"Jetzt hast du etwas mehr Arbeit, als zuvor," bemerkte Lajos, doch ich schttelte nur den Kopf.
"Das macht mir doch nichts aus, Liebster, du weit doch, da ich arbeiten kann. Und reiten werde ich die beiden eben abwechselnd, da kann sich keiner von ihnen beklagen."
"Na ich wei nicht, bald ist Herbst und dann kommt der Winter und ich mu mit meinen Schafen in die Kaserne. Da hast du dann wirklich die ganze Arbeit alleine! Hoffentlich schaffst du das." Ich nahm ihn in die Arme und gab ihm einen dicken Ku.
"Hab nur keine Angst, es wird schon alles gut gehen!" beschwichtigte ich ihn, damit war das Thema fr lange Zeit erledigt. Die Stute zeigte sich anstellig und lieb unter dem Sattel, es war eine wahre Freude, mit ihr auszureiten. Doch eines Tages, es war natrlich wieder ein Wochenende, kam Lajos mit einem fremden Mann zusammen in dessen Lastwagen an.
"Guten Morgen, Anne! Schau her, das ist Herr Kovcs, er besitzt eine schicke Gidran-Stute, die noch dazu tragend ist, ich habe sie gegen unsere Stute eingetauscht." Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Ja hatte mein Mann denn keine Sentimentalitt fr die Tiere? Mein Pferdchen, das wute ich genau, wrde bis zu seinem Tode bei mir bleiben, selbst wenn ich es spter nicht mehr wrde reiten knnen. Wie konnte man nur so herzlos sein und die Tiere als einfache Ware behandeln?
"Aber Lajos, ich habe mich gerade an die Stute gewhnt, sie ist so lieb und brav - wie konntest du sie nur so einfach hergeben, noch dazu, ohne mich davon zu unterrichten?" Mein Mann zuckte nur mit den Achseln.
"Ein Pferd ist so gut wie das andere und wir machen ja noch einen guten Tausch, denn die Gidran-Stute ist tragend und hat Papiere! Da sie aber zu klein ist, um eine Kutsche zu ziehen, hat der Herr Kovcs sich eben bereitgefunden, mit mir zu tauschen."
"Tut sie dir denn berhaupt nicht leid?" wollte ich wissen, doch sein Blick belehrte mich eines Besseren.
"Warum denn? DEIN Pferd kannst du ja behalten, mit MEINEN Tieren, mache ich, was ich will!" war die strikte Antwort. Dann band er die Stute los und brachte sie mit einigen Mhen dazu, von einer Erdrampe aus auf den Lastwagen zu steigen.
"Und wo ist die neue Stute?" wollte ich von ihm wissen.
"Die ist zu schade, um sie so zu transportieren, ich werde sie morgen hierher reiten, das ist sicherer." belehrte mich mein Mann. "Jetzt fahre ich auf dem Wagen mit, um zu sehen, da die hier anstndig ankommt, dann schlafe ich bei Kovcs's und reite morgen frh ab. Gegen Mittag sollte ich hier eintreffen, wenn alles gut abluft."
"Na, dann, gute Fahrt und guten Ritt!" wnschte ich ihm, dann mute ich mich abwenden, damit er die Trnen in meinen Augen nicht sah, die ich nun nicht mehr lnger zurckhalten konnte. Das htte nur neuen rger verursacht, denn Lajos liebte solche Gefhlsausbrche "wegen solchen Kleinigkeiten" wie er es zu nennen pflegte, nicht. Mit Gebrumm fuhr der Lastwagen fort und nahm das mir eben erst ans Herz gewachsene Pferd mit sich. Hoffnungsvoll erwartete ich am nchsten Tag die Ankunft der neuen Stute. Hoffentlich wrde sie sich ebenso gut mit meinem Pferd vertragen, wie die andere! Ich richtete den Stall frisch her, striegelte mein Pferdchen, bis es glnzte und wartete. Mittag war schon lange vorbei, doch noch immer kein Zeichen von meinem Mann. Langsam wurde ich ungeduldig, konnte man doch nie wissen, ob nicht unterwegs etwas geschehen war. Es gengte ja schon, wenn das Pferd ein Eisen verlor und dann nur noch im Schritt, wenn berhaupt zu reiten war oder erst ein Schmied gesucht werden mute. Spt am Nachmittag hrte ich dann Hufgetrappel auf der Strae. Ich rannte zum Tor und ffnete die beiden schweren Flgel weit.
"Oh, nein!!!!" entfuhr mir ein Aufschrei, denn was ich sah, konnte nur einem Alptraum entsprungen sein. Dieses Tier sollte der sogenannte "bessere" Ersatz fr die kastanienbraune Stute sein? Lajos sprang aus dem Sattel und fhrte das Tier in den Hof.
"Na, was sagst du zu der Neuerwerbung?" fragte er mich stolz.
"Aber Lajos, das Tier ist ja nahe dem Hungertod? Wie konntest du es nur wagen, damit auf eine so lange Strecke zu gehen? - Und die Stute soll noch dazu tragend sein? Du lieber Himmel, die hat ja noch nicht einmal fr sich selbst genug, wovon soll denn das Fohlen wachsen?" entsetzte ich mich.
"Naja, es stimmt schon, sie ist etwas unterernhrt," meinte mein Mann, "aber," setzte her hinzu, "das kommt nur daher, weil der Vorbesitzer sie in einem Schweinestall gehalten hat, wo sie Wasser bekam, wenn sie hungrig war und Futter, wenn sie Durst hatte. Aber das wird sich je jetzt ndern, du wirst sie schon wieder aufpppeln."
"Natrlich, aber wer kann garantieren, da das Fohlen keinen Schaden genommen hat?"
