte sie sich wieder ein wenig gefat und setzte ihre Erzhlung fort, ohne sich dessen bewut zu werden, da der junge Mann sie noch immer zart umschlungen in seinen Armen hielt.

"Der Fluch mu sehr wirksam gewesen sein, denn in einer schrecklichen Unwetternacht, welche ich nie vergessen werde, starb meine liebe Mutter viel zu frh an einem unheilbaren Leiden und auch mein Vater wurde von seinem Schicksal an einem solch schrecklichen Tag ereilt. Als er whrend eines schweren Unwetters die Herde retten wollte, erschlug ihn der letzte Blitz des Gewitters zusammen mit seinem Pferd." Wieder unterbrach sich das junge Mdchen, von der Erinnerung berwltigt und versuchte, die Trnen, welche ihr in den Augen standen, zu verbergen. Doch Tibor ahnte sie mehr, als er sie sah, holte ein Taschentuch hervor und trocknete ihr mit einer zrtlichen Geste die salzigen Tropfen. Als Kata ihn dankbar anschaute, gewahrte sie den Ausdruck tiefsten Mitgefhls in den Zgen des jungen Malers. Es war ihm deutlich anzusehen, da auch er unter der Tragik des Schicksals des jungen Mdchens litt. Sanft strich er ber die blassen Wangen und sie fuhr tapfer fort:

"Ich war nun gnzlich verwaist und konnte den Hof nicht lnger halten, auch wurde mir der Verlust meiner Eltern in dem Hause immer wieder in Erinnerung gerufen. Ich bat also eine Tante, mir bei der Suche nach Arbeit in der Stadt zu helfen. Zwar versprach sie mir dies auch, doch als ich zu ihr kam, mute ich erkennen, da sie mich nur als billiges Dienstmdchen verwenden wollte. Ich mute mir das Bett mit dem Hausmdchen teilen und verrichtete nur die schwersten und schmutzigsten Arbeiten. Nach einiger Zeit wurde meine Tante mir berdrssig, obwohl das Wenige, was ich an Kost und Logis erhielt, reichlich durch meine Arbeit abgeleistet wurde. Sie ver....schacherte mich an eine Bekannte von ihr, welche mich als Dienstmdchen bei sich einstellte. Dort htte ich es wider Erwarten ganz gut gehabt, wenn es nicht dort ihren Sohn gegeben htte!" hauchte Kata und verbarg ihr Gesicht in den Hnden, damit Tibor die Schamrte nicht sehen solle, welche sie bei ihren nun folgenden Worten berzog. Kaum hrbar erzhlte sie nun von den schrecklichen Stunden der Pein, welche ihr der junge Baron zugefgt hatte. Immer wieder von Schluchzern unterbrochen und von Schauern geschttelt erffnete sie dem jungen Mann die in ihrem tiefsten Innern bislang verborgen gehaltenen ngste und Qualen. Als sie erschpft innehielt und unter den gesenkten Lidern hervor dem jungen Maler ins Gesicht schaute, gewahrte sie, da auch ihm die Trnen in den Augen standen.

"Oh Gott! Kata! Mein armes Kind! Was hast du alles in deinem jungen Leben schon an Bsem erfahren mssen!" flsterte er heiser und schmte sich der Trnen des Mitgefhles nicht, welche ihm ber die Wangen liefen. "Du glaubst also fest daran, da alle diese schrecklichen Dinge mit dem Fluch deiner Urgromutter in Verbindung stehen knnten?" fragte er dann Kata und zu seinem Erstaunen nickte sie.

"Ja, das glaube ich! Es kann nicht nur Zufall sein, wenn so schreckliche Dinge immer wieder dann geschehen, wenn es schwere Unwetter gibt. Der Fluch hat mir meine Eltern geraubt, er hat mich schrecklich heimgesucht und wird wohl nur mit meinem Tod gebrochen sein, denn aufheben knnte ihn nur ein frohes Ereignis, welches in der dritten Generation – also bei meinen Kindern - in einer Unwetternacht geschieht. Kinder aber werde ich so, wie ich bin, wohl nie haben, ebensowenig wie einen Ehemann." seufzte das junge Mdchen.

