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ABRECHNUNG 4

Ihren Schulabschlu bestand Kim mit Auszeichnung und teilte erfreut ihrer Familie am Abend das Ergebnis mit.

"Ich bin die Beste meines Jahrgangs, nur einer der Buben hat eine hhere Wertung erhalten, der kam aber auch von einer anderen Schule und hat nur das letzte Jahr bei uns verbracht."

"Sehr schn, Kim, ich habe auch nichts anderes von dir erwartet!" bemerkte die Mutter und der Vater klopfte ihr auf die Schulter.

"So ist es recht, meine Tochter, du siehst, eifriges Lernen fhrt zum Erfolg!"

"Darf ich jetzt den Beruf whlen, den ich mir schon immer gewnscht habe?" Kims Stimme war fast unhrbar, so sehr hatte sie vor der Antwort Angst und sie sollte sich auch nicht tuschen.

"Kim, wo denkst du hin? Mit deiner Note stehen dir alle Tren offen! Fr dich kann doch nur eine akademische Ausbildung in Frage kommen. Und da du schon Erfahrungen beim Architekten gesammelt hast, meine ich, das Beste wre, Architektin zu werden - oder rztin!"

"Aber Mum, du weit doch, wie sehr ich einen Beruf ergreifen wrde, wo ich meine Sprachkenntnisse zur Anwendung bringen kann, oder wo ich mit Pferden arbeiten kann! Ich habe whrend meiner Arbeit bei dem Architekten gesehen, wie der arbeiten mu! Als Frau mu ich noch mehr leisten, um gut im Geschft zu sein, das heit, ich werde fast keine Freizeit mehr haben weder fr meine zuknftige Familie noch fr mein Pferd noch fr sonst irgendwelche Hobbys! Auerdem ist es unheimlich schwer und teuer, ein eigenes Bro aufzumachen und als Frau unter Mnnern zu arbeiten wrde bedeuten, da die sich die guten Auftrge zuschieben und fr mich nur die undankbaren Aufgaben bleiben wrden."

"Kim, du beurteilst das vollkommen falsch, auerdem weit du ja berhaupt nicht, wie dein zuknftiges Leben einmal aussehen wird. Jetzt jedenfalls hast du es besser als viele andere deines Alters, die schon mit 16 haben arbeiten mssen, oder die alleine wohnen und sich neben der Ausbildung auch noch selbst versorgen mssen. Du brauchst dich hier um nichts zu kmmern, bekommst geputzt, gewaschen und gekocht, hast immer warm und brauchst dir die Hnde nicht schmutzig zu machen und vor allem kein Geld ausgeben fr die kleinen Dinge, die man so braucht. Wie stellst du das dir denn vor, mit Sprachen zu arbeiten? Willst du Reiseleiterin sein, laufend auf Achse, immer von nrgelnden Touristen umgeben und aus dem Koffer lebend? Oder an irgend einem Ferienort dein Leben verbringen als Animateurin? Die blden Gste zum Lachen bringen, Htchen aus Papier basteln lassen oder Poolparties veranstalten? - Und mit Pferden arbeiten, wie stellst du dir das vor? Wir knnen dir keine Turnierpferde bezahlen und halten und ein Auto mit Anhnger kaufen und dich jedes Wochenende auf den Reitpltzen herumschleppen. Oder willst du Stallbursche spielen fr irgendeinen eingebildeten Kerl, der dich nur ausnutzt? Wozu hast du dann die vielen Jahre gelernt? Und wozu haben wir dich in allen Dingen untersttzt?" Immer mehr redete sich die Mutter in Erregung. "Wenn du dir diese Dinge nicht ganz schnell aus dem Kopf schlgst, dann will ich dir nur mitteilen, da wir dich finanziell und auch sonst nur untersttzen werden, wenn du einen der von mir vorgeschlagenen Berufe erlernen wirst, also Architekt oder Arzt. Im anderen Falle wird als erstes dein Pferd sofort verkauft und du kannst auch nicht von uns erwarten, da wir dir eine eigene Wohnung finanzieren oder Geld geben, wenn es bei dir nicht reicht. Du wirst dann nmlich nebenher schaffen gehen mssen, um deinen Unterhalt bestreiten zu knnen und ich kann dir versichern, du wirst sehr schnell genug haben von deinem >freien< Leben, wenn du erst neben dem Lernen noch Arbeiten, Einkaufen, Kochen, Waschen, Bgeln und so weiter mut. Ich kann dir nur raten, berlege dir es noch einmal. Du hast noch drei Wochen Zeit bis zur Anmeldung auf die Universitt, bis dahin mu deine Entscheidung gefallen sein." Kim hatte diese lange Rede widerspruchslos ber sich ergehen lassen, nur bei der Drohung vom Verkauf ihres Pferdes war sie wie unter einem Schlag zusammengezuckt und alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen. Sie nahm alle ihre Kraft zusammen, um fast teilnahmslos ihrer Mutter zu antworten, die begierig auf die Entscheidung ihrer Tochter wartete.

