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PIROSKA 3

"Ich habe dir das Kleid hier extra mitgebracht, es vorher noch herrichten und reinigen lassen, es kommt gar nicht in Frage, da du jetzt noch ein anderes Kleid leihst." Damit war die Sache fr sie erledigt. Und fr mich leider auch. Mein Traum von einer romantischen Hochzeit war sowieso schon geplatzt, wrden wir doch in Miskolc heiraten und nicht in der Puszta, da mein zuknftiger Mann dort seinen ersten Wohnsitz hatte. Also keine Kutsche, kein langes Kleid - und natrlich auch keine kirchliche Trauung, davor hatte mein Verlobter Angst, denn obwohl katholisch getauft und einst Ministrant gewesen, versuchte er doch, dies zu verbergen, um nicht eventuell Restriktionen zu erleiden. Ich fgte mich also in mein Schicksal und versuchte die nchsten Tage sowenig wie mglich in der Nhe meiner Mutter zu sein. Leider war dies nicht immer mglich und so sollte ich noch ein gertteltes Ma an Vorwrfen und dsteren Prophezeiungen ber mich ergehen lassen mssen. Endlich war der Vorabend der Trauung angebrochen und wir fuhren alle nach Miskolc. Meine Mutter wohnte zum Glck bei meiner Schwiegermutter, so konnte ich mit Lajos noch einen ziemlich gemtlichen Abend verbringen. Morgens ging ich dann zum Friseur, whrend meine Mutter das Auto mit einem kleinen Blumengebinde schmcken lie. Wir waren nur ein kleines Dutzend Menschen, alles Familienangehrige, die sich vor dem Brgermeisteramt versammelten, um die Trauung zu vollziehen. Die kleine Feier war schnell beendet und nachdem wir uns in das Register eingeschrieben hatten, verlieen wir das Amt, um in einem kleinen Restaurant zu feiern. Es gab zwar ein wenig Musik, doch tanzte kaum jemand und selbst mein Mann forderte mich nur zu ein paar wenigen Runden auf. Da die Feier noch vor Mitternacht zu Ende ging - hier war um zweiundzwanzig Uhr Sperrstunde, die auch eingehalten werden mute, nicht, wie bei privaten Feiern in einem gemieteten Festzelt, wo bis in den frhen Morgen gefeiert werden konnte, waren wir schnell in dem ruhigen Hotel, wo wir ein Zimmer fr die Hochzeitsnacht reserviert hatten. Dort sanken wir schnell in die weichen Kissen. Ich hatte mein schnstes und aufregendstes Nachthemd mit Neglig dabei, doch hatte ich keine Zeit dazu, es anzuziehen, mein Mann war zu strmisch! Am Vormittag nahmen wir ein versptetes Frhstck ein, dann mute Lajos seine Koffer packen, am nchsten Morgen mute er sich an der Sammelstelle fr Rekruten einfinden. Es war ein trauriger Tag. Schon das Wetter schien unsere Stimmung widerzuspiegeln, es go in Strmen! Ich begleitete meinen Mann bis vor die Tr der groen Turnhalle, wo schon einige Rekruten warteten.

"Ich schreibe dir meine Adresse!" versprach mein Mann, gab mir einen kurzen Abschiedsku, dann war im Strom der anderen jungen Mnner verschwunden. Ich heulte wie ein Schlohund! Kaum verheiratet und schon durch viele Hundert Kilometer getrennt! Denn mein Zug ging am nchsten Tag. Die Fahrt ber war ich apathisch und in Gedanken bei meinem Mann, aber auch bei der Organisation meines Lebens, bis der Wehrdienst abgelaufen war. Eineinhalb Jahre! Meinen Haushalt und mein Pferd mute ich aber innerhalb eines Jahres nach der Hochzeit nach Ungarn bringen, sonst wrde er unter die Zollpflicht fallen. Auch hier war ich entschlossen, zu kmpfen. Die nchsten Monate waren ein stndiges Hin und Her zwischen Deutschland und Ungarn. Mein Pa fllte sich mit Stempeln aller Art, die Fahrzeit erschien mir jedes Mal ein wenig krzer. Mein Mann wurde natrlich nicht zu den berittenen Grenzschtzern gelassen, eine westdeutsche Frau gab zu viel Anla zu Bedenken. Fluchtgefahr in den Westen und was so alles geredet wurde. Dabei hatte ich doch nur eines im Sinn: Meine Heimat war die Puszta, nicht der sogenannte kapitalistische Westen! Aber fr die Behrden war ich ein Grenzfall, war ich doch die erste Frau aus dem Westen, die in einem sozialistischen Land leben wollte! Es gab sogar keine gesetzlichen Regelungen fr meinen Fall! Zumal ich die ungarische Staatsbrgerschaft anstrebte. Zuerst einmal jedoch mute ich eine Aufenthaltserlaubnis erlangen, dann kam nach einiger Zeit die Niederlassungserlaubnis und damit die Erlaubnis, zu arbeiten und dann eventuell die Staatsbrgerschaft. Aber bis dahin mute noch viel Wasser die Donau und Tisza hinabflieen. Zuerst einmal beendete ich vorzeitig meine Studien, arbeitete weiter beim Rechtsanwalt, um mir ein wenig Geld zu verdienen und mute mir die versteckten Vorwrfe meiner Familie anhren. Studium abgebrochen, zu den Kommunisten bersiedeln wollend, nein, ich war nicht die liebe, beeinflubare Tochter mehr, ich war eine Frau, die ihr eigenes Leben lebte und eigene Entscheidungen traf!

Wieder zurck in Ungarn! Die ersten drei Monate der Grundausbildung durfte mein Mann keine Briefe schreiben, schon gar nicht in den Westen, aber auch nicht an seine Verwandten, aus Furcht, diese knnten mir seinen Aufenthaltsort verraten! Nach dieser Zeit kam endlich ein Schreiben meiner Schwiegermutter, Lajos sei in die Berge versetzt worden, nahe der tschechischen Grenze. Ich wohnte wieder bei meiner Schwgerin, dorthin kam auch mein Mann, als er seinen ersten Ausgang hatte. Schick sah er aus, in seiner graugrnen Uniform, die Haare kurz geschnitten, aber noch immer seinen groen Schnurrbart im Gesicht. Wortlos fielen wir uns in die Arme. Erst einige Zeit spter, als wir gemtlich im Wohnzimmer auf der Couch beieinandersaen, fanden wir Gelegenheit, uns auch ernsteren Themen zu widmen. Eng an meinen Mann gekuschelt brachte ich die Frage nach dem aufs Tapet.

"Lajos, deine Schwester hat mich sehr liebevoll in ihrer Familie aufgenommen, aber ich kann doch nicht ewig ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen." Mein Mann streichelte mir sanft ber den Kopf.

