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ABRECHNUNG 7

"Mein Gott! Das soll Csars neue Mutter sein?" Rosa war ebenso entsetzt wie Kim. Aber der Gerichtsdiener bat sie schon, Platz zu nehmen. Kim mute mit ihrem Kind in die erste Reihe neben Jos und die junge Spanierin, Rosa nahm im Zuschauerraum Platz. Der alte Richter verlas schnell die Scheidungsschrift, sie endete mit den Worten:

"Da erwiesen ist, da die nur zivil geschlossene Ehe des Jos Almerida mit seiner Frau Kim, geborene O'Keary unheilbar zerrttet ist, erklre ich sie hiermit fr GESCHIEDEN. - Das Sorgerecht fr das Kind Csar Almerida, spanischer Staatsbrger wird dem Vater Jos Almerida, spanischer Staatsbrger zugesprochen, da die Mutter Auslnderin ist. - Bitte leisten sie ihre Unterschriften!" Jos war als erster am hohen Tisch des Richters und unterzeichnete schnell, Kim erhob sich erst, als er wieder Platz genommen hatte, ging auf schwankenden Beinen zur Unterzeichnung und hob fragend ihren Blick zum Richter.

"Mit welchem Namen soll ich denn zeichnen?"

"Mit ihrem Mdchennamen natrlich, den nehmen sie ja wieder an - oder nicht?" meinte der Richter berheblich. Mit rotem Kopf zeichnete Kim: Kim O'Keary. Die Scheidung war vollzogen. Als sie auf ihren Platz zurckkehrte, kam Jos auf sie zu.

"Meinen Sohn!" Kim konnte ihm nicht in die Augen sehen, sie kte mit leichenblassem Gesicht ihr Kind, das sie heute zum letzten Mal sehen sollte.

"Geh brav zu Papa, er hat auch schon eine Spielkameradin fr dich gefunden." meinte sie tonlos, hoffend, da die junge Spanierin an der Seite ihres Ex-Mannes die Last eines Kindes akzeptieren wrde.

"Mama mu eine lange Reise antreten, mein Schatz, leb wohl!" Damit gab sie ihm einen Ku auf beide Wangen, schritt blicklos von dannen - und brach hinter der Tr zusammen. Als sie im Krankenhaus erwachte, war ihre erste Reaktion, sich aus dem Fenster strzen zu wollen, glcklicherweise hatte Rosa den rzten Kims Seelenzustand erklrt und so lag diese in einem Zimmer im Erdgescho, dessen Fenster aber zustzlich auch noch vergittert war. Nach diesem Schock kam Kim nur langsam wieder zu Krften. Viel Hilfe erfuhr sie durch Rosa, die sich aufopferungsvoll um sie kmmerte, tglich im Krankenhaus vorbeischaute, Sigkeiten und Bcher mitbrachte und lange Gesprche mit Kim fhrte. Es vergingen aber doch einige Monate, bis Kim sich so weit wiederhergestellt fhlte, da sie das Krankenhaus verlassen konnte. Mit Rosas Hilfe machte sie Plne, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Zuerst einmal suchte sie sich eine kleine, gemtliche Wohnung in der Stadt, die sie mit einem Teil ihrer alten Mbel einrichtete, den Rest hob Rosa fr sie auf. Sie schrieb sich in einen Kunstlehrgang ein und legte die Jgerprfung ab. Pltzlich hatte sie den unbndigen Wunsch, zu schieen, zu tten. Sie kaufte sich aus zweiter Hand eine schne Flinte und eine leichte Bchse. Mochten all die mit sicherer Hand erlegten Rothhner, die Enten, ja sogar die Wildschweine als Ersatz fr Jos stehen, vor ihrem inneren Auge war es jedenfalls immer der gehate Mann, der im Feuer zusammenbrach, nicht das Tier. Zwar halfen ihr Rosa und deren Mann finanziell ber die ersten Schwierigkeiten hinweg, doch dann mute Kim den ersten Arbeitsplatz akzeptieren, der sich ihr bot, wollte sie nicht die Wohnung verlieren und nach Irland mit dem Eingestndnis ihres >Versagens< zurckkehren mssen. So begann sie ihre Arbeit als Sekretrin in dem kleinen Familienbetrieb eines Olivenbauern. Doch bald mute sie feststellen, da ihre Vorgngerin nicht umsonst das Handtuch geworfen hatte. Zuerst einmal wurde jeder ihrer Handgriffe, jeder Arbeitsvorgang kritisiert:

"Die Juanita hat das aber so gemacht! Bei der Juanita waren die Ordner aber so eingerichtet! Knnen sie denn nicht so arbeiten, wie die Juanita?"

"Ich habe meinen eigen Stil und meine eigene Auffassung von Ordnung!" widersprach Kim. "Im Endeffekt ist es das Ergebnis, was zhlt und nicht der Weg!" Kategorisch lehnte sie es ab, >wie Juanita< zu arbeiten und langsam gewhnte sich die Chefin an Kims >Starrsinn<.

"Ja schafft der dreckige Hund denn heute wieder nicht? Was hast du nur fr einen idiotischen Balg in die Welt gesetzt? Hol den Kerl sofort hier her! Der kann jetzt was erleben!" Mit hochrotem Kopf und Schaum vor dem Mund brllte der schon ber siebzigjhrige Patron seine Frau an, die mit Kim zusammen im Bro sa. Der von ihm so freundlich Titulierte war sein Sohn, ein junger Mann von einigen zwanzig Jahren, der schon des fteren heftig mit seinem Vater zusammengestoen war. Auch heute hatte er es vorgezogen, sich lieber bei der Ernte, denn in der Produktionshalle aufzuhalten. Nun mute also die um vieles jngere Frau des Patrons das Geschrei ihres Gatten hinnehmen.

"Es ist genauso dein Sohn und wenn er dir nicht recht ist, dann wei ich nicht, wer ihn dazu gemacht hat." wagte die Frau einzuwerfen, doch dann stand sie schleunigst auf, um durch die zweite Tr aus dem Bro zu fliehen, denn ihr Mann kam schweren Schrittes auf sie zu, die Hand zum Schlage erhoben.

"Du wagst es auch noch, mir zu widersprechen? Dabei habt ihr doch alles mir zu verdanken! Wenn ich dich nicht in den Betrieb genommen htte, dann wrst du ja schon lange zusammen mit deinem ungeratenen Sohn vor die Hunde gegangen!" schrie er, dann folgte er seiner Frau nach drauen und Kim hrte, wie ihre schnellen Schritte von den lngeren ihres Mannes eingeholt wurden, wie sie versuchte, sich zu wehren, wie die Schlge auf ihrem Gesicht klatschten.