"Ich denke, Mum, die Erpressung ist dir gut gelungen, du hast alle Trmpfe in der Hand. Um mein Pferd behalten zu drfen werde ich mich deinem Willen beugen und Architektur studieren - rztin kann und will ich nicht werden, dazu fhle ich mich nicht berufen, auerdem kann ich schon mein eigenes Blut nicht sehen, ohne da mir fast schlecht wird, geschweige denn Blut von anderen Menschen. Du hast also gewonnen!" Dann wendete sie sich ab und flchtete in ihr Zimmer, das seit ihrer Geburt fast nicht verndert worden war und warf sich aufs Bett, um ihren Trnen freien Lauf zu lassen. Sie erschien nicht zum Abendessen und hatte in der Nacht wieder ihren bengstigenden Traum. Mehr denn je fhlte sie sich der Mutter hilflos ausgeliefert, mehr denn je war der Wunsch in ihr geweckt, den Erlser aus ihrem Dilemma kennenzulernen. Nur bot der Traum ihr darin eine Lsung an, wenn auch auf Kosten ihrer Gesundheit, whrend die Wirklichkeit schier unberwindbare Hindernisse enthielt. Wo war der junge Mann, der sie aus dem Gefngnis ihrer Familie befreien wrde und wie lange wrde sie noch auf den Tag ihrer Freiheit warten mssen? Mehrere Mdchen aus ihrer Klasse hatten schon seit Jahren feste Freunde, bei einer war schon die Verlobungsfeier angesetzt worden und eine Mitschlerin war schon vor dem Schulabschlu verheiratet gewesen. Nicht, da Kim sich das gewnscht htte, doch schien es ihr langsam doch widernatrlich, da sie in ihrem Alter noch nicht einmal einen Freund hatte - ja noch nicht einmal einen mnnlichen Kameraden, selbst ohne jedwede sexuelle Beziehung. Beim Reiten hatte sie manchmal ein wunderbares Gefhl der Schwerelosigkeit und der Traumverlorenheit, ein wohliger Schauer durchrieselte manchmal ihren Krper, wenn sie sich ganz losgelassen im Takt des Pferderckens wiegen lie, doch eine genaue Vorstellung von Liebe und krperlicher Verzckung hatte sie nicht. Nur ein unbestimmtes Gefhl der Sehnsucht nach etwas sehr Schnem - ja fast Heiligem. Ihre Gromutter riet ihr in einem ihrer Gesprche, sich >rein< zu halten fr den Mann, der einmal ihr Ehegatte sein werde, doch es schien so, als ob es gar keiner Anstrengung bedurfte, sich an diesen Rat zu halten, kein mnnliches Wesen in adquatem Alter geriet je in Sicht und die Familie O'Keary lebte weiterhin das abgeschlossene Leben, das sie schon seit Jahrzehnten fhrte.

"Die heutige Aufgabe knnte vielleicht Frulein O'Keary mit ihren Kommilitonen White und O'Coole bernehmen? Sie wohnen ja nahe beisammen und knnten die Arbeit schon in einer Woche erledigen, stimmt das?" Der freundliche Professor mit dem typisch englischen Gesicht stellte die Frage und blickte Kim an, die sich ihrerseits wiederum zu den beiden jungen Mnnern umschaute.

"Ja, Herr Professor, wir wohnen im selben Ort und werden die Arbeit fr nchste Woche erledigen!" lie sich der ltere der beiden Studenten vernehmen, damit Kim jede eventuelle Ausrede oder Entschuldigung im Keime erstickend. Nicht, da Kim nicht mit den beiden jungen Mnnern zusammenarbeiten wollte, doch kannte sie im Vorhinein die Schwierigkeiten, auf die sie bei einem solchen Unterfangen stoen wrde. Oft hatte sie schon eine Aufgabe alleine bernommen, um solchen Fhrnissen aus dem Wege zu gehen, doch heute war der Kommilitone schneller gewesen mit der Antwort, als sie. So nickte sie denn nur zustimmend, als der Blick des Professors sie wieder traf. Nach der Stunde ging sie auf Mike White zu.

"Ich bin nicht sicher, ob ich Gelegenheit haben werde, mit dir und John zusammenzuarbeiten, aber ich kann ja meinen Teil zuhause erledigen und wir treffen uns dann einmal in einer freien Stunde hier im Lesesaal und verbinden unsere Arbeiten miteinander." Doch der schmale, braunhaarige junge Mann mit der etwas zu groen Nase und den ruhigen Augen fiel ihr ins Wort:

"Kim, wir sind nun schon seit zwei Semestern zusammen auf der Uni und haben noch nie zusammen gearbeitet, ich habe sogar den Verdacht, da du noch nie mit jemandem zusammen gearbeitet hast. Diese Aufgabe knnen wir nur gemeinsam lsen, es geht nicht an, da jeder fr sich arbeitet und wir dann nur die einzelnen Teile zusammenschreiben. Auerdem haben John und ich die Angewohnheit, bei mir am Rechner zu sitzen, da gibt es gar keine Probleme, wenn du auch dabei bist."

"Ich ... ich habe wirklich noch nie mit jemandem zusammen eine Aufgabe gelst, noch nicht einmal mit zwei Md..." Kim verschluckte den letzten Teil ihres Satzes und wurde feuerrot, als sie sich darber klar wurde, was sie damit ausdrcken wollte. Doch Mike hatte sie verstanden und da er ein guter Beobachter war, der bereits bemerkt hatte, da Kim sich immer alleine aufhielt und nie irgend jemand in ihre Nhe kam, auer ihrer Mutter, die sie fast jeden Tag mit dem Auto zur Universitt brachte und auch von dort abholte, so beendete er fr sie den Satz:

"Auch nicht mit zwei Mdchen. Aber Kim, wir wollen zusammen arbeiten, nicht irgendwelche verbotenen Spielchen betreiben. Und wir werden dich nicht anrhren, wenn es das ist, vor dem du dich frchtest, obwohl das heutzutage eine seltene Reaktion ist bei einem hbschen jungen Mdchen. Und verzeih mir, wenn ich jetzt zu offen war, aber ich wollte dich nur beruhigen, nicht beleidigen." Kim lchelte ihn dankbar an:

"Du hast mich nicht beleidigt und ich danke dir fr dein Verstndnis. Ich werde versuchen, am Mittwoch Nachmittag, wenn wir keine Vorlesungen haben, bei dir vorbeizukommen, du kannst dann auch John Bescheid geben. Ich rufe dich aber vorher an, um dir zu sagen, um wieviel Uhr ich kommen kann."

