An diesem Wochenende fhlte sie sich ausgesprochen miserabel und verbrachte die meiste Zeit mit Lesen und Trumen. Immer mehr zog sie sich in eine Welt zurck, die aus Liebe, Zrtlichkeit Harmonie und Freiheit bestand. Liebe, wie sie sie aus Filmen und Bchern kannte und auch fr sich selbst herbeisehnte, Zrtlichkeit, die Berhrungen durch den geliebten Mann, der sie verstand und dem sie sich hingeben konnte, Freiheit von allen Zwngen und Regeln, die ihr bisheriges Leben zur Hlle machten. Freiheit in der Wahl ihrer Freunde, ihrer Kleider, ihrer Hobbys, Freiheit dann und dorthin zu gehen, wohin sie wollte. Maude war noch zu klein, um Kims Wnsche und Sehnschte verstehen zu knnen und Granny konnte nichts gegen ihre Tochter ausrichten, ebensowenig wie der Vater. Kim mute die sowieso schon schwierige Phase ihrer Pubertt allein und unverstanden berwinden. Wenn sie manchmal im Bett lag und Gefhle und Sehnschte ber sie kamen, deren Ursprung ihr unbekannt war, deren Drngen jedoch Befriedigung verlangte, suchte sie sich ein groes Plschtier ihrer Schwester und kuschelte sich damit tief in ihre Decken, damit die Mutter ja nichts she, wenn sie ins Zimmer kme. Ein paar Tage spter gab es eine groe Aufregung im Hause O'Keary. Der Vater hatte frei genommen und kam zu gleicher Zeit, wie der Postbote ins Haus. Dort sah er, da der Beamte seiner Frau Geld auszahlte.
"Was ist denn das fr Geld?" wollte er wissen.
"Ach, das ist von meinem ehemaligen Chef!" mute die Mutter zugeben.
"Was hat der dir denn Geld zu schicken?" fragte der Vater argwhnisch. "Ist es denn nicht genug, wenn er jedes Jahr an Weihnachten und an ihrem Geburtstag ein Geschenk fr Kim schickt? Schon das finde ich ein bichen viel Aufmerksamkeit dafr, da er sie als Baby ein paar Mal im Bro gesehen hat. Warum bekommst DU Geld von ihm?" Kims Mutter war sichtlich in die Defensive gedrngt.
"Lieber Lloyd, mein frherer Chef hat nun einmal einen Narren gefressen an Kim, da er selbst keine Kinder hat und sich doch immer ein kleines Mdchen gewnscht hat. Ich kann es ihm nicht verwehren, seiner >Patentochter< etwas zu schenken. Du weit ja sehr genau, da er gerne Kims Pate geworden wre, was du aber abgelehnt hast! Und wegen dem Geld - ich habe einmal meinem Chef geholfen, ein Produkt auf den Markt zu bringen, das sind sozusagen die Tantiemen dafr!"
"Wollen es hoffen, aber der Kerl geht mir wirklich auf die Nerven!" begngte sich Kims Vater zu brummen, damit war fr ihn die Sache erledigt, zumal sie sich, zumindest was sein Wissen betraf, nicht mehr wiederholte. Fr Kim jedoch, die am oberen Treppenabsatz gelauscht hatte, sollten die Worte der Mutter spterhin an Bedeutung gewinnen.
Die Wochen vergingen und der Termin der Klassenfahrt rckte immer nher. Kim hoffte noch immer auf ein Wunder. Am Morgen der Abfahrt schlo die Mutter Kim einfach in ihrem Zimmer ein und fuhr zur Schule. Dort wartete schon der groe Bus vor dem Portal, der die Kinder zum Flughafen bringen sollte. Mehrere Klassen waren schon vollzhlig versammelt, es herrschte ein reges Treiben auf dem Halteplatz. Koffer verschwanden in den riesigen Rumen unter dem Fahrgastraum, die Lehrer riefen ihre Schler zur Ordnung und alles stellte sich zum Abzhlen auf. Kims Mutter kam mit gespielter Trauermiene auf Kims Klassenlehrerin zu:
"Guten Morgen, Mrs. Fox, ich bin zutiefst traurig, aber ich mu ihnen leider mitteilen, da Kim gestern abend, wahrscheinlich vor lauter Aufregung ber die Fahrt, zusammengebrochen ist. Sie steht unter Medikamenteneinflu und der Arzt hat ihr ausdrcklich jede weitere Aufregung oder Anstrengung, wie sie mit einer solchen Klassenfahrt verbunden ist, verboten. Sie mu mindestens eine Woche das Bett hten und ich hoffe nur, da sie wieder zur Schule gehen kann, sowie sie von der Fahrt zurckkommen." Dies alles wurde in einem so Mitleid haischenden Ton erklrt, da die Lehrerin wahrhaft gerhrt war.
"Mrs. O'Keary, es tut mir sehr leid, da Kim nicht mit uns kommen kann. Auer einer Reise, die sie ber die Grenzen unseres Landes hinaus fhren sollte, versumt sie auch einen groen Teil des Bildungsprogrammes und wird auch nach unserer Rckkehr Probleme haben, sich darein zu finden, denn wir werden noch einige Tage ber die Erlebnisse und das auf Malta Gelernte diskutieren. Aber was nicht zu ndern ist, ist nicht zu ndern, ich wnsche ihr schnelle Genesung und ein baldiges Wiedersehen auf unserer Schule." Dann meinte die Lehrerin nach einem kurzen Blick auf die Uhr: "Aber jetzt entschuldigen sie bitte, Mrs. O'Keary, der Bus mu abfahren, sonst erreichen wir das Flugzeug nicht mehr rechtzeitig!" Damit gab sie Kims Mutter die Hand und verschwand im Innern des Busses. Zufrieden ber das Gelingen ihres Plans, fuhr die Mutter wieder nach Hause und befreite Kim aus der Gefangenschaft ihres Zimmers. Doch statt der erwarteten Furie traf sie eine ganz ruhige Kim an, die beim Klang des sich im Trschlo drehenden Schlssels kaum von ihrem scheinbar sehr spannenden Buch aufschaute.
"Ist alles erledigt?" fragte sie mit tonloser Stimme und ohne einen Blick auf ihre Mutter zu werfen.