"Da hast du es! Vielleicht erkennst du jetzt, da ich der Herr bin! Hol nun den Hurensohn her! Der kann sich auch gleich seine Ladung abholen!" Dann stapften die schweren Schritte davon. Kim hatte die ganze Zeit ber die Luft angehalten und gewnscht, sich unsichtbar machen zu knnen. Zwar hatte der Patron noch nie gegen sie die Stimme erhoben, doch schockte es sie jedes Mal wieder, wenn vor ihren Augen und Ohren der Familienzwist ausbrach. Spter erschien die Chefin wieder mit verweinten Augen im Bro, tat aber so, als sei nichts vorgefallen. Einige Tage spter, das Bro war bis auf Kim gerade unbesetzt, erschien der Sohn der Familie.

"Sagen sie bitte meinen Eltern, da ich es vorgezogen habe in der Stadt zu leben, die Atmosphre hier bekommt meiner Gesundheit nicht!" damit war er auch schon aus der Tr hinaus, ehe Kim noch etwas sagen konnte. Pltzlich ging die Tr auf und der alte Patron erschien.

"Wo ist meine Frau? Und wo dieses Schwein?"

"Ich habe keine Ahnung, wo ihre Frau sich aufhlt, ihr Sohn aber richtete mir vor kurzer Zeit aus, er werde in die Stadt ziehen!" antwortete Kim mit einem flauen Gefhl im Magen vor Angst, bei der Nachricht von der Flucht seines Sohnes wrde der Alte seinen Zorn eventuell an ihr auslassen. Doch der Mann wand sich ab und flsterte:

"Das wird sie noch ben!" Dann verlie er das Bro. Am nchsten Morgen erhielt Kim einen Anruf von der Chefin, sie werde nicht ins Bro kommen, solle der Alte doch sehen, wie er ohne sie zurecht kme. Kim erledigte also alle Aufgaben alleine, sie war sowie so zu einer >Frau fr alles< degradiert worden. Wollte sie, da WC-Papier vorhanden war und nicht nur Zeitungspapier, so mute sie es selbst mitbringen, heies Wasser gab es in dem ganzen Gebude nicht und auch sonst machte alles einen Eindruck von langsamem Verfall. Das Haus des Patrons war - natrlich vom Geld des Unternehmens - neu hergerichtet worden, sonst jedoch wurde an allen Ecken und Enden gespart. Die Broeinrichtung stammte aus der Zeit vor dem Krieg, so schien es, Kims Schreibmaschine war ein uraltes Modell, die laufend flligen Reparaturen hatten bereits mehr gekostet, als eine neue Schreibmaschine, doch schien das selbst der sonst so auf jede Peseta erpichten Chefin nicht aufzufallen und auch sonst herrschte ein Hauch von Armut - im Bro - whrend ansonsten der Patron in Geld schwamm, sein Geiz ihn jedoch selbst die allerkleinste Ausgabe scheuen lie. Sein Sohn hatte einmal voller Wut gesagt, der Vater solle doch seinen Sarg mit Geld ausfllen lassen, dann habe er es fr alle Zeiten bei sich. Als es an der Tr klingelte, beeilte sich Kim, diese zu ffnen. es kam nicht oft vor, da Kunden direkt ins Bro kamen, war dies aber einmal der Fall, so war es ihre Aufgabe, diese zu bedienen. Die zwei Herren grten freundlich, als Kim sie einlie.

"Ist der Patron nicht zu Hause?"

"Ich habe ihn heute noch nicht gesehen!" beeilte sich Kim zu antworten. "Was kann ich fr sie tun?"

"Wir wollten Oliven kaufen, mchten aber zuerst einmal ihr Angebot sehen!" lie sich der eine Herr vernehmen.

"Dann kommen sie bitte mit, ich zeige ihnen unsere Auswahl, und sie knnen ihre Entscheidung in aller Ruhe treffen."

"Mit Vergngen!" Kim wollte die beiden Kufer gerade in die Halle fhren, als der alte Patron vorbeikam.

"Was wollen die denn hier?"

"Die Herren mchten Oliven kaufen, sich die Ware aber erst ansehen!"

"Machen sie nur schnell, sie kosten mich sowieso jede Minute einen Haufen Geld!" murmelte der alte Patron, jedoch laut genug, da die Kufer es auch verstehen konnten. Kim wurde ber und ber rot aus Scham ber die Unhflichkeit des Patrons und antwortete mit fester Stimme:

"Ich koste sie so oder so mein Gehalt, ist es da nicht von Vorteil, wenn ich zustzlich einen Kauf fr sie abschlieen kann?" Damit lie sie den Mann stehen und bat die Kufer, ihr zu folgen. Diese schttelten nur den Kopf ob der Ungezogenheit des Patrons, belohnten Kim aber durch einen groen Einkauf. Im Winter, der auch in Andalusien kalte Tage kennt, fror Kim schrecklich in ihrem ungeheizten Bro. Es ist auch etwas anderes, ob man sich krperlich bettigt oder acht Stunden tglich ruhig auf seinem Platz sitzt. Auerdem mute das Bro - auch eine Marotte des alten Chefs - morgens und mittags mindestens eine halbe Stunde lang gelftet werden, was nicht dazu beitrug, die Innentemperatur zu erhhen. Die Chefin kam in Pelzmantel und Lederhandschuhen, schaute sich die einlaufenden Bestellungen an, las ihre Zeitung und verschwand wieder, Kim jedoch mute durchhalten. Auerdem konnte sie nicht in dickem Mantel und Handschuhen auf der Schreibmaschine schreiben. So holte sie sich eine Erkltung nach der anderen. Als sie auch noch in der Packhalle helfen mute, da der einzige weitere Mitarbeiter des Betriebes, ein entfernter Verwandter der Familie, krank geworden war und sie dessen schwere Arbeiten mit erledigen mute, spielte ihre schon angeschlagene Hand nicht mehr mit und Kim mute nach einem morgendlichen Arztbesuch der Chefin melden, da sie mit der rechten Hand in Gips fr wenigstens sechs Wochen ausfalle.

"Wenn es denn nicht zu ndern ist! Sie wissen sehr gut, da der Packer auch krank ist, wer soll denn jetzt seine Arbeit bernehmen?"

"Das wei ich auch nicht, aber sie mssen einsehen, da ich so nicht arbeiten kann!"

"Fangen sie nur nicht an mit hufigem Krankwerden, wie ihre Vorgngerin!"