"Die Zeit kann viele Wunden heilen und auch du wirst dich vielleicht einmal verlieben und heiraten wollen."

"Das knnte schon sein." meinte Kata nachdenklich. "Obwohl ich es mir zur Zeit nicht vorstellen kann. Nur sagt mir, Tibor, ihr als Mann mtet es ja wissen, wer wird mich denn noch so, wie ich bin, zur Frau nehmen wollen?" stellte sie ihm die Frage. Der junge Maler zgerte. Sollte er ihr sagen, da er sie, wenn er noch laufen knnte, sehr wohl als Ehefrau in Betracht ziehen wrde, egal, was mit ihr vorher geschehen war? Sollte er ihr sagen, da er ihren Mut zu leben, bewundere und es sicher Mnner gbe, welche sie ihres Charakters und ihrer Schnheit wegen zur Frau nehmen wrden? Sollte er sie enttuschen und ihr sagen, da sie fr immer gebrandmarkt sei, auch wenn sie selbst nichts dafr knne? Sie erkannte seine Qual, ihr eine Antwort zu geben und senkte den Kopf.

"Seht ihr, ihr wit es selbst nicht! Also wird sich der Fluch weiter erfllen, wer wei, welche Pein noch auf mich wartet?"

Um sie von den dsteren Gedanken abzubringen, fate sich nun auch Tibor ein Herz:

"Mchtest du gerne hren, was in gypten geschehen ist, bevor ich zurckkam und auf unerklrliche Weise den Gebrauch meiner Beine verloren habe?" fragte er das junge Mdchen und Kata nickte. Tibors Blick schweifte in die Ferne, so, als ob er in Gedanken noch einmal zu seiner Reise in das Land der Pharaonen aufbrechen wrde.

"Wie ich dir schon erzhlt habe, wollte ich gypten besuchen, um dort Eindrcke fr meine Bilder zu sammeln und die viele tausend Jahre alte Kultur der Pharaonen zu bestaunen. Die berfahrt war recht strmisch und so war ich froh, fr kurze Zeit bei unserem Konsul in einem Gstehaus seiner Residenz ausruhen zu drfen. Ich schlo mich aus Grnden meiner beschrnkten geldlichen Mittel einer Karawane an, welche auf den alten Handelswegen bis nach Luxor und Theben reisen wollte. Am Tag der Abreise kaufte ich mir noch die bei den Beduinen blichen Gewnder, um nicht sofort als Auslnder erkannt zu werden, sowie einige billige Dinge, von welchen man wir sagte, da sie bei den Beduinen sehr beliebt seien. Auch fhrte ich als Waffe einen kleinen Revolver mit und hatte mir einen alten Sbel, welchen ich auf einem Trdelmarkt fr einige Pfennige erstanden hatte, umgeschnallt. Der Anfhrer der Karawane fhrte mir eine feurige Stute arabischer Zucht als Reittier vor, welche wohl nicht zu den besten Tieren seiner Karawane gehrte, mir aber doch einen Ausruf des Erstaunens entfahren lie. Solch herrliche Pferde hatte ich bisher noch nie zu Gesicht bekommen. Ich stieg also auf und die Karawane, welche aus mehr als fnfzig voll beladenen Kamelen und den Reitpferden der Begleiter bestand, setzte sich auf einen Ruf des Anfhrers hin in Bewegung."

"Oh wenn ich doch auch nur einmal in meinem Leben eines dieser herrlichen Geschpfe zu Gesicht bekommen knnte!" seufzte Kata mit einem Ausdruck kindlichen Verlangens in ihrem zarten Gesicht. "Ich bin zwar mit und unter Pferden aufgewachsen, kenne aber das arabische Blut nur vom Hrensagen. Zwar soll es einige dieser wunderbaren Pferde auch hier bei uns geben, ich hatte aber noch nie die Gelegenheit, eines zu bewundern."