"Es wird schon nichts passieren, die Tiere sind robuster, als man denkt!" wiegelte Lajos ab. "Doch schauen wir erst einmal, was dein Pferd zu ihr sagt." Ich holte meinen Wallach aus dem Stall, er schien ebenso das Sttchen zu bemitleiden, wie ich, denn er nherte sich ihr vorsichtig und begann, sie ganz zrtlich zu beschnuppern. Die Stute lie sich dies auch brav gefallen, war vielleicht auch zu schwach fr eine Abwehrreaktion. Wir brachten die Tiere in den Stall, wo sich die Stute sofort ber das Futter hermachte. In wenigen Minuten war eine riesige Ration Heu verschwunden und die Stute legte sich ermdet ins Stroh. Nach einigen Wochen aufopfernder Pflege begann sich ihr bis dahin eingefallener Leib zu runden und auch die Rippen standen nicht mehr so kra hervor. Es wurde langsam Herbst. An einem schnen Vormittag war ich eben dabei, das Mittagessen fr mich vorzubereiten, als mir urpltzlich sehr schlecht wurde. Ich fragte mich, was ich wohl Falsches gegessen haben knnte, mir fiel aber nichts ein. So lie ich das Mittagessen ausfallen und legte mich ins Bett. Doch auch am Abend war der Brechreiz noch da, mir wurde etwas mulmig zumute. Auerdem lag die Toilette im zweiten Hhnerhof und die Hausherrin war immer sehr darauf bedacht, da ich die beiden Gatter gut schlo, damit sich ihre beiden Hhnerstmme nicht vermischten! Auch die folgenden Tage brachten keine Besserung, so da ich beschlo, am Ende der Woche ins Krankenhaus zu fahren. Ich nahm am frhen Morgen den Bus, der mich in die nchste grere Stadt brachte, wo es ein Krankenhaus gab. Auf der kurvenreichen Strecke mute ich mich sehr zusammennehmen, damit mir nicht wieder schlecht wurde. Im Krankenhaus lie man mich erst einmal lange Zeit warten, dann mute ich eine Reihe von Tests ber mich ergehen lassen. Am Ende kam ein Arzt mit den Ergebnissen zu mir.
"Gratuliere, Frau Molnr, sie sind schwanger!" lchelte er mir zu. Ich fiel aus allen Wolken. Natrlich wollten wir ein Kind, vor allem Lajos, der sich nichts sehnlichster wnschte, als einen kleinen Jungen, der dann in die Fustapfen des Vaters treten wrde und den Familiennamen fortfhren knnte. Doch war die Gewiheit, nun schwanger zu sein doch ein kleiner Schock fr mich. Ich rechnete schnell nach: Das Kind wrde zwar nach Beendigung des Wehrdienstes auf die Welt kommen - aber wo? Zwar wrde Lajos seine Position als Csiks wieder einnehmen knnen, aber das Zimmerchen, welches das Staatsgut ihm zur Verfgung stellen wrde, war wohl kaum ausreichend fr eine Familie mit Baby. Auerdem sollte wenigstens das Kind in einem gewissen Komfort leben. Dies alles ging mir in Windeseile im Kopf herum, trotzdem lchelte ich den Arzt freundlich an.
"Vielen Dank, fr die Mitteilung, aber sagen Sie mir bitte auch, wie ich diese andauernde belkeit wegbekomme?"
"Die geht schon von alleine wieder weg." beschwichtigte mich der Arzt. "Bei manchen Frauen kommt das so um den dritten Monat herum vor, verschwindet dann aber genauso schnell wieder, wie sie gekommen ist. Trotzdem wollen wir Sie ein paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus lassen."
"Nein, das geht nicht!" rief ich voller Schrecken aus. "Ich habe weder etwas mitgenommen, noch kann ich meine Pferde alleine lassen - Sie mssen wissen, mein Mann ist beim Militr und die Hauswirtin hat Angst vor meinen Tieren."
"Trotzdem werden Sie hierbleiben!" bestand der Arzt auf seiner Anweisung. "Geben Sie mir die Adresse Ihres Mannes, ich werde seinen Vorgesetzten die Sache erklren und diese bitten, da er fr ein paar Tage Sonderurlaub erhlt. Sie gehen jetzt schn brav zur Aufnahme und ich werde Sie darber informieren, wenn Ihr Mann seinen Urlaub erhlt." Damit unterschrieb er ein Formular und drckte es mir in die Hand.
"Dritter Stock, Gang B!" Damit war ich verabschiedet. Schweren Herzens und mit noch immer rebellierendem Magen begab ich mich zur angegebenen Adresse. Dort hndigte man mir ein Nachthemd aus, wies mir ein Zimmer an, wo schon sieben andere Frauen, alle mit dicken Buchen und wohl auf die Geburt wartend, lagen. Ich erhielt das erste Bett, was mir auch ganz lieb war, denn ich mute laufend auf die ziemlich weit entfernte Toilette laufen. Spter erschien noch einmal der Arzt und erklrte mir, da alles zum Besten geregelt sei, mein Mann htte drei Tage Ausgang erhalten. Am Abend brachte man uns allen etwas zu Essen, ich konnte natrlich keinen Bissen kosten, aber sonst geschah nichts! Am nchsten Morgen, nach einer schlechten Nacht, stellte man uns wieder nur das Frhstck vor die Nase, aber es gab weder eine Visite, noch Hilfe fr meine belkeit. Eine der Frauen verschwand dann, ihre Wehen hatten eingesetzt. Endlich erschien eine Schwester mit einem Tropf.
"Sie erhalten eine Vitamin B Infusion, das mte Ihre belkeit mindern." klrte sie mich auf. Sie stach mir die Nadel in die linke Armvene, schlo das Gert an und verschwand wieder. Die kalte Flssigkeit rann mir mit einer unglaublichen Geschwindigkeit durch den Krper, ich sprte frmlich, wie sie sich in mir verteilte. Neugierig schaute ich auf die Flasche, die sich schnell leerte. Als dann nur noch Luft vorhanden war, rann auch diese bis zu der Absperrung - und dann weiter auf meine Vene zu! So viel wute ich schon, da die Luft auf keinen Fall in meinen Krper gelangen durfte! Ich prete also schnell mit der rechten Hand den dnnen Plastikschlauch zusammen - hatte dann aber keine Hand mehr frei, um an die Klingel zu gelangen, die sich in einem in die Wand eingelassenen Brett hinter meinem Kopf befand!
"Bitte, knnten Sie nicht die Schwester rufen, ich glaube, ich habe ein Problem!" bat ich eine meiner Zimmergenossinnen. Diese nickte und bettigte ihre Klingel. Nach einigen Minuten erschien die junge Schwester. Ein schneller Blick auf das Gert, sie erbleichte merklich und zog mir schnell die Nadel aus dem Arm. Ohne ein Wort zu verlieren, brachte sie den Tropf aus dem Zimmer - und erschien nach einiger Zeit wieder, mit einem neuen Gert. Dieses Mal tropfte die Flssigkeit wirklich nur und auch die Luft blieb schn hinter der Absperrung zurck! Aber ich hatte kein Vertrauen mehr in das Krankenhaus! Und schlecht war mir natrlich immer noch! Dann lieber in Ruhe bei meinen Pferden sein, als hier in Lebensgefahr. Ich machte mich auf die Suche nach einem verantwortlichen Arzt.
"Bitte, ich mchte auf eigene Verantwortung entlassen werden." beschied ich den Oberarzt.
"Aber nein, Sie knnen doch nicht so einfach von hier verschwinden." versuchte er mich zu beruhigen. "Sehen Sie, wir machen noch einige Tests mit Ihnen, um sicher zu sein, da Ihnen sonst nichts fehlt und wenn es Ihnen dann wieder besser geht, knnen Sie entlassen werden."