"Ich glaube nicht, da ich ihnen bis jetzt Anla gegeben habe, sich ber hufiges Kranksein zu beschweren. Selbst mit der schlimmsten Erkltung war ich immer auf meinem Platz, aber jetzt ist es eben unmglich fr mich, zu arbeiten!"

"Na gut, kurieren sie sich so schnell wie mglich aus, ich brauche sie hier!" Whrend ihrer Rekonvaleszenz machte sich Kim Gedanken ber ihre Arbeit. Sicher, sie brauchte das Geld notwendig, aber unter den herrschenden Arbeitsbedingungen wrde sie es nicht lange aushalten knnen, schon um ihrer Gesundheit willen. Als sie nach einigen Wochen wieder an ihrem Arbeitsplatz erschien, war gerade der alte Patron anwesend.

"Na, da sind sie ja wieder! Haben sie vor, fters krank zu werden? Dann sollten sie sich lieber gleich nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen!" bemerkte er hmisch zu Kim. Diese jedoch zog es vor, zu schweigen. Als sie von der Chefin ihr Gehalt erbat, mute sie erstaunt die Antwort der Chefin hren.

"Ja, was wollen sie denn noch - wenn sie krank sind, erhalten sie nur das, was die Kasse ihnen zahlt, im allgemeinen die Hlfte des Gehaltes, aber sie knnen ja nicht erwarten, da wir die andere Hlfte zahlen, wenn sie nichts schaffen!"

"Ich habe aber gehrt, da im Krankheitsfall das gesamte Gehalt auszuzahlen ist, die Kasse berweist ihren Teil dann an den Arbeitgeber!"

"Da shen wir ja schn aus!" lachte die Chefin. "Fragen sie nur ihre Vorgngerin - und die war ziemlich oft krank: Sie hat immer nur den Teil erhalten, den die Kasse ihr zahlte, keine Peseta mehr!"

"Da werde ich mich einmal erkundigen mssen!" war Kims Antwort. Was sie auch tat. Bei der Kasse war die Sachbearbeiterin ganz erstaunt, als Kim sich mit ihrer Frage an sie wendete.

"Aber natrlich haben sie ein Recht auf volle Bezahlung! Erst wenn sie sehr lange Zeit ausfallen, mehrere Monate etwa, dann stuft sich der Betrag etwas ab, aber auch dann zahlt der Arbeitgeber. Sagen sie dies ihrem Chef, sollte er auch dann noch die Zahlung verweigern, gehen sie ans Arbeitsgericht."

"Herzlichen Dank!"

"Nichts zu danken, das ist ihr gutes Recht, leider trauen sich die Leute viel zu wenig, Fragen zu stellen oder sich ber ihre Rechte zu informieren und leisten so dem Fehlverhalten der Arbeitgeber noch Vorschub!"

"Ich mu ihnen leider mitteilen, da sie verpflichtet sind, mir mein gesamtes Gehalt zu zahlen und sich den Anteil der Kasse direkt dort erstatten zu lassen." Furchtlos stand Kim vor ihrer Chefin, im Wissen der Rechtmigkeit ihrer Forderung.

"Sie haben wohl nicht alle Tassen im Schrank? Wer hat ihnen denn diesen Unsinn in den Kopf gesetzt? Mein Buchhalter ist ber diese Dinge wohl besser informiert als sie und er hat noch in keinem Fall das ganze Gehalt berwiesen." Die Chefin geriet auer sich, im Gedanken an die Ausgaben, die ihr Kim bereiten wollte. "Da wrde ja jeder krank spielen und sein ganzes Gehalt abkassieren!"

"Es geht hier nicht um >krank spielen<. Ich war arbeitsunfhig, hatte die Hand in Gips! Und die Dame in der Rechtsabteilung der Kasse hat mir besttigt, da mir mein volles Gehalt zusteht!"

"Kommt gar nicht in Frage! Das haben wir nie gemacht, sie werden also auch nicht die Ausnahme sein!"

"Na schn, dann werde ich eben schriftliche Aufklrung erbitten!"

"Tun sie das nur!" lachte hhnisch die Chefin, dann war das Thema fr sie erledigt. Nicht so fr Kim. Sie schrieb an das Arbeitsgericht, schilderte ihren Fall und bat um schriftliche Erklrung. Nach einigen Tagen erhielt sie das Schreiben, das ihr in allen Dingen Recht gab. Mit diesem Brief, besser, einer Kopie des Briefes, ging sie am nchsten Tag zu ihrer Chefin.

"Ich habe hier eine Antwort des Arbeitsgerichtes, die ebenfalls besagt, da mir mein Gehalt zusteht!"

"Was? Sie haben es gewagt, sich ans Arbeitsgericht zu wenden? Das htte ich von ihnen nie angenommen, da sie hinter meinem Rcken solch eine Frechheit begehen wrden! Ich, als ich so alt war wie sie, htte es nie gewagt, die Meinung meines Chefs anzuzweifeln! Und dann auch noch gleich beim Arbeitsgericht! - Auf jeden Fall reden die auch nur so vor sich hin! Mein Buchhalter ist ja wohl am besten informiert!"

"Erlauben sie, da ich daran zweifle! Das Arbeitsgericht ist eine Instanz, die sehr wohl wei, was sie sagt oder schreibt. Ich habe es hier schwarz auf wei: mein Gehalt ist mir fr die Dauer der Arbeitsunfhigkeit voll auszuzahlen! Sollten sie daran zweifeln, sehen wir uns eben vor dem Gericht wieder!" Kims starkes Auftreten verwirrte die Chefin und bewog sie dazu, obwohl sie ja sehr genau wute, da sie Kim das Gehalt zahlen mute, sich pro Forma noch einmal bei ihrem Buchhalter zu erkundigen. Am nchsten Tag warf sie mit angeekelter Miene Kim einen Scheck auf den Schreibtisch.

"Ihr Gehalt! Aber glauben sie nicht, da sie damit gewonnen haben! Bei der nchsten Gelegenheit fliegen sie!"