"Keine Angst, mein Schatz! Meine Schwester und mein Schwager haben mir angeboten, dich so lange bei sich aufzunehmen, wie es dir bei ihnen gefllt, mach dir also mal keine Sorgen wegen ihnen. Du bist keine Last, eher eine glckliche Abwechslung. Und," fgte er schmunzeln hinzu, "du kannst dich ja auch ein wenig ntzlich machen, zum Beispiel auf die Kinder aufpassen, wenn meine Schwester einmal ohne sie ausgehen will oder einkaufen, wenn sie keine Zeit dazu hat."

"Natrlich helfe ich deiner Schwester, so sehr es in meinen Krften steht!" versicherte ich ihm nachdrcklich. "Und selbstverstndlich mssen wir auch etwas in ihre Haushaltskasse beisteuern, obwohl sie mich immer wieder ausschimpft, wenn ich ihr etwas Geld geben will oder die Einkufe bezahlen mchte."

"Dann tue das eben nicht!" wies mich Lajos an. "Du krnkst sie damit nur. Hier in Ungarn schreiben wir die Gastfreundschaft sehr gro und du bist ja viel mehr, als nur ein Gast, denn du gehrst zur Familie."

"Sicher, das verstehe ich schon, aber irgendwie mu ich mich doch bei ihr bedanken, fr alles, was sie mir Gutes tut." warf ich, nicht sehr berzeugend, ein.

"Ein paar kleine, ntzliche Geschenke kannst du ihr ja machen." schlug Lajos schlielich vor. "Das wird sie schon akzeptieren. Oder kaufe einfach etwas fr die Kinder, das sie sich schon lange wnschen. Hiermit bereitest du sicher sehr viel Freude." Ich nickte und war glcklich, so schnell eine geeignete Lsung fr mein Problem gefunden zu haben. Wir waren natrlich auch wieder bei der Mutter eingeladen, wo munter viel zu viel gegessen und getrunken wurde, aber ich protestierte vergebens, da wir ja schon bei meiner Schwgerin zu Mittag gegessen hatten, wir wurden einfach noch einmal an den Mittagstisch verfrachtet! Am Abend wollte Lajos schnell noch ein paar Freunde aufsuchen, die ebenfalls beim Militr waren und Ausgang hatten.

"Bitte sei mir nicht bse, Anne, aber das ist eine reine Mnnergesellschaft, da kannst du nicht mitkommen." Bat mich mein Mann, als er sich wieder in seine Uniform zwngte. Zwar htte ich ihn gerne gebeten, die zwei Tage ausschlielich mit mir zu verbringen, schimpfte mich aber innerlich gleich wieder wegen meines Egoismusses und wnschte ihm traurigen Herzens einen schnen Abend.

"Bitte komm nicht allzu spt zurck!" flehte ich ihn leise an. "Ich mute sowieso schon so lange auf dich warten!"

"Ich habe dich auch sehr vermit!" flsterte mein Mann mir zu, dann gab er mir einen langen, verheiungsvollen Ku und verschwand aus der Wohnung. Um die Zeit totzuschlagen, bat ich meine Schwgerin, mir doch einige Rezepte zu erklren, da sie schon wieder in der Kche stand und das Mittagessen fr den nchsten Tag vorbereitete. Sie fand sich gerne dazu bereit und so nahm ich meinen ersten Kochkurs in ungarischen Spezialitten. Als meine Schwgerin sah, da ich mir eifrig Notizen machte, nickte sie lchelnd und verschwand im Wohnzimmer. Als sie nach einigen Minuten wieder auftauchte, hatte sie ein nagelneues Kochbuch in der Hand.

"Das habe ich fr dich gekauft!" meinte sie, mehr mit Gesten, denn mit Worten. Unsere bestand sowieso viel aus Lachen und Handbewegungen, denn wenn Lajos nicht den bersetzer spielte, waren unsere beiderseitigen Sprachkenntnisse noch sehr klglich. Hauptutensil war in dieser Zeit mein groes, zweibndiges Wrterbuch, aber selbst damit kam ich oft nicht weiter, wegen schlechter Aussprache und falscher Grammatik. Aber wir hatten viel Spa und irgendwie konnten wir uns im Endeffekt immer verstndigen. Der Abend zog sich in die Lnge, wir hatten die Kche aufgerumt und ein kaltes Abendbrot gegessen. Die Kinder waren gebadet und im Bett und mein Schwager war auch noch einmal ausgegangen. Meine Schwgerin wollte mir Gesellschaft leisten und so schauten wir uns mit dem alten schwarzwei Fernseher der Familie einen Film an. Aber irgendwie war ich nicht bei der Sache, verstand ja auch kaum etwas von dem, was die Schauspieler von sich gaben und auch meine Schwgerin schien das Ganze nicht sonderlich interessant zu finden, denn nach etwa einer halben Stunde war sie in ihrem Sessel eingeschlafen. Ich schaltete den Fernseher aus und wartete auf meinen Mann. Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. Wie sollte ich Lajos empfangen wenn er denn heimkme, bevor auch ich vor bermdung eingeschlafen war? Zum einen war ich richtig bse auf ihn, weil er seine sowieso knapp bemessene Zeit nicht ausschlielich mit mir, seiner Frau, verbrachte, andererseits aber konnte ich ihn auch verstehen, da er nach so langer Zeit eben auch seine Freunde und Bekannten nicht vor den Kopf stoen wollte. Aber trotzdem........ Es war weit nach Mitternacht und ich mute auf dem Sofa eingenickt sein, denn ich fuhr erschreckt auf, als ich Schritte im Gang hrte und einen Schlssel, der sich im Schlo drehte.

"Wir sind da! Habt ihr auf uns gewartet?" drhnten zwei unsichere Stimmen durch die kleine Wohnung. Lajos und sein Schwager kamen Arm in Arm durch die Tr getorkelt. Auch meine Schwgerin wachte jetzt auf.

"Oh nein!" entfuhr es ihr. "Mutet ihr beide euch denn wieder einmal total besaufen?" Bse schaute sie auf ihren Mann, den sie wohl fr den Verantwortlichen hielt. Lajos kam auf schwankenden Beinen auf mich zu und umarmte mich.

"S-sei nicht bse, kleine A-Anne!" stotterte er mit schwerer Stimme. "Ich war gerade auf dem Heimweg, da habe ich meinen Schwager getroffen und er hat mich noch zu einer Runde in der Kneipe um die Ecke eingeladen. Da konnte ich doch nicht nein sagen!" Ich war zwar unheimlich enttuscht und bse, hielt aber an mich, um den Abend nicht noch mehr zu verderben.