"Vielleicht geht dein Wunsch ja eines Tages in Erfllung!" meinte der junge Maler. "Ich habe frher auch Pferde fr ihre Besitzer gemalt, vielleicht erhalte ich wieder einmal einen solchen Auftrag, dann mtest ich dich sowieso bitten, mitkommen, denn alleine schaffe ich das ja alles nicht mehr!" entfuhr seiner Brust ein tiefer, trauriger Seufzer und wehmtig schaute er auf seine Beine, welche ihm auf so unerklrliche Weise den Dienst versagten.

"Erzhlt mir mehr ber eure Reise!" bat ihn jetzt das junge Mdchen.

"Die ersten Tage vergingen ziemlich eintnig." fuhr Tibor in seinem Bericht fort. "Die Beduinen befolgten streng ihre Gebete, ich ging, um sie als Unglubiger nicht zu stren, dann immer ein wenig zur Seite und fertigte schnell ein paar Skizzen an. Trotz der Eintnigkeit der uns umgebenden Natur fand ich immer wieder neue Motive, sei es ein Kamel beim Trinken an einem der raren Brunnen, welche wir auf unserer Reise fanden, sei es eine Felsformation oder auch nur ein Skorpion, welcher mit hoch aufgerichtetem Stachel drohte. Spter gelangten wir dann in ein Duar, wo wir fr einige Zeit Rast machten. Auch hier fand ich wieder gengend Mue, meine Sammlung an Eindrcken zu Papier zu bringen. Einen Tag nach unserer Abreise von dort trafen wir auf einen ziehenden Beduinenstamm. Unser Fhrer meinte zwar, diese Menschen wren freundlich gesinnt, riet aber doch zu besonderer Vorsicht. Aus dem langen Zug der Nomaden lsten sich einige Reiter, welche auf ihren Pferden in wildem Galopp heran gebraust kamen und ihre Waffen, lange Flinten oder Speere ber ihre Kpfe wirbelten. Schon wollte mir Angst werden, da sagte der Fhrer nur ein Wort: Phantasia! Das war also eine Begrung auf Beduinenart! Einige Zentimeter vor der Nase des Pferdes unseres Fhrers machte die wilde Jagd halt, dann folgte eine laute Begrungszeremonie, spter wurden wir alle zu dem Scheik der Beduinen gefhrt. Ich hielt mich in angemessenem Abstand, denn als Fremder hatte ich hier wenig zu suchen. Um so mehr berraschte es mich, als unser Fhrer auf mich deutete und der Scheik mich heranwinkte. Ich grte mit einer tiefen Verbeugung und einigen englischen Worten der Begrung. Der Scheik nickte und bat uns in sein whrenddessen schnell errichtetes Zelt. In Windeseile entstand um uns herum das ganze Lager und auch unsere Karawane lie sich zur Ruhe. Wir erhielten das Ehrenmahl, danach deutete der Scheik auf den Sbel, welcher noch immer an meiner Seite hing. Ich berreichte ihm die Scheide mit der Waffe, er zog diese vorsichtig heraus – und ihm entfuhr ein leiser Laut der Bewunderung. Danach sprudelte er die Worte nur so heraus, wahrscheinlich wollte er wissen, woher ich den Sbel hatte. Fast ehrfrchtig berhrte er die Klinge und las den anderen die darauf in arabischen Schriftzeichen eingravierten Worte vor. Ein Raunen des Staunens ging durch die Menge und mir wurde klar, da diese in meinen Augen fast wertlose und billig erstandene Waffe fr den Scheik eine besondere Bedeutung haben mute. Mein Entschlu war schnell gefat: Mit einer eindeutigen Gebrde gab ich dem Scheik zu verstehen, da ich ihm die Waffe als Geschenk berlassen wrde. Er schaute mich mit weit aufgerissenen, unglubigen Augen an, sprang dann, als ich ihm mit einem Nicken noch einmal versicherte, da die Waffe sein sei, auf, lief aus dem Zelt und kam nach einigen Minuten – mit einem Pferd wieder hereinspaziert! Das Tier war das prchtigste Exemplar seiner Rasse, welches ich je gesehen hatte! Eine dunkelrote Fuchsstute mit wie Gold glnzender Mhne und einem langen, seidigen Schweif derselben Farbe folgte dem Scheik wie ein zahmes Hndchen vorsichtig durch die berall herumsitzenden Menschen. Der Scheik lie sie vor mir halten und legte mir den langen Fhrstrick in die Hnde. Das war eindeutig: Die Stute gehrte von jetzt an mir! Mir wollte es fast die Sprache verschlagen! Solch ein prchtiges Tier fr einen rostigen, alten Sbel einzutauschen, das war nicht gerecht. Ich versuchte dies dem Scheik mit Gebrden zu erklren, er wollte oder konnte mich aber nicht verstehen. So nickte ich zustimmend, beschlo aber in meinem Innern, die Stute ihrem Besitzer wieder zurckzugeben. Am nchsten Morgen, als wir nach dem Morgengebet fertig gerstet zum Aufbruch waren, nahm ich mein Reittier sowie die herrliche Stute am Fhrzgel. Als die Reihe des Abschiednehmens zuletzt auch an mich kam, verbeugte ich mich tief vor dem Scheik, zeigte einen Ausdruck des Bedauerns und legte ihm den Fhrzgel der Stute in die Hand. Whrend er noch zu erstaunt war, um etwas zu sagen, war ich auf mein Pferd gesprungen und an den Anfang der Karawane galoppiert. Der Scheik rief mir zwar noch zornig ein paar Worte hinterher, doch waren wir kurz darauf schon aus dem Lager verschwunden und setzten unseren Weg unangefochten fort."

