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PUSZTASTRME 6

Da brachte ihm die alte Grfin an einem der letzten Tage im April die Einladung des Grafen Ferenc Batthyany zur Feier seines 60. Geburtstages. Der Graf, ein Onkel Tibors, lud die ganze Familie dazu Mitte Mai auf sein Gut in Siebenbrgen ein. Tibors Mutter und sein Stiefvater wrden zu dieser Zeit jedoch auf einer Reise in Italien sein, so beschlo Tibor auf Bitten seiner Gromutter, diese zu den Feierlichkeiten zu begleiten.

Der Baron hatte Kata zu einer kleinen, entlegenen Jagdhtte hoch auf den schroffen Bergen der Karparten gebracht. Die meiste Zeit des Weges hatte sie gefesselt und geknebelt auf einer der harten Bnke in der Kutsche gelegen, zu Zeiten hatte ihr der Baron sogar die Augen verbunden, damit sie nicht she, wohin der Wagen sie fhrte. Einmal am Tag erhielt sie etwas Nahrung und Wasser, dann durfte sie sich auch ein wenig die Fe vertreten, allerdings immer unter Aufsicht des Barons, welcher ihr die Fufesseln auch nur so weit lockerte, da sie einige, kleine Schritte tun konnte. Kata hatte schon lange aufgegeben, an eine Flucht zu denken, dazu war sie zu sehr gefesselt und bewacht. Um Hilfe zu rufen hatte auf den einsamen Wegen, welche der Baron whlte, sowieso keinen Zweck und selbst der Gedanke, Hand an sich zu legen, war fast absurd, denn sie konnte weder an eine geeignete Waffe gelangen, noch ihre Hnde genug bewegen, um sich zu tten. Der Baron schien ihre verzweifelten Gedanken lesen zu knnen, denn oft verzog er seine Lippen zu einem diabolischen Grinsen und in seinen Augen blitzte die sadistische Vorfreude auf die Qualen, die er dem jungen Mdchen zu bereiten gedachte. Nach einer schier unendlichen Zeit hielt die Kutsche vor der unter dichten Tannen versteckten Jagdhtte. Der Baron trug Kata in das Innere des spartanisch eingerichteten Blockhauses und legte sie auf einem mit Fellen von Wlfen und braunen Bren bedeckten Holzgestell ab. Dann schirrte er die Pferde aus und brachte sie in einem aus dnnen Baumstmmen roh zusammengefgten Gatter unter, die Kutsche blieb neben der Htte stehen. Hier oben war keine Entdeckung zu frchten! Pferde und Wagen waren unter einem falschen Namen von ihm angeschafft worden, die Htte lag weder auf seinem Besitz noch kannte ihn hier jemand unter seinem richtigen Namen!

Kata lag mit bebendem Herzen auf den weichen Fellen und wagte nicht daran zu denken, was ihr nun bevorstehen wrde. Zwar hatte sie der Baron whrend der Fahrt in Ruhe gelassen, doch hatten ihr seine Blicke nichts Gutes verheien! Jetzt war sie diesem Wstling also auf Gedeih und Verderb ausgeliefert! Zwar hoffte sie immer noch auf ein Wunder, doch wute sie im Grunde ihres Herzens, da es diesmal fr sie kein Entkommen geben wrde!

ber den Bergen zog ein bses Wetter auf. Die Tiere des Waldes zogen sich in sichere Verstecke zurck, wo sie den Gewalten der Natur nicht schutzlos ausgeliefert sein wrden. Die Wipfel der Tannen bogen sich tief gegen die Erde und es rauschte, als wenn hundert Zge durch die Dunkelheit rasen wrden. Feiner Regen fiel, ein Vorbote des Wolkenbruches, welchen der Herbststurm mit sich fhren wrde.

Nachdem der Baron die Pferde versorgt hatte, kehrte er frohen Mutes in die Htte zurck. Jetzt war die kleine Bestie sein Eigentum! Er wrde sie seine Rache fhlen lassen! Seine lange geschrte Wut an ihr auslassen, die ihn erfat hatte seit sie ihn verletzt hatte und sich ihm durch ihren Sprung aus dem Fenster entzogen hatte. Zu gern htte er gewut, wie es ihr gelungen war, die vielen Verletzungen und den Sturz zu berleben, ohne bleibende Schden davongetragen zu haben. Auerdem htte er zu gerne gewut, wo sie sich die ganze Zeit ber aufgehalten hatte. Dieses Biest hatte es doch wirklich geschafft, ihn in stndiger Angst vor der Polizei leben zu lassen! Nie war er sich ganz sicher gewesen, ob sie seinen Drohungen, sie zu tten zum Trotz, nicht doch mit einer Anzeige zur Polizei gehen wrde. Na, jetzt sollte sie ihm fr all diese Pein ben!

Das strmische Wetter hatte seine bsen Leidenschaften nur noch angestachelt! Der Sturm heulte jetzt mit unwiderstehlicher Kraft um die Htte, das alte Holz krachte in allen Fugen und das Feuer in dem offenen Kamin wurde manchmal durch einen allzu heftigen Windsto fast ausgeblasen. Der Regen prasselte jetzt mit aller Gewalt auf die Erde nieder, schon hatten sich kleine Sturzbche gebildet, die ihren Weg den Berg hinab nahmen. Manchmal schreckte ein lautes Krachen das Mdchen aus ihren ngsten auf, dann hatte sich wieder einer der uralten Baumriesen der Macht des Sturmes geschlagen geben mssen und war, seiner Standfestigkeit beraubt, entwurzelt durch die ihn umgebenden Baumriesen zu Boden gestrzt

Der Baron schaute nach, ob die Fesseln auch noch fest genug angezogen waren, dann holte er eine Flasche Schnaps aus seiner Tasche, zog sich einen roh gezimmerten Holzstuhl vor Katas Liegestatt und setzte sich hin. Mit gierigen Augen betrachtete er den gut gewachsenen, jungen Krper des Mdchens und genehmigte sich einen tiefen Schluck direkt aus der Flasche. Hier mute er ja nicht auf die Konvenance achten! Danach holte er eine kleine Dose aus seiner Rocktasche und genehmigte sich etwas von einem feinen, weien Pulver. Kata sah seinen Handlungen mit vor Schreck geweiteten Augen zu und schrie auf, als seine grobschlchtige Hand sie berhrte.