"Ist schon gut, Lajos!" machte ich gute Miene zum bsen Spiel. "Komm, es ist schon sehr spt, wir wollen schlafen gehen."

"N-nur noch ei-einen Schlummertrunk!" beharrte Lajos und sein Schwager nickte dazu. Aber nun kam mir meine Schwgerin zu Hilfe. Sie packte ihren Mann am rmel und zog ihn trotz seiner Proteste in ihr Schlafzimmer und ich schob Lajos schnell in einen Sessel.

"Zieh dich schon aus, ich bereite nur schnell das Sofa vor." wies ich ihn an. Dann klappte ich eilig das Sofa auseinander und legte Bettuch, Kissen und Zudecke zurecht. Mein Mann hatte sich indessen mehr schlecht als recht seiner Uniform entledigt, ich knipste das Licht aus und kroch unter die Decken. Bald kam auch mein Mann hinzu, doch kaum hatte sein Kopf das weiche Kissen berhrt, da schlief er auch schon und schnarchte frchterlich. So hatte ich mir unsere erste gemeinsame Nacht nach so langer Zeit nicht vorgestellt!

Ich hatte beschlossen, mein Pferd so schnell wie mglich zu mir zu holen. Zuerst erkundigte ich mich bei der Bahn, unter welchen Bedingungen ein solcher Transport ablaufen wrde. Der Beamte, bei dem ich vorsprach, war sehr hilfsbereit, schnell schlug er in einem dicken Wlzer die Bestimmungen fr den Transport von lebenden Tieren auf.

"Zuerst einmal braucht das Tier eine Begleitperson," wies er mich an. Ich nickte.

"Natrlich, das ist mir klar. Ich werde im gegebenen Fall mein Pferd selbst begleiten. Doch sagen Sie mir bitte, von welchem Bahnhof aus knnte die Fahrt losgehen und wie lange dauert die Fahrzeit?" Der Beamte suchte wieder in einigen dicken Bchern nach der Antwort. Er notierte sich auf einem Zettel verschiedene Zahlen und Abkrzungen, schlielich wendete er sich mir wieder zu.

"Die Abfahrt an sich macht keine Schwierigkeiten, Sie knnen sogar an Ihrem Heimatbahnhof beladen." meinte er zgernd. "Aber die genaue Fahrtdauer kann ich Ihnen nicht sagen, da der Waggon ja an viele verschiedene Zge angehngt werden wird. Sollte es zufllig eine rasche Verbindung nach Ungarn geben, dann dauert es ungefhr eine Woche, aber nur bis Budapest. Von dort aus hngt die Sache dann bei den ungarischen Bahnen."

"ber eine Woche!" entfuhr es mir, "Das ist aber ziemlich lang. Wie sollen das mein Pferd und ich in einem ungeheizten Waggon aushalten?"

"Ja wollen Sie denn im Winter fahren?" erstaunte sich mein Gegenber.

"Ja, Anfang Mrz! Und da ist es im allgemeinen noch sehr kalt!" Der Beamte schttelte den Kopf.

"Da kann ich Ihnen nur abraten. Zumal Sie nur ein einziges Mal whrend der Fahrt Gelegenheit haben werden, frisches Wasser zu erhalten - und aussteigen knnen Sie natrlich auch nicht!" Das war mir denn doch zu viel! Wie sollten wir eine solche Fahrt gesund und ohne Schaden berstehen? Ich gab meine Plne bezglich eines Bahntransportes schnell auf.

"Vielen Dank fr Ihre freundlichen Bemhungen, aber ich denke, ich werde Ihren Rat befolgen und mich nach einer anderen Transportmglichkeit umsehen." meinte ich, bevor ich das Bro verlie. Schon am nchsten Tag hatte ich in einer Reitsport-Zeitschrift eine Annonce entdeckt, die Pferdetransporte in ganz Europa versprach. Ich rief die angegebene Nummer an und hatte mich bald mit dem Verantwortlichen geeinigt. Jetzt galt es nur noch, den Papierkram zu regeln. Die Behrden gaben natrlich wie immer widersprchliche Informationen. Auerdem war mein Fall sowieso neu. Zwar kamen Pferde aus dem Westen oft nach Ungarn, doch nur zu Turnieren und wurden dann wieder in ihre Heimatlnder ausgefhrt. Ein Pferd aus dem Westen, das in Ungarn bleiben sollte - so etwas war noch nie vorgekommen, dann schon eher ungarische Pferde, die in den Westen verkauft wurden! Mein Fall war also wieder einmal die Ausnahme! Vor den Toren von Miskolc gab es eine Reitschule, die versprach, mein Pferd in Pension zu nehmen. So weit, so gut. Fr den Transit durch sterreich mit bernachtung, dort fingen die Schwierigkeiten an. Eine Botschaft gab es in Deutschland nicht, nur ein Wirtschaftsbro. Anruf dort.

"Welche Untersuchungen, Impfungen und Papiere bentige ich fr einen Transit mit bernachtung durch sterreich, mit Endziel Ungarn fr ein Pferd?"

"Keine Ahnung, aber rufen Sie einmal die Landwirtschaftsbehrde in Wien an, Nummer....." war die Antwort. Ich whlte also die angegebene Nummer, eine Automatenstimme lie sich vernehmen:
"Dies ist eine Nummer, die nur vom Inland aus zu erreichen ist!" Punkt. Sollte ich extra nach sterreich fahren? Ich beschlo, den Grenztierarzt zu kontaktieren. Man teilte mir mit, es sei in meinem Fall am besten, mehrere Blutproben durchfhren zu lassen, selbst fr eine Seuche, die seit vielen, vielen Jahren in Europa nicht mehr vorkomme, ein von meinem Amtstierarzt beglaubigtes Impfzeugnis und eine amtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung zu besorgen und, wenn ich mit PKW samt Pferdeanhnger an die Grenze kme, den dortigen Tierarzt zu kontaktieren.

"Ich wei aber nicht, wann wir mit dem Pferd an einem Samstag an die Grenze gelangen!" warf ich ein.

"Kein Problem, der Grenztierarzt wohnt nur zwei Kilometer entfernt, ein Anruf gengt, und er erscheint in wenigen Minuten!"

