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PIROSKA 1

 

Maureen O'Kelly

PIROSKA

1983

       Roman

Copyright 2001 by Maureen O'Kelly

 

Alle Rechte der Verbreitung und bersetzung auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tontrger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rckgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art sind vorbehalten.

                            . . . . . . . . . .


Es war bitterkalt in der riesigen, zugigen Bahnhofshalle. Um diese nchtliche Stunde warteten nur noch wenige Reisende in dicken Mnteln und mit Schals vor den Gesichtern, um sich ein wenig zu wrmen, auf ihre Zge oder auf ankommende Freunde und Familienangehrige. Schwarz schimmerten die kahlen Bahnsteige und nur vereinzelt unterbrach eine Ansage aus dem Hallenlautsprecher hoch ber den Kpfen der Menschen die Stille. Die Zeit schien still zu stehen in dieser Stunde nach Mitternacht am zweiten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1983. Jetzt kam mit leisem Zischen ein kleiner Elektrowagen auf den Bahnsteig gefahren, auf seinem Anhnger lagen einige dnne Postscke, dazu bestimmt, eine lange Reise Richtung Osten anzutreten. Und jetzt meldete auch die Stimme aus dem Lautsprecher die Ankunft des Zuges von Amsterdam ber Frankfurt nach Wien mit Kurswagen nach Budapest.

 

Ein leichtes Zittern berkam mich, als der Zug in den Bahnhof einrollte. Hier stand ich nun, Anne Weber, gerade 20 Jahre alt, Jurastudentin, nicht schn, aber doch ganz annehmbar, auf dem Weg in mein groes Abenteuer. Ein Abenteuer, von dem ich nur so viel wute, da ich es wollte, ja direkt herbeigesehnt hatte, dessen Ausgang aber noch ungewi war. Meine Eltern hatten mich hier her gebracht, trotz des Schockes, den ihnen die unverhoffte Ankndigung meiner Reise versetzt haben mute. Zwar hatte ich mir die Fahrkarten schon lange vorher besorgt, sie aber an einem sicheren Platz aufbewahrt, damit ihnen nicht noch in letzter Sekunde etwas widerfahren wrde, mit meinen Plnen war ich dann aber erst nach der gestrigen Weihnachtsbescherung herausgerckt. Jetzt standen wir also zu dritt auf dem Bahnsteig und suchten den Waggon, der nach Budapest bestimmt war. Als ich das Abteil betrat, saen schon sieben andere Personen darin, alles Ungarn auf der Heimreise, vollgepackt mit Koffern, Taschen und Beuteln. Kaum konnte ich meinen Koffer und meine Reisetasche noch in das Gepcknetz Knueln, meine Handtasche behielt ich sowieso immer bei mir. Die Verabschiedung war kurz und wegen des Kraches vom Vortage nicht besonders herzlich, man konnte es meinen Eltern auch nur nachsehen, war ihre Tochter doch soeben im Begriff, dem von den Eltern vorgesehenen Leben adieu zu sagen, sich aus den Banden der Familie zu lsen und ihren eigenen Weg zu gehen. Ein kurzes Winken noch, ich hatte mir einen Fensterplatz reservieren lassen, dann fuhr der Zug in die Nacht hinein und begann seine lange Reise durch die verschneite Landschaft dreier Lnder.

 

Ich war zu aufgeregt, um zu schlafen, konnte und wollte jedoch auch kein Gesprch mit den anderen Reisenden beginnen, die nach der kurzen Unterbrechung nun wieder in ihrer ungemtlichen Lage versuchten, ihren Schlaf fortzusetzen. Ich beherrschte zwar mehrere Sprachen flieend, doch gehrte Ungarisch nicht dazu - und doch wollte, oder zumindest hoffte ich, mein Leben in diesem Lande neu zu beginnen. Das Rasseln der Rder lie auch mich in der Dunkelheit vor mich hin dmmern, einen Blick in die Zukunft wollte ich nicht wagen, aber meine Vergangenheit, vor allen Dingen die Erlebnisse der letzten paar Monate, erschien wieder vor meinem inneren Auge.

 

Wie war es eigentlich dazu gekommen, da ich jetzt in diesem Zug sa, der mich in ein vollkommen unbekanntes Land bringen sollte, noch dazu hinter den "Eisernen Vorhang"? Dazu mu ich sehr weit zurckgehen in meinem Leben.

 

