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DIANAS TRAUM 5

"Wo sind sie denn, die vermummten Gestalten?" fragte der eine hmisch. "Sie haben wohl schlecht geschlafen, junge Frau und sich Gott wei was eingebildet!" Doch Diana lie sich nicht aus der Fassung bringen.

"Natrlich sind die Eindringlinge abgehauen, bevor Sie hier eintrafen. Sie hatten sie ja vorher lange genug gewarnt, mit ihrer Sirene und dem Blaulicht!"

"Gute Frau, im Einsatz fahren wir immer mit Sirene und Blaulicht!" wies sie der andere Beamte zurecht.

"Dann entkommen die beltter wohl fter!" entfuhr es leise der jungen Frau. Laut jedoch meinte sie:

"Na schn, daran ist wohl jetzt nichts mehr zu ndern. Aber vielleicht suchen Sie einmal im Wald nach, vielleicht ergreifen Sie den einen oder anderen der Vermummten noch, er knnte dann Aufschlu darber geben, warum die Leute hier bei mir eingedrungen sind, mir meine Tiere und mich zu Tode erschreckt haben und wer der Verantwortliche dafr ist." Dann fiel ihr noch etwas ein. "Ach ja, das hier habe ich heute Nachmittag an meinem Hundezwinger gefunden, nachdem man mir meinen Hund im Wald an einen Baum angebunden hatte, meine Pferde freigelassen hatte und meine Volieren beschmiert hatte." Damit suchte sie den Zettel hervor, den sie in ihre Tasche gesteckt hatte. Der eine der Beamten berflog die wenigen Zeilen und schttelte dann den Kopf.

"Warum haben Sie das nicht vorher gemeldet?" wollte er wissen. Diana zuckte mit den Schultern.

"Sie kenne ich nicht, aber der Beamte im Dorf hat mir heute, nachdem ich am frhen Morgen fast von einem vorstzlich angesgten Hochsitz zu Tode gestrzt war und dies bei ihm meldete zu verstehen gegeben, da er von alleinstehenden, jagenden Frauen nicht viel halte, ich solle lieber an meinen Herd zurckkehren anstatt mich mit solchen mnnlichen Dingen abzugeben. Daraufhin war mir die Lust vergangen, mich in dieser Sache wieder an ihn zu wenden." Damit wies sie auf den Zettel in den Hnden des Beamten. Dessen Kollege meinte nur leise:

"Naja, ganz so Unrecht hat der Kollege ja nicht!" Doch dann verzog er sich schnell aus dem Bereich der jungen Frau, die ihn wtend anblitzte.

"Mnner sind doch alle gleich!" rief sie emprt aus. "Machen Sie lieber Ihre Arbeit, ich gehe der meinen nach und mische mich ja auch nicht in Ihre Angelegenheiten ein!" Der Beamte schmunzelte ob der Heftigkeit des Ausbruchs, doch dann wendete er sich wieder der jungen Frau zu.

"Frulein Erdei, ich mu Ihnen sagen, da sich dieser bedauerliche Vorfall immer wieder wiederholen kann. Wir knnen Sie nicht vor diesen Jagdgegnern schtzen, noch diejenigen ausfindig machen, die sich an solchen Dingen beteiligen. Nachdem Sie nun schon einige Male Ziel dieser Angriffe waren, kann ich Ihnen nur den einen Rat geben: Ziehen Sie weg von hier! Oder heiraten Sie, oder hren Sie mit der Jagd und Falknerei auf! Sonst kann es Ihnen vielleicht eines Tages noch ans Leben gehen!" Diana schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

"Das meinen Sie doch nicht im Ernst?" flsterte sie heiser. "Wieso soll ICH hier wegziehen oder meinen Passionen entsagen, ganz zu schweigen von meinem Privatleben, welches Sie darber hinaus berhaupt nichts angeht! Schlielich bin ICH hier in meinem Recht, lebe auf meinem Grund und Boden und be meine Passionen rechtmig aus! Meine Tiere werden artgerecht und liebevoll gehalten und ich besitze alle ntigen Prfungen und Erlaubnisse zur Ausbung der Jagd, der Falknerei und der Zucht! Ihre Aufgabe ist es doch, mich vor solchen gesetzlosen Verbrechern zu schtzen, die das Leben und die Gesundheit meiner Tiere gefhrden, von meinem Leben und meiner Gesundheit ganz zu schweigen!" Der Beamte zog eine Grimasse.

"So leicht ist das nicht, gute Frau! Ich will und kann das Ihnen jetzt nicht weiter ausfhren, aber ich sage Ihnen, Sie tun im Interesse aller Beteiligten besser daran, einen meiner Vorschlge anzunehmen." Damit machte er auf dem Absatz kehrt, legte im Vorbeigehen den Zettel mit der anonymen Drohung auf das kleine Regal unter der Garderobe und war auch schon verschwunden. Diana hrte noch, wie die Tren des Polizeiautos zuschlugen und das Gerusch des Motors langsam in der Ferne verschwand. Mit einem versteinerten Gesichtsausdruck lie die junge Frau noch einmal die Worte des Beamten Revue passieren.