"Geht in Ordnung, Kim!"

"Danke Mike und Tschau!" Nachdenklich ging Kim ber den Campus, an dessen gegenberliegender Seite die Mutter schon ihren Wagen geparkt hatte.

"Du hast dir heute aber viel Zeit gelassen!" meinte sie vorwurfsvoll zu ihrer Tochter, als diese zu ihr ins Auto stieg.

"Ich habe noch mit einem Kommilitonen geredet, wir haben eine gemeinsame Aufgabe von unserem Prof bekommen und mssen uns jetzt am Mittwoch treffen, um sie zu bearbeiten. Da er einen Rechner hat, soll ich zu ihm kommen, die genaue Uhrzeit teile ich ihm noch mit!" Jetzt war es heraus und die Mutter mute erst einmal die Neuigkeit verdauen.

"Du willst zu einem Mann gehen und dort eine Hausaufgabe erledigen? Wie stellst du dir denn das vor? Ich kenne diese Art von Hausarbeiten - du gehst mir da nicht hin, das ist alles, was ich dazu zu sagen habe!" Doch Kim lie sich diesmal nicht so leicht in die Defensive drngen.

"Der Professor hat uns eingeteilt fr diese Aufgabe, weil wir nahe beieinander wohnen. Diese Aufgabe kann einer alleine nicht lsen, auch mu einer der Mitarbeiter einen Rechner besitzen - und wir haben ja keinen. Also mu ich am Mittwoch zu Mike White. Er wohnt mit seinen Eltern in dem groen Haus am Ende der Allee, gegenber von dem Blumenladen, wo du immer einkaufen gehst." Die Mutter schien noch ber das Gesagte nachzudenken, als sie zuhause ankamen.

"Na gut, Kim. Du kannst am Mittwoch von zwei bis vier Uhr zu diesem Kommilitonen und dort arbeiten. Aber ich werde im Auto vor der Haustr auf dich warten. Wenn du um Punkt vier Uhr nicht unten bist, werde ich klingeln. Und auch wenn was anderes sein sollte, brauchst du nur an ein Fenster zu gehen, ich sehe dich dann und komme sofort!" Kim schenkte sich jeden Kommentar auf diesen Ratschlag, sie lief jedoch sofort zum Telefon, um Mike die Uhrzeit ihres Kommens mitzuteilen. Die Mutter verweilte natrlich wie blich im Vorraum, um das Gesprch mit anzuhren, bevor sie sich in die Kche begab. Am Mittwoch fuhr die Mutter Kim tatschlich zu der zwei Querstraen entfernt gelegenen Wohnung der Whites und parkte ihrem Versprechen gem vor deren Haustr. Mike erwartete Kim an der Tr und auch John war schon eingetroffen.

"Du hast es gut, du hast sogar einen eigenen Chauffeur!" sthnte John, der ein kleines Zimmer bei einer Witwe in einem ziemlich auerhalb gelegenen Gehft bewohnte und der jeden Weg zu Fu oder mit dem Fahrrad zurcklegen mute, als er Kim ankommen sah.

"Es hat nicht immer seine Vorteile!" bemerkte Kim trocken.

"Lat uns beginnen, denn ich mu Punkt Vier wieder unten sein, sonst kommt meine Mutter rauf, wenn ich sie noch lnger im Auto warten lasse!" Mike schttelte nur verstndnislos den Kopf und auch John glaubte kaum, seinen Ohren trauen zu drfen.

"Arme Kim!" murmelte er, dann begaben sie sich an die Arbeit. Zwar konnten sie die Aufgabe nicht ganz in dieser kurzen Zeit zu Ende fhren, doch versprach Mike, sich der Sache anzunehmen und sie mit John zu beenden. Schlag Vier stand Kim wieder auf der Strae und wurde von ihrer Mutter nach Hause gefahren. Dies war die erste und einzige Aufgabe ihrer Studienzeit, die Kim mit anderen zusammen und auer Haus erledigte. Sie kam zwar fter mit den anderen Studenten zusammen, whrend freier Stunden etwa auf dem Campus, doch konnte sich wegen ihrer Zurckgezogenheit und Scheu keine Freundschaft entwickeln. In den Ferien arbeitete sie weiterhin in dem Architektenbro und wurde sich mehr und mehr darber klar, da dieser Beruf ihren Wnschen und Vorstellungen nicht entsprach. Inzwischen war sie ber zwanzig Jahre alt geworden, das Leben lief immer im selben Rhythmus ab, jahraus, jahrein, ohne eine noch so kleine Abweichung von der Regel.


JOS - FLUCHT NACH SPANIEN

"Ich habe eine Reise nach Spanien gewonnen, fr zwei Personen!" Freudestrahlend kam die Mutter eines Tages nach Hause.

"Stellt euch das mal vor, ich habe noch nie an einer Lotterie teilgenommen und heute ging ich ganz zufllig ins Kaufhaus, da steckte mir eine Verkuferin ein Los zu und als ich es ffnete, mehr, um ihr eine Freude zu machen, denn aus Kuriositt, da sah ich, da ich einen Flug nach Spanien fr zwei Personen fr eine Woche gewonnen hatte! Na, wer kommt mit?"