"Das wrde ich ihnen nicht raten! Und es wre auch besser, wenn sie diese Drohung nicht ausgesprochen htten!" meinte Kim kalt und steckte den Scheck ein. "Sie sind sowieso jeden Monat im Verzug mit der Zahlung meines Gehaltes. Statt am letzten Tag des Monats, wie im Vertrag festgelegt, geben sie mir immer nur auf meine Bitte und zhneknirschend einen von ihnen sogenannten >Vorschu<, der natrlich keiner ist, und dann mu ich oft bis zum Zehnten des Folgemonats warten, bis es ihnen genehm ist, mir den Rest auszubezahlen. Sollte dies - und anderes - wie zum Beispiel die unhaltbaren sanitren Bedingungen und so weiter einmal aufs Tablett kommen, wren sie wohl nicht sehr begeistert darber!" konnte Kim sich nicht verkneifen zu erwhnen. Einige Tage war das Klima im Bro unter Gefrierpunkt, dann kehrte alles in seine gewohnten Bahnen zurck. Der alte Patron schrie wie immer mit seiner Frau und bedrohte sie, Kim fhlte sich wie immer ungemtlich, ob diesen Zwistes, war aber gleichzeitig dankbar fr den Arbeitsplatz, der es ihr ermglichte in Spanien zu bleiben und ihr Leben selbst zu gestalten. Zerstreuung fand sie auch in der Gestalt einer Anglo-Araber Stute, die sie fr sehr wenig Geld einem brutalen Bauern abkaufen konnte. Sie sah das arme Tier eines schnen Sonntagnachmittags, als sie zu Rosa ging. Der Mann ritt im Galopp mitten auf der Strae und begann wie irr sein Tier zu schlagen, als dieses vor einem entgegenkommenden Lastwagen scheute. Kim tat das elegante, kastanienbraune Pferdchen leid und sie folgte dem Reiter bis auf dessen Hof. Dort wartete sie, bis der Mann das Pferd, nicht, ohne ihm vorher noch einmal die scharfe Trense ber den Kopf geschlagen zu haben, einfach in einen dunklen und muffig riechenden Stall sperrte, der schon lange htte einmal gemistet werden mssen.

"Buenas Dias! Ich suche ein Reitpferd! Haben sie nicht eines zum Verkauf?" stellte Kim sich vor. Der grobschlchtige Mann wirkte verwirrt, hatte er doch gesehen, da Kim ihm gefolgt war.

"Ja, was soll denn das? Natrlich hab ich ein Pferd, das ham se ja selbst gesehn! Aber es is weder umgnglich noch gut zu reitn. Ich wollt es nchste Woche zum Schlachter gebn!"

"Dann geben sie es doch mir!" bat Kim und bot einen Preis, der etwas ber dem Schlachtpreis lag.

"Tja, wenn se se wirklich wolln?" zweifelte der Bauer an seinem Glck. "Aber ich warn se, mit der is nicht gut Kirschen essn. Selbst vom Hengst wollt se nscht wissn, sonst htt ich se als Zuchtstute behaltn!"

"Ich werde schon mit ihr zurechtkommen!" versprach Kim und verabredete mit Rosa, da die arme Stute auf deren Hof Unterkunft finden wrde. Am nchsten Tag holte Kim Sattel und Zaum aus der Kiste, in der sie seit Black Diamonds rtselhaftem Verschwinden lagen und kam mit Rosa auf den Hof des Bauern. Dort zahlte sie den Kaufpreis und begab sich zu dem Stall, wo sie ein angstschnaubendes und ber und ber mit Schwei bedecktes Etwas erwartete.

"Was ist denn mit dem Tier los?" fragte Kim rgerlich den Bauern.

"Ach, se ham doch gesagt, se wolln se auf den neuen Hof reitn, na ja, da hab ich gedacht, ich mach se ihnen erst mal gefgig!" meinte der Mann arglos.

"Wie haben sie sie denn >gefgig< gemacht?" wollte Kim wissen, obwohl sie die Antwort auf ihre Frage schon zu kennen glaubte.

"Se hat halt ne gute Abreibung erhaltn, das is alles!" schmunzelte der Mann. "Se werdn sehn, jetzt geht se wie ein Lmmchen!" Das mochte ja sein, aber zuerst gelang es Kim kaum, der zitternden Stute den Zaum berzustreifen. Satteln lie sie sich dann ruhiger, doch rollten ihre Augen angstvoll und lieen das Weie sehen, die Ohren waren wie in Erwartung neuer Schlge nach hinten gelegt und der Schweif schlug wilde Kreise.

"Nur ruhig, meine Liebe, ab heute wirst du nur noch gut behandelt werden!" murmelte Kim ihr mit leisem Singsang ins Ohr und schwang sich geschmeidig in den Sattel. Die Stute wollte erst wild davon strmen, schien aber fast unglubig stehenzubleiben, als die gewohnten Schlge ausblieben und statt dessen eine zarte Hand sie am Hals streichelte und eine warme Stimme ihr tausend Ungereimtheiten ins Ohr sprach. Rosa kehrte auf ihren Hof zurck und Kim begann den Ritt dorthin. Als das Tier sprte, da die Reiterin nichts Bses mit ihr vorhatte, entspannte sie sich und ging brav unter dem Sattel. Bis zum Hof Rosas war sie abgetrocknet und kaute wohlig an der weichen Trense, die Kim schon fr Black Diamond bevorzugt hatte.

"Arme Kleine, du wirst sicher noch viel lernen mssen, bis du begreifst, da die bei mir keiner etwas Schlechtes antut!" flsterte Kim und stellte ihr Pferd, das sie Dragonfly getauft hatte, in die gerumige, helle und luftige Box in Rosas Stall. Dort stand nur noch das alte Pony, das Rosa einst fr ihre Shne gekauft hatte und das diese nur noch whrend der Ferien reiten konnten, da sie ansonsten im Internat waren. Die beiden Pferde mochten sich von Anfang an und durften spter sogar gemeinsam in den groen Auslauf, wo sie sich mit wilden Spielen und gemeinsamer Fellpflege die Zeit vertrieben, wenn ihre Reiter abwesend waren. Im Bro lief alles seinen alten Gang, bis eines schnen Tages der alte Patron den gesamten Betrieb an einen etwas jngeren Mann verkaufte, der aber weder aus der Gegend stammte, noch je mit Oliven zu tun gehabt hatte. Dieser hatte zwei ltere Mdchen, die in Madrid auf die Universitt gingen und einen kleinen Sohn, einen >Nachzgler< von sieben Jahren. Diesem wollte unbedingt eine >Fabrik< kaufen! Schon am Anfang machte er sich sehr unbeliebt bei den Olivenkultivateuren, die er schlichtweg >Bauern< nannte. Zwar hatte er eine Kritik fr alles, das der alte Besitzer und dessen Frau, die sich nach dem Verkauf des Geschftes zur Ruhe gesetzt hatte, unternommen hatten, fhrte lange Gesprche mit Kim, wie alles zum Besseren zu machen sei und wollte alles modernisieren - Geld genug war ja vorhanden, denn der Betrieb hatte, auch dank der Knauserigkeit des alten Patrons, ein riesiges Guthaben. Einige Zeit nach dem Kauf jedoch bemerkte Kim, da immer mehr Geld von den Geschftskonten verschwand, bis sie schlielich in den roten Zahlen standen. Auch sa der neue Chef stundenlang in seinem Bro und brtete ber kleinen Zetteln, die er mit Zahlen oder Notizen beschrieben hatte. Alte Kunden wurden nicht von dem Besitzwechsel informiert, Preise ohne Vorankndigung angehoben und der Export vernachlssigt. Als Kim ihren Chef einmal darauf ansprach, meinte dieser nur wegwerfend:

"Ich bin der Chef, ich wei, was ich tue!" Damit war fr ihn die Angelegenheit erledigt.