"Schrei nur, kleine Kata, schrei nur!" flsterte er heiser. "Hier kann dich keiner hren! Und ich mag es, wenn Frauen schreien!" fgte er mit einem Grinsen hinzu. Er holte noch ein paar Stricke, welche an einem Nagel an einer der Wnde hingen und band damit Katas Arme und Beine an den Bettpfosten an, bevor er die Fesseln lste, welche sie vorher getragen hatte. Danach nahm er eine schwarze Hetzpeitsche aus geflochtenen Lederriemen aus einer Truhe und legte sie neben sich.

"Fr alle Flle!" lachte er grimmig, als er das Aufblitzen in Katas Augen sah. An das, was dann whrend dreier langer Tage und Nchte, whrend der Sturm um die Htte heulte, folgte, konnte sich Kata spter fast nicht mehr erinnern, denn die meiste Zeit war sie nicht bei Bewutsein, wenn ihr Peiniger sie schlug oder mibrauchte. Am Morgen des vierten Tages flaute der Sturm endlich ab und der Baron war so vollgepumpt mit Alkohol und Drogen, da er kaum mehr stehen konnte. Er verfehlte die Schnapsflasche, welche er greifen wollte und schlug sie vom Tisch. Auf dem Boden zersprang sie in viele Scherben und der durchdringende Geruch des starken Alkohols erfllte die Htte. Davon erwachte auch Kata aus ihrer Bewutlosigkeit. Sie sah gerade noch, wie der Baron mit einem schweren Schlag auf den Boden fiel und reglos liegen blieb. Viel wichtiger aber war ihr, da sie in Reichweite der Scherben lag und trotz ihres schlimmen Zustandes gelang es ihr, eines der greren Stcke zu ergreifen und damit die Stricke zu bearbeiten, welche sie gefangen hielten. Nach einer ihr endlos erscheinenden Zeit und einem fast bermenschlichen Kraftaufwand fr das geschwchte Mdchen gelang es ihr, sich ihrer Fesseln zu entledigen.

Fort! Nur fort! Fort aus dieser Htte, fort von diesem Scheusal in Menschengestalt! Fort von den Qualen und Erniedrigungen! Nur fort!

Dieser Gedanke allein beherrschte ihren armen Verstand. Zitternd vor Schwche erhob sie sich von dem Lager und kroch auf allen Vieren so leise wie mglich zur Tr. Den reglosen Krper des Barons wagte sie dabei nicht anzusehen. Noch immer hielt sie die Furcht gepackt, er knne wieder erwachen und sie erneut zu seiner Sklavin machen. An der Tr angelangt, richtete sie sich mit einer gewaltigen Anstrengung auf und schob den Riegel zurck. Zum Glck fr sie war kein Schlo vorhanden, hier in dieser Einsamkeit gab es niemanden, der etwas htte stehlen wollen – und wenn, der Inhalt der Htte lud wahrlich nicht zum Mitnehmen ein!

Die frische Luft lie Kata wanken, der Hunger und Durst, den sie whrend der letzten Tage hatte erleiden mssen, tat sein briges. Zu schwach, um sich auf den Beinen halten zu knnen, sank sie auf den Waldboden nieder. Aber ihr Lebenswille siegte ber ihre Schwche, der Gedanke an ihre Flucht war bermchtig. Fast als ob eine Stimme ihr eingeben wrde, was sie als nchstes zu tun habe, handelte das junge Mdchen. Sie kroch zu dem Gatter der Pferde und ffnete das Tor. Die Tiere, welche in den letzten Tagen ebenfalls nicht sehr viel Futter erhalten hatten, liefen zielstrebig durch den Wald abwrts, wo ihnen ihr Instinkt saftige Weiden verriet. Nach einiger Zeit dann wrden sie sich langsam auf den Heimweg machen, den Baron zu einem langen Fumarsch zwingend.

Kata kroch immer weiter in den tiefen Wald hinein und versuchte dabei, keine allzu deutliche Spur zurckzulassen. Nach einiger Zeit traf sie auf einen kleinen Bach und labte sich ausgiebig an dem klaren Wasser. In der Nhe fand sie noch einige halb vertrocknete Beeren, welche sie gierig verschlang. So wenigstens vor dem sofortigen Hungertod gerettet, arbeitete auch ihr Verstand wieder viel klarer. Sie begann, sich im Weiterkriechen, einen Fluchtplan zurecht zu legen.