"Ihr habt dieses phantastische Geschenk ausgeschlagen?!" rief Kata erstaunt aus. Der junge Maler nickte leicht.

"Schweren Herzens, aber was htte ich den tun sollen? Ich hatte ja kaum Geld genug, um meine Heimreise bezahlen zu knnen, geschweige denn den Transport eines Pferdes! Und was htte ich deiner Meinung nach als armer Maler hier mit einem so edlen Tier anfangen sollen? Wo htte ich ihr ein besseres Leben bieten knnen, als in der Wste, in welcher sie aufgewachsen war? Ich konnte ja schon mich kaum ber Wasser halten, wie htte ich da auch noch ein Pferd durchfttern sollen? Und wozu htte es mir gedient? Nein, nein, mein Entschlu war schon ganz richtig, sie in ihrer Heimat zu lassen!"

"Habt ihr euch denn nie gefragt, was der Scheik euch hinterher gerufen haben knnte, als ihr ihm sein Gastgeschenk verweigert habt?" fragte Kata den jungen Mann mit einem ernsten Ausdruck in ihrem zarten Gesicht.

"Nun, es waren sicherlich keine besonderen Hflichkeiten, kann ich mir denken!" erwiderte Tibor gelassen, sah aber erstaunt, da Kata wohl ein besonderer Gedanke gekommen sein mute, denn sie atmete schwer und erbleichte.