Ich bin in einer Familie auf die Welt gekommen - und vier Jahre spter mein Bruder ebenso - in der beide Elternteile ihre erste Jugend schon hinter sich hatten. Mein Heim ist ein schnes, groes Haus mit Garten in einer kleinen Stadt, auer uns wohnt dort noch meine Gromutter mtterlicherseits, ihr Mann, mein Grovater, war kurz nach meiner Taufe verstorben. Mein Vater kennt nur seine Arbeit, meine Mutter hatte nach der Geburt meines Bruders aufgehrt zu arbeiten und kennt nur die Familie, meine Oma bettigt sich im Haushalt und im Garten. Auer der Familie und der Schule oder Uni gibt es -  nichts! Keine Freunde, keine Verwandten, keine Spielkameradinnen oder Kameraden - nichts! Zum Glck hatte ich es erreicht, zu meinem 17. Geburtstag ein Pferd zu erhalten - gekauft von meinem hart verdienten Geld, weil ich bei einem Rechtsanwalt whrend der Ferien gejobbt habe, unterhalten im Reitstall von der grozgigen Untersttzung meiner Eltern. Aber sonst - nichts! Das zeigt vielleicht auch, warum ich jetzt, mit zwanzig, die erste Gelegenheit benutze, um aus diesem Trott - und der Angst davor, eine alte Jungfer zu werden - auszubrechen. Schuld daran hat - wenn auch indirekt - meine Mutter. Zumindest, was die Richtung meiner Reise angeht. Zum Abitur hatte ich nmlich einen Wunsch frei. Mein grter Wunsch war, einmal die Lipizzaner-Gestte in Lipizza und in Piber zu besichtigen und die Spanische Hofreitschule in Wien zu besuchen. Da es auch in Ungarn, in Szilvsvrad, Lipizzaner gibt, wute ich damals noch nicht. Also brachen wir in den Herbstferien auf, meine Mutter, mein Bruder und ich. Zuerst nach Lipizza in Jugoslawien, besuchten das Gestt, machten einen wunderbaren Ausritt in der Karstlandschaft, besuchten die berhmten Tropfsteinhhlen von Postojna und Sankt Kanzian - und dann kam es meiner Mutter in den Sinn, da sie einmal in ihrem Leben auf der Erzsbet-Brcke in Budapest stehen wolle. Gesagt, getan, wir besorgten uns ein Visum und fuhren vorlufig nach Ungarn, sterreich sollte dann auf dem Rckweg besucht werden. Stellen Sie es sich einmal vor, sie reisen ohne gute Karte, ohne Hotelbestellung und Reisefhrer in ein fremdes Land, auerhalb der Saison! Noch dazu spricht keiner von uns ungarisch und wie sich herausstellte, die meisten Ungarn keine andere Sprache als die ihre. Nachdem wir am Balaton zweimal die Runde gemacht hatten und einsehen muten, da zu nchtlicher Zeit und im Oktober alles geschlossen ist, beschlossen wir, die Nacht im Auto am See zu verbringen, zum Glck hatten wir gengend Decken eingepackt, es wurde nmlich mchtig kalt. Am nchsten Morgen brachen wir dann nach Budapest auf, dem Wunsch meiner Mutter wurde Genge getan. Jetzt hatten wir noch viel freie Zeit, wohin also noch fahren? Wir beschlossen, Richtung Osten zu fahren. ber Szolnok, wo wir noch einmal bernachteten, diesmal im Hotel, gelangten wir schlielich in die Puszta. Schon auf der Fahrt durch die groe Tiefebene und als wir die Tisza berquerten, bewunderte ich diese herrliche Landschaft, die sich vor meinen Augen auftat. Natrlich waren die meisten Teile kultiviert mit Mais und Sonnenblumen, aber allein die herrliche, unverbaute Natur war ein Wunder fr sich. Nur hier und da kleine Drfer, einzelne, halb verfallene Gehfte mitten in einem Meer von Sonnenblumen, Pferdewagen statt Traktoren, die Zeit und der Fortschritt, den unsere nur allzu schnellebige westliche Welt kennt, alles schien hier anders zu laufen, langsamer, gemtlicher, natrlicher. Aber das war erst der Anfang! Nachmittags machten wir auf dem Parkplatz in Hortobgy, im Herzen des Nationalparks, Rast. Und hier berwltigte mich mit einem Mal das Gefhl, schon einmal hier gewesen zu sein, hierher zu gehren, Teil dieser grandiosen Natur zu sein! Dummheit, dachte ich, mit meinem praktischen Sinn, ich hatte noch nicht einmal Bcher oder Filme ber die Puszta gesehen, woher sollte ich sie also kennen, woher sollte das Gefhl - nein, das Wissen - kommen, dies alles schon zu kennen? Und doch war es so! Zweifel kamen an mir auf, sogar Gedanken an Reinkarnation: sollte ich schon einmal hier gelebt haben, hier glcklich gewesen sein? Oder war das alles nur Einbildung, hervorgerufen durch das Gefhl der Freiheit in dieser unendlichen Weite? Wie dem auch sei, noch heute, wenn ich von dem fernen Land, welches nun meine Heimat ist, wieder in die Puszta zurckkehre, beim jhrlichen Urlaub, ergreift mich dieses Gefhl jedes Mal von Neuem, wenn ich ber den westlichen Bewsserungskanal fahre und "meine" Puszta betrete. Heimat meines Herzens und meiner Seele, von Anfang an und bis in alle Ewigkeit!