"Kommt nicht in Frage!" beharrte ich auf meinem Standpunkt. "Ich gehe, auch ohne Bescheinigung! Mir ist hier genauso schlecht, wie zuhause, aber zumindest bin ich dort nicht so genervt, wie hier. Mein Mann mu morgen wieder zurck in die Kaserne, meine Pferde sind ohne Betreuung - ich mu hier raus!" schrie ich ihn an. Er schien es dann doch fr besser zu befinden, mir meinen Willen zu lassen, achselzuckend stellte er mir die Bescheinigung aus, da ich auf eigenen Wunsch und Verantwortung das Krankenhaus verlassen wrde. Er reichte mir das Papier mit seiner Unterschrift.
"Danke!" damit verschwand ich schleunigst aus dem Krankenhaus. Zum Glck ging bald danach ein Bus, der mich wieder nach Hause brachte.
"Anne, du bist wieder da?" begrte mich Lajos etwas erstaunt, denn man hatte ihm vom Krankenhaus aus gesagt, ich wrde wahrscheinlich noch ein paar Tage dort verbringen mssen.
"Oh, Liebster, es war so schrecklich! Da habe ich das Krankenhaus auf eigene Verantwortung verlassen. Es gab sowieso nichts, was mir Besserung htte verschaffen knnen."
"Aber was hast du denn nun?" fragte mein Mann, den der Arzt nicht ber meinen Zustand aufgeklrt hatte.
"Aber Lajos, weit du es denn nicht? Wir bekommen ein Baby!"
"Hoffentlich wird es ein Junge!" flsterte Lajos, doch dann verbesserte er sich schnell. "Na, Hauptsache es ist gesund!" Er kte mich - vielleicht nicht so freudig und strmisch, wie ich erwartet hatte - dann verschwand er ins Dorf, um mit einigen Kumpels das Ereignis zu feiern. Erst spt in der Nacht und stockbetrunken kam er wieder zurck. Seufzend half ich ihm beim Ausziehen und mute ihn am nchsten Morgen ziemlich krftig wachrtteln, damit er pnktlich wieder in die Kaserne kam. Mit der Zeit verging meine belkeit, aber ich hatte mehr als zehn Kilogramm von meinem Gewicht verloren. Aber das sollte sich mit fortschreitender Schwangerschaft wieder regeln. Ich ritt auch weiterhin die beiden Pferde, schleppte schwere Einkaufstaschen, mistete den Stall aus und hackte Feuerholz fr den nahenden Winter. Niemand klrte mich ber die Gefahren eines solchen Tuns auf und alles ging gut. An einem der letzten Tage, an denen mein Mann mit seinen Schafen noch auf dem bungsplatz war, hatte ich einen scharfen Wortwechsel mit meiner Hausherrin. Ich mute zu einer Kontrolluntersuchung in die Stadt, war also den ganzen Tag abwesend. Am Morgen hatte ich die Pferde gefttert und getrnkt.
"Bitte geben Sie ihnen kein Heu, bis ich wiederkomme." bat ich die Hausherrin. "Da Sie den Tieren kein Wasser reichen wollen, kann dies gefhrlich fr die Gesundheit der Pferde sein, ich mchte nicht, da sie eine Kolik bekommen. Sorgen sie sich nicht, die Tiere werden schon nicht verhungern, bis ich am Abend zurck komme."
"Schon gut, ich habe ja verstanden!" beruhigte mich die alte Frau. Ich fuhr also los. Als ich am Abend wieder heimkam, fand ich die Stute sich in Krmpfen windend vor. Schweigebadet und mit rollenden Augen zerrte sie vergeblich an dem Stick, der sie an der Futterkrippe festband. Mein Wallach hatte sich ganz an die Wand gedrngt, um ihren schlagenden Hufen zu entgehen.
"Mein Gott, die hat ja eine schwere Kolik!" entfuhr es mir. Zum Glck hatte ich krampflsende Mittel zuhause. Das Problem war nur: Wie kam ich von hinten an die keilende Stute heran, um ihr die Spritze in den Halsmuskel zu geben? Und welche Dosierung war angemessen, half, ohne das Fohlen zu gefhrden? Ich zog schnell eine dem Krpergewicht der Stute entsprechende Menge Flssigkeit auf die Spritze und nherte mich dem Tier. Fnf Sekunden Keilen, zehn Sekunden Ruhe, ich zhlte mehrere Male, bis ich sicher war, da die Abstnde so ungefhr gleichblieben. Als das Tier wieder einmal erschpft mit dem Schlagen innehielt, schlngelte ich mich schnell zwischen die beiden Pferdeleiber, stach ihr die Nadel in den Hals und leerte schnell die Spritze. Dann lste ich den Panikhaken am Strick meines Pferdchens und sprang rasch zurck, denn die Stute hatte wider angefangen, nach hinten auszukeilen. An die Gefahr und meinen Zustand dachte ich in diesem Augenblick nicht, mir ging es nur um das Leben von Stute und Fohlen! Mein Wallach wartete ab, bis die Stute wieder ruhte, dann schlngelte auch er sich schnell rckwrts aus dem Gefahrenbereich. Glcklicherweise war er unverletzt. Jetzt hie es Warten. Wrde das Mittel Wirkung zeigen, wrde ich die Dosierung erhhen mssen? Wrden Stute und Fohlen berhaupt am Leben bleiben? Und wie war es zu der Kolik gekommen? Mir kam ein frchterlicher Verdacht: Ich hatte die Hausherrin noch nicht gesehen, obwohl sie der Lrm, den das Pferd verursachte, doch wohl alarmiert haben mte. Ich band meinen Wallach en einen Baum und ging auf die Suche nach der alten Frau. Ich fand sie in der Sommerkche, gemtlich zu Abend essend.
"Ist Ihnen nicht aufgefallen, da im Stall ein riesiger Lrm ist?" fuhr ich sie an.
"Meine Stute hat eine schwere Kolik! Vielleicht berlebt sie es nicht! Woher kann das wohl kommen?" Ich blickte ihr starr und anklagend in die Augen, bis sie diese zu Boden schlug.
"Die armen Viecher taten mir so leid, da habe ich ihnen Mittags und Abends mit der Heugabel zwei Ballen Heu zwischen die Beine geschoben - sie hatten auch Hunger, denn sie haben alles aufgefressen." gestand sie schlielich.
"Ja, das haben sie! Aber ohne Wasser knnen sie das trockene Zeug nicht verdauen. Zum Glck hat mein Pony einen robusteren Magen, als die Stute, aber die kann Ihr sogenanntes Mitleid ums Leben bringen!" fauchte ich die Frau an.
"Warum lassen Sie denn die Tiere auch alleine?"