"Es knnte ein Fluch gewesen sein!" hauchte sie zuletzt kaum hrbar. Zuerst wollte Tibor lachen, doch als er ihren verzweifelten Gesichtsausdruck sah, fate er sich und in seinem Innern durchzuckte ihn ein wirrer und unglaublicher Gedanke. Hatte sie ihm nicht gerade zuvor von dem Fluch, welcher auf ihrer Familie lastet, erzhlt und hatte er nicht in seinem Herzen der abenteuerlichen Geschichte doch ein wenig Glauben geschenkt, eben weil sie so unfabar war? Konnte es sein, da das junge Mdchen intuitiv das Richtige getroffen hatte? Konnte es sein, da ihn wirklich der Fluch des Scheiks getroffen hatte? War es dadurch zu erklren, da die rzte keinen Grund fr sein Leiden fanden? Es schien ihm wie ein feiner Hoffnungsschimmer am Horizont – sollte die Lhmung seiner Beine, welche ihn zu einem hilflosen und verbitterten Krppel gemacht hatte, durch ein Wunder wieder aufzuheben sein? Wie konnte der Fluch, so es denn einer war, gebrochen werden? Kata versprte mit ihrem Feingefhl, da der junge Mann auf dem richtigen Weg war. Sollte ihm wirklich der Fluch des Scheiks, ausgesprochen im Zorn ber die Beleidigung, welche die Rckgabe seines Gastgeschenkes darstellte, die Kraft seiner Beine geraubt haben? Kata hoffte es von ganzem Herzen, denn dann bestand zumindest ein kleiner Funke Hoffnung, da der junge Maler geheilt werden knnte.

"La mich jetzt bitte alleine!" bat sie Tibor jetzt fast brsk, aber sie verzieh im sein Benehmen sofort, konnte sie sich doch denken, da er jetzt mit seinen Gedanken alleine sein wollte, da er sich prfen wolle, ob er an einen Fluch und damit vielleicht an eine Heilung glauben knne. Sie schob wortlos seinen Rollstuhl also wieder auf sein Zimmer, half ihm, sich ins Bett zu legen und zog die Vorhnge vor dem Fenster zu, damit die Sonne ihn nicht blende. Als sie leisen Schrittes das Zimmer verlassen wollte, hrte sie hinter sich eine zaghafte Stimme:

"Verzeih mir, Kata!"

"Ich habe euch nichts zu verzeihen, denn ihr habt keinen Fehler begangen!" erwiderte sie, dann schlo sich die Tr lautlos hinter ihr und der junge Mann auf dem Bett blieb seinen sich jagenden Gedanken berlassen. Als Kata ihm das Abendessen bringen wollte, war er in seinen Kleidern eingeschlafen. So zog sie nur vorsichtig die warme Decke ber ihn, bevor auch sie sich nach einem letzten Gebet zur Ruhe begab.

Am nchsten Morgen war Tibor frh munter und wartete voller Ungeduld auf seine junge Pflegerin. Kata brachte ihm das Frhstck, las ihm aus der Zeitung vor, whrend er a und war erst dann bereit, sich ber das gestern angesprochene Thema zu unterhalten, als er sein Frhstck beendet hatte.

"Glaubst du wirklich, da es ein Fluch sein knnte?" fragte der junge Mann, als sie das Tablett abgerumt hatte und auf einem Stuhl vor ihm Platz genommen hatte.

"Das scheint mir das Wahrscheinlichste zu sein." erwiderte Kata vorsichtig. "Ein unerklrliches Fieber, am Morgen darauf die Lhmung, ohne da die rzte einen krperlichen Grund dafr finden knnen – das alles lt die Vermutung zu, da es sich um bernatrliche Krfte handeln knnte."

"Aber Kata, wir leben nicht mehr im Jahrhundert der Hexen und Magiere!" warf Tibor ein, der damit testen wollte, wie berzeugt sie selbst davon war, da es sich um einen Fluch handeln msse, denn ihm selbst war in der vergangenen Nacht der Gedanke gekommen, da es so sein knnte, wie das junge Mdchen zu wissen glaubte – allerdings spielte bei seiner neu gewonnenen berzeugung auch mit, da sich dadurch die Chancen fr eine eventuelle Heilung vergrerten – und er war bereit, sich an jeden ihm dargebotenen Strohhalm zu klammern!

