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PIROSKA 6

"Anne, Anne, wie konnte es nur so weit kommen?" fragte ich mich halblaut, doch nur das Schnauben der Pferde antwortete mir. Ich verbarg mein Gesicht in der weichen Mhne meines Pferdes und versuchte, mein inneres Gleichgewicht wiederzuerlangen. Bald wrde ich aus dem Schatten des Stalles ins helle Tageslicht zurckgehen mssen, so tun, als ob nichts gewesen sei und dann..... Ich wute einfach nicht, was dann geschehen wrde. Ich sagte meinem Pferd auf Wiedersehen und streichelte auch die hochtragende Stute ein wenig, bevor ich all meinen Mut zusammennahm und das schwere Tor ffnete. Die gleiende Sonne brannte mir in den Augen und ich lie ihnen Zeit, sich wieder an das Licht zu gewhnen. Dann ging ich festen Schrittes auf das kleine Wachhuschen zu. Die Mnner saen schon am Tisch und bedienten sich, keiner blickte zu mir hin, als ich die Bierflaschen aus der hinten am Kinderwagen befestigten Tasche nahm und vor sie auf den Tisch stellte.

"Das hatte ich fast vergessen," meinte ich mit gespielter Zerknirschung. "Hier ist mein Beitrag zum Mittagessen."

"Komm, i doch mit uns!" lud mich der ltere der Hirten ein, doch ich winkte ab.

"Nein danke, das ist sehr freundlich, aber ich mu leider wieder nach Hause! Die Arbeit wartet auf mich." Damit eilte ich an den Kinderwagen, in der Hoffnung, Marika wrde nicht noch zu guter Letzt aufwachen und nach der Flasche schreien und ich wre dazu gezwungen, mich doch an den Tisch zu setzen, um sie zu fttern. Aber meine Tochter lie mich nicht im Stich, sie schlief weiter und nach einem kurzen Winken in die Richtung der drei Mnner machte ich mich auf den Rckweg. Wie anders war meine Stimmung auf dem Hinweg gewesen! Auf halber Strecke begann die Kleine pltzlich zu greinen und ich wute sofort, sie hatte groen Hunger und wrde nicht warten, bis wir zu Hause eintreffen wrden. Also beschleunigte ich meine Schritte bis zum nchsten Brunnen und lie mich dort in dessen Schatten nieder. Marika lag still in meinen Armen und trank friedlich aus dem Flschchen. Ich lie meine Gedanken schweifen. Morgen Mittag wrde Lajos nach Hause kommen - in was fr einer Gemtsverfassung? Wrde er Reue ber seine Brutalitt zeigen oder wre er berzeugt von der Richtigkeit seines Verhaltens? Ich hatte zwar schon Zornausbrche von ihm erlebt, die meisten gegen seine Pferde oder einen Hund gerichtet, einige, verbale, auch gegen mich, aber noch nie hatte er mich geschlagen oder auch nur mit Schlgen gedroht. Doch jetzt war es geschehen.

"Mein Gott, wie soll ich mich ihm gegenber verhalten?" fragte ich mich, aber eine gute Lsung meiner Probleme kam mir nicht in den Sinn. Marika hatte aufgehrt zu trinken und lag nun wohlig an mich gekuschelt da. Wohl wissend, da man mich auf Kilometer hinweg sah und so auch die Kollegen meines Mannes sich davon berzeugen konnten, da ich es keineswegs so eilig mit dem Heimkommen hatte, wie es meine schnelle Verabschiedung hatte scheinen lassen, blieb ich dennoch sitzen und geno die Stille der Natur. Spter legte ich die Kleine wieder in den Wagen und machte mich langsam auf den Rckweg. Zuhause angekommen schaute ich zuerst einmal in den Spiegel. Oh Schreck! Auf meiner linken Wange zeichneten sich deutlich dunkle Striemen, die Fingerabdrcke meines Mannes, ab. Wahrscheinlich hatten auch seine beiden Kollegen diese Male gesehen und waren deshalb so still gewesen! Glcklicherweise war ich im Dorf niemandem begegnet! Schnell legte ich khle Tcher auf meine Wange und versuchte, nicht an morgen zu denken. Der nchste Vormittag brachte auer der gewhnlichen Arbeit auch einen Brief meiner Mutter, die sich fr den nchsten Monat ankndigte. Auch das noch! Die erste echte Ehekrise und dann noch die Mutter, was zuviel ist, ist einfach zuviel! Aber ich konnte nichts dagegen unternehmen. So bereitete ich ein gutes Mittagessen vor und wartete auf meinen Mann. Der kam dann auch, wenn natrlich mit einigen Stunden Versptung und nicht mehr ganz nchtern.