"Herzlichen Dank!" Das erste Problem war gelst. Die Ungarn, Zoll und Tierarzt, hatten mir schon mitgeteilt, was sie gerne an Unterlagen sehen wrden, ich konnte den Transport also in Angriff nehmen. Er war fr den ersten Samstag im Mrz geplant. Die Untersuchungsergebnisse waren endlich eingetroffen, also alles in Ordnung. Aber halt! Mein Wohnsitz unterstand einem anderen Amtstierarzt, als der Wohnsitz meines Transporteurs! Und die Abfahrt war fr Samstag Morgen, fnf Uhr, geplant. Mein Amtstierarzt wollte aber das Pferd am Abfahrtstage untersuchen - nur, als Amtstierarzt arbeitete er nie am Wochenende und schon gar nicht auerhalb der Brostunden, die um acht Uhr begannen! Was tun? Auerdem sollte der Anhnger am Tage des Transportes vor den Augen des Amtstierarztes desinfiziert werden, er sei aber nicht fr den dortigen Bereich zustndig! HILFE!!!!! Im Endeffekt konnte ich MEINEN Amtstierarzt berzeugen, da zwischen Freitag, kurz vor Dienstschlu und Samstag Morgen mein Pferd wohl kaum einer Ansteckung ausgesetzt wre, schlielich stimmte der Mann mir zu und versprach, Freitag Abend vorbeizuschauen. Meinem Transporteur gelang es, SEINEN Amtstierarzt davon zu berzeugen, da der desinfizierte Anhnger zwischen Freitag Abend und Samstag frh nicht mehr benutzt werden wrde, die Sache war also auch erledigt! Was fr ein vielversprechender Anfang!

Samstag Morgen also Tag X Stunde H! Mein Pferd schritt in den Anhnger, als ob er dies sein Lebtag getan htte, dabei datierte der letzte Transport auf seine Ankunft bei mir vor vier Jahren! Die groe Fahrt begann also. Die ersten paar Hundert Kilometer fiel nichts Erwhnenswertes vor. Als wir bei Mnchen einen Kaffee trinken wollten, schaute ich in den Anhnger: Mein Pferd stand auf drei Beinen, das eine Vorderbein im Heunetz gefangen und dick angelaufen! Es mute schon eine ganze Weile so sein. Ich befreite sein Bein sofort aus den Maschen und holte kaltes Wasser, um die Schwellung zu khlen. Dann ging es weiter. Kurz vor ein Uhr mittags erreichten wir die sterreichische Grenze. Erster Schock:

"Mit dem Hnger da gehren Sie auf die LKW Spur!" wies uns ein Zollbeamter an.

"Ja, aber wir sind doch genau so ein Auto mit Anhnger, wie die vielen PKW da mit Wohnwagen!" wagte ich einzuwenden.

"Nix da! Sie gehren auf die LKW Spur - aber beeilen Sie sich, die macht um ein Uhr dicht!"

"WAS???? Ja da soll doch gleich.... Warum hat man mir das nicht gesagt, als ich Sie hier angerufen habe? Ich hatte doch ausdrcklich beschrieben, mit welchem Gefhrt ich kommen werde und auch gesagt, da ich nicht wei, wann am Samstag! Wenn wir also irgendwo uns lnger aufgehalten htten...?"

"Dann htten's erst am Montag Morgen weiterfah'r knnen!" beschied uns der gute Mann. Wir fuhren also schnell auf die LKW Spur. Ich rief den Tierarzt an, eine junge Frau, die auch sofort kam und nach einem kurzen Blick in den Anhnger ihr OK gab. Nicht so der Zollbeamte:

"Ja wenn's im Land bernachten, dann mssen's a Kaution hinterleg'n, Sie knnten das Pferdl ja austauschen wolln!" Wir fielen aus allen Wolken.

"Ja aber warum hat man das mir am Telefon nicht gesagt?"

"Vielleicht ham' ses vergessn! Aber bitte, die Kaution - die Hlfte des Schtzwertes vom Pferd - und in Schilling bitte!" meinte der Beamte. Er schaute sich mein Pferd an.

"Macht dann so zweitausend Mark in Schilling!" bemerkte er, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich wurde bla.

"So viel?"

"Und keinen Pfennig weniger, aber beeilen's sich, die Wechselstube macht um ein Uhr auch zu!"

"Mein Gott!" Schnell also in die Wechselstube, zum Glck reichte mein Geld, da ich eigentlich fr den Transport vorgesehen hatte. Verlust von einigen Prozent natrlich beim Einwechseln, aber was sollte es.

Wir waren die Letzten, die an diesem Samstag die Grenze passierten! Wir durchquerten fast ganz sterreich, bevor wir kurz vor der Grenze Halt machten. Dort hatten wir Zimmer in einem Hotel bestellt, in dessen Nhe ein Reitstall lag, der meinem Pferd Unterkunft fr die Nacht bot. Wir luden schnell aus, Futter und Wasser war vorhanden. Ich berzeugte mich, da es meinem Tier in seiner Box gut ging, dann gingen auch wir zum Abendessen. Am nchsten Morgen der Schock: In der Nacht hatte ein Eisregen die Straen in Schlittschuhbahnen verwandelt. Und doch muten wir los, hatten wir doch einen genauen Zeitplan einzuhalten. Vorsichtig schlichen wir im Schrittempo bis zur Grenze. Dort war die Fahrbahn wie durch ein Wunder trocken und eisfrei. Der sterreichische Zoll erstattete uns die Kaution wieder, noch einmal ein paar Prozent Verlust beim Zurckwechseln in deutsche Mark, na ja! Dann die ungarische Grenze. Wir wurden mit unserem Gefhrt natrlich herausgewunken. In gebrochenem Ungarisch versuchte ich meinen Fall zu erklren und hielt dem Beamten die Papiere unter die Nase.

"Wohin mit dem Tier?" fragte er mich.

"In die Reitschule nach Miskolc!" war meine Antwort, "Man erwartet uns da schon." Der Mann schttelte den Kopf.

"Es fehlt eine Erlaubnis des Amtstierarztes in Miskolc, da das Pferd in der Reitschule fr sechs Wochen in Quarantne gehalten werden kann!" Ich erschrak wieder einmal.

"Ich habe hier und in Miskolc angerufen und mich ber die Modalitten der Einfuhr meines Pferdes erkundigt, niemals hat mir jemand von der Notwendigkeit einer solchen Besttigung gesprochen!" warf ich ein. Der Beamte schttelte den Kopf.

"Wenn Sie dieses Papier nicht haben, bleiben Sie an der Grenze oder mssen zurck!"

"Mein Gott!" das konnte doch nicht wahr sein! Da kam mir ein Gedanke, eine Hoffnung nur, zumal ich wute, wie es um das Telefonnetz in Ungarn bestellt war. Und dann auch noch an einem Sonntag einen Amtstierarzt erreichen.... Aber es war meine letzte Chance.

"Knnen Sie denn nicht versuchen, den Tierarzt telefonisch zu erreichen?" Eine Banknote wechselte den Besitzer.

"Ich will es versuchen!" strahlte der junge Zollbeamte. Er verschwand in seinem Bro und kam nach einigen Minuten wieder zum Vorschein. Ich habe nie erfahren, ob er wirklich den Tierarzt angerufen hat, jedenfalls drckte er mir ein Papier in die Hand.