"Aber es gibt noch immer unerklrliche Dinge im Leben, Dinge, von welchen wir denken, da sie so nicht geschehen knnen und die es trotzdem unwiderlegbar gibt! Der Fluch meiner Urgromutter scheint auf den ersten Blick nur die Enttuschung einer alten Frau ber die Mesalliance ihrer Enkeltochter gewesen zu sein. Wenn sich aber jetzt schon zum dritten Male ihre Vorhersage besttigt, dann kann das kein Zufall mehr sein! Warum mute meine Mutter viel zu frh sterben? Sie war unheilbar krank, wrdet ihr sagen. Ja, aber warum in einer Unwetternacht und warum gerade an diesem Tag? Warum wurde mein Vater vom Blitz erschlagen? Hirtenschicksal, wrdet ihr sagen. Ja, trotzdem werden viele Hirten sehr alt und nur einige wenige werden vom Blitz erschlagen. Warum also gerade mein Vater? Und warum am Jahrestag seiner Hochzeit? Warum wurde ich in einer Unwetternacht geschndet? Das traurige Schicksal eines verwaisten Dienstmdchens in einer Familie mit einem verdorbenen Sohn, wrdet ihr sagen. Ja, aber warum gerade ich? Warum in einer Unwetternacht am Jahrestage der Hochzeit meiner Eltern? Ist das nicht alles ein bichen zuviel Zufall? Ich jedenfalls glaube daran, da der Fluch meiner Urgromutter besteht und seine teuflische Kraft auf meine Familie Einflu nahm und nimmt." Tibor hatte ihr gespannt zugehrt und mute sich eingestehen, da auch ihn diese vielen "Zuflle" ein wenig bedenklich machten. Um so mehr war er jetzt geneigt, auch sein eigenes Schicksal mit einem Fluch in Verbindung zu bringen.

"Ich will dir gerne glauben, Kata. Nur sage mir bitte, ob du eine Lsung fr dein oder mein Problem finden kannst!" bat sie der junge Mann und schaute sie mit traurigen Augen an, in welchen jedoch bereits ein kleiner Hoffnungsschimmer glomm. Kata schttelte den Kopf.

"Eine Lsung fr mein Problem gibt es nicht, das habe ich euch ja schon das letzte Mal, als wir ber mich sprachen, erklrt. Fr euch aber habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben und versuche zu ergrnden, auf welche Weise der Fluch gebrochen werden kann."

"Wie willst du das anstellen?"

"Nur das Vertrauen in Gott kann helfen. Ich bete jeden Tag mehrmals um ein Zeichen, welches mir den richtigen Weg weist, habe aber bisher noch keines erhalten. Ihr mt euch also in Geduld fassen und fest daran glauben, da es fr euch noch eine Hoffnung gibt!"

"Wie lange wird das dauern?" entfuhr es dem jungen, jetzt schon ungeduldigen, Mann

"Ich wei es nicht! Es kann jede Stunde geschehen, aber auch Tage, Wochen, Monate oder Jahre dauern!" antwortete ihm das junge Mdchen mit einem traurigen Ausdruck in ihrem zarten Gesicht. "Wir mssen uns gedulden und demtig um einen Hinweis bitten." schlo sie das Gesprch.

"Doch jetzt will ich euch in den Garten bringen, damit ihr von der frischen Luft gestrkt werdet. Man kann nie wissen, wozu ihr eure Krfte einmal bentigen werdet."

"Meine Krfte!" lachte der junge Maler bitter auf. "Die sind schon seit langer Zeit verschwunden! Einst war ich stark und gewandt, heute bin ich ein kraftloses Bndel, hilflos und auf andere angewiesen!"