"Sollte mein Peiniger rasch wieder zu sich kommen, so wird er das offene Gatter finden und vielleicht denken, ich sei auf einem der Pferde geflohen." dachte Kata bei sich. "Dann wird er sicher den Hufabdrcken der Tiere nachgehen und seinen Weg bergab nehmen. Bis er einsieht, da er sich geirrt hat, wird eine gute Zeit vergehen, die ich dazu nutzen mu, mich bergauf zu begeben und danach mglichst das nchste oder bernchste Tal zu erreichen. Vielleicht finde ich da Menschen, die mir helfen werden." Sie kroch also weiter bergan, schrfte sich auf dem rauhen Felsboden Hnde und Knie auf, bis das Blut lief, achtete aber kaum darauf. Was waren diese Schmerzen gegen das, was sie in den letzten Tagen hatte erleben mssen?! Ihr Rcken war von aufgerissenen Striemen bedeckt, welche seine Schlge mit der Hetzpeitsche darauf hinterlassen hatten und auch viele andere Stellen ihres gepeinigten Krpers waren mit Wunden, blutunterlaufenen Stellen oder Wrgemalen bedeckt. Immer und immer weiter entfernte sie sich von der Htte und mit jedem Meter, den sie zwischen sich und ihren Peiniger bringen konnte, fhlte sie sich ein wenig freier und sicherer. Nach langen Stunden ruhte sie sich an einem weiteren Bachlauf aus. Inzwischen glhte das letzte Sonnenlicht rot auf den Gipfeln der umliegenden Berge und Kata mute sich nach einem Platz fr ihr Nachtlager umsehen. Nicht weit von dem Bach entfernt fand sie einen Baum, dessen ste bis weit auf den Boden hingen und so ein natrliches Zeltdach bildeten. Kata schob mit den Hnden eine dicke Lage Tannennadeln zusammen und legte sich dann auf diese Bettstatt unter Gottes freiem Himmel. Die Nacht aber wurde schrecklich kalt und das junge Mdchen fror erbrmlich in ihrer viel zu dnnen Kleidung. Aus Angst zu erfrieren, beschlo sie, ihren Weg trotz der Dunkelheit fortzusetzen. Mit tastenden Hnden bahnte sie sich ihren Weg und sie dankte Gott im Herzen dafr, da sie als Tochter eines Pferdehirten viel Zeit drauen in der Natur verbracht hatte und unter anderem gelernt hatte, sich nach den Sternen zu orientieren. So konnte sie nicht fehlgehen und war bei Morgengrauen schon im Abstieg begriffen. Sie hatte ihre Krfte so weit zurck erlangt, da sie sich nun, auf einen festen Ast gesttzt, aufrecht gehend fortbewegen konnte. Im Tal fand sie wieder einige Beeren und verzehrte so ein karges Frhstck. Als sie am Nachmittag auf halber Hhe des nchsten Bergzuges anlangte, begann es pltzlich zu schneien. Das ist nicht selten in diesen Hhen, aber zum einen erschwerte es die Flucht des jungen Mdchens sehr und zum anderen frchtete sie, da der Baron, sollte er durch einen Zufall bis hierher gefhrt werden, ihre Spuren im Schnee entdecken wrde. Aber sie hatte keine andere Wahl, mute Gott vertrauen, da er sie auf ihrer Flucht auch weiterhin beschtzen wrde und setzte ihren Weg trotz des Schneegestbers und der Klte fort. Zum Glck fand sie am Abend eine kleine Hhle, in welcher sie Unterschlupf suchen konnte und die sie vor dem Unbill der Natur ein wenig schtzte. Sie fiel schnell in einen todeshnlichen Schlaf, aus welchem sie am nchsten Morgen nur sehr schwer wieder erwachte. Das bichen Kraft, welches sie aus der Freude ber ihre gelungene Flucht geschpft hatte, war nun fast vollstndig aufgezehrt und sie fhlte, da sie unbedingt unter Menschen kommen mute, sonst wre ihr Schicksal hier oben in den wilden Bergen der Karparten besiegelt. Oftmals wie blind voranstapfend sagte sie sich immer wieder vor:

"Du darfst jetzt nicht aufgeben, Kata! Du hast dich fr das LEBEN entschieden, da darfst du dem Tod jetzt keine Chance mehr bieten!"

Warum sie nach all dem Schrecklichen dennoch beschlossen hatte, zu leben, das wute sie selbst nicht ganz genau zu sagen. Vielleicht wre es eben ein zu einfacher Weg gewesen, Selbstmord zu begehen. Oder war sie etwa zu schwach zu diesem Schritt gewesen? Wre es nicht feige gewesen, den einfacheren Weg zu whlen? Oder hatte eine ganz, ganz winzige Stimme in ihrem Inneren ihr vielleicht eine bessere Zukunft verheien? Wer wei es zu sagen? Jedenfalls setzte sie ihren Weg fort.

Nach Stunden, in denen sie kaum bei Bewutsein war, gelangte sie wieder an einen Abstieg in ein Tal. Der Schneefall hatte aufgehrt und diese Seite des Berges war grn geblieben. Tief unten im Tal bemerkte Kata einen dnnen Rauchstreifen.

"Vielleicht Holzfller?" dachte sie bei sich und betete, da diese keine Leute des Barons sein mgen. Von neuer Lebenskraft angetrieben wagte das junge Mdchen den beschwerlichen und stellenweise lebensgefhrlichen Abstieg. Doch wie durch ein Wunder gelangte sie wohlbehalten auf der Talsohle an. Nach einigen hundert Metern stand sie dann endlich vor einem kleinen Haus, aus dessen Schornstein der Rauch stieg, den sie von oben gesehen hatte. Mit letzter Kraft klopfte sie an die geschnitzte Holztr, dann brach sie zusammen.

MITLEIDIGE HERZEN

"Hat da nicht jemand geklopft?" fragte die etwas schwerhrige Frau des Frsters ihren Mann, der am Ofen sa und gemtlich seine Pfeife rauchte.

"Glaube nicht!" antwortete dieser brummig. "Der Betyr htte sonst doch gebellt! Und wer sollte schon hier bei uns anklopfen, Frau?" Die Frstersfrau schttelte den Kopf.

"Das wei ich auch nicht, aber ich werde doch besser einmal nachsehen." Mit diesen Worten legte sie die Stickerei, an welcher sie gerade gearbeitet hatte, zur Seite und stand schwerfllig aus ihrem Sessel auf.

"Der Hund ist vielleicht wieder einmal ausgerissen!" bemerkte sie noch mit einem Seitenblick auf ihren Mann, denn es war bekannt, da der Hund des Frsters diesem am wenigsten gehorchte und ziemlich oft seinen eigenen Jagdgelsten nachging. Kam er dann mit blutiger Schnauze nach Hause, erhielt er von seinem Herrn noch eine gehrige Abreibung, so da man es ihm nicht verbeln konnte, wenn er mehr Zeit im Wald, denn zuhause in seiner Hundehtte verbrachte.

Derweilen war die Frstersfrau an der Haustr angelangt und ffnete. Als sie die schmale Gestalt Katas reglos am Boden liegen sah, entfuhr ihr ein solcher Ausruf des Schreckens, da der Frster mit einem Satz im Flur war, seine Flinte ergriffen hatte und mit weiteren schnellen Schritten neben seiner Frau stand, um sie gegen eventuelle Bsewichte zu schtzen.

"Doch nicht das Gewehr, du Dummkopf!" schalt ihn seine Frau, die nach dem ersten Schrecken jetzt wie alle einsam Lebenden an das Naheliegende dachte und helfen wollte.

"Hier liegt ein junges Mdchen vor der Tr! Sie ist schwer verletzt oder sogar tot! Hilf mir, sie ins Zimmer zu tragen!"

"Mein Gott, wo kommt denn die nur her?" wunderte sich der Frster, als er die leichte Gestalt anhob und trotz seiner grobschlchtigen Gestalt zartfhlend auf dem Bett niederlegte.

"Lebt sie noch?" fragte ngstlich die Frau und atmete erleichtert auf, als ihr Mann nach einer kurzen Untersuchung des reglosen Krpers nickte.