"Ich habe deiner Lehrerin gesagt du httest gestern abend einen Zusammenbruch erlitten und mtest mindestens eine Woche das Bett hten. Wenn du also gefragt wirst, weit du jetzt, was du zu antworten hast."
"Ja, Mum!"
"Willst du denn nicht mit uns frhstcken? Granny hat schon alles vorbereitet."
"Ich habe doch einen Zusammenbruch und soll im Bett bleiben!" Voller Zynismus schaute Kim ihrer Mutter jetzt voll in die Augen. "Ich mu dich also bitten, mir das Frhstck am Bett zu servieren!"
"Ich bitte dich, Kim, sei doch nicht kindisch! - Aber gut, wenn du es denn durchaus willst....!" Abrupt drehte sich die Mutter um und rauschte aus dem Zimmer. Nach einiger Zeit brachte sie mit einem sffisanten Lcheln ein Tablett mit Haferschleim und Fencheltee ans Bett ihrer Tochter.
"Hier, mein Kind, dein Frhstck, ganz wie es sich fr eine Kranke ziemt." Angeekelt drehte Kim den Kopf auf die Seite und lie sich in die Kissen fallen.
"Nein danke, ich habe keinen Hunger, la mich bitte schlafen!"
"Wie du willst! Aber wenn du zum Lunch nicht aufstehst, werde ich dir dasselbe Essen wieder servieren, damit du es nur weit!" Doch Kim hatte bereits die Augen geschlossen und mimte die Schlafende. Leise verlie die Mutter das Zimmer, nicht jedoch, ohne die Tr einen Spalt breit offen zu lassen. Kim entschlo sich, das Mittagessen bei Granny einzunehmen, verschwand dann jedoch sofort wieder auf ihrem Zimmer und verkroch sich hinter ihren Bchern. Maude war sehr erstaunt, ihre Schwester im Bett zu finden, als die Mutter sie von der Schule abholte. Am Abend kam sie dann zu Kim ins Bett geschlpft.
"Kim, warum bist du denn nicht mit den anderen gefahren? Bist du krank? Was hast du denn?" Kim zog ihre kleine Schwester an sich.
"Maude, das verstehst du noch nicht. Mum wollte nicht, da ich fahre, als bin ich zuhause geblieben." Doch die kleine Schwester verstand mehr, als Kim sich vorstellen konnte.
"Aber du wolltest doch gerne mitfahren?"
"Oh, wie gerne!" seufzte Kim. "Aber du weit ja, wie Mum ist. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann wird das auch so gemacht!"
"Warum bist du denn nicht abgehauen?" verschmitzt schaute Maude ihre Schwester an. Diese war verblfft, soviel Courage htte sie der Kleinen nicht zugetraut.
"Aber Maude, wie kannst du nur an so etwas denken? - Auerdem hat Mum mich heute frh eingeschlossen, ich htte also gar nicht abhauen knnen, auch wenn mir der Gedanke gekommen wre. Und auch die Schlssel zum groen Tor besitze ich nicht, du siehst also, Flucht wre ganz unmglich!"
"Und jetzt bist du also die ganze Zeit zuhause?"
"Natrlich, denn es darf mich ja niemand sehen. Wie knnte Mum denn ihren Schwindel erklren, wenn mich die Eltern einer Klassenkameradin auf der Strae erkennen wrden?"
"Dann spiele ich jeden Tag mit dir, sowie ich meine Hausaufgaben gemacht habe!" erklrte Maude und gab der Schwester einen groen Schmatz auf die Wange. Dann lief sie wieder aus dem Zimmer, nicht ohne daran zu denken, wie arm ihre groe Schwester eigentlich dran sei.
So verging die Zeit der Klassenfahrt fr Kim unendlich langsam. Sie las den ganzen Tag und hrte Musik, ging ganz in ihrer Traumwelt auf und manchmal, wenn ihre Mutter zum Einkaufen fuhr, ging sie zu ihrer Gromutter und sprach sich mit dieser aus.
"Granny, warum nur ist Mum so streng mit mir? Sie wei doch, da sie sich keine Sorgen um mich machen mu!"
"Meine kleine Kim, du bist nun schon so erwachsen, da deine Mutter dir eigentlich mehr Freiheiten lassen mte. Aber sie hat Angst, da du so sein knntest, wie sie es in ihrer Jugend war." Kim schaute ihre Gromutter aus erstaunten Augen an:
"Ja war Mum denn nicht schon immer so?"
"Oh nein, mein Kind. Deine Mutter wurde von mir und deinem Grandpa sehr frei erzogen, auerdem war Krieg, da mute man sich sowieso irgendwie durchboxen. Deine Mum allerdings hat sich sehr viele Freiheiten genommen, wenn du verstehst, was ich meine. Sie hatte damals schon einen sehr starken Willen. Einmal ist sie von der Schule fortgelaufen und hat sich in eine andere einschreiben lassen, dann hat sie auch diese abgebrochen und ihre eigene Tanzschule aufgemacht. Erst spt ist sie etwas zur Ruhe gekommen, als sie deinen Pa kennengelernt hatte, und damals begann sie auch, als Sekretrin zu arbeiten."
"Ah, deshalb war sie auch schon so alt, als ich auf die Welt gekommen bin! Die Eltern der anderen Schler und Schlerinnen sind fast alle viel jnger!"
"Teilweise deshalb, aber auch, weil sie mit deinem Pa viel gereist sind, sie wollten etwas von der Welt sehen, bevor sie sich fr Kinder entschieden haben."
"Und deshalb ist sie jetzt so streng mit mir? Weil sie meint, ich wrde dieselben Eskapaden machen, wie sie? Da mte sie mich aber viel besser kennen!" Seufzend schaute die Gromutter ihrer Enkelin ins Gesicht.
"ICH wei, da du keine Eskapaden machst, Kim, aber ich kann dir gegen den Willen deiner Mutter auch nicht beistehen. Ich will dir nur eines raten, falls du den Rat deiner alten Granny annehmen willst: halte dich rein fr den Mann, den du einmal heiraten willst, aber versuche, deinen eigenen Weg zu finden. Es wird sehr schwer sein, aber in ein paar Jahren bist du volljhrig, dann kannst du deine Entscheidungen freier treffen."