"Wann ist denn die Reise anzutreten?" fragte der Vater, skeptisch ber die Euphorie seiner Frau.

"Nchste Woche am Freitag geht es los, Ziel Madrid, dann zwei Tage dort, einen Tag in Cordoba, zwei Tage Sevilla, zwei Tage an der Kste, dann zurck nach Madrid und Heimflug am selben Abend. Wrdest du gerne mitkommen?" fragte sie ihren Mann, doch der winkte nur ab:

"Ich mu leider in dieser Zeit einen wichtigen Termin wahrnehmen, du kannst also nicht mit mir rechnen, aber warum nimmst du nicht Kim mit, die ist doch alt genug, um einmal aus dem Haus zu kommen!"

"Oh, Mum, bitte!"

"Hm, aber was wird aus Maude?"

"Deine Mutter hat sich bisher immer gut um die Kinder gekmmert, sie wird es fertigbringen, sich diese eine Woche ausschlielich um Maude zu kmmern, auerdem ist die ja auch kein kleines Kind mehr." Die Worte des Vaters gaben die Entscheidung.

"Gut, Kim, du kommst mit mir nach Spanien!" meinte die Mutter und Kim konnte ihr Glck noch gar nicht richtig fassen - die Mutter erlaubte ihr, zu reisen, wenn natrlich auch nur in deren Begleitung! Schnell wurden noch einige Sommersachen fr Kim erstanden, die Auswahl, auch fr die Unterwsche, traf natrlich, wie immer, die Mutter. Kim htte gerne etwas schickere Kleidung erworben, doch die Mutter belehrte sie schnell eines Besseren:

"Du willst doch nicht so aussehen, wie eine Dirne an der Straenecke? Kommt also berhaupt nicht in Frage, da du einen Minirock trgst oder ein ausgeschnittenes Tee-Shirt. Auerdem sind die da unten sowieso alle katholisch, da kommst du mit nackten Schultern in keine Kirche rein!" Folgsam wie immer akzeptierte Kim die Wahl ihrer Mutter ebenso wie deren Befehl, sich nicht zu schminken und die Haare in einen Zopf zu flechten, was Kim um einige Jahre jnger erscheinen lie, als sie es tatschlich war. Endlich bestiegen sie das Flugzeug, das sie nach Spanien bringen sollte. Kim war natrlich noch nie geflogen und hatte unheimliche Angst, durfte diese sich aber nicht anmerken lassen, sonst htte sie die Mutter wohl noch in letzter Sekunde zuhause gelassen. Jetzt klammerte sie sich fest an ihren Sitz und betete, da das Flugzeug nicht abstrzen mge, wie so viele Kleinflugzeuge es jhrlich taten. Doch die Maschine hielt sich in der Luft und landete nach mehrstndigem Flug sanft auf dem Flughafen von Madrid. Dort erwartete sie schon ein Taxi, das sie in ihr Hotel brachte.

"Mrs. O'Keary, Mies O'Keary, darf ich sie im Namen meiner Firma, die das Preisausschreiben veranlat hat, in Spanien willkommen heien?" Der junge Vertreter der namhaften Firma bat seine Gste in den Speisesaal, wo er zusammen mit einem Fotografen ein paar Bilder fr die Verffentlichung im hauseigenen Werbekatalog machen lie. Dann legte er ihnen das Programm fr die folgenden Tage vor. In Sevilla wrden sie einen bekannten Toreros besuchen, der sie zuerst auf seiner Hazienda bewirten lassen wrde und dann am Abend in der Arena den Stier ihnen zu Ehren tten wolle.

"Ist das nicht ein bichen grausam fr ihre kleine Tochter? Wollen sie, da wir das Programm abndern oder jemanden finden, der sich so lange um ihre Tochter kmmert?" fragte besorgt der Begleiter, doch Kim selbst antwortete, schneller noch, als ihre Mutter:

"Ich bin gar nicht so jung, wie ich aussehe und wrde sehr gerne einen Stierkampf ansehen, am Ende kann ich ja die Augen zumachen, wenn ich es nicht aushalten sollte!"

"Dann ist ja alles geregelt!" atmete der Begleiter erleichtert auf und lie die beiden in Ruhe ihr Abendessen einnehmen. Die folgenden Tage stellten ein Wirrwarr von Eindrcken und Erlebnissen fr Kim dar, hatte sie diese Sonne und dieses Leben doch nur ein paar Mal im Fernsehen erleben knnen. Doch nun brannte die heie Sonne des Sdens auf sie herunter, sprte sie die Hitze am eigenen Krper, sah sie Orangenbume und ein Meer von Blumen an jedem Haus. Wie schn mute hier das Leben sein, im Gegensatz zum kalten, nebligen und regnerischen Wetter ihrer Heimat. Gewi, grn war hier nur wenig und nur dort, wo stndig bewssert wurde, doch sehnte sich ihr Auge noch nicht nach den tief grnen Hgeln und Tlern Irlands zurck. Am Dienstag waren Kim und ihre Mutter auf der Hazienda des Toreros Jos Almerida eingeladen. Ihr stndiger Begleiter von der Firma fuhr mit ihnen in einem Taxi zu dem in weiten Olivenhainen gelegenen, von einer strahlend weien, hohen Mauer umgebenen Gebude, welches auf einem kleinen Hgel stand und eine wunderbare Sicht auf die etwas tiefer gelegenen Gebiete um Sevilla bot. In der Ferne sah Kim die Kette der Sierra Nevada, ber der in groer Hhe Adler und Geier ihre weiten Kreise in der Thermik zogen. Der junge Torero begrte seine Gste am Tor seines Hauses, das sich in einen Durchgang ffnete, der zu einem wunderschnen Innenhof fhrte. Dort war unter einem riesigen Eukalyptusbaum ein groer, Tisch aus Eiche mit allen mglichen Kstlichkeiten gedeckt.