"Sie lebt. Aber sie ist vllig entkrftet und unterkhlt." fgte er noch hinzu. "Du mut ihr die nassen Sachen ausziehen, vielleicht finden wir ja unter den Sachen unserer Tochter etwas, was ihr pat." meinte der Frster. "Ich bereite ihr einen heien Trank vor und bringe noch Decken mit." Damit lie er seine Frau allein bei Kata zurck. Das junge Mdchen hatte sich noch immer nicht geregt, doch brachte ihr die Wrme des Zimmers ein wenig Farbe auf ihre Wangen zurck. Die Frstersfrau begann das junge Mdchen zu entkleiden, doch schon nachdem sie ihr das Mieder geffnet hatte, entfuhr ihr ein leiser Schrei des Entsetzens:

"Ach du lieber, guter Gott! Wer hat dich denn so zugerichtet, mein Kind?" Mit unglubigen Augen schaute sie auf die Verletzungen, welche die Mihandlungen des Barons auf Katas zarten Krper hinterlassen hatten. Die Frstersfrau deckte das junge Mdchen zart mit einer Decke zu, dann lief sie schnell in die Kche, um ihren Mann von dem Gesehenen zu unterrichten und ein wenig Puder zu holen, welcher die Wunden desinfizieren wrde. Auerdem suchte sie Verbandmaterial zusammen und eine Salbe aus Krutern, welche die Blutergsse khlen wrde. Als der Tee fertig war, brachte ihn der Frster mit einem kleinen Glschen Schnaps in das Zimmer, in welchem Kata nun versorgt und verbunden lag. Der Geruch des starken Branntweines brachte das junge Mdchen wieder zu sich.

"Wer seid ihr? Wo bin ich?" fragte sie mit ngstlicher, stockender Stimme, als sie ihre Augen aufschlug und sah, da sie in einem ihr unbekannten Zimmer auf einem weichen Bett lag, in warme Decken verpackt und zwei ihr unbekannte Menschen sie anschauten. Die Frstersfrau legte beruhigend ihre Hand auf Katas Arm.

"Du brauchst keine Angst zu haben! Du bist in guten Hnden, mein Kind. Wir sind Frstersleute, mein Mann hier heit Pl und ich bin Ildik Szab. Aber genug der Fragen, jetzt trink erst einmal diesen Tee hier, er wird dich auch von innen wieder erwrmen." Damit reichte ihr der Frster die Tasse mit dem dampfenden Getrnk, in welches er vorher auch ein wenig von dem Schnaps getan hatte. Zgernd und mit zitternden Hnden fhrte Kata die Tasse an ihre aufgesprungenen Lippen und trank dann in kleinen Schlucken den wohltuenden Trank. Zwar brannte der Alkohol wie Feuer in ihrer Kehle, aber gleich danach wurde ihr wohlig warm.

"Vielen, vielen Dank!" hauchte sie noch, dann fiel sie in einen tiefen Schlaf. Die Frstersfrau strich ihr zart ber das ausgemergelte Gesicht, in welches die Entbehrungen und Qualen ihre tiefen Furchen gezogen hatten.

"Armes Kind, ich glaube wir mssen sehr auf dich achtgeben, damit du dem Tod noch einmal von der Schippe springst!" flsterte sie, dann folgte sie ihrem Mann wieder ins Wohnzimmer. Dort nahm jedoch keiner von ihnen seine vorherige Ttigkeit wieder auf, dazu waren sie durch das Vorgefallene viel zu sehr erschttert. Sie verloren sich in Spekulationen, woher das junge Mdchen kommen knnte und wer der Schurke sein knnte, der sie so zugerichtet hatte. Und auch ber das Warum diskutierten sie, natrlich ohne Erfolg. Sollte Kata die nchsten Tage berstehen und sich keine Lungenentzndung einstellen, dann wrde sie den Frstersleuten vielleicht Aufklrung geben knnen.

Kata warf sich in der Nacht von Fiebertrumen gepeinigt in ihrem Bett unruhig hin und her. Die gtige Frstersfrau legte ihr kalte Umschlge an und flte dem Mdchen von Zeit zu Zeit einen khlen Krutertee ein, um das Fieber zu senken. Manchmal schrie Kata laut auf, wenn sie in ihren Phantasien wieder auf dem Lager des Unholdes lag und seine Mihandlungen erfuhr. Einmal begann sie mit tonloser Stimme zu sprechen – und die Frstersfrau schauderte vor den schrecklichen Dingen, welche sie aus dem Mund des Mdchens vernehmen mute. Jetzt verstand sie auch, woher die Striemen und Blutergsse kamen, welche den Krper Katas verunstalteten. Und sie erfuhr auch, welche Bewandtnis es mit den Narben auf sich hatte, welche von frheren Verletzungen herrhren muten. Lange kmpfte die gute Frau darum, Kata wieder zu Bewutsein zu bekommen und das Fieber zu senken. Der Frster wollte schon anspannen, um den langen Weg zum nchsten Arzt anzutreten, da brach sich gegen Morgen das Fieber und Schwei bedeckte endlich den Krper des gepeinigten Mdchens.

"Es ist geschafft!" seufzte die Frstersfrau erleichtert auf. "Mit Gottes Hilfe und der Seiner Pflanzen wird sie am Leben bleiben!" wendete sie sich ihrem Mann zu.

"Du kannst jetzt gehen und ein wenig schlafen, ich werde so lange bei ihr bleiben, bis sie aufwacht und ihr etwas zu essen geben." fgte sie dann noch hinzu. Der Frster befolgte den Rat seiner Frau und legte sich noch ein wenig aufs Ohr, vorher aber schwor er sich, den Schurken, der so verbrecherisch an dem jungen Mdchen gehandelt hatte, mindestens so schlimm zuzurichten, wie dieser Kata zugerichtet hatte.

Nach einiger Zeit begannen die Lider des jungen Mdchens zu flattern und sie Frstersfrau setzte sich wieder auf ihren Stuhl neben dem Bett, damit Kata beim Aufwachen sofort wte, wo sie war.

"Durst! Ich habe groen Durst!" flsterte das Mdchen mit trockenen, aufgerissenen Lippen und die Frstersfrau beeilte sich, ihr die Tasse mit dem khlen Getrnk zu reichen. Nachdem sie sich an dem Tee gelabt hatte, richtete Kata ihre noch immer vom Fieber gezeichneten Augen auf ihre Wohltterin.