"Danke Granny, fr deinen Rat!" Kim gab ihrer Gromutter einen leichten Ku, dann zog sie sich, sehr nachdenklich geworden, wieder auf ihr Zimmer zurck. Das Wort >passiver Widerstand< kam ihr in den Sinn, aber auch >sich anpassen, um zu berleben<. Sie war sich sehr wohl im Klaren darber, da sie in dieser Welt ohne einen Penny nichts erreichen wrde und da sie sich noch einige Zeit dem Willen der Mutter wrde beugen mssen. Aber sie begann langsam, sich den Rahmen fr ihre neue Freiheit aufzubauen. Trume wurden zu Wnschen und auf die Verwirklichung dieser Wnsche arbeitete sie hin.
"Ich habe schlechte Nachrichten fr dich, Kim!" Die Mutter sah von ihrer Morgenzeitung auf und beobachtete die Reaktion ihrer Tochter.
"Was ist denn, Mum?"
"Deine Tanzlehrerin hatte einen Verkehrsunfall, sie ist ihren schweren Verletzungen heute frh im Krankenhaus erlegen. Es tut mir sehr leid um sie, denn ich habe sie seit meiner Jugend gekannt. und auch fr dich mu es ein schwerer Schlag sein, denn nun mu ich eine neue Ballettlehrerin fr dich finden."
"Nein!" brach es aus Kim heraus. "Ich bin jetzt sechzehn Jahre alt, ich habe mir beim Spitzentanz die Zehen blutig gerieben, ich glaube auch, da meine Haltung sich nicht mehr verschlechtern kann! Nein, ich mchte auch keine neue Lehrerin haben, ich mchte nicht mehr zum Ballettunterricht gehen, das ist alles!"
"Mein Kind, du bist erregt! Ich dachte, die Nachricht bringt dich zum Weinen um die liebe Frau, aber nein, du denkst nur an dich! Ein richtiger Egoist, das bist du geworden!"
"Wie knnte ich auch anders sein? Du hast mir ja niemals Gelegenheit gegeben, etwas anderes als egoistisch zu sein." warf Kim trotzig ein. Doch die Mutter zog es vor, nicht weiter auf dieses Thema einzugehen.
Nach einigen Tagen berraschte sie ihre Tochter mit der Mitteilung, da Kim in den nchsten Ferien arbeiten knne.
"Ich habe mich sehr darum bemht, da du in ein anstndiges Bro gehen kannst. Diese Architekten sind weit ber unseren Kreis hinaus bekannt, auerdem hat mein frherer Chef dort sein Haus in Auftrag gegeben und war sehr zufrieden mit der Arbeit dieser Leute. Ich hoffe, du weit es zu wrdigen, da du nun etwas Geld verdienen kannst, auerdem brauchst du dafr nicht mehr am Ballettunterricht teilzunehmen. Natrlich mut du dich nun auch als Erwachsene betragen, wenn du unter Erwachsenen bist und deinen Chef respektieren. Ich hoffe, da du damit auch einen guten Start auf der Universitt haben wirst, immerhin kennst du ja dann schon einige Dinge." Kim war sichtlich berrascht, da ihre Mutter sie jetzt ins Arbeitsleben - wenigstens whrend der Ferien - lassen wrde und brachte dies auch zum Ausdruck. Doch ihre Mutter wehrte nur kurz ab:
"Ich will, da du die besten Voraussetzungen fr deinen knftigen Beruf mitbringst, auerdem fahre ich dich jeden Morgen ins Bro und hole dich am Abend wieder ab, du mut also nicht den Bus benutzen."
"Werde ich whrend der ganzen Ferienzeit arbeiten mssen?"
"Natrlich mein Kind! Wenn schon, denn schon! Nur so kannst du gengend lernen, denn wenn du Schule hast, wirst du sowieso wieder die Hlfte vergessen!"
So begann fr Kim die Zeit des Arbeitens im Bro. Anfangs hatte sie ein wenig Angst, doch halfen ihr die neuen Kolleginnen, sich zurechtzufinden und so gelang ihr die Erledigung ihrer Aufgaben von Tag zu Tag besser. Natrlich war sie ein wenig dem Spott der Kolleginnen ausgesetzt, da ihre Mutter sie wie ein kleines Kind brachte und holte, doch redete sich Kim damit heraus, da es bequemer und schneller wre, als wenn sie den Bus bentzen wrde. In ihrem Innern dachte sie jedoch auch, da ihre Mutter sie doch endlich einmal ein wenig selbstndig werden lassen knne. Die Ferien vergingen schnell und Kim begann die Arbeit zu gefallen, auch wenn sie sich ein Leben als Architektin nicht sehr vorstellen konnte. Sie wollte ja schon immer mit Tieren oder Sprachen arbeiten, Dinge, fr die ihrer Mutter vollkommen das Verstndnis fehlte. Auch wurde Kim klar, da sie als Frau in einer von Mnnern beherrschten Domne noch mehr werde arbeiten mssen als diese, um anerkannt zu werden und Erfolg zu haben. Dabei stellte sie sich ihr Leben eigentlich im Rahmen einer Familie vor, ruhig auf dem Land lebend, mit Kindern und Tieren. Doch war dies so nicht mglich, als Architektin gehrte zumindest ihr Bro in die Stadt, sie wrde oft berstunden machen mssen und auch an den Wochenenden oft mit Arbeit berlastet sein. Diese Perspektive machte ihr Bedenken, doch konnte sie darber natrlich mit niemandem reden. So hoffte sie nur im Stillen, da sie nach ihrem Schulabschlu die Mglichkeit haben werde, sich ihren Beruf selbst aussuchen zu drfen.
"Ich habe hier ein Abonnement fr das Stadttheater, wer von ihnen mchte denn gerne mit einer Begleitperson die nchste Vorstellung in Anspruch nehmen?" Mit diesen Worten betrat der Chef eines Tages das Bro und sah sich sofort von seinen Mitarbeiterinnen umringt.
"Welches Stck wird denn gegeben?"
"Fr welchen Abend gilt des Abonnement?" Nur Kim stand etwas abseits und wartete auf die Antworten ihres Chefs.