"Aber Chef, wir zahlen wahnsinnig hohe Zinsen, da alle Konten im Minus sind. Und was ist mit dem versprochenen Computer? Seit drei Monaten wollen sie das Bro modernisieren, wollen ein neues Firmenlogo einfhren, neue Verpackungen schaffen und den Export ankurbeln. Sie haben mir einmal gesagt, ich drfte die Prospektion fr den englisch-sprachigen Raum bernehmen und neue Werbeprospekte entwerfen. Aber bis heute wurde davon nichts realisiert!"

"Ich habe mich eben entschlossen, andere Prioritten zu setzen!" war die unbefriedigende Antwort des Chefs, bevor dieser wieder in sein Bro ging und fr den Rest des Tages dort ber seinen Zetteln brtete. Auerdem rauchte er wie ein Schlot und ohne jede Rcksicht auf Kim, die als Nichtraucherin Kopfweh und Halsschmerzen durch den dichten Rauch bekam. Einer Bitte ihrerseits, doch wenigstens nicht in ihrer Gegenwart und in ihrem Bro zu rauchen, wurde nicht nachgekommen. Ja, sie mute sogar jeden Morgen die Aschenbecher mit der kalten Asche von mindestens zwanzig Zigaretten leeren, was ihr jedes Mal belkeit verursachte. Nun mute sie sogar die Aufgaben einer Putzfrau bernehmen, wollte sie sich nicht anstelle ihres Chefs fr das Aussehen des Bros schmen, wenn einmal seltene Kunden vorbeikamen. So vergingen einige Monate. Kim half ebenso wie frher in der Produktion und bei der Verpackung, der Verwandte der frheren Besitzer, der auch bernommen worden war, erhielt bald darauf eine Gehaltserhhung, nur bei Kim blieb alles, wie es war.

"Chef, eine Frage bitte!"

"Machen sie es aber kurz, ich habe keine Zeit!"

"Sie gaben mir heute den Vertrag zum Tippen, mit welchem sie einen jungen Mann ab nchsten Ersten einstellen. - Was wird dann aus mir?"

"Ach, sehen sie, ich will Buchhaltung und alles hier machen lassen, das kostet mich weniger und ist auerdem bersichtlicher! Also brauche ich einen jungen Mann, der am Computer diese Aufgaben bernehmen wird. Sie bleiben mit ihrem alten Aufgabenkreis betraut."

"Das beruhigt mich, es kme mir nmlich sehr ungelegen, mir jetzt einen neuen Arbeitsplatz suchen zu mssen!"

"Nein, nein, sie brauchen keine Angst zu heben, mit ihren Sprachkenntnissen sind sie mir unentbehrlich!"

"Danke, Chef!" Damit war die Angelegenheit fr Kim abgeschlossen. Zwar gab es im Bro immer noch keinen Computer, aber nach den Worten des Chefs zu deuten, wrde dieser fr den jungen Kollegen angeschafft werden, der auerdem viel mehr verdiente, als Kim. Drei Tage vor dem Monatsende rutschte Kim im Regen auf der Steintreppe vor ihrer Wohnung aus und brach sich das Bein. Zwar war der Bruch einfach und wrde bald heilen, doch hie es auch, da sie die langen, entspannenden Ritte mit Dragonfly eine Weile aufschieben mute. Rosa nahm sie zu sich, wohl wissend, da Kim die Decke auf den Kopf fallen wrde, wenn sie so allein und behindert durch den Gips in ihrer Wohnung wrde bleiben mssen.

"Du bist so lieb, ich falle dir doch nur zur Last, Rosa! Und was sagt eigentlich dein Mann dazu?"

"Der freut sich, da ich nicht die ganze Zeit alleine bin!" lachte Rosa vergngt und half Kim in ihr Zimmer. Jetzt knnen wir wenigstens miteinander plaudern und du kannst auch immer dein Pferd besuchen, der Stall ist ja nicht weit."

"Ich wei gar nicht, wie ich dir fr alles danken soll!"

"Nicht der Rede wert! Ich freue mich immer, wenn wir zusammen sein knnen! Was sagt denn dein Chef zu dem Unfall?" wollte die Freundin wissen.

"Ich habe ihn nur am Telefon benachrichtigt, vom Krankenhaus aus, er wnschte mir gute Besserung, das war alles!"

"Na, dann ist er wenigstens nicht wtend, da ihm seine Sekretrin ausfllt!" lachte Rosa. Die Zeit verging wie im Fluge, an einem der Wochenenden war Rosas Mann zu Hause und nahm die beiden Frauen auf eine Rundfahrt durch Andalusien mit. Kim bewunderte die schnen Pltze, wenngleich sie mit ihren Krcken und dem Gipsfu nur langsam vorankam und dankte Rosas Mann am Abend berschwenglich fr das Erlebnis. Als sie wiederhergestellt war, nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Aber was fr ein Schock: Gleich, als sie am Morgen das Bro betrat, kam ihr der Chef entgegen.

"Hier, Seora O'Keary, ihr Gehalt fr die Zeit der Krankheit - und hier eine Schreiben, welches sie mir bitte auf dem Durchschlag gegenzeichnen mchten."

"Was fr ein Schreiben denn?" wollte Kim wissen, nichts Gutes ahnend.

"Ich habe beschlossen, da der neue Kollege auch ihre Arbeiten bernehmen kann, die Geschftslage ist ja sowieso nicht gerade rosig, das mssen sie verstehen! Auerdem ist das jetzt der zweite Fall von langer Krankheit in zwei Jahren, sie mssen selbst einsehen, da das Unternehmen sich dies nicht leisten kann!"

"Nennen sie einen unglcklichen Beinbruch >lange Krankheit

"Ich habe eben meine Meinung gendert! Sie wissen auerdem selbst, da die Firma rote Zahlen schreibt!"