"Wie kann ich euch eure Hilfe und Gte je vergelten?" hauchte sie. "Ihr habt mich vor dem sicheren Tod errettet!" Doch die freundliche Frau an ihrer Seite schttelte den Kopf.

"Wir sind glcklich, da wir dir helfen konnten. Aber gerettet hast du dich ganz alleine! Denn wenn du nicht bis zu unserem Haus gekommen wrst, htten wir dir auch unsere Hilfe nicht anbieten knnen, mein Kind!"

Kata mute noch einige Zeit das Bett hten, doch halfen ihr die guten und nahrhaften Speisen, welche die Frstersfrau bereitete, da sie bald wieder zu Krften kam. Als sie das erste Mal aufstehen konnte, schien es ihr wie der Anfang eines neuen Lebens zu sein. Die guten Frstersleute spendeten ihr neuen Lebensmut und halfen ihr mit Rat und Trost, wenn die schrecklichen Erinnerungen das junge Mdchen in tiefe Verzweiflung zu strzen drohten. Nach einer Weile konnte Kata sich im Haushalt ntzlich machen und als der Frster erfuhr, da sie gut mit Pferden umgehen konnte, berlie er ihr die Sorge fr die beiden Kutschpferde der Frsterei. Mit Hingebung strzte sich das junge Mdchen in seine Aufgabe und bald war der Frster berzeugt davon, da er keinen besseren Menschen fr die Pflege der Pferde htte finden knnen. Kata hielt sich stundenlang im Stall auf, striegelte die beiden Rappen auf Hochglanz, putzte die Geschirre und suberte den Wagen. Dazu ftterte sie, mistete die Stnde der beiden Pferde aus und lenkte den Wagen mit sachkundiger Hand. Mit den Frstersleuten verband sie bald ein inniges Verhltnis, welches auch nicht getrbt wurde, als deren Tochter einmal aus der Stadt zu Besuch kam. Die Tochter hatte bald Freundschaft mit dem jungen Mdchen geschlossen, war deren offenes und liebevolles Wesen doch wie geschaffen dafr, sich Freunde zu erringen. Nachdem die Frstersfrau ihre Tochter behutsam in die Leidensgeschichte Katas eingeweiht hatte, empfand die junge Frau nur noch mehr Hochachtung vor dem Lebenswillen dieses so geschundenen Menschenkindes. Am Ende ihres Besuches wollte die Frsterstochter Kata fr eine Weile mit sich in die Stadt nehmen, doch lehnte das junge Mdchen mit einem Anflug von Panik ab.

"Vielen Dank fr dein nettes Angebot, Rita, aber ich mchte auf keinen Fall deinen Eltern gegenber undankbar erscheinen. Sie haben mich bei sich aufgenommen, mich gepflegt und mir eine Arbeit gegeben, da kann ich sie jetzt nicht – selbst nicht fr eine kurze Zeit – verlassen." Was sie Rita aber nicht sagte war, da sie unheimliche Angst davor hatte, in der Stadt eventuell auf den Baron zu treffen. Ihrem Peiniger wieder gegenberstehen zu mssen, das wre zuviel fr sie gewesen. Auerdem frchtete sie sich davor, er knne Helfershelfer haben, die er auf die Suche nach seinem entflohenen Opfer geschickt hatte. Wenn sie nun einem dieser Menschen in die Falle laufen wrde? Nein, besser war es, hier in der Einsamkeit der tiefen Wlder unter dem Schutz der Frstersleute zu leben und sich zumindest keine Gedanken ber den nchsten Tag machen zu mssen. Sie hatte eine Arbeit, welche ihr gefiel, bekam gut und ausreichend zu essen und wurde von den Frstersleuten mehr als Tochter, denn als Dienstmagd behandelt.

"Schon gut, Kata. Ich verstehe dich vollkommen." lenkte die Tochter ein. "Vielleicht berlegst du es dir ja noch und kommst mit, wenn ich wieder einmal bei meinen Eltern vorbeischaue!" fgte sie noch an.

"Vielen Dank auf jeden Fall fr deine Einladung!" meinte Kata und verabschiedete sich von ihrer Freundin, bevor diese auch von ihren Eltern Abschied nahm. Als wieder Ruhe im Forsthaus eingekehrt war, wendete sich das junge Mdchen wieder ganz ihrer Arbeit zu.

Langsam nherte sich der rauhe Winter, einzelne Vorboten waren kurze Schneestrme, welche manchmal die Gipfel der Berge wie mit Zuckergu berzogen aussehen lieen und eine immer grer werdende Klte. Um diese Zeit war die Jagd erffnet und die Herren der umliegenden Wlder und Lndereien riefen ihre Freunde zu frhlichen Jagdgesellschaften zusammen. Oft klang der laute Knall einer Bchse durch die Berge und sein Echo wurde hin und her getrieben, bis es endlich verebbte. Der Frster war nun oft auer Haus und Kata half seiner Frau so gut sie es verstand. Sie hackte Holz und feuerte den groen Kachelofen, an welchem sich die Familie dann whrend der langen, dunklen Abendstunden aufwrmte. Wohlige Wrme durchzog das Haus, die Frsterin stickte und Kata besserte mit feinen Stichen, welche sie bei den Nonnen gelernt hatte, Kleidungsstcke aus. Der Frster gesellte sich am spten Abend dann zu ihnen, rauchte seine Pfeife und schnitzte herrliche Dinge aus unscheinbaren Hlzern. Kata bewunderte immer wieder seine Kunstfertigkeit, welche ihm sicher viel Geld eingebracht htte, wrde er seine Schnitzereien in der Stadt verkaufen wollen. Er aber behielt seine Werke lieber fr sich und schmckte damit die Zimmer des Forsthauses.

Der Winter zog sich in die Lnge und manchmal muten die Bewohner des Forsthauses erst mhevoll den meterhohen Schnee beiseite rumen, bevor sie aus der Tr treten konnten. Auch die Pferde waren zur Unttigkeit verdammt, Kata aber fllte ihnen die Tage mit Streicheleinheiten und Leckerbissen aus.

