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PIROSKA 9

Inzwischen hatte mein Wallach immer mehr Probleme mit seinen Beinen bekommen, so da ich mich schweren Herzens entschlieen mute, ihn das Gnadenbrot auf den sandigen Bden seines Geburtsortes verbringen zu lassen. Doch bot man mir nur einige Tage spter eine neunjhrige Noniusstute an.

"Sie ist geritten und gefahren, hat aber noch nie ein Fohlen bekommen, deshalb will der Besitzer sie verkaufen!" meinte mein Informant.

"Und wo ist sie zu Hause?" wollte ich wissen, denn ich kannte die Seelenverkufer, mit denen selbst die wertvollsten Pferde hierzulande transportiert wurden. Meist war das ein flacher Anhnger, der mit einigen schnell zusammengeschweiten Stangen bis in Brusthhe des Pferdes aufgestockt wurde. Ich hatte schon Tiere gesehen, die aus solchen "Transportern" whrend der Fahrt "ausgestiegen" waren! Besser nicht daran denken!

"Na, so achtzig Kilometer werden es von hier aus schon sein!" Ich dachte nach. Zwar war Distanzreiten noch nicht als Disziplin in Ungarn anerkannt, aber genau darauf lief es nun hinaus. Wenn die Stute in Form war, drfte ihr diese Strecke nicht weiter schwerfallen. Auerdem hatten wir keine Zeitbeschrnkung auer der, bei Tagesanbruch loszureiten und vor Dunkelwerden bei uns anzukommen.

"Ich schau mir das Tier einmal an, wenn der Preis in Ordnung geht, dann nehme ich sie gleich mit!" war meine Antwort. Es wurde ein Termin ausgemacht, zu dem ich die Stute sehen konnte. Ein Bekannter nahm mich in seinem Auto mit, gleichzeitig aber auch meinen Sattel und Zaumzeug. Bei dem Verkufer angekommen, berlief mich ein gelinder Schauer. Alles sah verwahrlost und dreckig aus, obwohl der Mann in geregelten Verhltnissen zu leben schien. Da niemand auf mein Klingeln ffnete und auch kein Hund zu sehen war, schob ich das Holztrchen beiseite, Torangeln schien es nicht mehr zu geben und trat ein.

"Hallo, guten Tag, ist hier jemand?" rief ich laut, denn irgend jemand mute ja zuhause sein, Tag und Uhrzeit waren abgesprochen worden. Da noch immer niemand antwortete, schritt ich auf ein niedriges, fast zerfallenes Holzgebude zu, das sich wirklich als der Pferdestall entpuppte. Drinnen standen in fast vlliger Dunkelheit, mit kurzen Stricken an der hlzernen Futterkrippe angebunden, zwei schne Pferde, aber in welchem Zustand! Futtermig schienen sie nicht zu kurz zu kommen, die Buche waren dick und die Kruppen rund, aber sie schienen unter einen festen Schmutzschicht eingepackt zu sein, die wochenlang nicht entfernt worden war. Mein Eintreten weckte fast keine Reaktion, das eine Tier spitzte ein wenig die Ohren, das andere hob kurz einen Hinterfu, schien berrascht, und setzte ihn wieder ab.

"Schnen guten Tag auch!" lie sich da hinter mir eine Stimme vernehmen, der man den Alkoholkonsum anmerken konnte. Ich drehte mich um und bemerkte einen ziemlich jungen Mann, der in der Trffnung stand. An ihm war nichts Bemerkenswertes, sehr wohl aber an der Reaktion der beiden Pferde auf sein Erscheinen oder seine Stimme: Blankes Entsetzen! Augen rollten, bis fast nur noch das Weie sichtbar war, Ohren wurden angelegt, Zhne gebleckt und die Hinterhufe schlagbereit angehoben. Oh je!

"Ich bin gekommen, um mir die Stute anzuschauen, die sie verkaufen mchten!" Der Mann nickte nur kurz zum ersten Pferd hin.

"Das ist sie! Will keine Fohlen bekommen, ntzt mir also nichts. Geht aber vorm Wagen und unterm Sattel, ehrlich!" Sein verschlagenes Gesicht riet zur Vorsicht.