 

 

 

Doch halt, so weit sind wir noch nicht. Kehren wir also zurck zu jenem denkwrdigen Tag, als ich das erste Mal meinen Fu auf den staubigen Boden der Puszta setzte. Zu Fu spazierten wir in der immensen Steppe umher, sahen Schafherden, deren Tiere schwarz oder wei waren, mit langen Korkenzieher-Hrnern und lockigem Fell, sahen riesige, graue Rinder mit langen Hrnern, gebogen wie eine Lyra und sahen - Pferde. Ich bin schon seit meiner Geburt eine Pferdenrrin und bemht, das Beste fr mein Pferd zu tun, wenngleich der Wille oft strker ist als die Mglichkeiten. Doch wenngleich mein Pferd in einer Reitschule in einer Box untergebracht ist, versuche ich doch, so oft wie mglich ins Gelnde zu reiten, darf ihn manchmal auf die Koppel der Stallbesitzer lassen oder auf dem Reitplatz sich austoben lassen. Doch natrlich ist und war schon immer in mir der Traum von einem eigenen kleinen Hof, mit Winterauslufen und immensen Koppeln. Doch was ich hier sehe, verschlgt mir den Atem: einige dreiig Pferde pro Herde, suberlich getrennt nach Junghengsten und Jungstuten, sowie einer Mutterstutenherde mit Fohlen bei Fu - frei in der Puszta! Nur bewacht von dem berittenen Hirten, dem Csiks. Der Traum von einer heilen Pferdewelt! Wir nhrten uns der Herde, die Tiere, in diesem Falle junge Stuten vom Jhrling bis zur Dreijhrigen, kommen zutraulich nher, beschnobern unsere Taschen und lassen sich kraulen. Schnell war ich umringt von warmen Pferdeleibern, doch es gab keine angelegten Ohren, keine Bisse oder Tritte. Die Rangfolge ist ja ausgemacht, jedes Tier hat seinen Platz in der Herde und so kamen sie auch zu mir. Bis pltzlich eine Peitsche knallte und die Pferde auseinanderstoben. Ein junger Hirte auf seinem feurigen Pferd nhrte sich im Galopp und trieb die Herde in Richtung auf einen Ziehbrunnen davon. Erst, als der Knuel aus braunen und schwarzen Tierleibern sich lste, bemerkte er, da ich dort stand. Sofort kam er herbei und schwang sich von seinem Tier. Er redete schnell in seiner Sprache auf mich ein, doch konnte ich nur den Kopf schtteln, um ihm zu zeigen, da ich nicht verstnde.

 

"Du sprechen deutsch?" war seine nchste Frage.

 

 "Ja, ich bin Deutsche!" nickte ich und begann, ihn mir nher anzusehen. Eine hohe, muskulse Gestalt, dichtes, fast schwarzes Haar in natrlichen Wellen, ein offenes Gesicht, dazu die traditionelle Tracht der hiesigen Hirten, schwarzer Dreispitz mit Kranichfeder, ein blaues Leinenhemd mit weiten, plissierten rmeln, schwarze Weste mit kleinen, runden Kupferknpfen, sehr weite, gefltelte, blaue Hosen, fast ein Hosenrock, und schwarze Lederreitstiefel. In der Hand die Hetzpeitsche, achtfach geflochtenes Leder an einem kurzen Holzgriff mit Intarsienarbeit. Ich war, kurz gesagt,  von der Rolle. Mein allzusehr behtetes Leben hatte mir noch nie Gelegenheit gebracht, mit jungen Mnnern meines Alters zusammen zu sein, doch in meinen Trumen war der Mann meines Herzens mir immer als ein gutaussehender Reiter und Pferdenarr erschienen - und nun das hier! Die berwltigende Natur, das Paradies der Pferde, ein hbscher, junger Mann, mein Herz war vergeben! Doch halt! Die Vernunft mahnte mich, doch ein klein wenig meinen Verstand zu gebrauchen! Vielleicht war der Hirte schon verlobt oder gar verheiratet? Und wo stand geschrieben, da er, falls noch frei, sich gerade in mich verlieben wrde, mich, die Fremde, die seiner Sprache nicht mchtig war, die Fremde aus dem kapitalistischen Westen, die unscheinbare Fremde, im Gegensatz zu den feurigen und schnen Ungarinnen, die mir auf der Fahrt begegnet waren? Und doch..... Ein kleiner Funken in mir glomm im Verborgenen, geschrt von dem Wunsch und dem Hoffen, doch endlich dem Mann meiner Trume zu begegnen, Liebe zu erfahren, Liebe geben zu drfen und aus dem grauen Alltag meines Lebens hinter "Klostermauern" ausbrechen zu knnen! Dies alles zuckte in Sekundenbruchteilen durch mein Gehirn, whrend ich lchelnd die Hand nach den Nstern seines Pferdes ausstreckte, um es zu streicheln.

 

"Du Achtung, es beit!" rief erschreckt der junge Mann, doch meine Finger kraulten das edle Tier schon an der warmen, seidigen Nase, es schien ihm zu gefallen, denn es kam noch nher zu mir und schien mir auch seinen Kopf und Hals darzubieten. Zart streichelte ich es weiter. Der junge Mann stand kopfschttelnd daneben und schien sein eigenes Pferd nicht wieder zu erkennen.

 

 "Sie sehen, es mag mich!" rief ich glcklich aus, wohl hoffend, da sein Herr die gleichen Gefhle fr mich hegen mge.

 

"Er dich lieb, er wissen, du Pferde lieb!"

 

"Ja, ich liebe Pferde, ich habe selbst auch eines, zuhause, in Deutschland." Der junge Mann musterte mich mit einem abschtzenden Blick.