"Willkommen, Seora, Seorita auf meiner Hazienda!" begrte Jos sie in holperigem, aber verstndlichem Englisch. Als Kim ihm zum ersten Mal in die dunklen, geheimnisvollen Augen sah, war es um sie geschehen.

"Buenas Dias, Seor Almerida!" grte sie ihn und er schaute sie verwundert an:

"Sie sprechen Spanisch?"

"Nicht sehr viel und sehr viel schlechter als sie Englisch!"

"Danke fr das Kompliment, Seorita! Bitte kommen zu Tisch!" Der junge Spanier fand diese khle junge Dame, er als Frauenkenner lie sich nicht ber ihr wahres Alter hinweg tuschen, wirklich begehrenswert. So ganz anders als die spanischen Schnheiten, die sich ihm gewhnlich an den Hals warfen. Vielleicht gab es da eine Chance.....

Das Mahl war ausgezeichnet und die Unterhaltung drehte sich nicht nur um den Stierkampf, den der Spanier mit vehementer Kraft verteidigte - schlielich gewann er damit seinen Lebensunterhalt und das nicht einmal schlecht - sondern auch um das Land, seine Sehenswrdigkeiten und Menschen. Kim wute nur wenig ber Spanien, doch ihre Mutter schien besser informiert zu sein und so wurde Kim langsam in die Defensive gedrngt. Der Toreros bemerkte dies und erhob sich nach dem Dessert, um Kim zu bitten, mit ihm in den Garten zu gehen.

"Ich wunderschne Blumen besitze, doch keine so schn, wie du, Seorita O'Keary!" flsterte er ihr in seinem stockenden Englisch ins Ohr. "Den Stier heute abend ich ihnen zur Ehre tten, wenn es akzeptieren und danach ich dich lade ein zu echte Siegesfeier auf Hazienda, meine!" Kim war von dem Gebaren des jungen Mannes berwltigt. Noch nie hatte ihr jemand ein Kompliment gemacht, ja noch nie schien sie jemandem aufgefallen zu sein. Und dieser Fremde hier mit den glhenden Augen, der bestimmt alle Frauen seiner Umgebung haben konnte, wenn er nur wollte, dieser Mann bewunderte sie, Kim, das schchterne Mdchen aus dem kalten Norden.

"Ich werde gezwungen sein, mit meiner Mutter zu erscheinen, sie hat die Reise gewonnen und unser Begleiter wird es schon so einrichten, da wir nie ungestrt sind!" seufzte Kim. So stand sie unter einem Wasserfall aus Glycinien und Jasmin, betubt vom Duft der Blten und dem Zauber der Stunde.

"Ich gleich gehen mssen, da vor ihnen in die Arena sein!" meinte bedauernd Jos. "Aber auch, wenn auf Feier unter Aufsicht der Mama, ich mir doch etwas einfallen lassen, damit sie abhngen - ah, mir fallen etwas ein! Du reiten?" Und, als er Kims zustimmendes Kopfnicken sieht, "Mutter deine auch reiten?"

"Nein, Mum kann nicht reiten - aber wollen sie denn mit mir ausreiten?"

"Sonst keine Mglichkeit geben, Gardedame entrinnen, ich dich morgen frh mitnehmen zu Ritt auf meine Pferde. Da wir knnen ungestrt unterhalten!" Damit brach er das Gesprch ab, denn er hatte die sich nahenden Schritte der Mutter Kims gehrt und noch ehe diese den Garten betrat, war er durch eine kleine Seitentr im Haus verschwunden.

"Hier steckst du also!" bemerkte vorwurfsvoll Kims Mutter, als sie ihre Tochter inmitten der Blumen ersphte. "Komm, beeile dich, wir haben noch einige Fototermine, ehe wir in die Arena gehen!" Folgsam kam Kim dem Drngen ihrer Mutter nach, doch ihre Gedanken weilten anderswo. Automatisch lchelte sie fr die Fotos, wie eine Gliederpuppe lie sie sich im Taxi verfrachten und nach der Arena kutschieren. Und auch dort nahm sie kaum den Pomp und die Farbenpracht wahr, die sich ihren Augen bot, dachte sie doch nur an den EINEN, der bald sein gefhrliches Spiel mit einigen hundert Kilo geballter Kraft und wtender Aggressivitt aufnehmen wrde. Ihr erschien der Kampf zwischen Mensch und Tier ebenso verabscheuungswrdig, wie vielen anderen auch, sie sah aber auch die geschmeidigen Bewegungen, das heidnische Ritual, den glnzenden Stahl, der nicht immer zu tten vermochte. Zum Entsetzen der Spanier mute der erste Stierkmpfer dieses Abends mit der Bahre aus der Arena getragen werden, der Torro hatte ihn mit seinen spitzen Hrnern schwer am Bein verletzt. Als Jos in die Arena trat, gab es einen Beifallssturm, wie noch nie und auch Kim konnte sich nicht ganz der Euphorie des spanischen Publikums entziehen, wenn auch aus anderen Grnden. Denn seit Jos dem Stier gegenberstand, zitterte sie wie noch nie in ihrem Leben, aus Angst, den Mann, den sie erst vor ein paar Stunden kennen- aber auch lieben gelernt hatte, genauso enden zu sehen, wie seinen Vorgnger. Doch Jos lie sich nicht aus der Ruhe bringen und so wurden ihm am Ende ein Ohr des Tieres zugesprochen. Whrend der Ehrenrunde regnete es Blumen, Taschentcher und andere Gegenstnde auf den jungen Helden, er hob jedoch eine schne Blte vom Boden auf und begab sich damit zu der Loge, in der Kim mit ihrer Mutter und dem Begleiter Platz genommen hatte.