"Alles in Ordnung, gute Fahrt! Aber sorgen Sie dafr, da der Amtstierarzt Montag Morgen das Pferd anschauen kommt!" Ich glaube, der Plumps, den der Stein machte, der mir vom Herzen fiel, mute hrbar gewesen sein.

"Vielen Dank, ich werde mich darum kmmern!" versprach ich und wir setzten unsere Reise nun ungestrt fort. Am Nachmittag kamen wir bei der Reitschule an, ich fhrte mein doch von der langen Reise erschpftes Tier in seine Box und versorgte es, dann fuhren wir zu meiner Schwgerin, whrend der Transporteur ein vorher bestelltes Hotelzimmer bezog, bevor er am nchsten Tag wieder die lange Heimreise antrat. Der nchste Morgen sah mich im Bus, der mich zu meinem Pferd brachte. Es hatte die Nacht ruhig verbracht und begrte mich mit einem kleinen Wiehern. Ich rief den Amtstierarzt an, der auch bald darauf kam, das Pferd anschaute, ohne sich ihm zu sehr zu nhern und dann bemerkte:

"Die nchsten sechs Wochen nicht mit den anderen zusammen ausreiten, ich schicke die Besttigung an den Zoll!" Damit hielt er die Hand auf, lie sich bezahlen, natrlich ohne Rechnung, und verschwand. Eigentmlich eine Quarantne, bei der das Tier Nase an Nase mit den anderen in einem Stall steht, aber nicht zusammen ausgeritten werden darf - na ja! Ich hatte sowie so vor, meine Ausritte ohne Begleitung anderer zu unternehmen. Bald jedoch zeigte es sich, da meine Reitknste anerkannt wurden und ich wurde sogar gebeten, auch andere, vor allem sehr junge und unerfahrene Pferde zu reiten. Was ich auch tat, denn bis auf die Besuche meines Mannes an jedem zweiten Wochenende hatte ich ja nichts sonst zu tun. Auch hatte sich das Klima in der Familie meiner Schwgerin verndert, sie schien groe Probleme mit ihrem Mann zu haben und oft wurde ich Nachts Zeuge von wilden und ttlichen Auseinandersetzungen, wenn ich auf meinem Sofa im Wohnzimmer lag und von den Lauten im anderen Zimmer geweckt wurde. Meine Schwgerin mute mit ihrem Bruder darber gesprochen haben, denn eines Tages lie er sich bei einem Spaziergang auf eine Bank nieder.

"Anne, ich habe eine Untermiete bei einer Kollegin meiner Schwester gefunden, es ist besser, wenn du bei ihr ausziehst!" Ich stimmte sofort zu, machte es mich doch auch langsam nervlich kaputt, Zeuge der stndigen Auseinandersetzungen zu werden. Vor allem die Kinder der Familie taten mir leid, doch stand es mir nicht an, mich auch nur mit moralischer Untersttzung einzumischen. So bezog ich dann das winzige Zimmerchen. Ich machte mich so unauffllig wie mglich, kochte sehr frh mein Mittagessen, um den Tagesablauf der Familie mit zwei Kindern nicht zu stren, kam oft den ganzen Tag ber nicht nach Hause, wenn ich bei meinem Pferd war. Ich fhlte mich sehr allein! Mein Mann kam nur jedes zweite Wochenende, und auch diese kurze Zeit war es uns nicht vergnnt, alleine zu sein. Da mute die Familie besucht werden, unendliche Palaver wurden gefhrt, viel getrunken und noch mehr gegessen. Aber es gab auch schne Augenblicke, wenn wir zusammen ausritten oder ein wenig in der Stadt flanierten. Nach ein paar Monaten hatte mein Mann eine Untermiete in einem Dorf gefunden, das nahe an seiner Kaserne lag, ich sollte demnchst dorthin umsiedeln, ebenso mein Pferd.

Und der groe Tag kam! Lajos hatte einen Bekannten, der ein kleines Auto besa, gebeten, mich und meine wenigen Habseligkeiten bis zu meiner neuen Bleibe zu bringen, er selbst ritt mein Pferdchen auf den fast einhundert Kilometern bis zum Ziel. Natrlich hatte ich vorher gengend Ausdauertraining mit dem Wallach gebt, er war bestens vorbereitet und doch dauerte es viele, viele Stunden, bis die beiden endlich ankamen, da es keine Wanderkarten von der zu durchquerenden Region gab und sich so den beiden viele Hindernisse in den Weg stellten, wie zum Beispiel tiefe Grben, deren berquerung nur auf einer Brcke erfolgen konnte, aber diese Brcke mute man natrlich erst einmal finden! Ich war schon lange angekommen und hatte mein Zimmer schon ein wenig bewohnbar gemacht, als endlich der Klang nicht mehr ganz so flinker Hufe auf der Strae zu hren war. Schnell fhrte ich mein Pferdchen in seinen neuen Stall, rieb ihm die Beine mit kaltem Wasser ab und versorgte ihn ausgiebig mit frischem Heu, Stroh und Wasser.

"Ich bin froh, da ihr beide wohlbehalten hier angekommen seid!" bemerkte ich zu Lajos und gab ihm einen zarten Ku. "Vielen Dank, da du ihn heil hierher gebracht hast!"

"Es war schwer genug und obwohl ich auch sonst Tage im Sattel verbringe, hat mich der Militrdienst doch ein wenig aus der bung gebracht!" schmunzelte mein Mann und ging steifen Schrittes in das Zimmer, welches die Hausherrin fr mich bestimmt hatte. Dort lie er sich auf das schmale Bett fallen und schlo ermdet die Augen.

"Weck' mich morgen frh um fnf, ich mu um sechs Uhr wieder in der Kaserne sein!" bat er mich noch, dann war er auch schon eingeschlafen. Fr mich blieb nur ein schmales Pltzchen auf dem Bett, doch mir gengte es. Eng an meinen Mann gekuschelt fand auch ich bald den Schlaf, bis das Rasseln des Weckers mich frhmorgens auffahren lie.