"Und wieviel wollen sie fr eine Stute, die keinen Nutzen bringt?" wollte ich wissen.

"Nur n'paar Hunderter!" Das war geschenkt! Zumal das Tier ausgezeichnete Papiere hatte, wie ich mich selbst berzeugen konnte, denn der Mann holte sie aus seiner schmierigen Jackentasche hervor.

"Ich kaufe die Stute, wenn ich sie vorher noch in Bewegung sehen kann!" rief ich, nicht ohne Hintergedanken, aus.

"Ich la' sie immer auf dem Feld da laufen!" meinte der Mann und zeigte auf ein Stckchen Land, das von einem Stacheldraht begrenzt wurde. Stacheldraht und Pferde - eine Horrorvision! Aber die Tiere schienen es gewohnt zu sein, denn Verletzungen durch den Draht konnte ich nicht an ihnen feststellen.

"Na, denn lassen sie die Stute doch einmal laufen!" bat ich. Der Mann nestelte lange und vorsichtig an dem Knoten, der den Strick mit dem Stallhalfter verband, bis dieser endlich nachgab.

"Vorsicht!" rief er mir noch zu, das war aber unntig, denn ich hatte die Reaktion der Stute schon geahnt und mich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Das Tier, kaum da es sprte, da der Strick es nicht mehr hielt, kam mit einem wahnsinnigen Tempo aus dem Stall geschossen, vollfhrte wahrhaft akrobatische Bocksprnge und tobte dann auf dem Feld herum. Die Bewegungen waren einwandfrei, keine Lahmheit zu erkennen, aber auch mit Sicherheit kein tgliches Training. Ich schwankte in meiner Entscheidung, die Stute sofort mitzunehmen. Aber schlielich siegte doch der Gedanke : sicher ist sicher! Denn bei diesen Haltebedingungen konnte zu schnell ein Unheil geschehen! Ich wendete mich an den Mann.

"Haben sie eine Brste und einen Striegel?" Er schaute mich zuerst etwas verwundert an, doch brachte er nach einigem Suchen tatschlich die gewnschten Gegenstnde zum Vorschein.

"Holen sie die Stute bitte her, ich nehme sie noch heute mit!" wies ich ihn an. Er schaute sich verwundert zu dem Auto um, mit dem ich gekommen war und sah keinen Anhnger.

"Womit bringen sie sie denn weg?" wollte er neugierig wissen.

"Mit einem Sattel!" meinte ich schmunzelnd, als ich seinen Gesichtsausdruck sah. Er schttelte bedenklich den Kopf.

"Aber sie haben sie ja noch nicht einmal richtig ausprobiert!" meinte er. "Haben sie denn keine Angst, so einfach mit einem fremden Pferd loszureiten und noch dazu auf eine so lange Strecke?"