 

"Du Deutschland-Ost?" meinte er zweifelnd.

 

"Nein, ich komme aus Westdeutschland, ich bin eigentlich nur zufllig hier auf der Durchreise, mit meiner Mutter und meinem Bruder." sagte ich und zeigte auf die beiden, die sich langsam nherten. Formvollendet begrte er meine Mutter in seinem holprigen Deutsch und freundlich schttelte er die Hand meines Bruders, dann schien er nachzudenken.

 

"Du morgen noch hier?" fragte er. Ich schaute bittend auf meine Mutter.

 

"Ach ja, la uns doch noch einen Tag bleiben, wir haben bestimmt noch nicht alles hier gesehen!" Auch der Hirte wand sich an Mama.

 

"Morgen um zwei Hirtenspiele hier, danach ich kochen Spezialitt fr euch, kommen alle, bitte!" Er schaute so treuherzig drein, da meine Mutter ihm den Wunsch nicht abschlagen konnte, zumal nun auch mein Bruder zu meiner Untersttzung eilte.

 

"Also gut, morgen Nachmittag um zwei Uhr sind wir wieder hier." versprach sie, doch dann trieb sie uns zur Umkehr an, da es schon zu dunkeln begann und wir noch einen weiten Fuweg hatten. Wir fanden Unterkunft in einem sauberen Gasthof im Ort selbst, das Zimmer war gro und schn eingerichtet, berall hingen Bilder von einheimischen Knstlern mit Motiven aus der Gegend, bunt bestickte Tischlufer gaben dem Raum ebenso eine hbsche Note, wie die Vorhnge mit traditionellen Mustern. Das Frhstck im getfelten Speisesaal war vorzglich und berreichlich, der freundliche Kellner sprach ein wenig deutsch und bediente uns zu unserer vollsten Zufriedenheit. Wir besuchten das Hirtenmuseum gegenber von der alten Csrda, dem Gast- und Rasthaus der Kutscher, bevor diese ber die alte neunbogige Steinbrcke, die lngste Ungarns, fuhren, auf der Salzstrae, dem uralten Handelsweg von den Steppen Innerasiens bis zu den westlichen Metropolen an der Nord- und Ostsee. Nach dem ausgiebigen Frhstck mit Omelett, Salat, Brot und gutem Kaffee hatten wir keinen Hunger auf Mittagessen und so begaben wir uns wieder, natrlich zu Fu, in die Puszta. Vorerst besichtigten wir noch die Stallungen mit den Sportpferden im Reiterzentrum, sahen uns den riesigen Turnierplatz an, auf dem gerade einige Reiter ihre Pferde bewegten und beobachteten eine kleine Gruppe mit Touristen, die gerade in einem groen Planwagen Platz nahmen, der von zwei stmmigen Pferden gezogen wurde. Der Kutscher lud uns mit einer Handbewegung ein, doch auch Platz zu nehmen, doch wir lehnten dankend ab, nicht wissend, da die Kutsche das gleiche Ziel wie wir hatte. So schlenderten wir wieder an den Herden der urtmlichen Schafe vorbei, hinaus zu dem groen Ziehbrunnen mit seinem eisernen Trog an jedem Ende, in der Nhe eines schilfgedeckten Offenstalles und eines kleinen, wei getnchten und ebenfalls schilfgedeckten Huschens, dessen Bedeutung mir noch unbekannt war. Kurz vor zwei Uhr erreichten wir den Platz und sahen zu unserem Erstaunen, da auch die Kutsche eben dort eintraf. Drei Pferdehirten in ihrer traditionellen Tracht warteten darauf, da die Touristen von der Kutsche stiegen, wir gesellten uns zu ihnen. Die Hirten lieen pltzlich, wie auf ein geheimes Signal hin, ihre Pferde sich niederlegen, dabei konnte ich sehen, da der hier benutzte Sattel nur aus einem Stck Filz mit Lederbesatz und Steigbgeln bestand, ein Gurt, der ihn am Pferd befestigen knnte, fehlte. Als die Pferde lagen, setzten sich die Hirten auf sie und lieen im Takt ihre Hetzpeitschen knallen. Danach richteten sich die Pferde zum Sitzen auf, die Hirten stiegen auf die Schenkel der Tiere und knallten ebenso mit ihren Peitschen, deren Ende knapp vor dem Kopf der Pferde vorbeizischte, ohne da die Tiere das geringste Anzeichen von Furcht gezeigt htten. Dann warfen die Hirten ihre Sttel wieder auf die Rcken ihrer Reittiere, stiegen so schnell auf, da ich nicht ausmachen konnte, wie das denn geht, ohne da der Sattel herabfllt und preschten im Galopp davon. Nach kurzer Zeit hrten wir den Knall der Peitschen und die Herde kam in einem wahrhaft halsbrecherischen Tempo herangaloppiert. Der trockene Boden staubte nur so unter den vielen Hufen. In einem ganz engen Bogen, so da die innersten Pferde fast die Kutsche berhrten, wurden sie um den Wagen und die daneben stehenden Menschen getrieben. Wie durch ein Wunder bewegten sich die Kutschpferde um keinen Millimeter, als ob der Herdentrieb fr sie ein Fremdwort wre. Nach zwei Runden verschwand die Herde so schnell, wie sie gekommen war, um einige hundert Meter entfernt friedlich die Kpfe zum Grasen zu senken. Die Touristen bestiegen wieder die Kutsche, die sich auf den Heimweg machte, wir aber blieben, um der Einladung des jungen Hirten Folge zu leisten. Dieser kam auch nach kurzer Zeit mit einem seiner Kollegen wieder zurck, der dritte Mann ritt davon. Der Kollege war ein schon lterer Mann, der jedoch auch etwas deutsch sprach. Beide luden uns ein, zu dem kleinen Huschen zu kommen, vor welchem ein hlzerner Tisch und zwei Bnke standen. Daneben gab es ein hufeisenfrmiges Bauwerk aus hohem Schilf, dessen Bedeutung mir erst klar wurde, als der junge Mann mich aufforderte, ihm zu folgen.