"Fr Seorita meines Herzens!" flsterte er und reichte Kim die Blume, auf deren Blten er einen zarten Ku hauchte. Mit rot bergossenem Gesicht nahm ihm diese die Blume ab und steckte sie sich in den Ausschnitt. Vor all den Menschen wollte die Mutter keine Szene heraufbeschwren, doch im Taxi, auf dem Weg zur Feier, stellte die Mutter Kim zur Rede.

"Was erlaubst du dir eigentlich, von diesem Kerl eine Blume entgegenzunehmen! Und was erlaubt sich dieser Mensch, dir eine Blume zu schenken? Sollte er dir heute nacht noch einmal begegnen, so kommst du sofort zu mir und wir fahren nach Hause!"

"Aber Mum, was regst du dich nur so auf, vielleicht war das auch von unserem Begleiter so organisiert, um uns zu gefallen? Und warum sollte ich ihn nicht treffen, er hat uns schlielich eingeladen, auf den Ball!"

"Ich will keine Widerworte hren, leider ist mir ja die Entscheidungsgewalt ber das Programm entzogen, aber ber dich kann ich immer noch wachen! Keine Dummheiten also!" Auf dem Fest begrte sie Jos mit der ihm eigenen Nonchalance, kmmerte sich um die Mutter, wie um die Tochter und schien mehr von den glutugigen spanischen Schnheiten angezogen, denn von der unscheinbaren Irlnderin. Aber er wute seine Gegner einzuschtzen und der Mutter Sand in die Augen zu streuen. Als die Stimmung nach Mitternacht immer ausgelassener wurde, trat er an den Tisch der O'Kearys.

"Seora O'Keary, darf ich bitten, eine Tanz mit ihre Tochter?"

"Meine Tochter tanzt nicht!" war die brske Ablehnung der Mutter, doch der Begleiter, der ebenso wie Jos gesehen hatte, da Kims Gesicht bei der Aufforderung freudig aufleuchtete, mischte sich ein:

"Aber Mrs. O'Keary, lassen sie doch ihrer Tochter die Freude, auerdem kann ich dann noch ein super Foto fr meine Chefs fertigen."

"Bitte, Mum, nur einen einzigen Tanz!" flehte nun auch Kim und die Mutter wurde schwach, wollte aber vor allen Dingen kein Aufsehen erregen, denn schon hatten sich einige der Gste zu ihnen umgedreht, wenn vielleicht auch nur, um zu sehen, wem der gutaussehende junge Held denn seine Aufmerksamkeit schenken wrde.

"Na gut, aber wirklich nur einen einzigen Tanz!"

"Gracias, Seora!" Formvollendet verbeugte sich der Spanier vor Kim:

"Por favor, Seorita O'Keary!" Freudig ergriff Kim seine Hand und lie sich auf die Tanzflche fhren. Auf Joss Wink hin spielte die Kapelle einen langsamen Walzer, Kims Lieblingstanz.

"Wir nicht viel Zeit, ich werden schnell sagen" flsterte Jos in Kims Ohr. "Morgen sieben Uhr, ich warten mit zwei Pferd vor Stall, du kommen, wir reiten, allein!"

"Ich werde pnktlich dort sein!" hauchte Kim glcklich, der Abend war gerettet, auch wenn sie nach diesem Tanz nur noch am Tisch der Mutter sa, bis das Fest zu Ende war und sie sich in einem Gstezimmer der Hazienda zur Ruhe begaben. Am nchsten Morgen schlich sich Kim auf leisen Sohlen zum Stall, wo Jos schon wie versprochen mit zwei edlen andalusischen Hengsten auf sie wartete.

"Buenas Dias, Jos!"

"Buenas Dias, Kim! Du pnktlich, sehr gut, wir reiten!" Damit half er ihr in den Sattel und sie lenkten die Schritte ihrer Pferde in Richtung auf die wellige Landschaft um die Hazienda. Die laue Luft war angefllt mit tausend Dften und hunderte von Vogelstimmen sangen ihr Lied. Der Himmel war strahlend, keine einzige Wolke strte die blaue Unendlichkeit. Es brauchte nicht viele Worte, um sich ihrer Gefhle freinander klar zu werden. Jos gefiel dieses schchterne Mdchen, das so ganz anders war, als alle, die er kannte, auch schien sie aus gutem Hause zu kommen und nicht ohne Geld zu sein. Und fr Kim war er der Mann ihrer Trume und Sehnschte, romantisch, einfhlsam, Pferde liebend und in einem Land lebend, wo es nur Sonne und Wrme zu geben schien. Ihr Ritt begann langsam, doch als sie die Umgebung der Hazienda hinter sich hatten und Jos merkte, da Kim eine gute Reiterin war und mit dem feurigen Hengst umzugehen verstand, lie er sein Tier in einen schnellen Galopp fallen. Kim folgte ihm und trieb ihr Tier zu Hchstleistung an, so lieferten sie sich ein erregendes Rennen, noch nie war Kim so lange so schnell geritten, doch hier drauen gab es keine Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten und so lieen sie ihre Pferde bis ans Limit ihrer Krfte laufen. Erregt und auer Atem zgelten sie am Ende ihre Tiere. Allein in der weiten, herrlichen Natur unter uralten Olivenbumen erhielt Kim den ersten Ku ihres Lebens, der sie in den Himmel der Liebe entfhrte. Joss Lippen waren weich und zrtlich, doch als er bemerkte, da Kim auf seine Berhrung zu reagieren begann, wurden seine Ksse fordernder und ffneten Kims Lippen. Diese war zuerst ein wenig verwundert, doch dann gab sie sich ganz ihren Gefhlen hin und erwiderte Joss Ku. So lagen sie sich lange Zeit in den Armen. Auf einmal begann Jos sie zart am ganzen Krper zu streicheln, tastend begannen seine Finger die Knpfe an Kims Kleid zu ffnen, doch als er die kleine Abwehrreaktion Kims sprte, hielt er sogleich ein.