"Sie wissen ganz genau, da ich schwanger bin und die Kontrolluntersuchungen nur im Krankenhaus vorgenommen werden. Und da die Busse hier nur selten fahren, nimmt das eben einschlielich der Warterei im Krankenhaus einen ganzen Tag in Anspruch!"
"Dann suchen Sie eben einen anderen Platz fr die Gule, wenn es Ihnen bei mir nicht pat!" keifte die Frau mich an. "Ich habe sowieso die Nase voll von dem Misthaufen auf meinem Grundstck und dem Heu und Stroh in meiner Scheune. Und mit dem neumodischen Gasherd werden Sie mir noch einmal das ganze Haus in die Luft jagen!" setzte sie hinzu. "Passen Sie nur auf, sonst knnen Sie sich fr den Winter eine neue Bleibe suchen - Sie und die beiden Biester!"
"Das werden wir ja sehen!" schrie ich zurck. "Immerhin zahle ich Ihnen einen mehr als anstndigen Preis fr den wenigen Komfort!" Dann rannte ich wieder ins Freie und begann, eimerweise Wasser zu meinem Pferdchen zu schleppen, welches gierig mehr als fnfzig Liter trank. Auch die Stute bekam dann ihren Teil, zumal die Spritze zu wirken begann und sie sich langsam beruhigte. Ich aber war so aufgeregt, da ich meinen Wallach sattelte und in die Nacht hinausritt. Wir fanden den versteckten Pfad auch im Dunkeln, zumal uns der Vollmond leuchtete. Die Huftritte wurden vom weichen Sandboden gedmpft, so da niemand uns hren konnte. Am Wachturm angekommen, stieg ich ab und klopfte an die Tr. Ich hrte Bewegungen im Innern, dann ging ein kleines Licht an. Pltzlich eine erschreckte Stimme:
"Hilfe, ein Br!" Dann das Lachen meines Mannes.
"Aber Tibi, du Angsthase! Hier gibt es keine Bren! Das ist nur das Pony meiner Frau. Stimmt schon, mit seinem Winterpelz sieht es im Gegenlicht fast aus wie ein Br - aber trotzdem!" Lajos ffnete mir die Tr und lie mich ein.
"Aber Anne, was machst du denn in der Nacht zu Pferd hier drauen und noch dazu in deinem Zustand?" Ich berichtete ihm von der Kolik der Stute und dem Streit mit der Hausherrin.
"Nur immer mit der Ruhe!" beschwichtigte er mich. "Es wird nicht alles so hei gegessen, wie es gekocht wird. bermorgen habe ich frei, dann rede ich einmal mit der Alten! Jetzt mut du aber trotzdem wieder zurck. Schau nach der Stute und rege dich nicht auf, das schadet nur dem Baby!" wies er mich an. So machte ich mich auf den Rckweg. Glcklicherweise ging es der Stute wieder gut, so konnte ich meinen Wallach wieder in den Stall fhren. Noch einmal Wasser fr beide, dann fand auch ich endlich erholsamen Schlaf. Lajos regelte wirklich das Problem mit der Hausherrin, dann aber mute er mit der Herde ins Winterquartier in die Kaserne und ich sah ihn wieder nur an den Wochenenden, wenn berhaupt. Es brach eine schwierige Zeit fr mich an. Die Temperaturen fielen in diesem Winter schnell auf unter 20C und es gab viel Schnee. Ich konnte die Pferde jetzt nur noch auf einem Acker hinter dem Haus longieren, reiten war in meinem Zustand zu gefhrlich und eine Koppel stand uns nicht zur Verfgung. Der alte Herd war meine einzige Heizquelle und oft gelang es mir nicht, das Feuer die ganze Nacht ber in Gang zu halten. So schlief ich angezogen, mit mehreren dicken Bettdecken ber mir und einem dicken Kater an meinen Fen. Der war mir als kleine Katze zugelaufen und ich hatte ihn aufgezogen, was er mir mit groer Anhnglichkeit und seinen Diensten als lebende Wrmflasche dankte. Gegen Morgen waren die Wnde meines Zimmerchens oft mit Eisblumen berzogen und ich bentigte lange, bis ich heies Wasser zum Waschen und Kochen hatte, zumal der Brunnen, oder besser, das Handrad oft ber Nacht mit einer festen Eisschicht bedeckt war, die ich erst mhsam abkratzen mute. Aber nie sehnte ich mich nach dem Komfort zurck, den ich in meinem Elternhaus hinter mir gelassen hatte. Es gab da zu viele negative Seiten, welche die guten keineswegs aufwogen! Eines Abends klopfte es an das Hoftor. Da die Hausherrin schon zu Bett gegangen war, ffnete ich das Tor. Tibi stand im schwachen Licht der Laterne auf dem Fuweg.
"Hallo, Tibi, was treibst du denn so spt hier drauen? Hat dich deine Freundin versetzt?" witzelte ich, denn das Mdchen, zu dem er immer ging, schien mir etwas leichtlebig zu sein. Doch der junge Mann schttelte nur den Kopf.
"Kann ich mal reinkommen? Hier spricht es sich so schlecht." bat er mich. Von einer dumpfen Vorahnung gepackt, hie ich ihn eintreten und fhrte ihn in mein Zimmerchen.
"Na los, heraus mit der Sprache, wo drckt dich der Schuh?"
"Leider drckt er nicht mich, sondern deinen Mann." stie er hervor. "Lajos ist gestern Nacht mit noch ein paar anderen Kameraden ber den Kasernenzaun geklettert und es hat eine feuchtfrhliche Runde im Dorf gegeben. Aber auf dem Heimweg waren einige so stockbetrunken, da sie Randale gemacht haben, so hat sie eine Patrouille entdeckt."
"Und was ist nun?" fragte ich heiser vor Angst.
"Alle acht sitzen fr zwei Monate in Strafhaft und bekommen bis zum Abschied keinen Urlaub mehr."
"Oh, Mist!" entfuhr es mir. "Gerade jetzt wollten wir uns nach einem Haus umsehen, da meine Eltern mir einen Teil meiner Erbschaft schon jetzt ausbezahlen wollen. Und Weihnachten steht auch vor der Tr!" Der junge Mann schttelte mitfhlend den Kopf.
"Tja, da hat es den ganzen Sommer ber geklappt - und gerade jetzt mu er sich erwischen lassen! Aber da hilft nun kein Jammern und Klagen, ihr beide werdet es schon berstehen." setzte er aufmunternd hinzu. "Und wenn du Probleme hast, mit den Pferden oder so, dann helfe ich dir auch, wenn ich kann." Ich mute schlucken, denn ich schwankte zwischen Selbstmitleid und Dankbarkeit dem jungen Mann gegenber, der mir hier so selbstlos seine Hilfe anbot.