Als die ersten zaghaften Vorboten des Frhlings im Tal erschienen, hielt es das junge Mdchen nicht mehr im Haus. Sie ging auf der Lichtung, welche das Forsthaus umgab, spazieren, bereitete den Garten auf die neue Saison vor und trainierte die Kutschpferde, denen der lange Aufenthalt im Stall auch nicht gerade gut getan hatte. Als der erste Auerhahn seinen Ruf erschallen lie, bereitete sich der Frster zur Aufnahme hoher Gste vor. Graf Ferenc Batthyany, der Herr dieser Wlder, hatte sein Kommen angekndigt. Wie jedes Frhjahr ging er allein seinem Jagdglck nach. Das edle Auerwild hatte es ihm angetan, doch war sein Erfolg bisher mehr als gering gewesen. Vielleicht lag es daran, da der Graf nur sehr wenig Zeit fr seine Leidenschaft aufbringen konnte, vielleicht aber auch an seinem Jagdfieber, wenn er dann endlich einmal einen der groen Vgel auf dem Balzplatz zu Gesicht bekam. Vor dem groen Raubwild Afrikas hatte der Graf mit keiner Wimper gezuckt und seine Schsse trafen immer sicher ihr Ziel, nur hier, auf seinem eigenen Besitz, wollte es ihm nicht gelingen, die so sehr ersehnte Jagdbeute zu erlegen!

"Dieses Mal werde ich einen Hahn mit nach Hause bringen!" sagte er sich immer wieder vor, als er auf seinem edlen Ro durch den Wald zum Forsthaus ritt. Wie jedes Jahr hatte er nur einen Sack mit Ausrstungsgegenstnden und der notwendigsten Bekleidung hinter seinen Sattel geschnallt, fr diese wenigen Tage im Jahr verzichtete er auf jede gewohnte Bequemlichkeit und verwandelte sich wieder zu dem, was der Mensch einmal ursprnglich gewesen war: zum Jger.

Als Kata das dumpfe Stampfen der Pferdehufe auf dem Waldboden hrte, eilte sie vor die Tr um zu sehen, wer denn da ihre Ruhe strte. Sie gewahrte einen hoch gewachsenen Mann auf einem wunderschnen Rotfuchs. Der Mann hatte graues Haar und ein eisgrauer Schnurrbart zierte sein distinguiertes Gesicht. Seine ganze Haltung verriet den Edelmann und obwohl seine Kleidung dem jagdlichen Zweck angepat war, konnte sie doch eine gewisse Eleganz nicht verleugnen. Auch der Graf schaute erstaunt auf das junge Mdchen: er hatte nicht erwartet, hier auer den Frstersleuten noch jemanden anzutreffen, denn er wute sehr wohl, da die Tochter in der Stadt wohnte und nur sehr selten zu Besuch im Forsthaus weilte.

"Guten Tag, edler Herr!" grte Kata den Neuankmmling.

"Womit kann ich euch dienen?"

Der Graf schaute mit Wohlgefallen auf die schmale Gestalt.

"Guten Tag, mein Kind! Ich bin Graf Batthyany und werde erwartet. Doch wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen!" fragte der Graf das junge Mdchen.

"Mein Name ist Kata," antwortete diese und knickste. "Die Frstersleute haben mich im Herbst bei sich aufgenommen und nun versorge ich die Pferde und helfe in Haus und Garten. Darf ich euch behilflich sein?" fgte sie noch hinzu und wartete in gebhrender Entfernung auf die Antwort des Grafen. Dieser sprang mit fast jugendlicher Leichtigkeit aus dem Sattel, man konnte ihm seine fast sechzig Jahre keineswegs ansehen!

"Fhre mein Pferd in den Stall und versorge es gut!" meinte der Graf, als er ihr die Zgel aushndigte. "Ich werde derweil den Frster aufsuchen."

"Er ist heute frh zur kleinen Jagdhtte hinauf, aber seine Frau ist hier." wendete sich Kata an den Grafen. "Ihr findet sie sicher in der Kche, mein Herr!"

Daraufhin fhrte sie das Pferd des Grafen in den Stall, bereitete ihm ein weiches Lager aus Stroh, rieb es ab und versorgte das Tier anschlieend mit Wasser und ein wenig Heu. Der Graf war inzwischen ins Haus getreten. Die Frstersfrau hrte seine Schritte auf der Diele und eilte aus der Kche, um zu sehen, wer da kme.

"Mein Gott! Der gute Herr Graf!" rief sie aus und schlug die Hnde zusammen.

"Ihr mt uns verzeihen! Wir haben eure Ankunft noch nicht fr heute erwartet!" fgte sie dann entschuldigend hinzu.

"Mein Mann ist heute frh los, die Jagdhtte am Rande der Alm vorzubereiten und ich beschftige mich mit dem Herrichten eurer Lieblingsspeisen. Aber warum habt ihr uns denn nicht unterrichtet, da ihr einen Tag frher kommt?" fragte sie mit einer Stimme, in welcher ein kleiner Vorwurf zu hren war.

"Ich hatte dieses Mal ein sehr schnelles Pferd unter mir und da ich es kaum erwarten konnte, wieder auf Auerwild zu pirschen, bin ich ohne Rast bis hierher geritten." schmunzelte der Graf.

"Da ich wei, da ich noch nicht erwartet wurde, will ich mich mit dem Wenigen begngen, was ihr mir vorlufig anbieten knnt!" Da war er aber an die Falsche geraten!

"Was!" rief die Frstersfrau zu tiefst in ihrer Ehre gekrnkt aus, "Ihr denkt, da ihr euch mit wenig begngen mt? Da kennt ihr mich aber schlecht!" Und schon lief sie in die Kche und holte eine riesige Platte mit kaltem Rehrcken und vielen anderen leckeren Dingen hervor.

"Setzt euch in die gute Stube, da will ich euch servieren!" sagte sie mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck, als sie das Staunen in den Augen des alten Grafen sah. Dieser nahm auch gleich auf einem der geschnitzten Sthle Platz und lie sich von der Frstersfrau auftragen. Da er von dem langen Ritt wirklich hungrig war, langte er krftig zu und trank – wenn auch in Maen – von dem guten Wein, welchen ihm seine Wirtin kredenzte. Als er sich gesttigt hatte, bat er die Frau, ihm doch ein wenig ber das junge Mdchen zu erzhlen, welches sich um sein Pferd bemhte. Zuerst zgerte die Frstersfrau, dann bat sie den Grafen, ihre Worte als ein Geheimnis zu betrachten und dann erzhlte sie mit manchmal vor Scham und Trauer stockender Stimme alles, was sie ber Kata wute. Der Graf war zutiefst emprt ber das, was er da hren mute.