"Du noch nicht machen Liebe?" fragte er, erstaunt da ein Mdchen in Kims Alter noch Jungfrau war. Kim schttelte nur verlegen den Kopf und wurde rot. "Dann ich warten, bis du wollen! Ich dich lieben, ich warten!" deklarierte Jos, entgegen allen seinen Gewohnheiten. Doch hatte er in diesem Moment sich entschlossen, die kleine Auslnderin fr sich zu erobern - und zu heiraten, so denn mglich. Um solch eine Ehefrau mute ihn jeder Spanier beneiden und wenn sie nicht in allem seinen Wnschen entsprach - dafr gab es ja hunderte Spanierinnen, die nur darauf warteten, ihm in die Arme zu fallen. Um die Mutter nicht zu sehr zu erzrnen, schlug Kim vor, jetzt den Heimweg anzutreten und so ritten die beiden Verliebten Hand in Hand und Bgel an Bgel gerade noch rechtzeitig zum etwas verspteten Frhstck in den Hof der Hazienda ein. Dort wartete die Mutter schon mit unheilverkndendem Gesicht auf ihre Tochter.

"Wo bist du gewesen? Was fllt dir ein, einfach so abzuhauen, noch dazu mit einem wildfremden Mann und mir nicht einmal eine Nachricht zu hinterlassen! Auerdem hatte ich dir doch verboten, mit diesem Auslnder noch einmal Kontakt aufzunehmen!" immer mehr redete sie sich jetzt in Rage. "Zieh dich sofort um, wir verlassen diese Stadt sowieso in wenigen Minuten!" Kim hatte den ganzen Redeflu der Mutter ber sich ergehen lassen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Im Bewutsein ihrer erwachenden Liebe lieen sie die Vorwrfe der Mutter kalt. Schnell steckte sie Jos einen Zettel mit ihrer Adresse zu und flsterte:

"Schreib mir, wenn du willst, dann schreibe ich dir auch! Auf Wiedersehen! Adis!" Dann folgte sie der Mutter auf ihr Zimmer und machte sich wortlos fertig fr die Reise. Als der Wagen vorfuhr, stieg die Mutter ohne ein Wort des Abschiedes zu Jos ein, nur Kim reichte ihm die Hand und schaute ihm tief in die Augen, hoffend, da er darin ihre unendliche Liebe wrde lesen knnen.

"Danke fr alles!" hauchte sie, dann schlugen sie den Weg zur Kste ein. Kim nahm von den Schnheiten der Landschaft kaum etwas wahr, zu sehr war sie in ihre eigenen Gedanken versunken. Jetzt hatte sie ein Ziel, auf das hinzuarbeiten sich lohnen wrde. Jetzt mute sie versuchen, den Schritt in die Freiheit zu wagen, jetzt - oder eine alte Jungfer bleiben, ihrer Mutter zu Diensten. Die letzten Tage in Spanien hatten fr Kim die Lnge von Wochen, sie, die sich so auf die Reise nach Spanien gefreut hatte, hatte nur noch den einen Wunsch: so schnell wie mglich in die Heimat zu kommen und von dort aus die Dinge in die Hand zu nehmen. Da es nicht einfach sein wrde, darber war sie sich im Klaren, doch ihr Kmpfergeist war geweckt und die Aussicht auf eine Trennung von der Mutter wog alle Schwierigkeiten auf. Kaum zu Hause angelangt, erkundigte sie sich im Geheimen (sie rief mit Wissen ihres Chefs vom Bro aus an) bei der spanischen Botschaft, welche Voraussetzungen gegeben sein mssen, um einen Spanier heiraten zu knnen und wie sie eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten knne. Auch die schriftliche Antwort ging an die Broadresse. Sie mute feststellen, da die Sache gar nicht so leicht war, muten doch eine ganze Menge Urkunden beider Seiten amtlich bersetzt werden, Erklrungen abgegeben werden und Termine eingehalten werden. Doch war dies ja alles nur >prventiv<, lieen die Briefe Joss doch auf sich warten. Eines Tages jedoch kam Maude eilig in die Kche geeilt, wo Kim gerade Bohnen putzte.

"He, Schwesterlein, eben kam der Postbote vorbei, er gab mir einen Brief an dich, die Briefmarke ist span.." Weiter kam sie nicht, da hatte Kim ihr den Brief auch schon aus der Hand gerissen.

"Gib her, der ist persnlich!"