"Weil ihr euch noch immer selbst bemitleidet!" zrnte ihm Kata. "Ihr drft gerade jetzt, wo es einen Hoffnungsschimmer gibt, den Mut nicht verlieren! Ich werde euch einige bungen zeigen, durch welche ihr eure Muskeln strken knnt!" Sie lie ihren Worten auch gleich Taten folgen. Nachdem sie den Rollstuhl des jungen Mannes unter einen Schatten spendenden Baum gestellt hatte, ermunterte sie ihn zu einigen anfangs leichten, spter schwerer werdenden bungen. Im Laufe der Zeit erlangte der junge Mann zumindest in seinen Armen und seinem Oberkrper seine alte Kraft fast wieder. So konnte er auch seine Pflegerin jetzt dabei hilfreich untersttzen, wenn sie ihm zum Beispiel aus dem Rollstuhl ins Bett half oder umgekehrt.

Es wurde Herbst und die ersten Strme peitschten durch die Straen der Stadt, als Kata eines Nachts einen seltsamen Traum hatte: Ein wunderschnes, goldfarbenes Pferd galoppierte mit wehender Mhne und Schweif ber die Puszta, sein Weg schien ihm bekannt zu sein, denn es gelangte in die Stadt, wo es vor dem Spital anhielt und mit seinem Vorderhuf an das Tor klopfte. Als man ihm ffnete, trabte es vorsichtig ber den Flur in den Garten, gewahrte den jungen Maler in seinem Rollstuhl, ging auf ihn zu und legte ihm sachte seinen schnen Kopf auf die Schulter. Es schien ihm etwas zu sagen, denn Tibor nickte, streichelte den Pferdekopf, schob ihn etwas zur Seite – und stand auf! Das Pferd bot ihm seinen Hals dar, der junge Maler sttzte sich darauf und begann im Rhythmus der Pferdebeine zu laufen. Ein Ausdruck berirdischen Glcks spiegelte sich auf seinem Gesicht und auch das Pferd schien zu lcheln. Dann endete der Traum und Kata setzte sich kerzengerade in ihrem Bett auf. Das war die Lsung! Tibor hatte den Scheik dadurch beleidigt, da er das wertvolle Gastgeschenk zurckgewiesen hatte. Der Scheik hatte ihn verflucht und ihm den Gebrauch seiner Beine genommen. Wahrscheinlich deshalb, damit der junge Mann nie wieder wrde reiten knnen. Jetzt hatte ihr der Traum offenbart, auf welche Weise der Fluch zu brechen sei! Zwar war das Pferd im Traum zu Tibor gekommen, in der Wirklichkeit jedoch mu der junge Mann nach gypten reisen, den Scheik aufsuchen und das Gastgeschenk nun akzeptieren, dann wrde der Fluch beendet sein! Aber wie sollte dies vor sich gehen? Tibor war gelhmt und hatte kein Geld, es bestand keine Mglichkeit, die Reise zu bewerkstelligen – oder doch? Das Pferd war aus der Puszta gekommen – Kata besa noch immer das Haus ihrer Eltern dort! Schnell war ihr Entschlu gefat. Die einzige Mglichkeit, an Geld fr die Reise zu kommen – gesetzt den Fall, da der junge Mann in der Lage wre, diese zu unternehmen – war der Verkauf ihres Elternhauses! Kata zgerte nicht lange: sie schrieb einen Brief an den jetzigen Pchter und fragte ihn, ob er das Anwesen eventuell kaufen mchte oder einen Kufer fr sie finden knnte. Als sie nach kurzer Zeit die Antwort des Pchters erhielt, da er ihr gerne das Anwesen abkaufen wrde und sogar einen ziemlich hohen Preis vorschlug, willigte Kata sofort ein. Der Pchter tat ihr sogar den Gefallen und kam zur Vertragsunterzeichnung persnlich in die Stadt, damit sich das junge Mdchen nicht in die Puszta bemhen mute. Nun hatte sie genug Geld, um die Reise fr sich und den jungen Mann bezahlen zu knnen, denn ihr war klar, der er es ohne sie nie wrde schaffen knnen. Erst jetzt informierte sie den jungen Mann.

"Tibor, ich mu euch etwas sehr wichtiges mitteilen!"

 
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