"Seitdem sie die Konten leergefegt haben!" dachte Kim, sprach es aber nicht aus. So mute sie die Kndigung, wenn auch unter Protest vor dem Arbeitsgericht, hinnehmen. Von ihrem Arbeitslosengeld lebte sie mehr schlecht als recht, weigerte sich aber, aufzugeben.

"Kim, ich habe einen Platz fr dich als Fremdsprachensekretrin in einem Exportbetrieb gefunden!" rief Rosa eines schnen Morgens ihrer Freundin zu. "Du sollst noch heute vorbeikommen, zu einem ungezwungenen Vorstellungsgesprch!"

"Wie ist dir denn das gelungen?" Kim kannte die Arbeitsmarktlage zu gut, als nicht erstaunt ber Rosas Fund zu sein.

"Ach, der dortige Chef ist ein Freund meines Mannes, der ihm schon mal hier und da einen kleinen Dienst geleistet hat. Er will dich also mal anschauen. Vielleicht hast du den Job schon heute Abend!"

"Das wre zu schn, um wahr zu sein!" Kim blieb skeptisch. "Aber du hast recht, ich brauche unbedingt Geld, sonst kann ich hier einpacken."

"Na, dann, viel Glck!" Kim zog sich sehr sorgfltig an, nicht zu brav, aber auch nicht zu auffallend, kaum Schminke, wenig Schmuck, so betrat sie das Bro einer groen Firma, die hauptschlich mit bersee handelte. Der Personalchef war sofort bereit, einen Versuch mit ihr zu wagen, ihr direkter Vorgesetzter war von ihrem sicheren Auftreten und ihren Sprachkenntnissen so beeindruckt, da er ihr einen Vollvertrag zu guten Konditionen anbot. Kim akzeptierte mit Freuden, gewann sie doch auer der geldlichen Seite auch auf der persnlichen Seite, sa sie nicht mehr so oft allein zuhause, konnte sie neue Bekanntschaften knpfen, vertrieb ihr die Konzentration auf die Arbeit die schwarzen Gedanken, die sie von Zeit zu Zeit heimsuchten. Kim lebte also ihr neues Leben, unabhngig und frei, doch nicht immer glcklich, zu oft holten sie die Gedanken an frhere Zeiten und ihr Kind ein. Dann schlo sie sich in ihrem Zimmer ein und weinte sich bis zur Erschpfung aus. Am nchsten Morgen jedoch fand sie die Kraft, sich wieder ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren und neue Freude am Leben zu finden. So vergingen die Monate. Sie fhlte sich immer freier und fand fast ihre alte Frhlichkeit und Unbeschwertheit wieder, wenn sie mit ihrer Dragonfly ber die weiten Ebenen preschte.

"Kim, ich mchte ihnen mitteilen, da wir bermorgen ein Arbeitsessen mit einigen wichtigen zuknftigen Geschftspartnern haben. Sie kommen aus Amerika und Kanada, werden also wohl Englisch sprechen." Mit diesen Worten empfing ihr Chef sie eines schnen Morgens, als Kim sich gerade in ihrem hbsch eingerichteten Bro einen Kaffee zubereitete. Alles war sehr praktisch angelegt, sie hatte einen groen, hellen Arbeitsplatz, der mit der modernsten Informatik ausgerstet war, hohe Scheiben lieen das Tageslicht ein und ermglichten die Aussicht auf das nicht allzu ferne Meer.

"In Ordnung, Chef. Wo findet das Essen statt? Im Hotel oder einem Restaurant?" Kim kannte sich schon mit dem Gang der Dinge aus, die Frage des Ortes war ausschlaggebend fr die Wichtigkeit des Geschftes und auch fr die Wahl der Bekleidung. Doch diesmal berraschte sie die Antwort ihres Chefs.

"Wir speisen bei mir zuhause. Es soll ein ungezwungener Abend werden, nicht hoch offiziell. Dies ist ein Abend zum Kennenlernen, ber Geschfte werden wir, wenn berhaupt, nur am Rande reden. Meine Frau wird die Gastgeberin sein, sie sind eine Freundin des Hauses, die gerade bei uns weilt und zufllig auch Englisch spricht."

"Und wozu diese Komdie?" konnte Kim sich nicht enthalten zu fragen.

"Warum stellen Sie mich nicht als ihre Sekretrin vor?"

"Es soll eine zwanglose Atmosphre herrschen, ohne jeglichen Bezug zum Geschftlichen. Wir lgen auch nicht, denn Sie sind ja wirklich eine gute Bekannte und bedeutend mehr, als nur meine Sekretrin. Meine Frau bewundert Sie sehr, vor allen Dingen gefllt ihr der Mut und die Willenskraft an Ihnen, welche ungebrochen ist, selbst nach all dem, was Sie haben durchmachen mssen. Willigen Sie also bitte ein und kommen Sie bermorgen Abend gegen sechs Uhr zu uns, wir haben dann noch gengend Zeit, Einzelheiten durchzusprechen. Und bitte ganz gewhnliche Kleidung, wie Sie sie zuhause tragen."

"Einverstanden, Chef, ich werde pnktlich sein."

"Das sind Sie ja immer." bemerkte der Chef lchelnd und verlie das Bro. Kim hatte genug Zeit zum Nachdenken, sie versuchte sich vorzustellen, wer denn die Gste sein wrden, die so auergewhnlich bewirtet werden wrden. Den Nachmittag verbrachte sie mit der Auswahl der passenden Kleidung, nicht zu schick, aber auch nicht hausbacken, um endlich ein leichtes Sommerkostm zu whlen, dessen dunkelgrne Farbe einen guten Kontrast zu ihren roten Haaren abgab und dessen Schnitt verriet, da es nicht von der Stange gekauft war. Sie whlte dazu passende Schuhe und Handtasche, hielt sich aber beim Schmuck zurck, so da am Ende nur eine kleine Goldkette ihren Hals und ein schmaler Ring mit einer fast unaufflligen Perle ihren Finger schmckte. Ihre Haare fielen ihr lose auf die Schultern und umrahmten ihr dezent geschminktes Gesicht wie ein Schleier. Als sie zur angegebenen Stunde bei ihrem Chef klingelte, ffnete ihr die Hausherrin und empfing sie mit einem strahlenden Lcheln.

"Guten Abend Seora Kim! Genau so hat mein Mann sich das vorgestellt. Sie sehen sehr gut aus, meine Liebe, kommen Sie nur herein, mein Mann erwartet Sie schon im Salon!"