"Wenn ich sie gekauft habe, ist es ja kein fremdes Pferd mehr fr mich - und irgendwann mu ich sie ja reiten, also warum nicht gleich?" fragte ich ihn und zeigte auf meinen Sattel und das Zaumzeug. Er schttelte zwar noch immer den Kopf, machte sich aber daran, das Pferd wieder einzufangen - ein vergebliches Unternehmen. Das Tier lie ihn auf einige Meter an sich herankommen, dann warf es sich herum, keilte aus und lief davon, um in einiger Entfernung wieder stehenzubleiben. So konnte das noch stundenlang gehen - und meine Zeit war begrenzt! Ich rief den Mann also zurck und holte ein paar Rben aus meiner Tasche. Das Halfter hatte ich griffbereit ber dem Arm. Langsam ging ich auf das Tier zu, das mich herankommen lie und an den Rben schnupperte. Als es eine akzeptiert hatte und darauf herumknabberte, schob ich ihr schnell die Trense ins Maul und das Halfter ber den Kopf. Zwar versuchte sie, zu scheuen, doch berzeugte sie eine zweite Rbe von meiner Ungefhrlichkeit. Brav lie sie sich in den Hof fhren, wo ich sie einer schnellen Reinigung unterzog, die nur an den bedenklichen Stellen, Sattel- und Gurtlage, grndlich ausfiel, sonst aber ziemlich oberflchlich blieb. Satteln ging ganz einfach, das Tier schien mich akzeptiert zu haben, oder zumindest fr das kleinere von zwei beln zu halten. Ich zahlte dem Mann seinen Preis, erhielt die Papiere und machte mich auf den Weg. Anfangs war ich noch etwas aufgeregt, kannte ja die Eigenheiten des Pferdes nicht, konnte mich aber im Laufe der Kilometer entspannen, denn mein neues Tier schien durch und durch anstndig zu sein. Keine erkennbare Angst vor nichts, zielstrebig ber schmale Brcken gehend oder einen Graben durchquerend. Nur eine Gangart schien sie nicht zu kennen: Schritt! Ihr ausdauernder, raumgreifender Trab wurde von einigen Galoppstrecken unterbrochen, aber selbst danach wollte sie nur traben. Ich begann, mir Gedanken zu machen, ob sie in diesem Tempo die mehr als achtzig Kilometer durchhalten werde. Ich htte mir mehr Sorgen um meine Kondition machen sollen! War ich zwar in letzter Zeit lange Strecken mit meinem Wallach geritten, so doch seiner Beine wegen die meiste Zeit im Schritt, was auf ein bis zwei Stunden tglich keine sehr groe Kilometermenge ergab. Hier jedoch war ich gefordert, mute den Weg suchen, trotz allem mit unerwarteten Reaktionen meines Pferdes rechnen und zwischen Leichttraben und Jagdsitz im Galopp abwechseln. Meine Stute schien unermeliche Kraftreserven zu besitzen, die meinen neigten sich ihrem Ende zu und noch waren wir nicht zuhause! Nach ber siebzig Kilometern gelang es mir, sie zu einer Schrittreprise zu berreden, doch schien sie diese Ruhepause zu beflgeln, nachher wollte sie nur noch galoppieren! Als wir nach mehr als neun Stunden Ritt endlich heimkamen, strzte sie sich heihungrig ber ihr Futter her, mir war der Appetit vergangen, ich sehnte mich nur nach einem heien Bad und meinem Bett!

Am nchsten Morgen begrte mich mein Pferd munter und voll Tatendrang, keine angelaufenen Sehnen, keine erkennbare Mdigkeit - einfach, als ob nichts gewesen wre! Mir dagegen taten alle Knochen und Muskeln weh. Glcklicherweise war es Sonntag und ich konnte mich ein wenig ausruhen, zumal meine Tochter das Wochenende bei meiner Nachbarin zubrachte.

Ich lebte jetzt schon so lange alleine mit meinem Kind und meinen Tieren, da einige Leute sich die Muler ber mich verrissen. Natrlich hatte ich auch schon gewisse Antrge bekommen - von verheirateten Freunden meines Mannes oder verheirateten Chefs und Familienvtern, die wohl alle dachten, ich sei eine leichte Beute. Aber zum einen kannten sie nicht die intimen Seiten meiner Ehe, die eher ein Alptraum, denn ein Liebestraum gewesen waren, und mich auf Sex um des Sexes willen gerne verzichten lieen und zum anderen fiel es mir nicht im Traum ein, bewut oder unbewut eine andere Ehe zu gefhrden oder gar zu zerstren, zuviel hatte ich selbst leiden mssen - und endlich: heiraten wollte mich keiner dieser Mnner und mein Kind akzeptieren schon gleich gar nicht. Aber der Weg zu meinem Herzen war nur ber den Umweg des Herzens meiner Tochter zu gewinnen. Und sollte es ein zweites Mal geben, dann wollte ich auf jeden Fall den ach, so alten Spruch beherzigen: Drum prfe, wer sich ewig bindet! Aber trotz allem: bereut habe ich meinen Entschlu, nach Ungarn zu gehen, nie!