"Vielen Dank, Tibi, das ist sehr, sehr nett von dir. Und bitte richte dem Lajos aus, da ich nicht bse bin, nur traurig, da wir uns jetzt so lange nicht mehr sehen knnen. Aber halt!" mir fiel da gerade etwas ein. "Hast du mir nicht einmal gesagt, da ich als Auslnderin zwar nicht in die Kaserne drfte, es aber vor der Schranke so einen kleinen Raum gbe, der in solchen Fllen benutzt werden kann?"
"Das stimmt schon!" nickte Tibi, "aber solange Lajos in Haft ist, kannst du auch so nicht mit ihm sprechen. Wenn er aber wieder frei ist, dann kannst du es ja einmal versuchen. So, jetzt mu ich aber los, sonst wird meine Freundin noch eiferschtig!"
"Na, dann! Gute Nacht! Und danke fr alles!"
"Nicht der Rede wert. Fr einen guten Freund tue ich doch alles!" Dann war er auch schon verschwunden. Ich verschlo das Tor hinter ihm und warf mich auf mein Bett und heulte mir erst einmal allen Kummer und rger von der Seele! Wie sollte ich jetzt alleine mit all den Dingen fertig werden, die wir uns vorgenommen hatten, gemeinsam zu erledigen! Erschpft fiel ich in einen unruhigen Schlaf und auch das Baby tat das Seine, um mich am Ausruhen zu hindern: es trat mich die ganze Nacht hindurch krftig! Am nchsten Morgen wachte ich mde auf und mute doch meine tglichen Arbeiten verrichten. Zwischendurch berlegte ich mir, wie es weitergehen sollte. Glcklicherweise kannte ich die Adresse von Lajos' Vater, ich schrieb ihm einen erklrenden Brief und bat ihn, sich doch einmal in Hortobgy nach einem kleinen Haus mit Hof und Garten fr uns umzusehen. Die Antwort kam eine Woche spter, mein Schwiegervater hatte drei Huser, die in der von mir beschriebenen Preisklasse lagen, zur Auswahl. Er bat mich, ihm per Telegramm mitzuteilen, wann ich zur Besichtigung der Anwesen kommen knnte. Ich fragte Tibis Freundin, ob sie wisse, wann er Urlaub habe und sie meinte, es sei am Wochenende. Also schickte ich ein Telegramm ab, da ich Samstag vormittag in Hortobgy eintreffen wrde. Freitag Abend besprach ich mit Tibi die Pflege der Pferde, da ich nicht sicher war, am selben Abend noch nach Hause zu kommen. Samstag frh um vier Uhr machte ich mich zu Fu durch dicken Schnee und eisigen Wind auf zum fnf Kilometer entfernten Bahnhof. Die meiste Strecke lag im Dunkeln, da auerhalb des Dorfes keine Lampen mehr angebracht waren. Angst hatte ich zwar nicht, aber immerhin ein ungutes Gefhl, als ich so schnellen Schrittes vor mich hinstapfte. Endlich kam der Bummelzug, der mich nach Fzesabony brachte. Dort mute ich in einem berheizten Wartesaal Platz nehmen, bis der Zug nach Debrecen ber Hortobgy einlief. Es wurde langsam hell und ich freute mich an der schneebedeckten Puszta, durch die wir fuhren. Am Bahnhof stand schon mein Schwiegervater und begrte mich freundlich.
"Geht es dir gut? Und was macht das Baby?" wollte er wissen, dann fragte er nach "diesem Dummkopf von Lajos."
"Na ja, er war es ja nur indirekt, nach dem, was mir Tibi erzhlt hat," meinte ich. "Er ist zwar genauso ausgerissen, wie die anderen, aber nur dadurch, da einige randaliert haben, wurden sie entdeckt. Und da hie es natrlich: mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen!"
"Ich htte ihm eigentlich mehr Verantwortungsbewutsein zugetraut!" emprte sich sein Vater. "Er wute doch ganz genau, was er riskiert und da du es dann sehr schwer haben wirst!"
"Sicher, aber das Leben in der Kaserne ist hart fr einen jungen Mann, der das freie Leben der Puszta gewohnt ist!" versuchte ich ihn zu verteidigen, obwohl auch ich etwas enttuscht vom Leichtsinn meines Mannes war.
"Na, Schwamm drber! Es ist ja sowieso nicht mehr zu ndern! Komm, ich zeige dir die drei Huser. Ich habe mit den Besitzern vereinbart, da du erst deinem Mann ber deine Eindrcke berichten kannst und dann noch einmal hierher kommst, die endgltige Entscheidung zu treffen." Er fhrte mich zuerst zu einem kleinen Huschen, das versteckt zwischen Hecken lag, aber keine Nebengebude besa. Ich winkte ab.
"Wir brauchen sofort Stallungen, da wir Ende Februar einziehen wollen und es keine Gelegenheit mehr gibt, so schnell welche zu bauen."
"Na schn, hier ist das nchste Haus!" meinte mein Schwiegervater und deutete auf ein ziemlich bauflliges Gemuer, das schon lange Zeit leer stehen mute. "Es hat zwei Zimmer, Kche, Bad und Nebengebude, mu nur spter wieder etwas hergerichtet werden." Ich schttelte leicht den Kopf.
"Mal sehen, was der dritte Vorschlag zu bieten hat." Wir wanderten jetzt bis fast zum anderen Ende des Dorfes und kamen vor dem groen Brogebude des Staatsgutes vorbei. Gleich dahinter befand sich in einer ruhigen Strae ein groes Eckgrundstck., an dessen einer Langseite sich eine kleine Grnanlage befand, auf der anderen Langseite das Nachbargrundstck, vorne ein Gehweg und hinten am Hof fhrte die Strae vorbei.
"Das sieht ja schon ganz annehmbar aus." entfuhr mir, als wir um das Grundstck herumgingen, um zum Vordereingang zu gelangen. Auf unser Klingeln ffnete uns der Hausherr und bat uns, einzutreten. Wir gingen durch den kleinen Vorgarten ins Haus.
"Ich zeige Ihnen gleich die Zimmer, natrlich knnen Sie die Einrichtung auch verndern." meinte der Hausbesitzer. Ich nickte beifllig. Wir kamen zuerst in einen Vorraum, der als geschlossene Veranda zu verstehen war, dann ins eigentliche Haus. Den Mittelteil bildete ein groer, quadratischer Raum, der fast vllig leer war, nur ein kleiner Khlschrank und ein Wandbord befanden sich an der einen Seite. Von diesem Vorzimmer aus ffneten sich die eigentlichen Zimmer und Nebenrume. Da gab es ein kleines Wohnzimmer, eine groe Kche, ein Schlafzimmer und ein winziges Bad, daneben eine Speisekammer. Da das Haus aus luftgetrockneten Ziegeln gebaut war, konnte der Dachstuhl nicht ausgebaut werden, dafr gab es aber in dem Nebengebude eine kleine, sogenannte Sommerkche, zwei kleine Stallungen fr die Hhner, einen Holzlagerraum und eine Garage, in einem weiteren Nebengebude war der Schweinekoben untergebracht, darber ein Heustadel.