"Der also auch!" seufzte sie schlielich auf. "Keinen Schutz fr eine alleinstehende Frau, die auch noch Jgerin ist! Da haben wir es wieder einmal! Frau, das heit bei ihnen: verheiratet oder mit Partner, Kinder, Haushalt und eventuell auch noch Beruf, aber sonst nichts. Wer - als Frau wohlgemerkt - aus dem Klischee fllt, ist fr den rger, den das nach sich zieht, selbst verantwortlich! Na, vielen Dank!" Doch als sie sich in der Kche einen Kaffee zubereitete, mute sie den Dingen ins Gesicht sehen: So wie zuvor konnte sie nicht weiterleben. Aber was tun? Welchen Entschlu fllen? Lange grbelte sie ber einer Lsung ihres Problems. Hatte sie noch am Abend gedacht, mehr Sicherheitsvorkehrungen wrden eventuell ausreichen, hatte ihr der Beamte die Augen geffnet. Sicher war sie und waren ihre Tiere hier nie wieder, egal wie gut sie sich auch schtzen mochte. Und selbst wenn sie jetzt mit der Ausbung von Jagd und Falknerei aufhren wrde, wonach ihr jedoch keineswegs der Sinn stand, so war sie doch auf der schwarzen Liste und hatte keine Hoffnung, da man sie von dort streichen wrde. Und ein Ehemann – der sie ja auch nicht viel besser schtzen konnte – kam fr sie aus den gegebenen Grnden nicht in Frage. In keiner Sekunde hatte sie je daran gedacht, ihre Liebe einer ungewissen Sicherheit wegen zu verraten. Blieb nur noch ein Ausweg: umziehen! So schwer es ihr auch fallen wrde, ihren Tieren zuliebe wrde sie dieses Opfer auf sich nehmen! Fragte sich nur: wohin umziehen? Da scho ihr pltzlich eine Idee durch den Kopf! Warum nicht zurck in ihre Heimat? Warum nicht nach Ungarn?

"Warum habe ich nicht schon viel frher daran gedacht?" fragte sich die junge Frau laut. "Ich bin erwachsen, unabhngig und frei, meine Entscheidungen selbst zu treffen! Ja! Ich werde in mein Heimatland zurckkehren! Schlielich habe ich es ja nur verlassen mssen, weil meine Mutter mit meinem Stiefvater hierher gezogen ist. Als kleines Kind mute ich ihnen folgen. Dann kam das Internat und danach hatte ich keinen Grund, wegzuziehen. Heute aber kann ich selbst bestimmen, wo ich leben mchte – und ich glaube, ich wei jetzt, wo das sein wird!" Nach diesem Entschlu fhlte sie sich gleich viel besser, der Gedanke an den Umzug in ihr Heimatland gab Diana Gelegenheit, nicht dauernd an die eventuell auf sie lauernde Gefahr denken zu mssen. Sie hatte viel zu planen und vorzubereiten, mute sich um den Verkauf ihres Hofes kmmern und dabei weiterhin ihrer Arbeit nachgehen. Glcklicherweise hatte sich die Nachricht auch bei den Jagdgegnern herumgesprochen, da die junge Frau ihren Hof verlassen wollte, so blieb sie von weiteren Anschlgen verschont. Schnell hatte sich ein Kufer fr das Anwesen gefunden und schon bald nach Unterzeichnung des Vorvertrages reiste Diana in die Puszta, um sich nach einer geeigneten Bleibe fr sie und ihre Tiere umzusehen. Die war bald gefunden und frohen Herzens konnten nun die eigentlichen Vorbereitungen fr den Umzug beginnen.

Endlich war der groe Tag gekommen! Diana war schon sehr frh aufgestanden und hatte ihre Tiere fr den langen Weg vorbereitet. Die Falken saen in ihren Reisekisten, die Pferde trugen Decken und Beinschoner, Hund und Frettchen waren ebenfalls in ihren Reisekisten untergebracht. Da der Spediteur am vergangenen Abend schon alles an Mobiliar aus dem Haus mitgenommen hatte, hatte sich Diana mit einem Schlafsack begngen mssen, den sie nun im Auto verstaute. Es gab nur ein kaltes Frhstck aus der Provianttasche, denn Strom, Wasser und Gas waren schon abgestellt. Endlich fuhr der neue Besitzer des Anwesens vor und Diana bergab ihm die Schlssel. Dann stieg sie in ihren neuen, gebrauchten Gelndewagen, an den der Pferdeanhnger angekoppelt war und fuhr los. Noch einen letzten Blick zurck auf das Haus, das ihr so lange als Bleibe gedient hatte, dann konzentrierte sie sich ganz auf die lange Fahrt. Es gab keine Zwischenflle und so erreichte sie ihr neues Domizil in angemessener Zeit. Der alte Bauernhof inmitten der Weite der Puszta bentigte zwar noch einiges an Arbeit, bis er vollstndig bewohnbar sein wrde, aber davor scheute die junge Frau nicht zurck.

"Endlich zuhause!" rief sie aus, als sie aus dem Wagen ausstieg und ihre Fe wieder ungarischen Boden berhrten. Es wrde gewi nicht leicht werden, zumindest nicht leichter, als in Frankreich, aber sie wollte diese Herausforderung gerne annehmen. Hie es doch auch, da sie endlich zu ihren Wurzeln, in ihre Heimat zurckgekehrt war. Mit schier unendlicher Ausdauer und der Hilfe der freundlichen Nachbarn gelang es der jungen Frau, innerhalb weniger Monate sich ein gemtliches Zuhause einzurichten. Selten erhielt sie Nachrichten von ihrer Mutter, eine kurze Karte mit nichtssagendem Inhalt zu ihrem Geburtstag oder Weihnachten, aber das war sie ja so gewhnt, denn selbst als sie in Frankreich lebte hatten sie kaum Kontakt mehr zueinander. Diana hatte in ihrem Herzen der Mutter nie verziehen, da diese nach dem tragischen Tod ihres ersten Mannes wieder geheiratet hatte, zumal einen Menschen, der sie und die kleine Tochter gezwungen hatte, ihm in ein fremdes Land zu folgen und sich dann auf sehr elegante Weise des kleinen Mdchens, welches seine Beziehung zu der Mutter nur stren konnte, da Diana ihren Vater nicht vergessen konnte und wollte, zu entledigen, indem er sie auf ein Internat schickte. Um so mehr berraschte es Diana, als sie einige Zeit nach ihrem Umzug in die Puszta einen langen Brief ihrer Mutter zugestellt bekam.