 

"Hier Kche!" zeigte er stolz auf einen groen Topf aus Gueisen, der ber einem offenen Feuer hing. Da der Eingang der "Kche" auf der dem Wind abgewandten Seite lag, brannte das Feuer schn gleichmig unter dem Topf. In diesem wurde gerade Speck ausgelassen, dann Wasser dazugetan, dahinein kamen einige Kartoffeln und hausgemachte, in kleine Stcke gebrochene trockene Nudelplatten, dazu Salz. Das Ganze wurde zu einer Masse eingekocht, dann sehr oft gewendet, sowie der dem Feuer zugewandte Teil zu rsten begann. Im Endeffekt war dies eine traditionelle Hirtenspeise, mit einfachen Zutaten, aber sehr nahrhaft. Stolz servierte der Hirte uns seine Zubereitung, dazu gab es Wasser oder Bier, den uns angebotenen Freundschaftstrunk bestehend aus hausgemachtem Schnaps, lehnte meine Mutter in unserer aller Namen ab. Durften wir zuhause ja berhaupt keinen Alkohol trinken, auer einem halben Glas Fruchtschaumwein an Silvester. Wir lieen uns das ungewohnte Essen gut schmecken, dann stand der zweite Hirte auf, um nach seiner Herde zu sehen und verschwand in einer Staubwolke. Wir dankten den jungen Hirten fr seine Gastfreundschaft.

 

"Kein Problem!" wehrte dieser ab, dann zeigte er auf sein Pferd.

 

"Du wollen reiten?" Nichts lieber als das, schon lange, zumindest seit gestern, brannte in mir der Wunsch, einmal ein feuriges Pusztapferd auszuprobieren. Da der Sattel sehr instabil aussah und mir ungewohnt sein wrde, machte mir nichts aus.

 

"Ja, gerne! Aber zeigen Sie mir bitte, wie man aufsteigt." Der junge Mann fhrte mich zu seinem Tier, einem schnen Dunkelbraunen mit einem kleinen weien Stern auf der Stirn.

"Ich halten andere Seite, du aufsteigen, wie normal! Aber Achtung, Mucki sehr schnell!"

"Ich  gebe schon auf mich acht, und auch auf das Pferd, keine Angst!" beschwichtigte ich den Hirten, dann schwang ich mich in den Sattel. Was fr ein Gefhl! Nicht nur, da ich durch das dnne Filzkissen mit Lederbezug die Muskeln des edlen Tieres spren konnte, im Gegensatz zu meinem Doppelpony mit seinem ewig breiten Rcken schien ich hier auf einer Rasierklinge zu sitzen. Langsam brachte ich das Tier in den Schritt, um mich an seine Reaktionen zu gewhnen und auch das Gleichgewicht im Sattel zu behalten. Sehr schnell lernte ich, da ich meine Beine weit nach vorne strecken mute und immer im Sattel sitzen bleiben mute, um oben zu bleiben, Leichttraben oder Jagdsitz waren hier unmglich. Im Trab sprte ich schon das Feuer, das in dem Pferd war, doch der Galopp war ganz einfach atemberaubend. Dazu kam, da diese Pferde selten getrabt werden, es ist einfach zu unkonfortabel fr den Reiter. Schritt und Galopp sind die Grundgangarten. Zum Glck ist die Puszta eben und fast unbegrenzt, auerdem kannte das Tier hier, da es in der Herde aufgewachsen war, jeden Schritt und Tritt. Nach einem wilden, wenn auch nur kurzen Ritt, kam ich wieder am Ausgangspunkt an, wo der Hirte mich mit ebenso leuchtenden Augen ansah, wie ich ihn.

"Das war der herrlichste Moment meines Lebens!" hauchte ich, als ich vom Pferd sprang und ihm die Zgel bergab.

"Du reiten wie Csiks!" Dieses Kompliment lie mich doch tatschlich errten, zum Glck konnte meine Mutter dies nicht sehen!

"Morgen ich besorgen zweite Pferd, wir reiten gemeinsam!" versprach der junge Mann, doch ich schttelte nur traurig den Kopf.

"Morgen reisen wir ab, die Ferien gehen zu Ende und wir mssen nach Hause."