"Der Preis scheint mir korrekt zu sein," flsterte ich meinem Schwiegervater zu und dieser besttigte es mir.
"Wenn es dir gefllt, dann knnen wir ja einen provisorischen Vorvertrag unterschreiben, du berichtest Lajos davon und dann vereinbaren wir einen Termin beim Notar. In diesem Fall mssen ihn seine Vorgesetzten auf jeden Fall beurlauben."
"Hoffentlich!" seufzte ich, dann begaben wir uns wieder in das Haus und vereinbarten eine Frist, bis zu der wir beim Notar gewesen sein muten, um den Kauf abzuschlieen, denn ich war mir sicher, da auch mein Mann nichts an dem Haus auszusetzen haben wrde. Wir verabschiedeten uns dann von dem Hausherrn und mein Schwiegervater lud mich noch zu einem Mittagessen in den Fogad ein, bevor er mich an den Bahnhof begleitete. Sptabends gelangte ich erschpft aber voller Zuversicht zuhause an. Schon am nchsten Morgen versuchte ich von der Post aus, die Kaserne telefonisch zu erreichen, man hngte aber dort einfach ab. So machte ich mich zu Fu auf den Weg, da weder Bahn noch Bus fuhren. Nach Stunden kam ich vor der Kaserne an.
"Was wollen Sie?" herrschte mich der Wachposten an.
"Ich mu eine wichtige Nachricht an meinen Mann, Lajos Molnr, weitergeben, die den Kauf eines Hauses betrifft. Bitte, wer kann ihm diese Botschaft berbringen?" fragte ich den Wachposten und zeigte ihm den Brief, den ich vorsorglich schon vorbereitet hatte.
"Keine Ahnung wer da zustndig ist, darf auch meinen Posten nicht verlassen," brummelte der junge Soldat, dann schien er sich aber doch meiner zu erbarmen. "Gehen Sie mal hier in das Vorzimmer, da ist auch ein Wachhabender, der kann Sie vielleicht telefonisch mit dem Vorgesetzten Ihres Mannes verbinden." meinte er und wies auf eine dicke Holztr, gleich neben seinem Wachhuschen. Ich trat ein und wurde sofort von einer barschen Stimme angeschnauzt.
"Wer sind Sie - was wollen Sie?" Die Stimme gehrte einem lteren Offizier, der es sich hinter einer Glasscheibe in einem winzigen Stbchen bequem gemacht hatte.
"Ich bin Anne Molnr und habe eine dringende und wichtige Mitteilung an meinen Mann, Lajos Molnr zu machen, die den Kauf eines Hauses betrifft."
"Hmmmm...." berlegte der Offizier.
"Der Lajos ist ja in Haft und hat dann Ausgangssperre bis zum Ende seiner Wehrpflicht.... aber es gibt da so eine Vorschrift, im Falle wichtiger Vertrge, zu denen seine Unterschrift notwendig ist...... - warten Sie mal einen Moment." Damit griff er zum Telefon und sprach eine ganze Zeit lang auf jemanden am anderen Ende der Leitung ein. Ich setzte mich inzwischen auf einen der harten und unbequemen Holzsthle, die vereinzelt hier herumstanden, hatte ich doch noch einen langen Rckweg vor mir. Aufmerksam beobachtete ich den Offizier. Manchmal nickte er, manchmal schttelte er den Kopf, ich konnte seine leisen Worte hinter der Scheibe aber nicht entschlsseln und wartete ungeduldig auf den Ausgang des Gesprches. Endlich legte der Offizier den Hrer wieder auf die Gabel.
"Sie da!" rief er mich zu sich, "ich habe mit dem Vorgesetzten Ihres Mannes gesprochen. Whrend der Haftzeit darf der nicht weg, aber danach kann er ein oder zwei Tage Ausgang erhalten, wenn der Notar vorher eine Bescheinigung schickt, da an dem bestimmten Tag der Kaufvertrag bei ihm unterzeichnet wird." Mir fiel ein Stein vom Herzen! Wenigstens wrden wir ein Dach ber dem Kopf haben, wenn der Militrdienst meines Mannes vorber war und das Baby wrde in geordneten Verhltnissen aufwachsen.
"Haben Sie herzlichen Dank!" lchelte ich dem Offizier zu, dann machte ich mich auf den langen Fuweg nach Hause. Auf halber Strecke begann ein Schneesturm, der lediglich den einen Vorteil hatte, da er mir in den Rcken blies. Es wurde immer dunkler und war schwarze Nacht, bis ich endlich das bekannte Hoftor vor mir hatte. Doch war mein Tag damit nicht zu Ende: ich mute noch die Pferde versorgen, ein frisches Feuer in dem kleinen Herd anznden und Wasser zum Waschen auf dem Gasherd erhitzen. Jetzt sehnte ich die Badewanne unseres zuknftigen Hauses herbei! Doch noch war der Vertrag nicht abgeschlossen, noch hatte mein Mann einige Wochen in der Kaserne zu verbringen - und mute ich mich um den spteren Umzug kmmern! Der Hauskauf konnte bald glcklich abgeschlossen werden, mit einem Wermutstropfen: als Auslnderin konnte ich keinen Grundbesitz erwerben, obwohl die Finanzierung ausschlielich von meinen Eltern stammte. Doch hatte ich mich ja entschlossen, so bald wie nur irgend mglich die ungarische Staatsbrgerschaft anzunehmen, dann konnte auch das Eigentumsrecht auf mich bergehen. Wir kosteten die beiden Tage bis zur Neige aus, wrde es doch lange Zeit dauern, bis ich wieder mit meinem Mann in Kontakt gelangen konnte! Als er wieder Besuch in der Kaserne empfangen durfte, natrlich auerhalb des eigentlichen Gelndes, beschlo ich, mir einen kleinen Motorroller zu kaufen, denn die Strapazen des langen Fuweges konnte ich nicht mehr ertragen. So berraschte ich Lajos damit, da ich am ersten Besuchstag motorisiert vor der Kaserne ankam. Die kurze Stunde war bald vorber, zu persnlichen Gesprchen war kaum Gelegenheit, denn der Raum war berfllt mit Soldaten und deren Angehrigen.
"Pa gut auf dich auf, Anne und auch auf das Baby!" warnte mich mein Mann, "auf den schneebedeckten, schlechten Straen kannst du leicht ausrutschen!"