Meine liebe Tochter

las Diana, nachdem sie den dicken Umschlag geffnet und es sich in einem Sessel bequem gemacht hatte.

Ich wei, da du es mir nie verziehen hast, da ich deinen Stiefvater geheiratet habe und ihm nach Frankreich gefolgt bin. Nach so vielen Jahren bin ich jetzt auch zu der Meinung gelangt, da es ein Fehler gewesen ist. Dein Stiefvater hat sich in letzter Zeit sehr zum Schlechten verndert, als er hrte, da du wieder nach Ungarn gezogen bist, hatte er einen richtigen Wutanfall, der sich gegen mich richtete, weil ich es nicht verstanden htte, dich an Frankreich zu binden. Auch vorher schon hatten mich einige Kleinigkeiten in seinem Verhalten mir gegenber und im allgemeinen dazu veranlat mein Leben zu berdenken. Ich bin nun zu dem Schlu gelangt, da es wohl besser sei, mich von deinem Stiefvater zu trennen. Knntest du wohl erwgen, mir zu helfen, mich nach meiner Scheidung wieder in Ungarn anzusiedeln? Verstehe mich wohl – ich will mich beileibe nicht bei dir einquartieren, erbitte nur deine Hilfe bei der Wohnungssuche. Noch ist allerdings nichts entschieden, ich mchte aber gerne wissen, ob ich eventuell auf deine Hilfe rechnen darf.

Vergib mir bitte meine vielen Fehler, ich habe eingesehen, da niemand deinen Vater ersetzen kann und da ich sehr selbstschtig an dir gehandelt habe.

Deine Mutter

Diana war gerhrt von den Zeilen ihrer Mutter, welche es nie verstanden hatte, Gefhle nach auen hin zu zeigen, diese wenigen Worte jedoch waren mehr, als die junge Frau je erhofft hatte, von ihrer Mutter zu hren. Schnell schrieb sie eine Antwort, verfate diese jedoch so diplomatisch, da ihr Stiefvater, falls sie ihm in die Hnde fallen sollte, nichts ber die Absichten seiner Ehefrau daraus entnehmen konnte.

Diana warf sich im Schlaf unruhig hin und her. Zum Teil war dies wohl auf die Wirkung des Vollmondes zurckzufhren, der immer eine gewisse Unrast bei ihr auslste, so wie sie auch sehr auf die jeweilige Wetterlage reagierte. Aber es mute auch noch einen anderen Grund fr ihre Nervositt geben....

Und wirklich, in ihrem Alptraum sah Diana, wie ihr Stiefvater sich im Park von Prinz Philippe befand, schleichend und im Schutz der Nacht sich dem kleinen Marmortempel nherte, in welchem Diana und der Prinz so zrtliche Momente verbracht hatten. Auch jetzt sa der Prinz in Gedanken versunken auf der schneeweien Bank und gewahrte nicht die drohende Gefahr, die sich ihm mit unhrbaren Schritten nherte. Als die Gestalt des Stiefvaters sich kurz vor dem Prinzen aufrichtete und einen Dolch auf sein Herz richtete, schrie Diana auf.

"Philippe! Pa auf!" Der Prinz reagierte sofort. Mit einem geschmeidigen Schwung warf er sich von der Bank, so da der Dolch ihn um Millimeter verfehlte!

Schweigebadet wachte die junge Frau auf.

"Gott sei Dank, es war nur ein Traum!" seufzte sie laut und dennoch hatte sie so ihre Zweifel. Wute sie doch, da sie den Prinz persnlich getroffen hatte, in jener sonderbaren Welt. Aber was hatte ihr Stiefvater dort zu suchen? Wollte er wirklich den Prinzen ermorden, von dessen Existenz er doch keine Ahnung haben konnte? Und war es ihr gelungen, den jungen Mann wirklich zu retten? Fragen ber Fragen, die jedoch ohne Antwort bleiben muten, da ihr der Zugang zu jener fernen Welt versperrt war. Diana wurde von einer tiefen Sorge um das Wohl des geliebten Mannes gepackt und fhlte um so mehr ihre Ohnmacht, nichts ber sein Los erfahren zu knnen. Den Tag verbrachte sie mit Grbeln, ging wie mechanisch ihrer Arbeit nach und legte sich fr ihre Verhltnisse sehr frh Schlafen.

"Diana, Liebste, ich danke dir fr deine Hilfe, ohne dich wre ich nicht mehr da!" flsterte Prinz Philippe.

"Dann war es also kein Traum?" fragte Diana leise, als ihr der junge Mann erschien. Dieser lchelte rtselhaft.