"Nur immer mit der Ruhe, meine Damen. Das ist ein Jahresabonnement, sie haben also alle Gelegenheit, ein oder mehrmals dieses in Anspruch zu nehmen. Die erste Vorstellung ist Freitag abend, es gibt Shakespeares >Wie es euch gefllt<. Also, wer ist daran interessiert?"
"Schade, Freitag geht bei mir nicht, da gehe ich immer mit meinem Mann tanzen."
"Ich habe das Stck schon letztes Jahr gesehen, es hat mir zwar sehr gefallen, aber ich warte lieber auf eine andere Darbietung."
"Dann wrde ich sehr gerne gehen!" lie sich Kim vernehmen. "Ich war noch nie im Theater, habe aber schon viel von Shakespeare gelesen, es wrde mich sehr freuen, wenn ich gehen knnte." Lchelnd reichte ihr der Chef die zwei Karten.
"Es freut mich, wenn es ihnen gefllt. Haben sie denn auch schon jemanden zur Begleitung?" Kim nickte nur und bedankte sich nochmals fr die Karten. Zuhause angekommen, zeigte sie die Karten sogleich ihrer Mutter.
"Schau mal, Mum, mein Chef hat mir zwei Theaterkarten fr Freitag besorgt, das heit, er hat ein ganzes Jahresabonnement und jede der Mitarbeiterinnen darf mit einer Begleitperson dieses Abonnement in Anspruch nehmen! Ich dachte, wenn ich mit Maude..."
"Nein, kommt nicht in Frage!" unterbrach sie streng ihre Mutter. "Maude ist noch zu jung, sie versteht das sowieso nicht, die Vorfhrung dauert dann ja auch bis nach Mitternacht und auerdem mte ich euch ja bringen und holen. Nein, es ist besser, wenn ich dich begleite, dann sind die Dinge viel einfacher."
"Aber Mum, ich bin doch kein kleines Kind mehr und kann sehr gut mit dem Bus fahren, so weit ist es ja nicht, bis zum Theater und auch Maude kann ruhig einmal etwas lnger aufbleiben!" Doch die Mutter lie sich nicht beeinflussen.
"Wenn dir meine Begleitung nicht pat, dann gib die Karten zurck und sage, da du anderweitig verpflichtet bist, beim nchsten Mal, wenn du an die Reihe kommst, bist du dann vielleicht bereit, auf meinen Vorschlag einzugehen."
"Ich mchte gerne >Wie es euch gefllt< sehen und fge mich deinem Willen." flsterte Kim und verschwand wie ein kleiner grauer Schatten in ihrem Zimmer. Am Abend der Vorstellung mute sie die von der Mutter schon bereitgelegten Kleider anziehen und nach der Vorstellung die Kommentare ihrer Mutter ber sich ergehen lassen, die an allem etwas auszusetzen hatte.
"Hast du gesehen, wie die Schauspieler gekleidet waren? Shakespeare wrde sich im Grabe herumdrehen, wenn er sie sehen knnte. Und diese Kulissen! Der reinste Trdelladen! Wie kann man nur so ein groes Werk verpfuschen?" Unglubig schttelte die Mutter den Kopf.
"Mir hat es gut gefallen und ich habe auf diese Nebensachen weniger geachtet, als auf die Handlung und die Worte. Das war eben eine modernere Auffassung der Geschichte, trotzdem waren die Dialoge im Original!"
"Zu meiner Zeit htte man sich geschmt, so etwas vor die Leute zu bringen!" war jedoch der Abschlukommentar der Mutter, bevor sie sich zu Bett begab. Kim jedoch lag noch lange wach und lie das Gesehene und Gehrte in sich nachwirken. Unter so vielen Menschen hatte sie sich zusammengenommen, um nicht vor Ergriffenheit zu weinen, kam es doch des fteren vor, da sie beim Happy-End eines Fernsehfilmes die Trnen nicht zurckhalten konnte. Auch schne Musik, ob modern oder klassisch, rhrte sie an, wobei sie nicht sagen konnte, ob es der Text oder die Melodie war, die ihr oft eine Gnsehaut bescherten oder ein beklemmendes Gefhl des Glcks im Hals hervorriefen. Schnheit in jeder Form lieen sie erschauern und oft versuchte sie, sich ein wenig so zu geben, wie die von ihr bewunderten Frauen. Nichtsdestoweniger wnschte sie sich oft, ein Mann zu sein, frei in jeder Hinsicht, frei in ihren Entscheidungen, frei in ihrem Leben. Die von ihrer Mutter zu Fasching ausgewhlten Prinzessinnen-Kostme gerieten schnell in Vergessenheit und sie begann, sich selbst ihre Kostme zu schneidern - Mnnerkostme. Als Ruberhauptmann, Robin Hood oder Pirat fhlte sie ein Selbstvertrauen, das sie sonst nicht in sich sprte, da alles, was sie unternahm, von ihrer Mutter doch nur als minderwertig hingestellt wurde. Sie liebte es, wenn sie einmal allein war, mit den Sngern, die sie bevorzugte, mitzusingen, wenn ihre Lieblingsstcke im Radio liefen. Einmal jedoch hatte sie sich verrechnet, eben als sie aus vollem Hals - wenn auch nicht immer ganz richtig und auf Mnnerlage - mit sang, ffnete sich abrupt die Tr ihres Zimmers und die Mutter trat ein. Kim brach zwar sofort ab, wurde jedoch vor Verlegenheit ganz rot im Gesicht, wie jemand, den man bei einer schlechten Tat ertappt.
"Was machst du denn da?" fragte die Mutter verwundert, "Hast du nichts Besseres zu tun?" Kim schlug beschmt die Augen nieder und versuchte, die Trnen der Wut und Erniedrigung zurckzuhalten, die ihr in die Augen traten.
"Ich singe nur mit Frank Sinatra mein Lieblingslied."