"Hallo Anne!" Er tat so, als ob nichts gewesen wre und setzte sich an den Tisch.

"Hallo, Lajos!" mehr wagte ich nicht zu sagen. Ich brachte gerade die Suppe herein, als Marika im Kinderzimmer zu weinen anfing.

"Stell doch den Schreihals ab! Das ist ja widerlich!" fauchte mein Mann, der Vater. "Nie hat man seine Ruhe vor dem Gebrll!" Ich verschwand im Kinderzimmer und gab dem Baby die Flasche. Das fing ja gut an! Zwar hatte sich Lajos nie viel um seine Tochter gekmmert, seit wir aus dem Krankenhaus gekommen waren, aber zuerst hatte ich das einer gewissen Nervositt des neugebackenen Vaters zugeschrieben, der Angst hatte, das Neugeborene in seine - zugegeben - sehr starken Hnde zu nehmen. Doch auch mit fortschreitender Zeit hatte sich das Verhltnis des Vaters zu seiner kleinen Tochter nicht gebessert und mit Schrecken mute ich erkennen, da er fest auf einen Sohn gehofft hatte, der bald in seine Fustapfen treten wrde und nicht auf eine Tochter, mit der er nichts anzufangen wute.

"Bist du bald fertig da drin?" schallte es aus dem Ezimmer. "Kannst du dich denn nicht einmal auch um mich kmmern?"

"Du hast mir ja gesagt, ich soll das Schreien abstellen, das geht nur mit der Flasche, also mut du warten! Aber du kannst dich gerne selbst bedienen, mut nicht auf mich warten, ich kann ja spter essen!" wollte ich ihn beruhigen.

"Nichts da! Wir essen gemeinsam! Aber ich habe Hunger und habe keine Lust, immer auf dich zu warten!" Das war ja fein! Wer wartete denn immer mit dem Essen auf den Herrn der Schpfung, bis dieser sich bequemte, aus der Kneipe heimzukehren? Ich hatte natrlich auf ihn zu warten, aber er nicht auf mich! Lcherlich! Ich beschlo, so zu tun, als ob die Kleine noch nicht satt sei.

"Lajos, bediene dich doch, das kann hier noch lngere Zeit dauern!" rief ich zurck, aber mein Mann beharrte darauf, da ich ihm sein Essen servieren wrde. Notgedrungen legte ich das Baby wieder in sein Bettchen, gab ihm den Schnuller und ging ins Ezimmer.

"Na endlich!" murmelte Lajos, dann lie er sich mit dem Gesichtsausdruck eines wohlgeflligen Paschas das Essen vorsetzen. Als wir beim Nachtisch angelangt waren erffnete ich ihm, da meine Mutter die Absicht hatte, uns zu besuchen.

"Und wann soll das sein?" wollte mein Mann wissen.

"Anfang nchsten Monats kommt sie fr zwei Wochen." antwortete ich ihm bedachtsam und frchtete eine heftige Reaktion seinerseits, die jedoch ausblieb.

"Wo soll sie schlafen?" fragte er beilufig. Doch darauf hatte ich die Antwort schon parat.

"Auf der Couch im Wohnzimmer."