"Traum oder Wirklichkeit, was spielt das fr uns eine Rolle? Sind wir nicht verbunden durch die Liebe unserer Herzen? Hier oder dort, heute, gestern oder in der Ewigkeit sind unbedeutende Ausdrcke menschlicher Erfindung. Einzig zhlt der Gleichklang unserer Herzen, die Einheit unserer Gedanken! Daran mut du immer denken, Geliebte! Dann werden viele Fragen beantwortet und Zweifel ausgerumt! Vertraue nur zuversichtlich deinem Herzen, dann wird alles gut!" Die junge Frau nickte leicht mit dem Kopf.

"Wenn ich auch nicht alles verstehe, so will ich doch deinem Rat folgen und nicht mehr zweifeln oder eine Ratio suchen in den Dingen, die mit uns geschehen. Ich bin froh, da es mir gelungen ist, dich vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren - doch sage mir nur eines: was hat mein Stiefvater in deinem Reich zu suchen?"

"Das, geliebte Diana, kann ich dir auch nicht beantworten. Aber es mu einen Zusammenhang geben, der uns nur noch verborgen ist. Hte dich aber ebenso vor ihm, wie ich mich jetzt vor ihm hten werde, denn er fhrt Bses im Sinn! Und das kann sich ebenso gegen dich wenden, Liebste! Hab also Acht, auf alles, was mit diesem gefhrlichen Mann im Zusammenhang steht!"

"Ich werde deinen Rat beherzigen, Liebster!" versprach Diana dem Prinzen.

"Dann lebe wohl, Geliebte!" sprach zrtlich der junge Mann, bevor er im Nichts verschwand. Diana wachte am nchsten Morgen innerlich beruhigt auf, erinnerte sie sich doch daran, da sie mit Prinz Philippe in Verbindung treten konnte, wenn sie es sich sehr wnschte. Aber das Bewutsein, da von ihrem Stiefvater eine unbekannte Gefahr ausging, lie sie wachsam sein.

Es wurde wieder einmal Herbst und in Diana erwachte erneut dieses undefinierbare Gefhl, dieser Jagdtrieb, dieses Erbe ihrer Vorvter, die um diese Jahreszeit ausgingen, um Fleischvorrte fr den langen Winter anzulegen. Ruhelos pilgerte sie zwischen Waffenschrank und Schreibtisch hin und her, hoffend, da sie jemand aus ihrer Bekanntschaft zur Jagd einladen wrde. Ihre wenigen Mittel lieen es zwar zu, sich ein paar Jagdausflge zu leisten, nicht aber organisierte Reisen zu fernen Zielen. Und sie wurde nicht enttuscht. Eines Morgens brachte der Postbote einen dicken Briefumschlag mit rumnischer Marke. Diana ri schnell den Umschlag auf und entnahm ihm mit zitternden Fingern einen aus einem Schulheft stammenden Zettel und einige Formulare. Sie vertiefte sich in die Lektre der beiden engbeschriebenen Seiten.

Dein "Onkel" Gbor, "Tante" Juliska, Pter und Pl

Diana legte den Brief beiseite und wischte sich mit einer nachlssigen Handbewegung die beiden Trnen aus den Augen, die sich dorthin geschlichen hatten, als sie die Erinnerung an ihren Vater bermannt hatte. Das waren wahre Freunde! ber all die Jahre und vielen Kilometer hinweg hatten sie ihr die Treue gehalten, sich regelmig nach ihrem Befinden erkundigt und teilgenommen an ihrem Lebensweg. Diana hatte die freundlichen Leute von allen groen und kleinen Ereignissen in ihrem Leben benachrichtigt und erfuhr ihrerseits alles ber das Leben dieser ungarischen Familie in den unwirtlichen Karpaten. So brauchte sie nicht lange zu berlegen, schnell fllte sie die Formulare aus und schickte sie ab, ebenso einen kurzen Brief, in welchem sie der Familie Szab mitteilte, wann sie ankommen wrde. Die Nachbarn versprachen, sich um ihre Tiere zu kmmern, so war alles geregelt.

Als der Tag der Abreise gekommen war, packte Diana ihre Siebensachen in den nun schon ziemlich in die Jahre gekommenen Gelndewagen, dann fuhr sie frohen Mutes los. Waren die ungarischen Landstraen schon nicht in allerbestem Zustand, so wurde es nach der rumnischen Grenze ganz schlimm. Diana hatte die Kontrollen schnell hinter sich gebracht, waren doch alle Papiere in Ordnung und hatte sie jedem der drei Zollbeamten ein kleines Pckchen mit Kaffee, Zigaretten und Fleischkonserven zugesteckt. Aber danach wurde die Fahrt zur Rallye. Schlaglcher so tief, da ein normales Auto sie gar nicht passieren konnte, Schlamm und Steine auf der Fahrbahn und nur sehr sporadisch Hinweisschilder, wo man sich denn gerade befand. Zwar hatte Diana eine gute Karte, dennoch mute sie des fteren anhalten, um nach dem Weg zu fragen. Glcklicherweise waren es fast immer Menschen ungarischer Abstammung, die ihr freundlich Auskunft gaben, die Rumnen hielten noch an ihrer eingewurzelten Furcht vor Kontakt mit Auslndern fest, immer in Angst vor der Geheimpolizei. So gelangte die junge Frau schlielich in die Nhe ihres Zielortes. Vor ihr erhoben sich die unheimlichen Berge der Karpaten in den Abendhimmel. Es wurde langsam dunkel und sie mute sich vorsichtig ihren Weg ber die kaum noch Strae zu nennende Bahn suchen. Pltzlich trat sie hart auf die Bremse, der schwere Wagen kam zum Stehen. Vor ihr tat sich ein dunkler Schlund auf: Die Strae war wohl bei einem der herbstlichen Unwetter untersplt worden und abgesackt. Aber kein Achtungsschild wies die in vollem Vertrauen auf die Befahrbarkeit der Strae dort ihres Weges kommenden Menschen auf die Gefahr hin! Diana stieg mit zitternden Knien aus und wagte sich vorsichtig bis an die Kante des Bruches vor. Oh Schreck! Die Fahrbahn war so abgerutscht, da ein mehrere Meter tiefes Loch vor ihren Fen ghnte! Wer dort hineinfuhr, dessen Leben war keinen Pfennig mehr wert! Der direkten Gefahr entronnen, machte sich Diana jetzt Gedanken ber ihr Weiterkommen. Die Nacht senkte sich jetzt mit groer Geschwindigkeit auf sie herab, ihre Gastgeber erwarteten sie sicherlich schon - und es gab keinen anderen Weg, als diesen hier, der sich als unbenutzbar erwies. Diana grbelte noch darber nach, wie ihre Gastgeber denn in die nchste kleine Stadt kommen konnten, um ihre Einkufe zu ttigen, als sie das leise Klingen einer Glocke hrte. Erstaunt drehte sie sich nach dem Klang um, als sie eine kleine Ziegenherde den Berghang herabklettern sah. Dahinter erschien die schmale Gestalt eines jungen Mdchens, nur in einige Lumpen gehllt, aber erstaunlicherweise sauber. Diana nherte sich der Hirtin und bat sie mit einer zarten Geste, anzuhalten.