"Wenn ich eine so miese Stimme htte, wie du, wrde ich es an deiner Stelle nicht wagen, laut zu singen!" Diese Worte trafen Kim in allertiefster Seele, war es doch die einzige Gelegenheit, sich etwas zu entfalten und sich ihren Schmerz aus dem Herzen zu vertreiben. Sollte es wirklich wahr sein, da sie eine so scheuliche Stimme hatte? In der Schule wurde nicht gesungen, keiner hatte sie je dazu aufgefordert, woher sollte sie also wissen, wie ihre Stimme klang? Sie hatte zwar schon selbst bemerkt, da ihre Stimmlage eher mnnlich denn weiblich war, das jedoch strte sie wenig. Doch jetzt trafen sie die Worte der Mutter wie ein Blitz. Niemand konnte die Seelenpein verstehen, die sie durchlitt. Als die Mutter das Zimmer wieder verlassen hatte, warf sich Kim weinend auf ihr Bett, selbst diese unschuldige Freude war ihr vergnnt. Lange Zeit kam kein gesungenes Wort mehr aus ihrem Mund.
Ein anderes Problem war die Unterwsche, selbst jetzt noch von ihrer Mutter gekauft. Beim Kauf von Oberbekleidung wurde sie wenigstens gefragt, ob es ihr gefiele, oft jedoch hie es: das schickt sich nicht, oder: das ist zu teuer. T-Shirts gab es nur in uni und Standartausfhrung, brave, weite Hosen oder lange Rcke, flache Schuhe in gedeckten Farben, alles unter dem gestrengen Blick der Mutter gekauft. Selbst mit dem eigenen Geld durfte sie nicht frei umgehen. Die Mutter tat es sogleich auf ein Sparkonto: "Ich wei besser als du, bei welcher Bank das Geld am meisten Zinsen bringt." Da Kim sowieso keinen Schlssel zum Haustor besa, gab es auch keine Gelegenheit, allein irgendwohin zu gehen. Fr alle Flle mute sie ihre Mutter bitten, sie hierhin oder dorthin zu bringen oder die Mutter brachte ihr etwas mit: sie wisse sowieso, was fr ihre Tochter passend sei.
So stand Kim kurz vor dem Schulabschlu, als sich ein Lichtblick im Dunkeln zeigte: Vor den Toren der kleinen Stadt ffnete eine Reitschule ihre Pforten. Nach langen Gesprchen und mit Hilfe der Gromutter, gelang es Kim, von ihrer Mutter die Erlaubnis zu erhalten, dort wchentlich einmal an einem Reitkurs teilnehmen zu drfen. Sie war zwar manchmal schon geritten, aber nur in der Reitbahn oder auf Jahrmrkten herumgefhrt worden. Jetzt durfte sie endlich auch im Freien ausreiten! Welch ein Gefhl der Freiheit, so auf dem Rcken eines groen Pferdes in der Natur zu reiten! Kim fhlte sich wie im siebenten Himmel. Leider waren die Pferde nicht sehr gut gehalten und die Stunden viel zu kurz. Auch fehlte Kim der Kontakt zu den Tieren, gefttert und gepflegt wurden sie vom Stallpersonal, die Schler kamen ausschlielich zu den Stunden. Doch langsam vergrerte sich der Betrieb und richtete auch einige Gastboxen ein. Kim erkundigte sich nach den Preisen - und hatte nur noch ein Ziel: Ein eigenes Pferd!
"Mum, schau, ich habe jetzt genug Geld, um mir ein Pferd leisten zu knnen und du weit ja, da ich mir nichts mehr wnsche, als ein eigenes Reitpferd zu besitzen! Ich habe mich auch schon im Reitstall erkundigt, sie haben noch Boxen frei und die Monatsmiete ist auch nicht sehr teuer! Bitte Mum, sag ja!" Kim legte all ihre berzeugungskraft in ihre Stimme und schaute mit ngstlichen Augen auf ihre Mutter, die zu berlegen schien.
"Du weit, Kim, da ein Pferd viel Verantwortung bedeutet. All deine freie Zeit mut du fr es verwenden und darfst nicht auf Hilfe oder Untersttzung von mir hoffen. Wenn du bereit bist, alles andere aufzugeben, nur noch deinen Studien, dem Beruf und deinem Pferd zu leben, dann erlaube ich dir, ein Pferd zu kaufen!" Glckstrahlend fiel Kim ihrer Mutter um den Hals.
"Ich verspreche dir, da du nicht enttuscht werden wirst, Mum, und ich danke dir von ganzem Herzen!" Dann lief sie eilig aus dem Zimmer, damit ihre Mutter nicht die Trnen sah, die ihr vor lauter Glck und Ergriffenheit ber die Wangen rollten. Voller Eifer begann sie, in den Zeitungen und Fachzeitschriften nach Annoncen zu suchen, in denen Pferde nicht zu teuer angeboten wurden. Als sie endlich einen jungen Wallach, der wegen Studium des Besitzers billig zum Verkauf stand, gefunden hatte, rief sie sogleich dort an, um einen Termin zur Ansicht auszumachen. Doch leider war das Tier schon verkauft, der Besitzer, der jedoch sehr zufrieden gewesen war mit seinem Tier, versprach Kim, ihr den Zchter des Tieres zu nennen, damit sie dort eventuell etwas Geeignetes finden knne. Kim hngte sich auch sofort ans Telefon und rief den Zchter an.
"Guten Tag Mister Short, ich bin Kim O'Keary, ich habe ihre Adresse und Telefonnummer vom Besitzer ihres Pferdes Getaway erhalten, da ich mir ein junges Pferd, mglichst einen Wallach, kaufen mchte. Haben sie da etwas zur Auswahl?" Gespannt wartete Kim auf die Antwort des Zchters, die nicht lange auf sich warten lie.
"Ich habe einige junge Tiere zum Verkauf, auch ein paar Wallache, brigens nicht sehr teuer, im Vergleich zu anderen Zchtern, da ich die Pferdezucht eigentlich nur als Hobby betreibe. Deshalb kaufen auch viele junge Leute bei mir ihr erstes Pferd und bisher habe ich nur zufriedene Reiter meiner Tiere gesehen."
"Das ist ja fein! Wann wrde es ihnen denn passen, da ich vorbeikomme?" Kim konnte die Aufregung kaum verhehlen, die sie erfat hatte.
"Sagen wir, am nchsten Wochenende? Samstag Nachmittag, wenn es ihnen recht ist?"