Und dann kam eine Zeit, als ich im Winter wieder im Bro arbeitete, als mich der Leiter der Jagdabteilung eines Vormittags bat, ihm doch bei der bersetzung einiger Bestellungen zu helfen. Da ich eben sowieso nichts anderes zu tun hatte, willigte ich ein und ging in sein Zimmer, um ihm zu helfen.

"Schau, Anne, da sind vier geplante Jagdreisen von deutschen Jgern, die gerne auf Rehbcke jagen wrden. Ich verstehe zwar einiges, aber doch nicht alles, was sie sich wnschen, darum sollst du mir eine korrekte bersetzung anfertigen und kannst dann auch gleich die Antwort tippen." Ich setzte mich an den kleinen Schreibtisch mit der altersschwachen mechanischen Schreibmaschine und begann mit meiner Arbeit. Als ich gerade fertig war, ffnete sich die Tr und ein junger Mann steckte seinen Kopf hinein.

"Ist der Mikls nicht hier?" fragte er erstaunt, als er mich sah. Ich schttelte den Kopf.

"Mikls ist schon in das benachbarte Revier gefahren, um dort mit einem der Jagdaufseher zu sprechen, er kommt aber gegen Mittag zurck, hat er gesagt." Dann setzte ich nach einer kurzen Pause hinzu: "Kann ich ihm etwas ausrichten?" Der junge Mann zgerte kurz, dann schttelte er den Kopf.

"Nein, danke, ich werde hier auf ihn warten, das heit, wenn Sie nichts dagegen haben."

"Natrlich habe ich nichts dagegen!" rief ich aus. "Ich bin sowieso nur zur Aushilfe hier, ansonsten arbeite ich in der Touristikabteilung." Der junge Mann setzte sich auf den einzigen noch freien Stuhl und begann in einer Jagdzeitschrift zu lesen. Als nach einiger Zeit Mikls wiederkam, ging er schnellen Schrittes auf den jungen Mann zu.

"He! Hallo! Tibi, was machst du denn hier?" Der so Angeredete war beim Eintreten Mikls' erstaunt aufgesprungen.

"Ja wo gibt es denn so etwas!" lachte er. "Mikls, bist du etwa hier der Chef?" Ich schaute erstaunt von einem der jungen Mnner zum anderen. Da wendete sich Mikls direkt an mich.

"Anne, ich stelle dir hier meinen Studienkollegen Tibor vor. Ich hatte ja nicht die geringste Ahnung davon, da er der Anwrter auf die freie Stelle ist, von der der Chef gesprochen hat. Er teilte mir gestern nur mit, ich htte heute ein Vorstellungsgesprch zu leiten! Na das ist aber eine berraschung!" Der mit Tibor Angeredete schttelte jetzt auch mir schchtern die Hand, bevor er sich wieder seinem Bekannten zuwendete. Schnell war alles besprochen und der junge Mann hatte seine Anstellung in der Tasche.

"Ihr werdet jetzt wohl fter miteinander zu tun haben!" grinste Mikls. Auf unsere fragenden Blicke hin bequemte er sich zu einer kurzen Erklrung.

"Anne, ich werde dich im Winter nun fters bitten, bei bersetzungen zu helfen, denn jetzt, da Tibi hier die Arbeit bernimmt, werde ich die meiste Zeit im Auendienst sein. Vertragt euch also!" schmunzelte er geheimnisvoll, dann war er verschwunden. Ich fhlte mich etwas ungemtlich ob dieser neuen Situation und auch dem jungen Mann mir gegenber schien es hnlich zu ergehen. Nach lngerem Schweigen ergriff er dann doch die Initiative.

"Anne – wenn Sie mir erlauben, Sie so zu nennen..." Ich nickte schnell zustimmend, woraufhin er fortfuhr: "Ich bitte fr meinen Freund um Vergebung fr seine vorlauten Worte, aber so ist er nun einmal." Ich unterbrach ihn schnell.

"Sie brauchen sich nicht fr ihn zu entschuldigen, Tibor, auch ich kenne sein lockeres Mundwerk, es gehrt eben zu seinem Stil."