"Kannst du mich verstehen?" fragte sie das Kind in ungarisch und war sehr erfreut, als dieses nickte. "Bitte sage mir doch, wie ich zur Familie Szab ins Forsthaus kommen kann, denn die Strae hier ist ja unbefahrbar." Das Kind dachte eine Weile nach, dann leuchtete sein Gesichtchen auf.

"Ich wei einen kleinen Waldweg von hier aus etwa hundert Meter weiter unten rechts, der ist nicht sehr breit und es fahren hauptschlich Pferdegespanne darauf, aber du wirst mit deinem schnen, groen Auto schon darauf fahren knnen." meinte das Mdchen.

"Bist du ganz sicher?" fragte Diana mit Nachdruck, denn sie hatte keine Lust, in der Nacht auf unbekannten Waldwegen steckenzubleiben ohne die geringste Aussicht auf Hilfe in dieser gottverlassenen Gegend. Das Kind nickte.

"Der Oberfrster ist auch schon mit seinem Auto da gefahren, um ins Forsthaus zu kommen." bekrftigte es seinen Standpunkt. Das beruhigte Diana ein wenig.

"Kannst du mir dann beschreiben, wie ich fahren mu?"

"Das ist kinderleicht!" rief das Mdchen aus. "Es gibt nur diesen Weg zum Forsthaus, der breit genug ist, um darauf fahren zu knnen. Wenn du also immer den Radspuren folgst, kommst du sicher zum Forsthaus."

"Na dann, vielen Dank!" meinte Diana und gab dem Kind ein paar Pckchen Kaugummi sowie etwas Schokolade, beides groe Seltenheiten in diesem armen Land.

"Vielen, vielen Dank, liebe Fee!" rief ihr das Kind glcklich nach, als Diana wieder in ihr Auto stieg, mit Mhe und Not auf der engen Strae wendete und etwa hundert Meter unterhalb der Bruchstelle auf den Waldweg einbog.

"Liebe Fee?" dachte sie an die Worte des Kindes.

"Glauben die Menschen hier noch an so etwas? Das wre zu schn, um wahr zu sein. Heutzutage ist doch jede Romantik verpnt, werden Mrchen und Legenden als Gromutterkram abgetan. Und doch hat jeder Mensch geheime Sehnschte, Trume und Wnsche. Und gibt es Dinge, die sich selbst mit unserer hypermodernen Wissenschaft nicht erklren lassen..." Sie versank in eine ganz undefinierbare Stimmung, wurde aber sehr unsanft aus ihren Trumen gerissen, als der Wagen in ein tiefes Schlagloch fuhr und sie heftig durchrttelte.

"Ich tte besser daran, mich auf meinen Weg zu konzentrieren, denn zu trumen." rief sie sich selbst zur Ordnung und konzentrierte sich von nun an nur noch auf den selbst im starken Scheinwerferlicht ihres Wagens schwer erkennbaren Weg. Der schmale Pfad wand sich in engen Kehren den Berg hinauf, bis nach einiger Zeit das Gelnde abflachte: sie war auf einem breiten Hochtal angekommen. Nur noch ein paar Minuten, dann war sie endlich am Ziel! Pltzlich tauchten im Licht der Scheinwerfer die Umrisse eines hohen Holzzaunes aus der Dunkelheit auf, dahinter lie sich die Silhouette des Forsthauses ausmachen. Wie durch Zauberhand ffnete sich das hohe Holztor und gab Diana den Weg frei zu einem Nebengebude, welches als Remise fr die Kutsche und den Jagdwagen sowie als Garage diente. Die junge Frau brachte ihr Auto dort unter. Als sie ausstieg, stand dort schon der Mann, den sie - wenn auch um einiges jnger - von Fotos her kannte, auf welchen er neben ihrem Vater vor der erlegten Beute abgebildet war.

"Gbor bcsi!"