"Lajos, Liebster, wach auf, es ist Zeit!" rttelte ich sanft meinen Mann wach. Zwar grummelte er noch ein paar Flche in seinen Schnurrbart, doch dann stand er auf und zog sich schnell an. Glcklicherweise hatte er es nicht weit, zwar befand sich die Kaserne zwei Drfer weiter in einiger Entfernung noch vom Ende des zweiten Dorfes, doch hatte mein Mann im Sommer die bequeme Aufgabe eines Schafhirten auf einem bungsgelnde nicht weit von meinem neuen Wohnsitz entfernt. Mit einem schnellen Ku verabschiedete er sich von mir, dann war er zu Fu zwischen den Weinbergen verschwunden. Auch ich konnte nun nicht mehr schlafen und beschlo, mich ein wenig um mein Pferdchen zu kmmern. Nachdem ich es versorgt hatte, begab ich mich wieder in mein Zimmerchen und schaute es mir nun erst einmal richtig an. Es befand sich in einem Nebengebude des eigentlichen Wohnhauses, zwischen Sommerkche und Scheune. Die verwitwete Hausherrin, eine jeglicher Neuerung abgeneigte alte Buerin, bewohnte selbst hauptschlich die Sommerkche, nur zum Schlafen begab sie sich in das sonst abgeschlossene Wohnhaus. Komfort gab es keinen, weder ein Badezimmer noch ein WC, ja sogar kein warmes Wasser. Einzige Wasserstelle war ein par Handrad angetriebener Brunnen im Hof, als Toilette diente ein "Husl" im zweiten Hhnerhof. Mein kleines Zimmer war etwa fnf Meter lang und drei Meter breit, auer dem Bett an der einen Langseite gab es darin noch einen kleinen Tisch mit zwei alten Sthlen, einen Kleiderschrank und einen alten Herd mit Holzfeuerung, der im Winter gleichzeitig auch als Heizung dienen mute! Spter kauften wir noch einen kleinen Gasherd mit Gasflasche, um mir ein wenig das Kochen und Waschen zu erleichtern! Welch ein Unterschied zu dem Wohnkomfort meines Elternhauses! Aber komischerweise machte mir dieser Rckschritt ins letzte Jahrhundert nichts aus! Ich lerne schnell, mir am Brunnen mein Wasser zu holen, es auf dem Herd zu erhitzen und mich aus einer Schssel zu waschen. Die meisten meiner Einkufe erledigte ich - zu Pferd! Mein Wallach wurde bewegt und ich schaffte es sogar, Eier in einer Papiertte heil nach Hause zu bekommen. Wahrscheinlich wre mir auch hier die Zeit sehr lang geworden, hatte ich doch auer meinem Pferd sonst praktisch keinen Ansprechpartner, wenn nicht der bungsplatz gewesen wre, auf dem mein Mann seine Schafe htete. Als er wieder einmal am Wochenende Ausgang hatte, kam er freudestrahlend zu mir.

"Hr zu, Anne! Ich bin jetzt lange genug da drauen mir der Herde, um ber alles bestens informiert zu sein und ich habe jetzt auch einen netten Kollegen, der uns helfen wird!" sagte er bermtig und gab mir einen langen Ku.

"Ich verstehe nicht, was das bedeuten soll?" fragte ich ihn, denn ich konnte mir nicht denken worauf er hinauswollte.

"Ganz einfach, Liebste! Du kommst mit deinem Pferd ber einen versteckten Pfad, den ich dir gleich zeigen werde, zu mir auf den bungsplatz und wir knnen den Tag gemeinsam verbringen - und wenn mein Kollege nachts zu seiner Freundin abhaut, dann kannst du sogar drauen bei mir schlafen!" Die Nachricht freute mich ungemein, doch hatte ich da so meine Bedenken.

"Gibt es denn bei euch keine unverhofften Kontrollen von euren Vorgesetzten?" wollte ich wissen, doch mein Mann winkte nur ab.

"Meine direkten Vorgesetzten machen es alle so wie ich, und wenn ein groer Chef kommt, dann nur im Auto und das hrt und sieht man schon von weitem, du httest dann gengend Zeit, mit deinem Pferd zu verschwinden. Wir knnten aber auch sagen, es wre ausgerissen und du httest es hier gefunden, oder etwas hnliches. Mach' dir neu keine Sorgen, ich habe an alles gedacht!" Das nderte natrlich vieles! Schon am nchsten Tag machten wir einen lngeren Spaziergang und Lajos zeigte mir den Weg durch die Weinberge und ein kleines Wldchen auf den - natrlich ungesicherten - Truppenbungsplatz. Ich konnte sogar das kleine Zimmerchen in einem der Wachtrme, welches meinem Mann und seinem netten Kollegen, den ich bei dieser Gelegenheit kennenlernte, zur Verfgung stand, besichtigen. Es folgten Tage ungetrbten Glcks! Schon morgens ritt ich auf den bungsplatz, traf mich mit Lajos und verbrachte den Tag an seiner Seite. Mein Pferd konnte friedlich mit den Schafen weiden und wir schwelgten in Liebe oder sem Nichtstun. Ich hatte es mir angewhnt, einen kalten Imbi in meinen Satteltaschen mitzunehmen, das Abendessen bereitete mein Mann oder sein Kollege in der winzigen Kochnische des Wachzimmers. Oft verschwand der junge Mann danach zu seiner Freundin im Dorf und wir konnten die Nacht gemeinsam verbringen. So verging die Zeit.

"Am nchsten Wochenende fahren wir nach Hortobgy!" begrte mich mein Mann an einem schnen Sommertag, als ich ihn und seine Schafherde auf einer kleinen Lichtung traf.

"Toll, endlich einmal eine kleine Abwechslung, was machen wir denn da?" fragte ich in freudiger Vorahnung auf einen schnen Ausflug.

"Es sind wieder Reiterspiele und obwohl ich beim Militr bin, hat man mich gebeten, wieder bei den Csiks-Rennen mitzumachen." erklrte Lajos voller Stolz. Und das nicht zu Unrecht. Besa er doch ein sehr schnelles und wendiges Pferd, was ihm schon so manchen Sieg eingebracht hatte. Ich freute mich schon im Voraus auf die Rennen, denn ich wute, da ein Kollege meines Mannes sein Pferd in guter Kondition gehalten hatte!

"Wann geht es denn los?" wollte ich wissen, denn die Bahnfahrt bis nach Hortobgy war lang und umstndlich.

"Wir knnen schon Freitag Nacht losfahren," meinte Lajos, "dann sind wir Samstag Vormittag in Hortobgy. Die Rennen sind am Nachmittag, ebenso am Sonntag. Nach dem entscheidenden Rennen nehmen wir den nchsten Zug und sind dann gegen Mitternacht wieder hier."

"Und was wird aus meinem Pferd? Du weit genau, da die Hausherrin Angst vor ihm hat, sie wird ihn weder fttern noch trnken!" fragte ich besorgt, denn ein Pferd bekommt sehr leicht eine tdliche Kolik, wenn es kein Wasser trinken kann.

"Ich habe mit meinem Kollegen Tibi gesprochen," meinte Lajos, "er wird sich um dein Tier kmmern. Da seine Eltern selbst Pferde besitzen, wei er gut, wie er deinen Wallach zu verpflegen hat, wir mssen nur der Hausherrin Bescheid geben, damit sie ihn einlt!"