"Nennen Sie mich doch bitte Tibi, wie die anderen auch." bat mich der junge Mann und ich willigte ein. Dann zeigte ich ihm auf seine Bitte hin, wo er diverse Formulare und andere, zu seiner Arbeit bentigte Utensilien finden konnte, bevor ich mich mit einem kurzen Gru von ihm verabschiedete und wieder in mein Bro zurckging. Vorher hatte ich ihm noch meine Nebenstellen-Telefonnummer gegeben, falls er meine Hilfe bentigte. So arbeiteten wir dann fter zusammen, manchmal fragte er mich nur kurz am Telefon etwas, manchmal kam er mit seiner Bitte direkt zu mir ins Zimmer oder bat mich, ihm in seinem Zimmer bei einer Sache zu untersttzen. Wenn Mikls morgens im Brogebude war, tranken wir am Bfett zu dritt unseren Kaffee oder nahmen ihn mit ins Zimmer der Jagdabteilung, wo wir dann ber alle mglichen aktuellen oder interessanten Themen sprachen. Eines Morgens sa ich wieder einmal an meinem Schreibtisch und drehte die Daumen, da keine Arbeit vorhanden war. Pltzlich kam Mikls in den Raum.

"Anne, httest du gerade so etwa eine Stunde Zeit?" fragte er mich leise. Ich zuckte die Schultern.

"Auch mehr, wenn du willst. Ich habe nichts zu tun. Worum geht es denn?"

"Ich habe Probleme mit einer Jagdgesellschaft." meinte Mikls. "Da sollten bermorgen sechs deutsche Jger kommen, die vorher schon im Sden gejagt haben – jetzt ist aber heute schon einer angekommen, mit einer Begleitperson, und meint, die anderen kmen nicht, die htten nur fr das Jagdrevier im Sden gebucht und wren schon auf der Heimreise nach Deutschland."

"Und wo liegt das Problem?" wollte ich wissen.

"Das Reisebro hatte Zimmer im Hotel reservieren lassen, aber eben erst ab bermorgen und fr viel mehr Personen. Der Gast ist heute frh im Hotel angekommen und war natrlich sehr berrascht, da man ihn nicht erwartet hatte und sein Zimmer auch nicht frei ist. In der Tat ist das Hotel bis bermorgen voll ausgebucht und ich mte ihn in ein anderes Quartier bringen. Auerdem mu ich mich darum kmmern, da die Jagd schon ab morgen stattfinden kann. Sei du bitte so lieb und geh mit Tibi ins Hotel und rede mit dem Mann." Ich war schon aufgestanden und hatte nach meiner Jacke gegriffen.

"OK, Mikls. Wo ist Tibi und mit welchem Wagen fahren wir?"

"Tibi sitzt schon im Lada hinter dem Gebude und wartet auf dich." meinte Mikls, bevor er schnellen Schrittes verschwand, um sich mit den Jagdaufsehern ber das genderte Programm zu beraten. Ich nahm den Hinterausgang und stieg in den Gelndewagen ein.

"Hallo, Anne!" begrte mich Tibi. "Hat der Chef dich gehen lassen?"

"Wieso der Chef?" fragte ich erstaunt. "Mikls bat mich, euch zu helfen, das ist doch meine Arbeit! Ich hatte sowieso nichts anderes zu tun, also helfe ich der Jagdabteilung!" stellte ich fest und auch Tibi lie es dabei bewenden. Wir fuhren ins Hotel, wo ein lterer Herr in Begleitung seiner Frau auf uns wartete. Schnell waren alle Probleme beseitigt, wir begaben uns zu einem anderen Hotel auf der gegenberliegenden Seite des Nationalparks, welches den beiden in seiner rustikalen Ausfhrung sogar noch besser gefiel, als das doch ziemlich anonyme, neue Hotel in Hortobgy selbst. Wir sympathisierten schnell und so kam es, da die beiden mich schlielich berredeten, am Samstag und Sonntag doch bei der Jagd dabei zu sein. Da die Frau nur Begleiterin war, wrde sie sich sonst wohl sehr langweilen und so akzeptierte ich, nachdem ich mich vergewissert hatte, da meine Nachbarin whrend der zwei Tage auf meine Tochter aufpassen wrde. Am Samstag Abend wurden Tibi und ich von dem Paar noch zu einem Abendessen eingeladen, wonach wir freundschaftlich voneinander Abschied nahmen, denn an den folgenden Tagen bis zu ihrer Abreise am Donnerstag wrde ich wohl keine Gelegenheit mehr haben, sie zu sehen. Wir tauschten Adressen aus und stehen auch heute noch in freundschaftlicher Verbindung.