"Mein Gott, Diana! Was fr eine schne Frau ist aus dem kleinen Mdchen geworden!" staunte der Mann, dann fielen sie sich in die Arme. Beiden standen Trnen der Freude aber auch der Trauer in Erinnerung um das schlimme Schicksal von Dianas Vater in den Augen. Als sie sich endlich wieder loslieen, betrachtete die junge Frau aufmerksam ihr Gegenber. Sie sah einen schmalen Mann, der auf die sechzig zuging, dessen Haltung und Aussehen aber ein weitaus geringeres Alter vermuten lieen. Ganz in Grn gekleidet mit einem alten Jgerhut auf dem grauen Haupt, sah er ganz genauso aus, wie das Urbild eines Jgers aus den Bergen. Sein Gesicht war fast noch ohne Runzeln und Falten, nur um die von dichten Brauen beschatteten dunkelbraunen Augen hatten sich kleine Fltchen gebildet. Die Adlernase sa ber einem breiten Mund, den sowohl ein Schnurrbart als auch ein langer Vollbart schmckten, in deren dunkles Braun sich jetzt silberne Fden mischten.

"Gbor bcsi dagegen hat sich berhaupt nicht verndert!" stellte sie fest. "Ich glaube, hier in den Bergen gehen die Jahre spurlos an ihren Bewohnern vorber!"

"Na, wenn auch nicht spurlos, aber doch kaum wahrnehmbar!" lachte der Frster. "Aber bitte, wenn es dir nichts ausmacht, dann nenn mich einfach Gbor und , so wie es dein Vater auch immer getan hat."

"Mit Freuden!" antwortete ihm Diana. "Aber bitte, du sollst dich doch sicher nicht anstrengen, nachdem du mir geschrieben hast, da du eine schwere Krankheit hast." Der Mann schttelte leicht den grauen Kopf.

"Liebe Diana, mach dir nicht immer Gedanken um die anderen. Mir geht es nicht gut, das stimmt und mein schwaches Herz verbietet mir die weiten Wege und die Kletterei auf der Pirsch bergauf, bergab, es verbietet mir aber nicht, meine Zeit mit einem lieben Gast zu verbringen, sofern ich nicht allzuweit von zuhause weggehe."

"Dann ist es wohl besser, wenn wir jetzt ins Haus gehen, die anderen werden sicher schon auf uns warten."

"Du hast recht, mein Kind. Komm, ich nehme deine Waffen, die sind im Haus sicherer aufgehoben." Damit ergriff er das Futteral im Wagen und eine kleine Tasche mit dem Zubehr. Diana nahm ihren groen Koffer und die Handtasche, so gingen sie die wenigen Schritte unter dem Vordach bis zum Eingang in das Forsthaus. Dort empfing sie eine mtterliche Frau, die ungefhr das gleiche Alter hatte, wie ihr Mann: "Tante" oder "Nni" Juliska. Wo ihr Mann, der Frster, schlank war, war sie die Beleibtheit selbst. Aber sie war die Gte in Person und untersttzte ihren Mann, wo es nur ging. Ihr freundliches Mondgesicht strahlte ber alle Backen, als sie die junge herzlich Frau begrte.

"Liebe Diana! Herzlich willkommen in unserem armen Heim! Ich bin so froh, da wir uns nach so vielen Jahren wiedersehen! Es ist halt nicht dasselbe, wenn man sich schreibt, oder wenn man sich persnlich sieht! Doch komm, ich zeige dir gleich dein Zimmer, da kannst du deine Sachen in Ruhe auspacken und auch ein Bad nehmen, wenn du willst, inzwischen bereite ich das Abendessen vor."

"Vielen, vielen Dank fr den herzlichen Empfang, Juliska nni!" rief Diana und drckte der Frau zwei dicke Ksse auf die nicht weniger dicken Wangen. "Ich wrde sehr gerne ein Bad nehmen und dann etwas essen, denn ich bin hungrig wie ein Wolf! Die Fahrt war lang und ich mute ber den Waldweg fahren, weil die Strae abgesackt ist."

"Oh Gott! Das kann nur vorgestern nach dem groen Unwetter geschehen sein!" rief die Frau aus. "Denn am Tag davor haben wir die Strae noch benutzt! Aber niemand hat uns davon in Kenntnis gesetzt."

"Ich mu sagen, auch ich war berrascht, um es gelinde auszudrcken, als sich pltzlich vor mir ein dunkles Loch auftat!" meinte Diana schaudernd. "Nur eine winzige Sekunde der Unaufmerksamkeit und ich wre nie hier angekommen."

"Ja stand denn kein Warnschild dort?" wollte der Frster wissen. Diana schttelte den Kopf.

"Nein, Gbor bcsi! Es gab vorher keinen einzigen Hinweis auf die drohende Gefahr. Ich mu meinem Schutzengel danken, da ich jetzt nicht zerschmettert auf dem Grund der Steilwand liege!"

"Ich werde mich morgen in aller Frhe auf den Weg machen und eine Hinweistafel anbringen!" meinte der Frster. "Unsere Behrden sind ja scheinbar nicht dazu in der Lage!"

"Ich werde dich dorthin fahren." kam ihm Diana zur Hilfe. "Erstens geht das schneller und dann mchte ich mir auch einmal bei Tage die Stelle ansehen, wo ich beinahe mein Leben verloren htte."