"Guten Abend Seora Molina! Vielen Dank fr das freundliche Kompliment! Ich hoffe nur, da die Gste Ihres Mannes die gleiche Meinung haben werden!" Dann folgte sie der Frau in den Salon, wo ihr Chef sie vor dem groen, offenen Kamin stehend, empfing. Auch er war gut, aber dezent gekleidet, ebenso wie seine Gattin, deren Leibesflle jedoch nicht viele Variationen bei der Bekleidung zulie.

"Guten Abend, meine Liebe! Kommen Sie, setzen Sie sich! Sie sehen genau so aus, wie ich mir das vorgestellt habe! Mchten Sie etwas trinken?" Damit begab er sich schon zu einem gut gefllten Barpult, das in einer Ecke des riesigen Salons angebracht war.

"Guten Abend, Seor Molina, auch Ihnen Danke fr das Kompliment, ich mchte aber bitte keinen Alkohol trinken. Etwas Fruchtsaft akzeptiere ich jedoch gerne!"

"Rosa, bringe doch bitte etwas Orangenlimonade fr Seora Kim!" rief Kims Chef seiner Frau zu, die schon in die Kche eilte, um das Gewnschte zu bringen. Als sie dann alle beieinander saen auf den tiefen Ledersesseln, erluterte der Chef den Verlauf des Abends, wie er ihn sich vorstellte. Punkt acht Uhr vernahmen sie das Gerusch von Rdern auf dem Kies der Einfahrt und kurze Zeit spter wurde die Klingel bettigt. Der Chef empfing seine Gste an der Haustr, drei gut gekleidete, distinguierte Herren, zwei von ihnen mittleren Alters, der Jngste etwa in Kims Alter. Der Chef bernahm die Vorstellung, Kim mute bersetzen.

"Und dies hier," damit deutete der Chef auf Kim, "ist eine liebe Bekannte, die bei uns zu Gast weilt und die glcklicherweise Englisch spricht, so da wir keine Schwierigkeiten mit der Verstndigung haben werden." lchelte der Chef und Kim bersetzte auch dies. Die Herren schienen entzckt zu sein, vor allem die Augen des Jngsten ruhten lange Zeit auf ihrer Gestalt, wie abschtzend und doch freundlich. Er war es auch, der sich an Kim wendete.

"Wir danken ihnen fr den herzlichen Empfang und freuen uns, eine so charmante Dolmetscherin unter uns zu wissen. Mein Name ist Dan Ackroyd, dies sind die Herren Muller und Shane."

"Wir sind erfreut, ihre Bekanntschaft zu machen und hoffen, da ihnen der Abend bei uns gefallen wird." entgegnete Kim und schaute ebenfalls etwas zu lange vielleicht auf Dan Ackroyd. Dann begaben sie sich in den Salon zum Abendessen. Der Tisch bog sich unter den Kstlichkeiten, welche die Gattin des Chefs vorbereitet hatte und die drei Gste langten reichlich zu. Whrend des Essens konnte Kim, die am einen Ende der langen Tafel sa, unbemerkt einige Blicke auf den jungen Mann werfen, der sich in Gesellschaft der lteren Herren zu langweilen schien. Er hatte ein hbsches Gesicht, langes, gewelltes, schwarzes Haar, das ihm den Ausdruck eines Knstlers verschaffte, warmherzige braune Augen unter dichten Brauen, eine gerade Nase und einen sensiblen Mund. Er war nicht gerade ein Riese, doch war seine Gestalt sportgesthlt und verriet Kraft und Ausdauer. Schon lange hatte Kim auf einen solchen Mann gewartet. Die Wunden, die ihr erster Mann ihr beigebracht hatte, waren fast vernarbt, neuer Lebensmut keimte in ihr auf und der Wunsch nach einem Mann, nach Liebe, Zrtlichkeit und Zuneigung. Doch wie es anfangen. Jegliche Koketterie war ihr unbekannt und auf die Kunst des Mnnerfanges verstand sie sich schon gleich gar nicht. Blieb ihr nur ihr Wnschen und Hoffen.

"Sie scheinen den Abend auch etwas langweilig zu finden!" Kim, die gedankenverloren einige Zeichnungen im Vorzimmer bewunderte, drehte sich beim Klang dieser Stimme blitzartig um. Hinter ihr stand Dan Ackroyd und schaute sie an.

"Ich - eh - " Ihr fehlten fast die Worte, so sehr hatte sie sich dieses Gesprch gewnscht und nun, da der junge Mann es von sich aus begonnen hatte, war sie verstrt wie ein kleines Mdchen. Sie rusperte sich.

"Verzeihung, Mister Ackroyd, ich bin etwas erschrocken, als Sie mich so pltzlich ansprachen, ich war ganz in den Anblick dieser Zeichnungen versunken und habe Ihr Kommen nicht bemerkt."

"Entschuldigen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe, es ist ohne Absicht geschehen, Mies..." Fragend sah er sie an.

"O'Keary, Kim O'Keary." Beeilte Kim sich zu antworten. "Natrlich verzeihe ich Ihnen, Mister Ackroyd. Es ist wahr, ich langweilte mich ein wenig, jetzt, da Seor Molina mit den anderen Herren in sein Arbeitszimmer gegangen ist und es sich herausgestellt hat, da Mister Muller etwas Spanisch spricht, ich also nicht gebraucht werde. Aber in diesem Haus gibt es so viele Kunstgegenstnde zu bewundern, da wird einem die Zeit nicht lang. Aber warum sind Sie nicht bei den anderen Herren?" Fragend schaute Kim den jungen Mann an.

"Ich gehre nicht zu ihnen, Mies O'Keary, ich bin nur mitgekommen, weil ich gerade bei Mister Muller als Gast weilte und er mich nicht gut allein in seinem Haus lassen konnte, der alte Junggeselle. Aber ich habe nichts mit den Geschften zu tun, die hier verhandelt werden. So blieb mir also nichts anderes brig, als mich ebenfalls hier im Hause umzusehen, zumal unsere Gastgeberin verschwunden zu sein scheint. Aber es ist wahr, die Bilder hier haben einen eigenartigen Reiz, obwohl es doch nur Skizzen sind." wechselte er geschickt das Thema. Erstaunt schaute Kim zwischen ihm und den Bildern hin und her.

"Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Sind Sie denn Sachverstndiger?"

"Ich bin Maler - unter anderem!" lchelte der junge Mann. "Aber ich mchte Sie nicht mit meiner Lebensgeschichte langweilen, Mies O'Keary!"