"Dann ist ja alles geregelt!" seufzte ich zufrieden und lie mich in das warme Gras zurcksinken. Pltzlich war von Ferne Motorenlrm zu hren. Ich setzte mich verwundert auf und auch Lajos war schon aufgesprungen, um besser hren zu knnen.

"Los, Anne, hol' dein Pferd und verschwinde, ich glaube es kommen Offiziere!" rief er mir leise zu. Ich pfiff meinem Wallach, der auch sofort brav heran getrabt kam, sattelte ihn geschwind und galoppierte mit ihm auf das Dickicht zu, wo unser verborgener Pfad endete. Kaum war ich auer Sicht, als auch schon ein schwerer Gelndewagen auf die Lichtung einbog. Aufatmend lie ich mein Pferd in Schritt fallen, jetzt konnte uns niemand mehr sehen! Wie sich spter herausstellte, war es ein hoher Offizier der hiesigen Einheit, der mit einem gleichrangigen Besucher den bungsplatz anschauen kam. Er fand Lajos friedlich bei seinen Schafen und Tibi im Wachstbchen, wie es sich gehrte! Hier schien sowieso alles einen etwas weniger geregelten Gang zu laufen. Es war ein offenes Geheimnis, da sich die - im Dienst befindlichen - Offiziere in unserem Dorf in der einen Kneipe trafen und sich -naja- ziemlich voll laufen lieen, whrend die - im Dienst befindlichen - Mannschaften dasselbe in der am anderen Ende des Dorfes gelegenen Wirtschaft taten. Nur treffen durften sie sich nicht, sonst setzte es trotz allem Arrest! Bei uns war alles noch einmal gut gegangen und so konnten wir, wie geplant, am Freitag Abend den kleinen Bummelzug benutzen, der uns nach langsamer Fahrt nach Fzesabony brachte. Dort hatten wir viel Wartezeit, bis endlich am Morgen der Zug nach Debrecen losfuhr, der uns nach Hortobgy brachte. Dort wurde mein Mann mit groem Hallo begrt, er kmmerte sich aber fast sofort um sein Pferd, nachdem er mich bei einer befreundeten Familie abgesetzt hatte. Ich konnte es ihm nicht verbeln! Spter schlenderte ich ber den Markt, der an der neunbogigen Brcke stattfand und eine Vielfalt an heimischen Handwerksartikeln feilbot. Am Nachmittag nahm ich dann auf der kleinen Gegentribne Platz, um meinen Mann und seine Kollegen bei den Vorrennen zu beobachten und anzufeuern. Auer dem eigentlichen Flachrennen - natrlich im Hirtensattel - gab es auch noch Geschicklichkeitswettbewerbe, zum Beispiel das Tpfeschlagen, wobei an einem Holzpfahl aufgehngte Krge, drei pro Pfahl, mit der Peitsche aus vollem Galopp herabgeschlagen werden muten. Trotzdem sein Reiter lange Zeit nicht mit ihm gearbeitet hatte, war das Pferd meines Mannes uerst erfolgreich, was vielversprechend war fr den Sonntag! Nach einer letzten Hirtenvorfhrung fr das Publikum brachte mein Mann sein Tier in den Stall, dann brachte er mich zu seinen Kollegen, die schon einen groen Kessel voll Schafsgeschnetzeltem ber dem offenen Feuer zubereiteten. Mit Essen und Trinken verging der Abend. Gegen Mitternacht gelangten wir endlich in einem der in den Pferdestllen befindlichen Wachzimmer ins Bett. Und dieses Mal war mein Mann noch sehr munter! Endlich fanden wir gegen Morgen ein wenig Ruhe! Doch schon bald weckte uns das Getrappel von Hufen, die Pferdepfleger begannen mit dem Fttern der neben unserem Zimmerchen untergebrachten Sportpferde, was nicht ohne lautes Gelchter, Eimerklappern und munteres Wiehern abging.

"Gut geschlafen, Schatz?" wollte Lajos von mir wissen, als er sich den Schlaf aus den Augen rieb.

"Vortrefflich, aber leider viel zu wenig!" lachte ich frhlich, als ich sah, da auch er ziemlich zerknittert aus der Wsche schaute. "Was steht auf dem Programm?"

"Ich kmmere mich um mein Pferd, dann gehen wir etwas frhstcken. Spter kannst du dir die Wettbewerbe anschauen, die ab zehn Uhr laufen, dann essen wir bei Gbor etwas zu Mittag und dann mu ich mich vorbereiten." meinte Lajos. "Nach der Vorfhrung mssen wir uns dann beeilen, damit wir den letzten Zug noch erreichen, halte dich also bereit!"

"Alles klar, Liebster! Das wird wieder ein schner Tag werden." antwortete ich ihm.

"Am Vormittag will ich aber lieber ein wenig in der Puszta spazieren gehen, sie fehlt mir so sehr!" seufzte ich leise. Lajos lachte nur.

"Spter einmal wird sie dir vielleicht zum Halse raushngen! Aber geh nur, ich verstehe dich schon ein wenig, denn mir fehlt das freie Leben hier drauen auch gewaltig!" So verging der Vormittag. Nach dem Frhstck schlenderte ich ein wenig ber den staubigen Boden bis hinaus zu den ersten Herden, die sich des Anlasses wegen nah am eigentlichen Gestt hielten. Whrend der internationalen Reitertage fahren keine Kutschen hinaus, so da die Besucher die Herden nur zu Fu besuchen knnen, diese sich also in einem erreichbaren Abstand befinden mssen. Wie immer war ich bezaubert von der Ausstrahlung dieser uralten Haustierrassen, die hier noch fast wie in frheren Zeiten uneingeschrnkt leben drfen. Die Hitze und die Uhr trieben mich wieder zurck ins Gestt, wo Lajos mich schon zum Mittagessen erwartete.

"Na, hat dir dein Rundgang gefallen?" wollte er wissen, whrend er mir aus dem groen, gueisernen Topf heute eine riesige Portion meines Leibgerichtes Slambuc servierte.

"Natrlich hat es mir gefallen, wenngleich es mir lieber ist, wenn sich die Herden weit drauen befinden," meinte ich, schon mit vollem Mund, denn diesem Gericht kann ich einfach nicht widerstehen!

"Vielfra!" lachte mein Mann, doch er selbst hufte sich den Teller auch randvoll.

"Pa auf, dein armes Pferd kann mit so einem vollgegessenen Mann ja nicht gewinnen!" frotzelte ich, doch Lajos lie sich nicht aus der Ruhe bringen.