"Vielen Dank, Diana! Ich werde gleich ein Schild herstellen." sagte der Mann und verschwand im Keller. Diana brachte ihre Sachen auf das Zimmer, welches schon ihrem Vater als Unterkunft gedient hatte und dachte wehmtig daran, wie schn es wre, knnte er jetzt bei ihr sein und sie auf der Pirsch begleiten. Das Gstezimmer war ganz im Stil der Jagdhtten eingerichtet. Das helle Holz der Wnde, an denen die verschiedensten Trophen hingen, vom kapitalen Hirschgeweih bis zum ausgestopften Auerhahn, gab ihm ein jagdlich-heimeliges Aussehen. Von der Decke hing eine Lampe aus drei Geweihstangen und die Wandleuchte ber dem Bett war aus dem Gehrn eines Rehbockes gefertigt. Auer dem bequemen Bett mit den warmen Daunendecken gab es noch einen mit Jagdmotiven geschnitzten Holzschrank und einen kleinen, runden Tisch mit zwei Sthlen, deren Lehnen ebenfalls geschnitzte Jagdszenen aufwiesen. An den kleinen Fenstern hingen blau karierte Gardinen, die aus dem gleichen Stoff waren, wie die Zierdecke auf dem Tisch. Eine niedrige Holztr fhrte in das kleine Bad, das zum Gstezimmer gehrte. Als Diana ihre Sachen verstaut hatte, begab sie sich wieder ins Erdgescho, wo sie im Wohnzimmer der Familie schon das dampfende Abendessen erwartete.

"Ich habe geschmorten Hasen mit Klen vorbereitet." bemerkte Juliska nni. "Das war auch die Lieblingsspeise deines Vaters. - Ich hoffe, du bist mir nicht bse darber." setzte sie schnell hinzu, als sie die Trne gewahrte, die sich in den Augenwinkeln Dianas bildete und zu Boden tropfte. Die junge Frau schttelte leicht den Kopf und lchelte.

"Natrlich bin ich nicht bse, Juliska nni, nur bermannen mich manchmal die Erinnerungen und ich kann es einfach nicht glauben, da mein Vater uns so frh verlassen mute."

"Ja, es war ein schrecklicher Schicksalsschlag!" bekrftigte die Frau. "Natrlich in erster Linie fr dich und deine Mutter, aber auch fr uns, die wir direkt am Ort des Geschehens waren und uns zudem seine Freunde nennen durften." Sie umarmte trstend Diana und fhrte sie zum gedeckten Tisch. "Setz dich, Gbor kommt auch gleich, er will nur noch das Schild fertigstellen, dann knnen wir beginnen." Diana setzte sich gehorsam auf den ihr von der Frstersfrau angewiesenen Platz, der, auch wenn es ihr niemand sagte, sicher der angestammte Platz ihres Vaters gewesen war. Nach fnf Minuten erschien auch der Frster wieder und sie begannen schweigsam nach einem kurzen Gebet das Abendessen. Diana langte trotz allem krftig zu, hatte die Fahrt ihr doch sehr zugesetzt. Als die Frau den Nachtisch aus Kastanienpree servierte, wagte Diana endlich die Frage, die ihr schon lange auf der Zunge lag.

"Eure Shne, die mich morgen begleiten sollen, wo sind sie denn heute?"

"Du wirst sie morgen schon zu Gesicht bekommen." meinte Gbor bcsi. "Ich habe sie zur Jagdhtte vorausgeschickt, damit alles vorbereitet ist, wenn du morgen dort ankommst."

"Vielen Dank Gbor bcsi. Ich sehe, du organisierst alles zum Besten deiner Gste!"

"Das ist doch nur selbstverstndlich!" lachte der Frster. "Zumal du fr uns viel mehr bist, als nur ein gewhnlicher Jagdgast." Der Abend verging in Harmonie und alle legten sich frh schlafen, um am nchsten Morgen zur rechten Zeit wach zu sein. Als der Wecker klingelte, fuhr Diana aus dem Schlaf auf, die Nacht schien ihr nach all den Anstrengungen und Aufregungen des Vortages doch sehr kurz gewesen zu sein. Nichtsdestotrotz nahm sie eine schnelle Dusche und zog ihre bequeme Jagdkleidung an. In der Kche warteten schon ein ausgiebiges Frhstck und der Frster auf sie.

"Guten Morgen, Gbor bcsi." grte Diana den Mann, der ihr sogleich aus einer alten, schn emaillierten Kanne heien Kaffee einschenkte.

"Guten Morgen Diana, gut geschlafen?" erkundigte er sich bei der jungen Frau, die bejahend nickte.

"Gut, ja, aber viel zu wenig!" Der Frster lachte laut auf.

"Das will ich gerne glauben, aber so ist die Jagdsaison nun einmal."