Am Montag morgen lie sich mein Chef zu sich bitten, dazu auch Mikls und Tibi. Mir schwante nichts Gutes, denn es kam fast nie vor, da sich der Chef um kleine Dinge kmmerte. Als wir alle an seinem groen Tisch saen, begann er mit aggressiver Stimme zu reden.

"Ich habe Sie drei heute hierher gebeten, weil Dinge vorgehen, die ich nicht akzeptieren kann und werde!" bellte er uns an.

"Anne, meinen Informationen zufolge haben Sie ihren Platz verlassen und sind mit Tibor herumgefahren. Man hat Sie im Hotel gesehen und auch in der Pension! Was hat das zu bedeuten?" Ich mute leise lcheln.

"Chef, ich habe gearbeitet! Mikls bat mich, ihm bei einem Problem mit einem deutschen Jger zu helfen und genau das habe ich getan!" Ich erklrte ihm von Anfang an die ganze Geschichte. Am Ende angekommen besttigten Mikls und Tibi meinen Bericht. Doch der Chef hatte noch einen "Trumpf" in der Hand.

"Das ist ja alles schn und gut – obwohl Sie fr die Touristikabteilung arbeiten und mit der Jagdabteilung nichts zu tun haben." murrte er. Da war ich jedoch anderer Meinung.

"Chef, ich arbeite als bersetzerin fr das Staatsgut, vor allem im Winter und nicht nur fr die Touristikabteilung. Hufig fertige ich bersetzungen fr die Schilfabteilung an, wie Sie wohl am besten wissen mten!" fgte ich sffisant lchelnd hinzu, denn er war der direkte Chef auch dieser Branche.

"Auerdem fhre ich die von Ihnen angemeldeten Italiener beim Pferdekauf herum und bersetzte, als die neuen Teile fr den Schlachthof angekommen sind, habe ich dort mit dem deutschen Ingenieur gearbeitet und auch schon bei der fast unabhngigen Fischzucht als Dolmetscher ausgeholfen – auf Ihren ausdrcklichen Befehl hin. Wo also liegt mein Fehler, wenn ich der Jagdabteilung helfe, zumal ich keine sonstige Arbeit vernachlssigt habe, denn es war keine vorhanden."

Der Chef schluckte die Pille herunter, ohne mit der Wimper zu zucken, aber ich erhielt aufmunternde und anerkennende Blicke von Mikls und Tibi. Doch der Chef gab sich nicht geschlagen.

"Sie haben aber auch das Wochenende mit den Deutschen und Tibor verbracht und sogar mit ihnen zu Abend gegessen! Das ist die Hhe! Wenn Sie jagen wollen, dann melden Sie das geflligst bei MIR an, ICH suche Ihnen dann einen geeigneten Jagdbegleiter aus!" Da mute ich dann doch lachen: War der Kerl mir gegenber etwa eiferschtig???? Jedenfalls schien es mir so, als knne man dies aus seinen Worten entnehmen! Doch auch hier konnte ich ihm Paroli bieten.

"Erstens: ich habe nicht gejagt, sondern die Frau des Jgers begleitet. Zweitens: was ich am Wochenende in meiner Freizeit mache und mit wem ich wohin gehe, geht Sie gar nichts an und drittens kann ich mich zum Essen einladen lassen, von wem ich will. Die Deutschen haben schlielich fr uns bezahlt, also ist alles geregelt! Und wenn ich jagen will," fgte ich noch hinzu, "dann tue ich dies in den Revieren meines Clubs." Daraufhin stand ich auf und auch meine beiden Begleiter erhoben sich, doch wurden sie durch eine Handbewegung das Chefs zurckgehalten.