"Aber du wiederkommen?" fast bittend hrte sich die Stimme des jungen Mannes an und mein Herz begann zu klopfen.

"Ich wei es nicht, das hngt von so vielen Dingen ab, aber komm doch heute Abend in den Fogad, dort haben wir ein Zimmer und werden gegen sechs Uhr zu Abend essen." lud ich den jungen Mann ein.

"Ich dasein!" versprach er mit einem Lcheln, das mich schwach machte. Natrlich war meiner Mutter nicht entgangen, da wir miteinander lnger als ntig sprachen, aber als sie dann dem Hirten ein Trinkgeld dafr geben wollte, da ich reiten durfte, da packte ich schnell ihre Hand und flsterte:

"Lade ihn doch zum Abendessen ein, das ist doch besser, als so ein schndes Trinkgeld."

"Wirklich?" erstaunte sich meine Mutter, dann ging sie aber auf den Hirten zu und lud ihm zum Abendessen ein, was ihm sichtlich Freude zu machen schien. Dann jedoch brachen wir fast berstrzt auf. Lange stand ich am Fenster des Hotelzimmers und schaute in den Abend hinaus. berall auf den Hausdchern und Laternenmasten waren groe Storchennester zu sehen, um diese Zeit natrlich schon verlassen von ihren Bewohnern, die sich vor dem herannahenden Winter in Richtung Sden aufgemacht hatten. Die Sonne verschwand hinter dem Horizont, es gab nichts, hinter dem sie sonst untergehen konnte, keine Berge oder Hgel, keine Drfer oder Wlder. Die Zeit zum Abendessen nahte und ich fragte mich, ob der junge Mann, von dem ich ja noch nicht einmal den Namen kannte, wirklich auch kommen wrde. Doch als wir uns in den Speisesaal begaben, war er schon da, in ein Gesprch mit dem Kellner vertieft. Als dieser uns bemerkte, fhrte er uns zu einem kleinen Ecktisch und schlug uns ein typisch ungarisches Gericht vor, Hhnerpaprikas mit Nockerln und saurer Sahne. Meine Mutter plazierte uns so, da jeder an einer Seite des Tisches zu sitzen kam, der junge Mann mir gegenber. Unser Gesprch bei Tisch war sehr sporadisch, der junge Mann schien sich nicht sehr wohl zu fhlen und auch meine Mutter strebte keine Unterhaltung an. Mein Bruder war in sein Essen vertieft, nur ich brachte kaum einen Bissen herunter. Doch auch ohne Worte schienen wir uns zu verstehen. Das Leuchten in den Augen des Hirten verhie mir viel und auch ich bemhte mich darum, ihn meine Zuneigung spren zu lassen. Nach dem Essen bedankte er sich hflich fr die Einladung, doch als er gehen wollte, gab ich ihm einen kurzen Wink, doch drauen zu warten. Als meine Mutter die Treppe zu den Zimmer hinaufstieg, blieb ich zurck und rief ihr zu:

 "Geht nur schon ins Bett, ich komme gleich nach!" Zuerst schien sie mich gewaltsam nach oben befrdern zu wollen, doch kamen zu meinem Glck gerade ein paar andere Gste, so da sie mir nur einen bitterbsen und fr den nchsten Tag nichts Gutes verheienden Blick zuwarf und dann ins Haus trat. Der junge Mann hatte im Schatten der Treppe auf mich gewartet.

"Endlich allein!" seufzte ich und setzte mich auf eine alte Kiste, die vor der Tr zu einem Lagerraum stand. Der Hirte tat es mir gleich und unsere Hnde berhrten sich zum allerersten Mal.

"Ich mchte mich erst einmal vorstellen!" sagte ich.

"Ich heie Anne, Anne Weber und bin zwanzig Jahre alt - und du?" Jetzt hier im trauten Beisammensein benutzte auch ich das vertrauliche "DU", im Beisein meiner Mutter htte ich es mir nie erlauben drfen, einen wildfremden Menschen so persnlich anzureden.

"Ich heien Molnr Lajos, bei uns zuerst Name, dann Vorname kommen." meinte er und begann, zart meine Hand zu streicheln.

"Wir haben nicht viel Zeit," flsterte ich, "meine Mutter wird sonst sehr bse, aber ich habe hier ein Foto von meinem Pferd und mir, das schenke ich dir als Andenken und schreibe dir auch meine Adresse hinten drauf. Wenn du magst, dann schreibe mir bitte, sowie ich deinen Brief erhalte, werde ich dir antworten, das verspreche ich dir!" Ich gab ihm das Bild und schrieb meine Anschrift auf die Rckseite. er steckte es ein und sagte:

"Ich tragen auf meine Herzen, wenn du zuhause, ich gleich schreiben!" Dann gab es nicht mehr viel zu sagen, oder doch, nur nicht in Worten, doch wir verstanden uns auch so, obwohl er viele meiner Worte nicht genau verstand und ich aus seinem bruchstckhaften Deutsch auch nicht immer schlau wurde. Zum Abschied hauchte er mir einen zarten Ku auf die Wange und drckte mich fest an sich, ich konnte seine krftigen Muskeln unter dem dnnen Pullover fhlen, dann wollte auch ich ihm einen Ku auf die Wange geben, doch irgendwie verfehlte ich mein Ziel, vielleicht wollte ich es auch und so gab und erhielt ich den ersten wahren Ku meines Lebens, hier, unter den funkelnden Sternen eines fremden Landes, in einer noch recht warmen Oktobernacht, von einem vollkommen Fremden!