"Zumal wir zuerst das Schild an die Strae stellen mssen." bemerkte Diana nachdenklich. Sie aen schnell ihr Frhstck aus Rhrei mit Pilzen auf und packten dann alle Jagdutensilien samt dem Holzschild in den Gelndewagen der jungen Frau. Als sie an der Bruchstelle der Strae anlangten, wurde es gerade Tag. Gbor bcsi stellte das Warnschild weit genug vor der Gefahrenstelle auf, dann ging er zu Fu mit Diana an die gefhrliche Stelle. Als sie das tiefe Loch begutachteten, fiel ihr Blick unwillkrlich auf den Steilhang zu ihren Fen. Mit Schaudern wurden sie sich bewut, da es im Falle eines Unfalles keine Hilfe fr den Betroffenen geben wrde. Der Berg fiel hier mehrere hundert Meter steil ab, auer steinernen Klippen gab es nicht den geringsten Pflanzenwuchs, der einen Fall eventuell gebremst htte. Tief unten im Tal sah man einen reienden Bergflu, ansonsten unbegehbare Wildnis. Noch einmal sprach Diana ein stilles Dankgebet dafr, da ihr ein schreckliches Los erspart geblieben war. Dann kehrten sie zum Wagen zurck und machten sich auf den Weg zur Jagdhtte. Diese befand sich in einem Teil des Bergwaldes, welcher noch mit dem Auto zu erreichen war, bildete aber nur das Basislager. Die nchsten Htten waren nur nach stundenlangen, anstrengenden Fumrschen durch unwegsames Gelnde zu erreichen. Als das Auto auf die kleine Lichtung einbog, in deren Mitte die Htte stand, warteten schon zwei groe, starke Gestalten unter dem Vordach auf die Ankmmlinge. Pter und Pl waren Zwillinge, die sich glichen, wie ein Ei dem anderen. Von hohem, breitem Wuchs, etwa in Dianas Alter, zeugten ihre wettergegerbten Gesichter vom stndigen Aufenthalt in der freien Natur. Dunkle Locken umspielten die hohe Stirn, fast schwarze Augen schauten unter dichten Brauen durchdringend in die Weite, die Gesichter waren markant und doch nicht ohne Charme. Als Diana aus dem Wagen stieg, begrten sie die beiden jungen Mnner herzlich, danach hatte auch der Vater ein Recht auf eine warme Begrung. Schnell waren die Jagdutensilien ausgeladen und man setzte sich in der gemtlichen Stube zur Lagebesprechung zusammen. In dem aus riesigen Baumstmmen gefertigten Blockhaus herrschte durch einen Kachelofen angenehme Wrme, alle Einrichtungsgegenstnde waren grob aus Holz gefertigt, der lange Tisch ebenso wie die Sthle, die Bettksten und die beiden Truhen, die als Aufbewahrungsort aller brigen Utensilien dienten. Ein alter Eisenherd mit Holzfeuerung diente zusammen mit einem Bfett aus Uromazeiten als Kche, ein Eisengestell mit Emailleschssel als Waschgelegenheit. Wasser kam aus dem nahen Bach und als Toilette diente das hinter der Htte. Und obwohl Diana an heimischen Komfort gewhnt war, akzeptierte sie sofort die hiesigen Gegebenheiten. Jagd - noch dazu umsonst - nur das war es, was zhlte! Und hatte nicht auch ihr Vater hier seine schnsten Jagderlebnisse gehabt? Sie kamen berein, da die Jagd am nchsten Tag von der zweiten Htte aus beginnen sollte. Gbor bcsi wrde mit dem Auto zum Forsthaus zurckkehren, sie wrden es vorerst nicht bentigen. Nach ein paar Tagen wrde er wieder ins Basislager zurckkommen, um zu sehen, wie die bisherige Jagd abgelaufen war. Dann wollten sie einen anderen Teil des Reviers bejagen. Diana entschlo sich, den ersten Teil der Pirsch mit dem Gewehr zu bestreiten, danach wollte sie es auch einmal mit Pfeil und Bogen versuchen. In aller Frhe wanderten die drei Jger los. Sie hatten gengend Proviant fr zwei Tage mitgenommen, denn in der hiesigen Gegend konnte man Unvorhergesehenes nie ganz ausschlieen. In ihren schweren Ruckscken hatten sie Kleidung zum Wechseln, Schlafscke und all das andere unentbehrliche Zubehr, welches bei der Jagd bentigt wird. Die Luft war kalt und es wehte ein scharfer Wind, der die Kronen der hohen Bume heftig schttelte. Doch in der Tiefe des Waldes sprte man die Gewalt des Sturmes weniger und sie konnten forsch ausschreiten. Die wunderbare Stille wurde nur hin und wieder vom Schrei eines Vogels oder dem leisen Knacken eines trockenen Zweiges unter den schweren Wanderschuhen der Jger unterbrochen. Schweigend setzten sie ihren Weg in immer hhere Regionen der Berge fort. Mittags machten sie Rast auf einer von hohen Felsen geschtzten Lichtung und verzehrten ihr kaltes Mahl. Dann ging es weiter, immer hher und hher. Sie kamen an der nchsten Htte vorbei, wo die beiden jungen Mnner rasch nachsahen, da auch hier alles gerichtet war. Danach setzten sie ihren Weg fort. Es wurde immer klter und oft, wenn sie weite Hochalmen berquerten, schtzte sie auch nicht mehr der dichte Wald vor dem Ansturm des Windes. Spter ging es wieder etwas bergab, denn Diana sollte die Gelegenheit haben, auf einen Abschuhirsch zum Schu zu kommen. Lange muten sie suchen, bis sie einen geeigneten Platz fanden, dann aber verschwanden die beiden jungen Jger und berlieen Diana ihren Gedanken, whrend sie auf den Hirsch wartete. In der unwirklichen Stille der riesigen Wlder hatte sie gengend Zeit, ber ihr Leben nachzudenken. Sollte sie nicht doch dem Werben des einen oder anderen Bewerbers um ihre Hand nachgeben und eine "normale" Ehe fhren? Konnte sie das aber berhaupt? Noch keiner der jungen Mnner ihrer nheren Bekanntschaft hatte sich wohlwollend ber ihre Hobbys geuert, einige verlangten geradezu, da sie diese aufgeben sollte, um als "normale" Ehefrau und Mutter zu leben. Das aber widersprach jeder Faser ihres Krpers. Nie wrde sie eines Mannes wegen ihr Leben ndern - und nie wrde sie das Philippe gegebene Versprechen brechen!

 
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