"Wie kann ein Mensch dieses Kind nur so mihandeln!" rief er aus, als die Frstersfrau ihren Bericht beendet hatte.


ENDLICH VEREINT

Auf dem Gut herrschte reges Leben, denn zu seinem 60. Geburtstag hatte Graf Batthyany ein so groes Fest geplant, wie es noch nie in dieser Gegend gefeiert worden war. Alle noch so fernen Verwandten und Freunde waren eingeladen und man rechnete mit mehreren hundert Gsten, welche alle verpflegt und untergebracht werden wollten, dazu der Tro aus Zofen, Dienern, Begleitern und Kutschern. Die Feierlichkeiten sollten mehrere Tage andauern, auerdem gab es viele Mglichkeiten, sich auf dem Gut und darum herum zu zerstreuen. Auch Kata hatte nun viel mehr Arbeit zu verrichten, sie mute die Zimmer herrichten, dafr sorgen, da in den Gemchern fr die weiblichen Gste immer frische Blumen in den Vasen standen und immer frisch gelftet wurde. Nur selten blieben ihr ein paar freie Minuten am frhen Morgen, welche sie dann dazu nutzte, sich in den Stllen umzusehen, denn die Liebe zu Pferden hatte sie von ihrem Vater geerbt und trotz aller ihr widerfahrenen Unbill nie vergessen. Von den Gsten hatte sie noch niemanden zu Gesicht bekommen, denn ihr Brotherr verlangte uerste Diskretion und wnschte nicht, da das Personal mit den Gsten in Kontakt kam. So stand sie auch am Sonntagmorgen zu frhester Stunde in den Stallungen und bewunderte die edlen Rsser. Englisches und arabische Vollblut standen da Seite an Seite mit ausdauernden Pusztapferden oder edlen Kutschpferden aus der Lipizzanerzucht. Kata streichelte die warmen Nstern, welche sich ihr vertrauensvoll entgegenstreckten und flsterte den Tieren sanfte Koseworte in die aufmerksam gespitzten Ohren. Soeben wendete sie sich einem auergewhnlich edlen arabischen Hengst zu, da erklangen Schritte hinter ihr auf den Pflastersteinen. Sie dachte, es knne sich nur um einen der Pferdepfleger handeln und beschftigte sich weiter mit dem Pferd, als die Schritte direkt hinter ihr anhielten.

"Was hast du an meinem Pferd zu schaffen?" fragte eine strenge Stimme und Kata durchzuckte ein tiefer Schreck: sie hatte die Stimme wiedererkannt! Langsam drehte sie sich um und schaute in das verblffte Gesicht Tibors.

"Mein Gott! DU?" flsterte er heiser, denn auf den Anblick des jungen Mdchens war er nicht gefat gewesen. Wie verzweifelt hatte er sie gesucht! Aber alle seine Bemhungen hatten sich als erfolglos erwiesen und nun begegnete er ihr hier, ausgerechnet auf dem Gut seines Onkels wieder!

Auch Kata schaute ihn unglubig an. Wie konnte es nur geschehen, da ausgerechnet der Mann, vor dem sie sich verstecken wollte, vor dessen Liebe sie geflohen war, um ihn nicht zu sich herunter zu ziehen, da ausgerechnet ER hier war und sie soeben dabei ertappen mute, da sie ausgerechnet SEINEN Hengst streichelte! Wortlos wollte sie sich an ihm vorbei schieben und erneut vor ihm davonlaufen, aber er hatte sie schon mit sanftem Griff gepackt und hielt sie an sich gedrckt.

"Meine Liebe, mein Leben! Endlich habe ich dich wieder! Wie konntest du nur so einfach davonlaufen! Hast du nicht daran gedacht, welches Herzeleid du mir damit bereitest?" Er kte sie sanft auf die Lippen und bei diesem Ku gab sie ihren Widerstand endlich auf und berlie sich dem Gefhl ihrer tiefen Liebe. Wie sehr hatte sie sich doch in ihrem Innern nach diesem Augenblick gesehnt! Nur die Erinnerung an ihren ersten Ku hatte ihr die Kraft gegeben, ihr Schicksal zu ertragen. Mit einem Male waren alle Mihandlungen vergessen und nur noch die Liebe zu diesem auergewhnlichen Mann zhlte. Er liebte sie trotz allem, was ihr widerfahren war, liebte sie trotz ihres niederen Standes!

"Tibor, Liebster! Ich wollte dir nicht weh tun, aber ich wollte dich nicht wieder mit deiner Familie entzweien, weil du ein nicht standesgemes und mibrauchtes Mdchen liebst!" flsterte sie. Der junge Mann strich ihr behutsam eine Haarstrhne aus der Stirn.

"Du Dummchen! Wie konntest du nur so etwas tun! Natrlich ehrt es dich, da du an mich gedacht hast, aber du httest es doch besser wissen mssen: Ich achte nicht auf die Konventionen und htte mich lieber wieder mit meiner Familie entzweit, als dich zu verlieren! Denn du bist mehr wert, als alle dieser sogenannten Hochwohlgeborenen zusammen! Dein Herz ist edel und rein, das ist alles, was fr mich zhlt!" Er kte sie zrtlich auf die Stirn, die Wangen, die kleine Nase, bis sich schlielich ihre Lippen zu einem langen Ku fanden. Sie vergaen die Welt um sich herum und wurden erst durch eine verblffte Stimme aus ihrer trauten Zweisamkeit gerissen.

"Ja Tibor, was geht denn hier vor? Ich dachte, du wolltest mit uns ausreiten?" Onkel Ferenc war in den Stall getreten und fand seinen Neffen mit dem Zimmermdchen im Arm vor. Tibor zog die verschmt die Augen niederschlagende Kata zu seinem Onkel und stellte sie vor.

"Onkel Ferenc, darf ich dir meine zuknftige Frau, Kata Molnr vorstellen?" Der alte Graf war so verrgert darber, da sein Zimmermdchen seine Anweisungen nicht befolgt hatte und mit den Gsten, noch dazu seinem Neffen in Kontakt geraten war, da er den Sinn der Worte gar nicht verstanden hatte. Er wendete sich wtend an Kata.

"Was hast du hier im Stall zu suchen? Hatte ich dem Personal nicht ausdrcklich verboten, sich in die Angelegenheiten der Gste zu mischen? Geh sofort wieder an deine Arbeit zurck und nach dem Fest werde ich darber entscheiden, ob ich dich noch weiter bei mir dulde. Ich htte mehr Dankbarkeit von dir erwartet!" Damit wollte er sich abwenden, doch Tibor hielt ihn mit einem schnellen Griff am rmel seiner Reitjacke fest.