"Ich kann dein Benehmen wahrlich nicht gutheien!" schimpfte meine Mutter am nchsten Morgen, als wir die Koffer gepackt hatten, unsere - erstaunlich niedrige - Rechnung beglichen hatten und im Auto auf dem Rckweg Richtung Wien saen.

"Du kannst doch nicht mit einem wildfremden Mann, noch dazu in einem kommunistischen Land, herumtndeln! Was stellst du dir eigentlich vor? Wenn nicht diese Leute gekommen wren, dann htte ich dich schon zur Vernunft gebracht! Das kannst du mir glauben! Du benimmst dich schlimmer als alle diese blden Touristinnen, die sich damit brsten, im Urlaub mit dem Negerboy oder sonst jemandem geschlafen zu haben!"

 "Aber Mama," wagte ich einzuwenden, "wir haben uns doch nur ein wenig unterhalten, der Lajos und ich. er wollte so vieles wissen ber Deutschland und den Westen..."

"Du hast dich unmglich benommen, und dabei bleibt es. Ich hoffe, da du zuhause wieder zur Vernunft kommen wirst und dich weiterhin ausschlielich wie bisher deinem Studium und deinem zuknftigen Beruf widmen wirst."

"Ja, Mama!" mehr gab es darauf nicht zu sagen, wenn ich die ewige Litanei abkrzen wollte. Fr mich gab es ja nur das: Studium, den Ferienjob beim Anwalt - und als Ausgleich zum Glck mein Pferd. Dem konnte ich alle meine Sorgen, Nte und Wnsche anvertrauen, jemanden anderen gab es nicht. Oder doch, meine Oma, doch die konnte gegen die eigenartigen Erziehungsgrundstze ihrer Tochter auch nichts ausrichten und mein Vater hielt sich aus allen Diskussionen heraus. Frher war es noch schlimmer gewesen: Ich hatte nie einen Kindergarten besucht: die Familie kann das alles besser, ist es ja schon nur notgedrungen, da die Kinder in die Schule gehen mssen, wre mehr Geld vorhanden gewesen, vielleicht htten wir ja einen Privatlehrer gehabt, blo damit die armen Kinder ja nicht mit dem Plebs der Welt in Berhrung kommen. Ferien "in Familie", Wochenenden "in Familie", von der Mutter ausgesuchte und bestimmte Hobbys, sonst nichts! So gesehen war ich in vielen Dingen vllig unreif, trotz meiner zwanzig Jahre! Aber jetzt konnte, sollte sich vielleicht etwas ndern. Lange Zeit war ich nur ein mechanischer Christ gewesen, wie die ganze Familie, doch jetzt betete ich voller Inbrunst, da mein Leben in neue Bahnen gelenkt werde. Die Tage waren angefllt mit Warten und Hoffen. Bis eines Tages, ich wute damals noch nicht, da die Post mehrere Wochen bentigt, um von Ungarn nach Deutschland zu gelangen, meine Mutter mit einem Brief in der Hand ins Zimmer kam. Natrlich meine Mutter, denn ich hatte keinen Schlssel zum Briefkasten, ebensowenig, wie ich ungehrt telefonieren konnte oder ungesehen aus dem Haus gehen konnte.

"Ich habe hier einen Brief aus Ungarn, er ist an dich adressiert, kommt also wohl von diesem Kerl aus der Puszta! Ich will wissen, was darin steht, wenn du ihn gelesen hast."

"Schon gut, es werden schon keine Geheimnisse sein!" beruhigte ich sie und wartete darauf, da sie das Zimmer verlassen wrde. Zuerst machte sie keine Anstalten, doch als sie einsehen mute, da ich den Brief nicht in ihrer Gegenwart ffnen wrde, ging sie wieder nach unten. Der Umschlag war ziemlich geknickt von der langen Reise und auch der Kleber hielt nicht mehr richtig, mir kam der Gedanke, da meine Mutter eventuell schon wte, was der Brief beinhalten wrde. Schnell hatte ich ihn geffnet. Auf einem kleinen Zettel, der offenbar aus einem Schulheft herausgerissen war, stand in ausladender Schrift und in zusammengewrfeltem Deutsch, wohl aus einem Wrterbuch herausgesucht, folgender Text:

>Liebes Anne! Denken an dich, immer und immer! Du sagen, du schreiben, ich warten! Sehr viele warten! Szeretlek Lajos!< Das letzte Wort war ungarisch, ich beschlo, noch am selben Tag mir ein groes Wrterbuch zu besorgen und den Antwortbrief in ungarisch abzufassen. Gesagt, getan. Im Buchgeschft war man zwar etwas erstaunt ber meinen Wunsch, doch besorgten sie mir das zweibndige Wrterbuch innerhalb dreier Tage. Jetzt wute ich auch, was das Wort am Ende des Briefes bedeutet: "Ich liebe dich!" Das konnte ich unmglich meiner Mutter bersetzen! Aber mein Herz schlug noch einen Takt schneller und ich begann, Trumen nun Taten folgen zu lassen. Heimlich rief ich von der Uni aus das ungarische Konsulat in Kln an und erkundigte mich - vorsorglich - was denn alles zu tun sei, um nach Ungarn zu heiraten. Die Liste war lang, doch schien das Vorhaben wenigstens nicht ganz unmglich zu sein. Meine Anfrage traf zwar auf Erstaunen - wieso wolle eine Westdeutsche ins kommunistische Ungarn heiraten, doch war die freundliche Angestellte sehr hilfsbereit. Jetzt konnte ich endlich an meinen Antwortbrief gehen. Zwar hatte ich auer dem Wrterbuch auch noch eine Grammatiklehre gekauft, die half mir aber auch nicht sehr viel weiter, so ganz ohne Vorkenntnisse. Doch auch so war mein Brief, zumindest fr IHN verstndlich.

>Lieber Lajos, vielen Dank fr deinen Brief, der erst vorgestern bei mir angekommen ist. Du siehst, ich versuche, ihn in ungarisch zu schreiben, bitte verzeihe mir meine vielen Fehler! Ich wrde dich gerne wiedersehen, weil auch ich immer nur an dich denke! Szeretlek, Anne!< Diesen Brief schickte ich per Eilpost ab, in der Hoffnung, da er sein Ziel schnell erreichen wrde. Was er auch tat, denn nur kurze Zeit spter erhielt ich einen neuen Brief von Lajos. Diesmal hatte ihn mir meine Oma mit Verschwrermiene zugesteckt, da meine Mutter eben einkaufen war, als der Postbote klingelte. In meinem Zimmer ffnete ich mit zitternden Hnden und rasendem Puls den Umschlag. Auch jetzt standen nur wenige Zeilen auf dem Papier, aber in Ungarisch. Schnell machte ich mich ans Entschlsseln. Der Wortlaut lie mich innerlich aufjauchzen!

>Liebste Anne, vielen Dank fr Dein Schreiben, jetzt wei ich, da auch Du mich liebst und an mich denkst! Wenn Du willst und kannst, dann komme doch nach Weihnachten nach Ungarn, wir feiern Silvester in meiner Familie und fahren dann, wenn Du so lange Zeit hast, noch in die Puszta! Ich liebe Dich, Dein Lajos.<

Jetzt war es also soweit!

 

"Knnen Sie mir bitte die direkteste Verbindung nach Hortobgy sagen und auch, was eine Hin- und Rckfahrt zweiter Klasse kostet?" Am Schalter des Hauptbahnhofes sa ein junger Mann und schaute mich unglubig an.

"Und wo liegt dieser unaussprechliche Ort?" Ich hatte ganz vergessen, da der neue Mittelpunkt meines Lebens ein winziges Nest im Osten Ungarn ist, also diesem armen Beamten wohl vllig unbekannt ist.

"Oh, Entschuldigung! Der Ort liegt nicht weit von Debrecen entfernt im Osten Ungarns!"

"Das hilft mir schon viel weiter!" schmunzelte der Mann und begann, viele dicke Kursbcher zu wlzen, scheinbar waren die Verbindungen noch nicht in seinem Computer gespeichert. Atemlos schaute ich ihm bei seinem Treiben zu und hoffte nur, da der Preis nicht zu hoch und der Weg nicht zu kompliziert sein wrde. Endlich hob der Mann den Blick von seinen Bchern und wendete sich wieder mir zu.

"Also, mein Frulein, ich kann ihnen den einfachsten Weg folgendermaen empfehlen: Sie nehmen den Kurswagen Frankfurt - Wien, leider nur Sitzpltze, mssen dann aber in Wien nicht mit ihrem Gepck umsteigen, sondern fahren durch bis Budapest-Keleti oder Ostbahnhof. Dort haben sie nach einer kurzen Wartezeit Anschlu auf den Zug Richtung Miskolc, den verlassen sie in Fzesbony und haben Anschlu auf den Zug Richtung Debrecen, der auch in Hortobgy hlt. Das alles Hin und Zurck kostet so um die dreihundert Mark, mit Platzreservierung." Mir fiel ein Stein vom Herzen, der Preis war tragbar, auerdem wrde Lajos mich in Budapest erwarten und mir mit meinem Gepck helfen.

 

"Ich mchte dann also die Hinfahrt fr den 25. Dezember buchen, die Rckfahrt am 10. Januar." Das lie mir die Zeit, noch in aller Ruhe meinen Schein fr die Uni zu schreiben und abzugeben. Mit der Karte in der Tasche, verlie ich den Bahnhof, jetzt war nur noch ein Hindernis zu beseitigen: der Widerstand meiner Mutter.

Die Fahrkarte deponierte ich im Bro - man wei ja nie - jedenfalls bei mir zuhause, dann gab ich ein kurzes Telegramm auf:

>Ankomme 26.12. STOP Wiener Walzer STOP Budapest-Keleti STOP Szeretlek Anne STOP<

 
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