"Schon gut, Schwesterherz, dich hat's ja ziemlich erwischt!" witzelte Maude, der Kim von ihrem Erlebnis in Spanien berichtet hatte, doch sie meinte es nicht bse.

"Komm, Maude, putz lieber an meiner Stelle die Bohnen, damit ich noch vor Mums Rckkehr den Brief in aller Ruhe lesen kann, Bitte!"

"Na klar, fr meine verliebte Schwester tue ich doch glatt alles!"

"Pst! Kein Wort davon zu niemandem! Nur du allein kennst mein Geheimnis und so soll es auch bleiben!"

"Geht schon in Ordnung, na dann lauf zu!" Damit bernahm Maude die Stelle Kims am Kchentisch, nicht, ohne die groe Schwester ein ganz klein wenig zu beneiden. Kim lief indessen eilig in ihr Zimmer, das sie brigens immer noch mit Maude teilte, und vertiefte sich in die Lektre ihres ersten Liebesbriefes. Dort stand in schlechtem Englisch, sichtbar mhsam aus dem Wrterbuch heraus geschrieben, da Jos sie liebe, zu der seinen machen wolle, da er sie gerne wiedersehen und seiner Familie vorstellen wrde, was bei den strengglubigen Spaniern mit einer Verlobung gleichbedeutend war. Jos bat Kim, wenn sie es denn ermglichen knne und wolle, nach Weihnachten zu ihm zu reisen, das neue Jahr wrden sie gemeinsam in seiner Familie begehen und Plne fr die Zukunft schmieden. Gezeichnet war mit: Alle Stiere fr dich, dein Jos.

Trnen der Freude und des Glcks liefen Kim ber die Wangen, als sie mit der Lektre des Briefes zu Ende gekommen war. Schnell kramte sie aus ihrer Schreibtischschublade ein Stck Schreibpapier hervor und schrieb mit zitternder Hand: Geliebter Jos, ich komme, koste es, was es wolle - yo viene, te quiero! Schnell steckte sie die wenigen Worte in einen Briefumschlag und versteckte ihn in ihrer Handtasche. Am nchsten Morgen gab sie ihn vom Bro aus auf die Post, in der Hoffnung, er werde so schnell wie mglich die Reise bers Meer antreten und dem Geliebten sagen, da er nicht mehr lange auf sie zu warten brauche. Heimlich erkundigte sie sich nach Flgen und Zugverbindungen, erstand schlielich die Karten und lie sie im Bro, damit ihnen nicht noch in letzter Minute etwas widerfahren mge. So wurde es Weihnachten. Nachdem, wie blich, die Geschenke verteilt und die obligaten Fotos gemacht worden waren, sa die Familie beim Abendessen.

"Mum, ich habe dir etwas zu sagen, knnen wir nicht auf mein Zimmer gehen!" bat Kim ihre Mutter nach dem Dessert.

"Ist es denn so geheimnisvoll, da die anderen es nicht hren drfen?"

"Sie werden es spter auch noch erfahren, doch mchte ich es dir zuerst mitteilen!" bestand Kim auf ihrem Wunsch.

"Also gut, ich komme in fnf Minuten!" stimmte die Mutter zu, whrend sie sich fragte, was ihre lteste ihr denn zu sagen habe. Kim erwartete die Mutter auf ihrem Bett sitzend und fast abwesend vor sich hin sehend.

"Schlie bitte die Tr!" bat sie und begann, als die Mutter dies getan hatte, mit tonloser Stimme, den Blick auf den Boden gerichtet:

"Morgen geht mein Flugzeug nach Spanien, ich habe beschlossen, der Einladung Joss zu folgen und Silvester bei seiner Familie zu verbringen - ich sage dir gleich, da du mich unter keinen Umstnden von meinem Vorhaben abbringen kannst, ich bin volljhrig, verfge ber mein eigenes Geld und werde morgen frh dieses Haus verlassen, ob im Guten oder im Bsen hngt von dir ab." Die Mutter war wie vom Schlag getroffen, ob der Erffnung seitens ihrer Tochter, hatte sie doch keine Ahnung von dem geheimen Briefwechsel Kims mit Jos, ja hatte sie nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, da ihre Tochter mit diesem >Auslnder< in Beziehung zu bringen sei. Hatte sie ihr doch bei ihrer Abreise aus Spanien klar zu verstehen gegeben, was sie von Kims morgendlicher >Flucht< zu Pferde mit diesem Kerl hielt und meinte gesprt zu haben, da ihre Tochter ihr auch diesmal, wie immer, zustimmte. Um so schwerer traf sie die heutige Mitteilung Kims. Sie suchte nach Worten.

"Gut, hm, ich hoffe, du weit, auf was du dich da einlt! Der Kerl will natrlich mehr, als dich nur seiner Familie vorstellen. Hast du da schon einmal daran gedacht? Und wie soll das dann weitergehen? Wie stellst du dir den Fortgang dieser >Romanze< vor? Fr wann ist deine Rckreise geplant? Und deine Arbeit und Ausbildung? Soviel ich wei, hast du nur eine Woche Ferien und whrend der solltest du im Bro arbeiten, nicht wahr?" Regungslos lie Kim die Rede ihrer Mutter ber sich ergehen. Nur ihre Gesichtszge verhrteten sich ein wenig, als die Mutter sie so spttisch nach dem Fortgang der >Romanze< fragte. Fr sie war dies alles mehr, etwas berwltigendes, Heiliges, die wahre Liebe eben. Und so antwortete sie auf die vielen Fragen ihrer Mutter in nur einem Satz:
 
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