"Onkel Ferenc, du scheinst nicht verstanden zu haben, was ich dir gerade erklrt habe! Dieses Mdchen ist meine Braut, die ich so lange Zeit verzweifelt gesucht habe! Deshalb bitte ich dich auch, in einem angemessenen Ton mit ihr zu sprechen!" Erst jetzt schaute der Graf seinen Neffen richtig an.

"Das ist deine Braut?" entfuhr es ihm. Tibor nickte.

"Du weit ja, da ich vor einiger Zeit das Mdchen heiraten wollte, welches mich so lange aufopferungsvoll gepflegt hatte und mir dann sogar auf wundersame Weise den Gebrauch meiner Beine wiedergab. Sie war aber auf rtselhafte Weise verschwunden und trotz eifrigster Suche konnte ich sie nicht finden. Welch eine Fgung des Schicksals, da sie hier auf deinem Gut arbeitet und heute frh meinen Aladdin streicheln wollte. Jetzt wird so schnell wie mglich geheiratet, damit sie mir nicht wieder wegluft!" rief der junge Mann frhlich aus und zog Kata liebevoll an sich.

"Bist du damit einverstanden, mein Herz, mein Leben?" Angstvoll suchten seine dunklen Augen die ihren und gaben ihr in einer stummen Bitte zu verstehen, da sie ihm doch ihr Ja-Wort geben mge. Nach einem kurzen inneren Kampf gab Kata auf und nickte.

"Ja, Tibor, Liebster, ich mchte gerne deine Frau werden!" Da jubelte der junge Mann auf, nahm sie bei den Hnden und tanzte mit ihr die Stallgasse hinunter, sehr zur Verwunderung seines Onkels, der solche Gefhlsausbrche bei seinem Neffen gar nicht kannte.

Eilig wurden nun die Hochzeitsvorbereitungen getroffen, die Verwandten wurden gebeten, zu bleiben und Haus und Hof wurden neu geschmckt. Am folgenden Sonntag wurden die Liebenden in einer herzergreifenden Zeremonie in der kleinen Dorfkirche getraut. Das darauf folgende Fest dauerte drei Tage, die frisch Vermhlten aber warteten nicht so lange, sondern bestiegen eine der bequemen Kutschen des Grafen, welche dieser ihnen zur Verfgung gestellt hatte, und fuhren zu einem der Jagdhuser, um dort ihre Flitterwochen zu verbringen. Kata hatte ihrem Ehemann noch vor der Trauung ihren Leidensweg offenbart und dieser hatte bei sich beschlossen, den Peiniger seiner jungen Frau aufs schrfste zu bestrafen. Von einer ffentlichen Anklage wollten beide nichts wissen, die Sache mute also unter den beiden Mnnern ausgetragen werden. Nachdem die jungen Menschen einige Zeit nur ihrer Liebe gelebt hatten, beschlossen sie, auf eines der Pusztagter der Familie Balassy zu ziehen, denn von der Stadt wollten beide nichts mehr wissen. Tibor hatte in der Zwischenzeit einige Leute damit beauftragt, sich nach dem Verbleib des Gbor Kovcsy umzuhren. Nach ein paar Wochen wurden die Nachforschungen auch von Erfolg gekrnt, der Bsewicht lebte unter falschem Namen in einer greren Stadt. Tibor lie seine junge Frau unter dem Schutz seiner Gromutter, die auf dem Gut zu Besuch weilte, zurck und machte sich auf, den Peiniger seiner Frau zu stellen. ber die ganze Affre drang nicht viel nach auen, aber als Tibor nach ein paar Tagen wieder auf das Gut zurckkehrte konnte er Kata beruhigen: ihr Peiniger war tot. ber das wo und wie lie er nur so viel vernehmen, da er den schlechten Menschen im Norden in einem ehrlichen Duell, aber ohne Zeugen, besiegt habe. An die Mutter des Schurken ging eine Nachricht ohne Unterschrift und von einem Freund der Familie Balassy in Budapest aufgegeben, da ihr Sohn verstorben sei, ber die Umstnde waren keine Angaben gemacht worden. So hatte denn der Peiniger der jungen Frau sein verdientes Ende gefunden und die beiden Liebenden konnten sich ihrem ungetrbten Glck hingeben.

Und wieder zog ein schweres Unwetter ber der Puszta herauf. Die Bume bogen sich im Sturm, die Dachsparren knirschten unter dem Druck der Ben und der Hagel trommelte gegen die Fensterlden. In ihrem Zimmer lag Kata auf dem groen Bett, Schweitropfen rannen ihr von der Stirn und ihr Krper wurde immer und immer wieder von Wehen geschttelt. Die Hebamme, welche Tibor noch rechtzeitig vor Ausbruch des Unwetters auf das Gut geholt hatte, bemhte sich um die werdende Mutter, whrend der werdende Vater ruhelos im Flur auf und ab lief und betete, da alles gut gehen mge. Als das Unwetter seinen Hhepunkt erreichte und Blitz auf Blitz hernieder zuckte, whrend der Donner in einem fort grollte, drang pltzlich ein lauter Schrei aus dem Zimmer der in den Wehen liegenden Mutter, gefolgt von einem leiseren, feineren. Tibor lief zum Zimmer, als die Tr aufging und die strahlende Hebamme ihn herbeirief.

"Ein kleiner Junge, mein Herr – und Mutter und Kind sind wohlauf!"

Tibor trat in das Zimmer und kniete am Bett seiner Frau nieder.

"Mein Liebling, du hast uns soeben zu glcklichen Eltern eines kleinen Istvn gemacht!" strahlte er und kte Kata zrtlich. Diese lchelte und hauchte schwach:

"Und der Fluch ist gebrochen – denn unser Sohn ist in einer Unwetternacht auf die Welt gekommen!" Dann schlo sie die Augen und fiel in einen tiefen und erholsamen Schlaf. Tibor ging auf leisen Schritten zur Wiege des kleinen Istvn und schaute ergriffen auf seinen neugeborenen Sohn.

"Nun steht unserem gemeinsamen Glck wirklich nichts mehr im Wege!" flsterte er.


 
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