"Natrlich, Mister Short, das kommt mir sehr gelegen! Bis Samstag Nachmittag also! Und haben sie schon jetzt vielen Dank!" Damit legte Kim auf und begann von nun an die Stunden zu zhlen. Die Zeit schlich nur so im Schneckentempo dahin, doch endlich war es soweit. Natrlich brachte die Mutter sie im Wagen zu dem Zchter, auch wenn sie selbst nichts von Pferden verstand und sie auch nicht sonderlich liebte. Als der Wagen in die lange Allee einbog, die zum Herrenhaus fhrte, rutschte Kim ungeduldig auf dem Sitz hin und her und versuchte einen Blick auf die groen Koppeln zu erhaschen, die sich hinter dichtem, Schatten spendendem Gestruch verbargen. Nur hier und da konnte sie einen Pferdekopf sehen, wenn dieser sich fr einen kurzen Augenblick aus dem Gras hob, um in ihre Richtung zu schauen. Endlich gelangten sie auf den groen, sauberen Hof und parkten das Auto unter einer groen Eiche. Der Zchter kam ihnen schon aus einem der Stlle entgegen und begrte sie.
"Guten Tag, Madam, guten Tag Miss O'Keary. Ich hoffe, sie hatten eine gute Fahrt und haben mein ziemlich versteckt gelegenen Anwesen problemlos gefunden?"
"Aber ja, Mister Short, es war leicht, zu ihnen zu gelangen. Doch nun sollten wir uns die zur Wahl stehenden Pferde einmal nher anschauen." meinte die Mutter etwas von oben herab. In ihren Augen war dieser Mister Short nur ein Bauer, auch wenn sein Anwesen die Gre eines Schlosses besa und die Weiden sich ber viele Meilen erstreckten. Doch lie der Zchter sich nicht von ihrem Ton beirren, vielmehr bemerkte er die glnzenden Augen Kims, die wortlos die Eindrcke in sich aufnahm. Sie folgten ihm in einen der langgestreckten Stlle und was dort Kim sah, entzckte sie auf hchste. Zwar waren die meisten Boxen leer und die Pferde auf der Weide, doch waren am Ende des Ganges fnf Boxen, in denen sich Tiere befanden, so edel und schn, wie Kim nur selten eines gesehen und bewundert hatte. Fnf junge Wallache, gerade eingeritten und auf grere Aufgaben wartend. Glnzend spannte sich das Fell ber schon erkennbaren Muskeln, klare Augen blickten aufgeweckt auf die Menschen und gespitzte Ohren zeigten ihre Aufmerksamkeit an.
"Na, welchen wollen sie denn zuerst sehen?" Kim ging von einer Box zur anderen, streichelte die weichen Nasen, die sich ihr neugierig entgegenstreckten und konnte sich nicht entscheiden. Vielleicht den hbschen Braunen mit der langen Blesse? Oder den Dunkelfuchs mit zwei weien Fesseln? Da, der Rappe mit dem kleinen Stern auf der Stirn mchte schier die Stbe eindrcken, um sich an Kim schmiegen zu knnen.
"Den hier!" rief sie aus und zeigte auf den Rappen, eines der kleinsten Pferde unter den Fnfen.
"Ja, das ist gut gewhlt, Miss! Der Kleine ist eine Klasse fr sich! Ich werde ihn satteln und dann knnen sie ihn auf der Reitbahn ausprobieren!" Gesagt, getan. Schnell war das edle Tier gesattelt, brav hatte es sich die Trense berstreifen lassen und gefgig folgte es dem Zchter in die Reitbahn. Kim schwang sich mit einem eleganten Sprung in den Sattel, das Tier stand wie angegossen. Auf die leiseste Hilfe reagierte es und seine Gnge waren weich und federnd. Nach ein paar Minuten bat Kim darum, auch einen kurzen Ausritt machen zu drfen.
"Aber selbstverstndlich, Mies! Ich habe ihn schon fters im Gelnde geritten, er keine Angst und springt wie ein Alter!" Schnell sattelte der Zchter sich ein anderes Pferd und gemeinsam ritten sie ber das wellige Gelnde. Kim hatte schnell Vertrauen in ihr zuknftiges Pferd gefat und ritt wie verwachsen mit ihrem Tier und einem Gefhl der Freiheit und Sicherheit in sich, wie sie es nie auf den Tieren der Reitschule versprt hatte. Nach kurzer Zeit begaben sie sich wieder in Richtung auf den Stall und auch hier zeigte ihr Tier keinen Drang, nach Hause zu galoppieren oder zu den anderen Pferden auf die Koppel zu wollen. Brav ritt er in den Hof ein, lie sich absatteln, die Beine abspritzen und wieder in seine Box fhren. Kim war wie verzaubert und schwebte auf Wolken.
"Diesen Rappen mchte ich haben, bitte sagen sie mir seinen Namen und wann sie ihn liefern knnen!" Der Zchter lchelte ber so viel jugendlichen Eifer.
"Er heit Black Diamond und ich werde ihn ihnen schon morgen bringen, da ich sehe, da sie es kaum erwarten knnen, ihn bei sich zu haben!"
"Das ist wahr, ich habe ihn sofort, als ich ihn sah, in mein Herz geschlossen!" erwiderte Kim.
"Doch jetzt zum geschftlichen Teil."