"Er ist gut trainiert, er trgt auch ein Kilo mehr zum Sieg!" meinte mein Mann selbstbewut.

"Das werden wir ja gleich sehen! In einer Stunde ist das erste Rennen angesetzt!" warnte ich ihn spaeshalber. Als wir unser Mittagessen beendet hatten, begab ich mich an der Seite meines Mannes zu den Stallungen. Dort stand sein Reitpferd, gemtlich an einer Portion Heu kauend.

"Na siehst du, der it ja auch noch kurz vor dem Rennen!" meinte Lajos, dann suchte er nach dem Putzzeug. Als der Braune in der Sonne nur so glnzte, band ich ihm einen schmalen Seidenstreifen in die Mhne.

"Der soll euch Glck bringen!" erwiderte ich auf die fragenden Blicke meines Mannes, der, kopfschttelnd zwar, aber am Ende doch diesen Schmuck akzeptierte. Dann wurden die Csikse aufgerufen, sich fr die Wettbewerbe bereitzuhalten. Ich hauchte einen Ku auf die Wange meines Mannes, dann suchte ich mir einen Weg durch das Menschengetmmel. Heute wollte ich auf der Wiese, direkt an der Absperrung vor dem Ziel, mit meinem Mann mitfiebern! Endlich hatte ich mir einen Platz ergattert, als auch schon die Reiter ihren Einzug hielten. Zuerst gab es eine Runde in gestrecktem Galopp mit Peitschenknallen zum Aufwrmen, dann nahmen die Hirten Aufstellung. Acht tnzelnde Pferdeleiber, braun oder schwarz, denn nur diese Fellfarben sind bei den Noniussen zugelassen, standen zum Teil schon schweibedeckt an der Startlinie. Jetzt fiel der Schu: Die Leiber streckten sich, fielen in einen halsbrecherischen Galopp. Die erste Kurve des Reiterstadions ist noch ziemlich weit, die hintere verengt sich gefhrlich, auerdem ist dort statt einer Hecke die Schranke fr Ein- und Ausla der Reiter und der Weg, der zum Abreiteplatz und den Stallungen fhrt! Auf den ersten Metern lag Lajos noch im Mittelfeld, dann aber arbeitete sich sein Pferd langsam nach vorne durch. Auf der Gegengeraden hatte er nur noch einen Reiter vor sich, der in geradezu irrsinnigem Tempo, vor allem wegen des unbefestigten Sattels, auf die enge, zweite Kurve zugaloppierte. Dort geschah es dann: Das Pferd fhlte, da es niemals sicher um die Biegung kommen wrde, so sauste es geradeaus auf die Schranke zu! An sich kein Problem, dieser knappe Meter, aber die Pferde der Hirten sind keine Springpferde! Und zum ffnen der Schranke war weder Zeit, noch schien es angeraten, weil dahinter das Feld angaloppierte! Der Reiter hatte nur eine Wahl, er mute sein Pferd zum Sprung hochreien! Der gelang dann auch, aber beim Auffuen hinter der Schranke verlor er das Gleichgewicht und damit auch der Sattel seinen Halt. Ein Aufschrei ging durch die Zuschauermenge, als der Hirte mit voller Wucht zu Boden geschleudert wurde und sein Pferd in Panik geraten davonstrmte. Kaum jemand beachtete mehr den Ausgang des Rennens, den mein Mann fr sich entscheiden konnte! Zum Glck war dem gestrzten Reiter nicht viel geschehen, er trug auer ein paar schmerzhaften Prellungen keine weiteren Verletzungen davon! Nachdem der strkste Konkurrent ausgefallen war, holte sich nach einem zweiten Platz im Tpfeschlagen mein Mann den Gesamtgewinn! Stolz ritt er die Ehrenrunde und stolz zeigte er mir danach seinen Pokal und das Siegesband fr sein Pferd. Die Gratulationen muten wir leider schnell beenden, denn unser Zug ging in wenigen Minuten. Wir erreichten ihn mit Mh und Not. Endlich hatten wir uns auf dem Sitz niedergelassen, als mein Mann mich glckstrahlend in die Arme nahm und wie wild kte.

"Dein Dingsda, das Band da, es hat mir wirklich Glck gebracht!" lchelte er mir zu.

"Das mu ich mir merken, Liebling!" flsterte er mir augenzwinkernd zu. So kamen wir, erschpft zwar, aber glcklich wieder nach Hause. Mein Pferd begrte mich mit einem leisen Wiehern, als ich in der Nacht seinen Stall betrat, um mich von seinem Wohlergehen zu berzeugen, fand aber nichts an seiner Pflege auszusetzen. Danach ging alles wieder seinen gewohnten Gang. Wir verlebten herrliche Tage auf dem bungsplatz und wurden nie wieder von einer Patrouille gestrt. Inzwischen kannte mein Mann viele Menschen hier aus der Gegend und eines schnen Tages kam er mit einem Pferd an der Hand zu mir nach Hause.

"Schau' mal Anne! Die Stute hat mir ein Bekannter ganz billig abgegeben! Es ist eine Mischung aus Nonius und Lipizzaner, hat aber keine Papiere! Ich denke, wir knnen sie mal als Wagenpferd gebrauchen!" Ich war zwar etwas erstaunt darber, da mein Mann Geld zum Kauf eines Pferdes brig hatte, freute mich aber ber den Zuwachs.

"Sie ist sehr schn!" stimmte ich ihm zu. "Und sicher krftig genug, um eine Kutsche zu ziehen!" Das stimmte. Die kastanienbraune Stute war stmmig gebaut hatte dabei aber einen ziemlich edlen Kopf und schien von gutmtigem Charakter zu sein.

"Komm, wir wollen sie meinem Pony einmal vorstellen. Ich bin gespannt was mein Wallach zu seiner neuen Gefhrtin sagen wird." Gesagt, getan. Ich brachte mein Pferd an der Longe auf eine Wiese hinter dem Haus und Lajos fhrte die Stute langsam hinterher. Bald durften die beiden so unterschiedlichen Tiere sich beschnuppern. Zwar quietschte die Stute manchmal schrill, wenn ihr mein Wallach zu nahe an den Bauch kam, doch sonst schienen sie sich sehr gut zu verstehen. Zumindest versuchten sie sich nicht gegenseitig zu beien oder zu schlagen!

"Ich glaube, wir knnen sie unbesorgt nebeneinander stellen." war meine Meinung, der auch mein Mann zustimmte. So brachten wir die beiden Tiere zusammen in den kleinen Stall, wo sie eng nebeneinander angebunden wurden. Ich gab schnell eine groe Menge von angenehm duftenden Heu in die Futterkrippe - beide strzten sich mit einem wahren Heihunger darauf.

 
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