"Sie langweilen mich aber ganz und gar nicht!" beeilte sich Kim zu erwidern. "Aber wollen wir uns nicht irgendwo einen gemtlichen Sitzplatz suchen?"

"Einverstanden, kommen Sie, ich habe hier ein paar gemtliche Sessel stehen sehen!" Damit fhrte Dan Ackroyd sie in einen kleinen Raum, der scheinbar ein Lesezimmer war, denn an den Wnden standen berall Regale mit Bchern und Zeitschriften. Sie nahmen in den tiefen Ledersesseln Platz und Dan fhrte das Gesprch fort:

"Wenn es Sie denn interessiert, so will ich Ihnen sagen, da ich zwar Maler und Bildhauer bin, mein eines Hobby, mein anderes ist die Pferdezucht, aber ich bin eigentlich gelernter Innenarchitekt und fhre zusammen mit meinem Vater einen ganz gut gehenden Laden, um es einmal etwas salopp auszudrcken. Aber nun sind Sie an der Reihe mit Erzhlen!"

"Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich bin Fremdsprachensekretrin, komme aus Irland, bin hier hngengeblieben, liebe Pferde, die Jagd und Kunst."

"Das war sehr knapp umrissen, Ihr Lebenslauf, doch will ich mich damit begngen und nicht weiter in Sie dringen. Lassen Sie uns ber Kunst reden - oder lieber ber Pferde?" Kim war ihm sehr dankbar dafr, da er nicht in ihrer Vergangenheit bohrte und erwiderte:

"ber Pferde, die Wesen, die ich am meisten liebe."

"Ja," nickte der junge Mann, "Pferde enttuschen einen nicht - und sind treue Partner bis an ihr Lebensende, sofern man sie liebt und richtig zu behandeln wei."

"Da haben Sie vollkommen recht," pflichtete Kim ihm sofort bei, nicht ahnend, da sie damit eine versteckte Frage ihres Gegenber beantwortete. Doch dieser lie sich nichts anmerken und begann, ber seine eigene Zucht zu sprechen.

"Ich lebe auf einer groen Farm in Franzsischkanada, wenn ich nicht gerade fr meinen Daddy unterwegs bin. Dort habe ich ein halbes Dutzend Vollblut-Stuten und auch einige Hengste, dazu jedes Jahr einige Fohlen. Ich versuche, Klasse statt Masse zu produzieren, auerdem gebe ich meine Tiere nie in den Rennsport, ich verkaufe nur an Freizeitreiter oder Reiter im Dressur und Springsport. Hauptschlich bilde ich selbst aus, gebe aber auch Fohlen ab. Sollten Sie also einmal ein gutes Pferd suchen - Dan Ackroyd hat einen guten Ruf in der Pferdewelt!" witzelte er.

"Ich besitze bereits ein eigenes Pferd, eine Anglo-Araber Stute, die ich einem Besitzer abgekauft habe, der sie schlecht behandelte und es hat mich die Arbeit eines ganzen Jahres gekostet, ihr wieder Vertrauen in die Menschen zu geben. Aber Ihr Angebot ehrt mich und ich komme gerne zu gegebener Zeit darauf zurck." Noch ehe der junge Mann darauf antworten konnte, ging die Tr auf und Kims Chef blickte in das Zimmer.

"Da sind Sie ja, Seor Ackroyd! Wir haben Sie schon vermit! Ihre Begleiter mchten jetzt aufbrechen, ich mu Sie also bitten, das Gesprch, so anregend es auch sein mag, zu beenden. Kim, kommen Sie bitte auch mit, unsere Gste mchten sich von Ihnen verabschieden." Fast widerwillig standen die beiden jungen Leute auf, um den Worten ihres Gastgebers Folge zu leisten. In der Halle warteten schon die beiden lteren Herren in Anwesenheit Seora Molinas darauf, sich verabschieden zu knnen, fr private Gesprche blieb keine Zeit mehr. So konnte Kim dem jungen Mann nur ihre schmale Hand reichen, die dieser etwas lnger, als ntig gewesen wre, in der seinen behielt und deren vertrauensvoller Druck vielversprechend war, doch die Worte, die sie wechselten, waren frmlich.

"Vielen Dank fr den bezaubernden Abend, er wird mir noch lange im Gedchtnis bleiben." murmelte Dan Ackroyd, als er sich ber Kims Hand beugte und einen Ku andeutete.

"Auf Wiedersehen, Mister Ackroyd, auch ich werde noch oft an diesen Abend denken." versprach Kim, dann mute sie sich auch von den anderen Herren verabschieden. Lange sah sie dem Auto nach, als dieses die Allee in Richtung Stadt verlie. Ein Gefhl der Leere berkam sie und sie beeilte sich, unter dem Vorwand, am nchsten Morgen ja wieder frisch im Bro sein zu mssen, den Aufenthalt bei ihrem Chef abzukrzen. In dieser Nacht lag sie lange wach und versuchte die Stimmung zu analysieren, die sie beherrschte. Der junge Mann, der so urpltzlich in ihr Leben getreten war und ebenso pltzlich wieder daraus verschwunden war, lie sie an nichts anderes mehr denken.

"Du bist verrckt" schalt sie sich, "Du hast ihn nur einmal fr ein paar kurze Stunden getroffen, dich ber belanglose Dinge mit ihm unterhalten und bist verliebt - das gibt es ja gar nicht! Auerdem wirst du ihn aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder sehen! Vergi ihn also!!" rief sie sich selbst zur Ordnung, doch leichter gesagt, als getan. Sie ertappte sich dabei, wie sie in den nchsten Tagen und Wochen nach seinem markanten Gesicht Ausschau hielt, wie sie unter recht fadenscheinigen Vorwnden von ihrem Chef in Erfahrung zu bringen versuchte, ob der junge Mann noch bei Mister Muller zu Gast sei, was dieser aber nicht beantworten konnte. Nach einiger Zeit verblate die Erinnerung ein wenig, ganz verschwand sie jedoch nie aus den Gedanken Kims. Sie versuchte eines Tages seine Adresse in Kanada zu erfahren, mute jedoch feststellen, da dies unmglich war. Weder als Innenarchitekt noch als Pferdezchter war ein Dan Ackroyd eingetragen, weiter kam sie bei ihren Recherchen nicht. Sie versuchte, ihn ganz aus ihren Gedanken zu verbannen - vergebens! Als Ablenkung strzte sie sich ins Kunstleben, besuchte Ausstellungen und Vortrge, kaufte Bcher ber Malerei und Plastiken und erwarb selbst einige kleinere Werke, die ihr gefielen.
 
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