"Anne, Sie knnen gehen, aber mit euch beiden habe ich noch ein Hhnchen zu rupfen!" bellte er sie an. Ich verschwand in mein Zimmer, wo nach einiger Zeit auch die beiden anderen auftauchten.

"Huch, der Kerl spinnt ja total!" flsterte Mikls mir zu. "Beim Kaffe unterhalten wir uns dann!" meinte er noch, bevor er mit Tibi verschwand. Als wir das heie Getrnk dann mit auf sein Zimmer genommen hatten, berichteten er und Tibi, da der Chef sie ermahnt hatte, nicht mehr meine Hilfe in Anspruch zu nehmen.

"Das ist doch total lcherlich!" entfuhr es mir. "Im ganzen Staatsgut gibt es nur wenige, die etwas Deutsch sprechen und keinen, der Englisch kann oder gar Franzsisch! Er kann mir doch nicht verbieten, meine Ttigkeit auszuben, nur weil er aus einem unerfindlichen Grund nicht will, da wir zusammenarbeiten!"

"Genauso meinte er es aber!" bekrftigte Tibi.

"Lat euch nicht auslachen!" rief ich wtend aus. "Ich werde euch auch weiterhin helfen, so wie ich jedem helfe, der meine Sprachkenntnisse in Anspruch nehmen mchte!" Am Ende berzeugte ich die beiden, da man mich wohl kaum kndigen wrde, nur weil ich meine Ttigkeit ausbte, zu der ich vertraglich gebunden war. Und so folgte ich dann auch ostentativ den Rufen der beiden, wenn auch oft genug begleitet von den bsen Blicken meines Chefs, der aber nie wieder wagte, uns zu maregeln. Ich verstand mich immer besser mit Tibi, wir besaen viele gemeinsame Interessen und Hobbys. Langsam kamen wir uns nher, doch dann begann fr mich die Saison, whrend der ich auer einigen wenigen, kurzen Ausnahmen nie im Bro zu finden war und Tibi mute sich auf den Auenstellen um die Nachzucht des Niederwildes kmmern oder Broarbeiten verrichten. Manchmal, wenn ich mit meinem Pferd von der Arbeit heimkehrte, sah ich sein kleines Auto vor der Dienstwohnung stehen und schaute dann auf ein kurzes Gesprch bei ihm herein, bevor ich meine Tochter aus dem Kindergarten abholte. Manchmal kam Tibi auch an den Wochenenden bei uns vorbei, dann kochte ich ihm seine Lieblingsspeisen und wir machten einen gemtlichen Ausflug mit Kind und Kegel zu einem uns noch unbekannten Platz. Langsam wurde aus Kameradschaft Freundschaft und irgendwann einmal geschah es, da wir unsere Liebe zueinander entdeckten.

Jetzt gab es also doch noch ein Happy-End fr "Piroska".

Aber das Leben nahm seinen Lauf und wir muten ihm folgen.

Schon vor meiner Heirat war klar, da ein neues Abenteuer bevorstehen wrde. Wir wrden in ein fernes Land umziehen, eine neue Sprache lernen mssen, alte Freunde - zwar nicht verlieren, aber doch nur noch selten sehen - neue Freunde kennenlernen. Aber ich hatte ja schon einmal alle meine alten Lebensweisen ber Bord geworfen, um ein neues Leben zu beginnen, also drfte es mir auch jetzt nicht zu schwer fallen.

Und doch:

Mein Herz und meine Seele gehren der Puszta, ihren Menschen und Tieren, der Natur und der unendlichen Weite!

Und eines nicht mehr allzufernen Tages wird das Heimweh nach einer Heimat, die es nur dem Herzen und der Seele nach ist, grer sein als aller gesunde Menschenverstand - und ich werde zurckkehren!

Zurckkehren zu den Wurzeln allen Seins, wo Gefhle strker sind als der Versuch, ihren Ursprung zu erklren!

Heim! - In die Puszta! - Meine Puszta!

 
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