"Mir passiert schon nichts!" beschwichtigte ich ihn, bevor wir uns mit einem langen Ku bis zum nchsten Wochenende verabschiedeten. Bis dahin ging ich meinen tglichen Arbeiten nach, longierte die Pferde, bereitete das Holz fr den nchsten Tag vor, ging einkaufen oder machte Plne fr die Zukunft. Die Temperatur fiel auf -38C, der Schnee lag fast einen halben Meter hoch im Garten. Selbst das Rad des Brunnens lie mich nun manchmal im Stich, das Wasser mute ich dann aus einem Hydranten an der Straenecke holen. So verging die Zeit schnell. Am folgenden Wochenende fuhr ich wieder zur Besuchszeit vor der Kaserne vor. Als ich meinen Motorroller gerade anketten wollte, kam der mir bekannte Wachposten aus seinem Huschen.
"Passen Sie auf, wir haben einen neuen Chef, der mag keine Auslnder!" flsterte er mir mit Verschwrermiene zu.
"Ich komme doch nur meinen Mann besuchen!" flsterte ich ebenso leise zurck.
"Trotzdem!" war die schnelle Antwort, dann verzog er sich wieder auf seinen Posten. Ich ging in den Raum und lie ber den dort wachhabenden Offizier meinen Mann suchen. Doch welch ein Schreck: statt Lajos stand ein mir fremder Mensch in der Tr, mit allen Anzeichen von Autoritt und von hohem Range, soviel ich ausmachen konnte.
"Frau Molnr, Sie haben hier nichts verloren!" brllte er mich an und machte eine unmiverstndliche Armbewegung zur Tr hin.
"Westliche Auslnder sind hier unerwnscht, die wollen doch nur spionieren!" Zuerst wollte ich mich rgern, seine letzten Worte lieen mich aber beinahe laut lachen. Ich nahm alle Kraft zusammen und blickte ihm starr in die Augen.
"Mein Herr! Ich komme nur, um meinen Mann zu besuchen, die Spione fr den Westen, die sitzen wahrscheinlich schon lange in Ihren eigenen Reihen und sind besser informiert in militrischen Dingen, als ich es je sein werde! Zudem wurde der Raum hier ja genau deshalb eingerichtet: damit in der Kaserne nicht zugelassene Angehrige trotzdem die Soldaten sprechen knnen!" wagte ich zu erwidern, doch der Offizier blieb hart.
"Sie verschwinden sofort von hier und werden auch in Zukunft sich nicht mehr als auf fnfhundert Meter der Kaserne nhern!" schnauzte er mich an. Das konnte ich mir doch nicht gefallen lassen!
"Mein Herr, dann darf ich also auch nicht mehr die Strae benutzen, die nur drei Meter vor der Kaserne vorbei fhrt? Und wann oder wo kann ich mit meinem Mann sprechen?"
"Reden Sie keinen Quatsch," wies mich der Mann zurecht, "solange Sie nur vorbeifahren, so sei es! Und Ihr Mann htte sich entweder eine Ungarin zur Frau nehmen sollen, oder aber die Regeln der Kaserne respektieren sollen, dann htte er noch Ausgang - so und jetzt raus!" Er kam drohend auf mich zu, lie sich auch von meinem Zustand nicht erweichen und so mute ich wohl oder bel den Raum verlassen, sonst htte er mich womglich noch mit Gewalt hinaus befrdert. Selbst der wachhabende Offizier schttelte nur den Kopf, als er die Szene mit ansehen mute. Nun blieben fr die letzten Wochen also nur noch Briefe als einziges Mittel der Kommunikation. Lajos riet mir, bei einem seiner Kollegen in Hortobgy anzufragen, ob das Staatsgut ihm einen Lastkraftwagen zum Umzug zur Verfgung stellen wrde, viel hatten wir ja nicht, die zwei Pferde und die anderen, wenigen Habseligkeiten wrden noch nicht einmal den ganzen Platz beanspruchen. Die Zeit verging, der Tag des Umzugs nahte. Ich mute schon am Tag zuvor nach Hortobgy, da meine Mbel aus Deutschland dann dort eintreffen wrden, Lajos wrde am nchsten Tag mit dem Laster kommen.
Es war kalt und Schnee lag in der Luft, als ich aus dem Zug stieg. Die Schlssel des Hauses hatte ich bei mir, normalerweise hatten die Vorbesitzer es eine Woche vor unserem Einzug gerumt. Als ich in die kleine Strae einbog, sah ich schon von weitem den groen Berg Germpel, der im Hof des Hauses lag.
"Oh nein!" entfuhr es mir, "Jetzt kann ich auch erst noch aufrumen, bis der Mbelwagen in den Hof einfahren kann." Zum Glck halfen mir die neuen Nachbarn, sonst htte ich das in meinem Zustand kaum geschafft. Und wie sah es sonst aus! Im Hhnerstall lag dick der Mist von mehreren Jahren, im Schweinekoben ebenso. Die Garage war vollgepackt mit Abfllen jeder Art und das Haus.....
Zwar waren alle frheren Einrichtungsgegenstnde aus den Zimmern verschwunden, aber alles war schmutzig. In der Badewanne lag eine dicke Schicht einer gelben Ablagerung, die Wnde waren dort, wo vorher Mbel gestanden hatten, von anderer Farbe, als der Rest der Wand, der Holzboiler fr warmes Wasser im Bad war halb aus seiner Verankerung gerissen und berall standen dicke Ngel aus den Wnden. Als ich einen herausziehen wollte, wurde mir sofort klar, warum man die Ngel in der Wand gelassen hatte: Die halbe Wand kam mir entgegen! Diese Luftziegel, eine Mischung aus Lehm und Stroh, in der Sonne getrocknet, sind zwar eine gute Isolierung, aber sehr anfllig. Fr jede Befestigung in der Wand bentigt man dicke Dbel und auch sonst kommt einem manchmal ein Stck entgegen, wenn man zum Beispiel mit einer Schrankecke ankratzt. Der Tag verging mit Saubermachen. Gegen Mittag rief der Mbelspediteur an, ich knne jetzt die Zollbeamten im 30 Kilometer entfernten Debrecen benachrichtigen, in einer halben Stunde kme der Transporter bei mir an. Ich mute als wieder bis zum ffentlichen Telefon bei der Post laufen, um das Zollamt anzurufen. Dort versprach man mir auch, da zwei Beamte sofort losfahren wrden, gegen ein Uhr Nachmittag seien sie dann bei mir. Na schn! Der Mbelwagen kam genau nach fnfunddreiig Minuten vorgefahren, von den Beamten noch keine Spur. Dabei wurden sie bentigt, um die Plomben zu ffnen, mit denen der Wagen an der ungarischen Grenze versehen wurde. Dann muten wir noch ausladen, der Chauffeur hatte Order, am nchsten Morgen in aller Frhe wieder zurckzufahren! Es wurde spt und immer spter, es wurde langsam wieder dunkel, denn im Osten Ungarns geht die Sonne eine Stunde frher auf und unter, als in Deutschland. Ich mute noch einmal zum Telefon laufen, dort sagte man mir, die Beamten seien schon um halb ein Uhr abgefahren, ein Unfall sei auch nicht gemeldet worden. Und jetzt war es halb fnf! Unverrichteter Dinge lief ich zurck und kam eben vor dem Tor an, als die beiden Beamten vorfuhren. Leicht schwankenden Schrittes verlieen sie das Auto.