"Dann kommen sie bitte in mein Bro." Der Zchter ging mit weiten Schritten voran und Kim und ihre Mutter folgten ihm zu einem Nebengebude, wo das Bro untergebracht war. Dort bot der Zchter ihnen zwei gemtliche Ledersessel an und holte aus einem Schrank das Pedigree und die Impfzeugnisse des Pferdes hervor. Er legte ihnen einen vorgedruckten Kaufvertrag vor und beeilte sich hinzuzufgen:
"Der Vertrag hier ist nur ein Rahmenvertrag, ich sichere ihnen aber auerdem zu, da das Pferd auer den gesetzlichen auch keine anderen Mngel vorweist, gesund ist, schmiede- und verladefromm und gewhnt an Hunde, andere Pferde und so weiter. Da ich die Zeit habe, meine Pferde selbst anzureiten und dies auf die weiche Art tue, habe ich bisher nur zufriedene Kunden gehabt. Meine Tiere sind robust gehalten, ans Gelnde gewhnt und sehr brav, dabei jedoch munter und gehfreudig. Ich hoffe, sie werden viel Spa mit Black Diamond haben und wnsche ihnen alles Glck dieser Erde zu ihrem Pferd." Kim reichte ihm die Hand zum Einschlagen und die Mutter zckte ihr Scheckbuch, doch Kim gebot ihr Einhalt:
"Das ist mein Pferd, und ich bezahle es mit meinem eigenen Geld!" Damit zog sie aus ihrer Tasche ihre Brse hervor und bezahlte den Zchter. Nach einem kurzen Abschied von nun IHREM Pferd fuhren Mutter und Tochter nach Hause. Am nchsten Tag war Kim schon sehr frh im Stall, schaute nach, da die Box auch gerichtet war und erwartete sehnschtig die Ankunft ihres Pferdes. Endlich lie sich das Knirschen von Rdern auf dem Kies der Einfahrt vernehmen und Kim eilte aus dem Stall. Dort parkte soeben der Zchter seinen Wagen mit Anhnger vor dem Tor zum Stall. Kim begrte ihn und half dabei, die Klappe herunterzulassen. Der Zchter lste den Knoten des Anbindestrickes und der Rappe kletterte vorsichtig rckwrts aus dem Hnger. Kim hatte vorsorglich schon etwas Zucker eingesteckt, jetzt bot sie ihre offene Hand dem Pferd dar und dieses nahm ihr die Zuckerstcke sehr vorsichtig ab.
"Ich sehe, ihr beiden seid schon dicke Freunde!" schmunzelte der Zchter und gab Kim den Strick.
"Da, nimm dein Pferd und werdet glcklich miteinander. Das Halfter ist ein Geschenk von mir, du brauchst es also nicht zurckzugeben!"
"Vielen Dank, Mister Short! Seien sie versichert, das Black Diamond es bei mir sehr gut haben wird!"
"Das habe ich auf den ersten Blick gesehen, da du dein Herz an ihn verloren hast! Und ich bin sicher, da du gut fr ihn sorgen wirst!" besttigte der Zchter, bevor er sich von Kim verabschiedete und zurckfuhr. Kim konnte es noch immer nicht fassen, da dieses wunderbare Pferd nun ihr Eigen war. Sie streichelte ihm den schlanken, glnzenden Hals mit der langen Mhne und fhrte ihn ein bichen spazieren, damit er sich nach der anstrengenden Fahrt ein wenig die Beine vertreten konnte. Gerade kam der Reitlehrer vorbei und blieb erstaunt stehen.
"Was ist denn das fr ein Tier?" Kim wunderte sich, denn sie hatte den Reitlehrer ja vorher informiert, da sie ab heute eine Box fr ihr Privatpferd mieten wolle.
"Das ist mein Black Diamond! Der Zchter hat ihn soeben hier abgeliefert und ich wollte ihn noch ein wenig herumfhren."
"Mein Gott! Warum hast du mich denn nicht bei der Auswahl deines Tieres als Berater mitgenommen? Schau nur die Fe an! Der braucht ja sofort Korrekturbeschlag! Und der Rcken! Der ist ja hinten hher als am Widerrist! Da hast du dich ja schn bers Ohr hauen lassen! Wieviel hat er denn gekostet?" Kim war ber die Einmischung des Reitlehrers erbost und antwortete entsprechend kalt:
"Der Preis geht nur mich etwas an und die Auswahl meines Reitpferdes genauso. Dieses Tier ist gesund und fehlerfrei, was ihnen auch der Schmied besttigen kann, der ihn gestern noch neu beschlagen hat." Damit lie sie den Mann stehen und fhrte ihr Pferd in seine neue Box. Natrlich hatte das edle Tier keine Fehler, der Reitlehrer war nur erbost darber, da ihm die Provision entgangen war, die er sonst fr seine >Beratung< erhalten htte. Doch Kim wollte ein Pferd fr sich und nicht eines, das in den Augen des Reitlehrers >perfekt< war. Zu oft hatte sie Strze in Kauf nehmen mssen, weil ihr Schulpferd das machen sollte, was, laut Reitlehrer >sein Reiter von ihm verlangt<, dies jedoch einfach nicht konnte, weil es zum Beispiel noch nie in seinem Leben einen Oxer gesehen hatte, nun jedoch einen solchen berspringen sollte. Ebenso war es gewesen, als Kim ein - wie sich spter herausstellte - zweijhriges Fohlen ber einen Parcours bringen sollte, das noch nie in seinem Leben auch nur korrekt angeritten wurde und sich einfach weigerte, auch nur einen Schritt zwischen den Hindernissen zu tun. Zrtlich streichelte Kim ihren Wallach und gab ihm noch ein Stck Zucker zum Abendessen, dann verlie sie den Stall. Am nchsten Tag kam der Sattler und brachte ihr eine Auswahl an Stteln und Zubehr mit, Kim whlte fr ihr Pferd einen ziemlich teuren Sattel, doch dachte sie sich, da es besser sei, sich sogleich haltbare Dinge anzuschaffen, solange sie noch Geld hatte, denn diese wrden ihren Preis durch eine lange Haltbarkeit wieder wett machen. Schnell war ber alles entschieden und Kim machte sich daran, ihr Pferd zum ersten Mal zu reiten. Leider konnte sie nur an einer Reitstunde teilnehmen, die der Reitlehrer gab, sonst war die Halle nicht mehr frei.
"La deinen Bock doch nicht so hinterher trotten! Nimm ihn ran! Der hat ja gar keine korrekte Haltung!" Die Stimme des - wie immer etwas angetrunkenen - Reitlehrers berschlug sich fast, als Kim ihren Black Diamond hinter den anderen Pferden antraben lie.
"Ich reite ihn heute zum ersten Mal in einer Halle mit anderen Pferden." antwortete Kim. "Ich mchte ihn ausprobieren und an alle fremden Dinge hier gewhnen. Auerdem ist er noch zu jung, um in Dressurhaltung zu gehen - und auerdem will ich ihn ja sowieso meistens im Gelnde reiten, wo er sich seine ihm angenehme Haltung selbst suchen kann."