"Das ist der Mbelwagen?" staunte der eine, als er den groen Laster im Hof sah. "Was ist denn da alles drin?"
"Die Listen haben Sie ja von mir zugeschickt bekommen," erwiderte ich scharf.
"Aber falls Sie sie nicht bei sich haben, bitte, hier ist eine Kopie davon!" Ich reichte dem einen die engbeschriebenen Bltter.
"Oh je, oh je!" Das schaffen wir ja heute nie!" seufzte der eine. "Da brauchen wir ja viel lnger Zeit dazu - wir kommen morgen frh noch einmal wieder, fr heute sieht man je sowieso nichts mehr!" Er wollte sich eben abwenden, als ich mich vor ihn stellte.
"Hren Sie! Ich habe eine halbe Stunde vor Ankunft des Lasters bei Ihrer Dienststelle um Zollabnahme gebeten - das war vor halb eins heute Mittag. Man sagte mir auch, da Sie sofort losfahren wrden, um die Zollabnahme vorzunehmen. Der Wagen mu morgen in aller Frhe die Rckfahrt antreten, es kann keine Rede davon sein, da er erst morgen geffnet und ausgeladen wird. Im Notfall wende ich mich an Ihre Vorgesetzten!" drohte ich nun voller Wut. Die Beamten schienen zu berlegen.
"Haben Sie was zu Trinken hier?" fragte mich der ltere dann vllig berraschend.
"Sie meinen - Alkohol?" fragte ich verblfft. Die beiden nickten. Ich wendete mich ab, um eine Flasche aus dem Haus zu holen.
"Aprikosenschnaps!" schnalzte der eine mit der Zunge, als er das Etikett sah. "Sehr gut!" Damit ffnete er die halbe Liter Flasche und nahm einen guten Zug, bevor er die Flasche an seinen Kollegen weiterreichte. "Na dann wollen wir mal den Wagen ffnen - haben Sie eine Zange?" fragte er mich, doch ich zuckte nur die Schultern.
"Im Wagen, sicher, hier aber nicht!" So mute ich erst von den Nachbarn eine Zange leihen, damit die beiden Beamten den Wagen ffnen konnten. Aber die Mienen der beiden, als sich die Tren ffneten und der Wagen vom Boden bis zum Dach vollgepackt mit Mbeln, Kisten und Kasten vor ihnen stand.
"Du lieber Gott, was haben Sie denn da alles mitgebracht!" staunte der eine. "Das knnen wir unmglich alles genau inspizieren - packen Sie mal den einen Kasten da aus!" forderte er mich auf und deutete auf eine groe Kiste, auf deren Deckel zu lesen war: Vasen.
"Da sind Vasen drin!" meinte ich und ffnete den Deckel. Natrlich waren die zerbrechlichen Vasen noch in Packpapier und Seidenpapier eingewickelt, am sah also nicht gleich den Inhalt der Kiste.
"Au weia! Ist bei Ihnen alles so verpackt!" staunten die Beamten.
"Natrlich, sonst wre ja die Hlfte bei der Fahrt kaputtgegangen!"
"OK! Wir haben hier die Liste, Sie unterschreiben, da das alles ist, dann knnen wir wieder gehen." Sagte der jngere der Mnner, doch der lter hatte noch einen Seitenhieb parat.
"Ich sehe, Sie haben hier auch einige Kisten mit Bchern aufgelistet, aber die Titel stehen nicht darauf - bis morgen reichen Sie uns eine Liste nach, auf der von jedem Buch Titel, Autor, Verlag und Erscheinungsjahr vermerkt sind - sonst erhalten Sie keine Zollfrei-Besttigung von uns." Damit verschwanden die beiden in der Nacht - und mit ihnen die Flasche Schnaps! Tolle Sitten! Nachdem wir mit vielen freiwilligen Helfern endlich alles im Haus verstaut, aber natrlich nicht aufgebaut und eingerumt hatten, verabschiedete sich der Fahrer von mir, er hatte im Fogad ein Zimmer reservieren lassen. Und ich schrieb die ganze Nacht ber an der Bcherliste! Am nchsten Morgen brachte ich sie auf die Post - und erhielt am darauffolgenden Tag meine Bescheinigung! Es hat wohl nie jemand auch nur einen Blick auf die Liste geworfen, das war wohl nur als kleines Zeichen seiner Macht seitens des Zollbeamten zu verstehen gewesen.
Die nchsten Tage vergingen mit Auspacken und Einrichten, dazu kamen die Tiere. Lajos hatte den Laster mit den Pferden und unserem wenigen Hab und Gut nach Hause gefahren. Doch als er in den Hof einfuhr, war ich enttuscht: Keine Pferde zu sehen!
"Lajos, wo sind die Pferde?" fragte ich meinen Mann, doch der winkte nur ab.
"Die habe ich natrlich gleich in der Puszta gelassen," meinte er, ohne mit der Wimper zu zucken. "Du kannst ja sowieso jetzt nicht reiten und hier haben sie ja auch noch keinen Platz, auerdem sind sie bei mir drauen in der Herde besser aufgehoben. - Aber jetzt packe lieber mit an, ich mu den Wagen noch heute zurckgeben!" Ich wischte die Trnen der Enttuschung, die mir in den Augen brannten, heimlich weg und half meinem Mann beim Abladen. In einem Korb entdeckte ich einen Hahn und drei Hennen.
"Ja wo kommen die denn her?" fragte ich erstaunt.
"Ach, die alte Witwe wollte dir ein Abschiedsgeschenk machen und hat mir deshalb die Hhner und den Gockel fr dich mitgegeben, und ich habe sie angenommen, weil wir sowieso eine Menge Geflgel halten werden, da kamen die mir ganz recht. Hoffentlich hast du den Hhnerstall vorbereitet?" wollte er mit stechendem Blick aus seinen dunklen Augen von mir wissen. Ich nickte nur, hatte ich doch schwer geschuftet - und das in meinem Zustand - um den Mist von wahrscheinlich einigen Jahren und einigen Dutzend Hhnern aus dem engen Gela zu entfernen, welches als Hhnerstall dienen sollte. |