"Bei mir wird geritten, wie ich es lehre! Wenn du mit deinem Vieh an den Reitstunden teilnehmen willst, dann machst du mit deinem Pferd, was ich dir sage! Und komm' nicht wieder ohne Sporen und Gerte in die Bahn! Das ist ja keine Reiterei, so was!" Die anderen Reitschler schauten sich immer mehr zu Kim um, deren edles Tier sie schon vor der Stunde im Stall bewundert und beneidet hatten. Sie fragten sich, wie lange Kim sich diesen Ton seitens des Reitlehrers noch wrde gefallen lassen, und sie muten nicht lange auf deren Antwort warten.
"Ich verbitte mir diesen Ton, wenn sie mit mir oder von meinem Pferd reden! Schlielich bezahle ich die Miete fr die Box und das Futter, wie jeder andere Privatpferdebesitzer auch und wie ich mein Pferd zu behandeln und zu reiten habe, wei ich am besten! Leider war ich gezwungen, die jetzige Stunde in Anspruch zu nehmen, da ich heute sonst nicht htte reiten knnen, doch seien sie gewi, da es eine der letzten gewesen ist!" Damit lie sie die Zgel ihres Pferdes noch lnger, damit er sich schn strecken konnte und hielt nur Tempo und verlangte Bahnfiguren ein. Am Ende der Stunde verschwand sie wortlos im Stall, kmmerte sich liebevoll um ihr Tier und schwor sich, die Reitstunden von nun an zu meiden. Von Tag zu Tag wuchs sie mehr mit ihrem Pferd zusammen, vertraute ihm jede Kleinigkeit an und gelangte zu der festen berzeugung, da Black Diamond sie verstand. Oft schmiegte sie sich fest an ihn, vergrub ihr Gesicht in der weichen Mhne des braven Tieres und redete sich ihren Kummer von der Seele. Der Wallach stupste sie dann mit seiner weichen Nase oder rieb seinen edlen Kopf an Kim, die sich daraufhin heimlich ihre Trnen abwischte. Manchmal, wenn das Pferd morgens noch in der Box lag, wenn Kim in den Stall kam, setzte sie sich zu ihm, der vertrauensvoll liegen blieb, und sprte ein Gefhl der Entspannung, wie nie zuvor. Lange Ritte im Freien gab es wenige, da sie nur an den Wochenenden Zeit hatte und auch hier mute sie sich dem Willen der Mutter beugen, die sie zum Stall fuhr, auf halber Strecke auf sie wartete und am Stall wieder abholte. So gesehen galt diese berwachung ihrer Sicherheit, doch wo sollte gegebenenfalls die Mutter anfangen zu suchen, wenn Kim nicht, wie vorgesehen, zur angegebenen Zeit am Treffpunkt erschien? Und Kim konnte sehr gut die wenigen Kilometer zum Stall mit dem Fahrrad fahren, doch unter dem Vorwand, ihrer Bequemlichkeit zu dienen, lie die Mutter dies nicht zu. Doch auf den langen Strecken, die Kim mit ihrem Pferd zurcklegte, sprach sie zu ihm, wie zu einem Vertrauten, der er ja auch mit der Zeit wurde. Ein Vertrauter, der weder Rat geben noch trsten konnte, der aber nie eines der Geheimnisse wrde ausplaudern knnen, die ihm anvertraut wurden. Sehr oft, wenn Kim alleine ausritt - die anderen Pferdebesitzer waren weder Frhaufsteher noch geneigt, mit einer Pferdenrrin ins Gelnde zu gehen, die ihr Tier sichtbar schonte - sprach sie laut mit ihrem Pferd. Manchmal, wenn sie Spaziergngern begegneten und sie gefragt wurde, wohin sie denn reite, antwortete sie: "Wir wollen ins nchste Dorf!" Was erstauntes Umherblicken nach einem zweiten Reiter hervorrief. Kim lchelte dann jedesmal und wies die Leute hflich darauf hin, da >Wir< sie und ihr Pferd seien, da Black Diamond ihr Partner und nicht nur ein Sportgert sei.
Auch Maude ritt manchmal mit Black Diamond aus, doch hatte sie noch mehr zu tun in der Schule als Kim und somit wenig Zeit und war auch nicht so pferdebesessen wie ihre Schwester, die ihre gesamte Freizeit mit ihrem Pferd verbrachte. Oft ritt sie trumend dahin, sich vorstellend, da sie eines schnen Tages auf einem ihrer Ritte einem schnen jungen Mann auf edlem Pferd begegnen werde, der sich in sie verlieben wrde und mit dem sie gemeinsam ein Leben mit Pferden und Kindern verleben werde. Doch die Wahrheit glich nicht den Trumen und Wnschen eines jungen Mdchens und so wartete Kim vergeblich auf ihren Helden. Die Jungen in der Schule waren ihr zu albern und unreif, junge Mnner kannte sie nicht und hatte auch niemals Gelegenheit, welche zu treffen. So muten die oft wilden Ritte an der Grenze der Waghalsigkeit mit ihrem Wallach Kims Romantik und erwachendem sexuellem Empfinden gengen. Leider war die Gegend nicht dazu geeignet, lange Galoppaden in vollem Speed zu unternehmen, doch gaben Kim schon einige hundert Meter in gestrecktem Galopp, wenn die Mhne ihres Pferdes sich mit ihren wild flatternden Haaren vermischte und der Wind ihr die Trnen in die Augen trieb, ein Gefhl der Freiheit und Unabhngigkeit. Auch ihrem Pferd schienen diese wilden Ritte Spa zu machen, er lie sich jedoch immer wieder folgsam zgeln, wenn sich ein Hindernis vor ihnen aufbaute. Diese traute Zweisamkeit, das eins werden von Reiter und Pferd bescherten Kim Augenblicke des unsglichen Glcks und spornten auch ihr Pferd zu Leistungen an, die nur durch das grenzenlose Vertrauen in seine Reiterin zu erklren waren. In Situationen, wo die meisten Pferde den Gehorsam verweigert htten, da zeigte Black Diamond, da er alles fr seine Reiterin zu geben bereit war und ebenso vertraute ihm Kim ihr Leben an, wenn es zu brenzligen Situationen kam. |