"OK!" Welch banale Unterhaltung! Dabei hatte ich einerseits Furcht davor, da er ber seine gestrige Ohrfeige sprechen wrde, andererseits aber wnschte ich mir eine Aussprache herbei. Wenn er aber nicht davon anfangen wrde, mte ich die Sache beginnen, was ich nie ber mich bringen knnte. So wurde die Sache bis zum Abend erst einmal totgeschwiegen. Kurz vor dem Beginn der Ftterung verschwand Lajos auf seinem, nein, meinem! Motorrad und kehrte erst spt in der Nacht betrunken zurck. Scheinbar hatte er seine eigene Art gefunden, einen Konflikt zu beenden, denn er rttelte mich unsanft wach, um sich dann stundenlang an - nicht mit - mir zu vergngen. Vor diesen Dingen graute es mir am meisten, aber Vergewaltigung in der Ehe war ein Tabuthema und ich konnte mich niemandem anvertrauen. Den Morgen verschlief mein Mann wie gewhnlich, wenn er ihn nicht gerade im Fogad verbrachte, whrend ich alle Arbeit zu verrichten hatte. Dann schlang er schnell das Mittagessen in sich hinein und war auch schon auf und davon. So verging die Zeit und eines Vormittags erschien meine Mutter an der Haustr.

"Hallo, Anne! Wie schn dich zu sehen! Und gut siehst du aus, so schlank! Ich htte nicht gedacht, da du nach der Geburt so schnell wieder abnimmst!"

"Guten Morgen, Mutter! Hast du eine gute Reise gehabt?" Brachte ich ihre Redeflut zum Versiegen, nein, sie begann schon von neuem.

"Die Fahrt ist gut verlaufen, ich war schon um fnf Uhr hier, habe mich aber auf den Parkplatz bei der Csrda gestellt, um euch nicht zu wecken!" Typisch meine Mutter! Seit Menschengedenken bildet sie sich ein, alles nur zum Besten ihrer Kinder zu tun. Blo keinen Einflu von auerhalb! Alles nur in der Familie! Deshalb war ich ja auf und davon gegangen! Aber noch immer meint sie, mit ihrer Affenliebe nur das Beste fr mich zu wollen. Sie wute ganz genau, da ich meistens schon um fnf Uhr aufstehe, aber lieber hat sie auf dem Parkplatz gewartet, bis es zehn Uhr wurde! Schwamm drber!

"Lajos ist bei der Arbeit, er kommt erst morgen Mittag wieder." meinte ich frhlich. "Aber dafr kann ich dir in aller Ruhe das Haus zeigen - und natrlich auch dein Enkeltchterchen!"

"Ach ja, wo ist denn die Kleine?" wollte meine Mutter wissen. Ich zeigte auf das Kinderzimmer.

"Normalerweise schlft sie um diese Zeit, aber du kannst ja mal einen kurzen Blick hineinwerfen." Damit ffnete ich die Tr einen Spalt breit. Doch meine Mutter drngte sich durch die ffnung und war schon am Kinderbettchen, bevor ich sie zurckhalten konnte. Dort hob sie das ruhig schlafende Baby aus dem Bett und fhlte ihm in die Windeln.

"Anne, das Kind ist ja ganz na! Du mut es fter wickeln!" fuhr sie mich an. Durch den strengen Ton und die ungewohnte Behandlung aufgeschreckt, fing Marika an zu weinen. Darin sah meine Mutter nur eine Besttigung ihrer Theorie.

"Anne, hol sofort neue Windeln her, ich lege das Kind trocken." Ich schluckte eine scharfe Bemerkung hinunter. Meine Mutter war gerade erst angekommen, da konnte ich nicht schon mit ihr streiten! Aber lange wrde es so sicher nicht dauern, bis wir aneinandergeraten wrden. Ich holte also Windeln, Cremetcher und Puder aus einer Kommode und gab dies meiner Mutter, die sich sogleich daranmachte, das Baby zu wickeln. Spter durfte ich der Kleinen dann die Flasche geben und als sie wieder eingeschlafen war, zeigte ich meiner Mutter Haus und Hof. Was mich mit Freude erfllte, denn es war hauptschlich meiner Hnde Arbeit, fand bei meiner Mutter nur ein vages Kopfschtteln.

"So viel Viehzeug, wozu das alles? Das macht doch nur Dreck und Arbeit. Und ein Gemsegarten? Na so was! Das kannst du doch alles im Laden kaufen!" Doch da mute ich ihr widersprechen.

"Liebe Mutter, das kann ich eben nicht! Erstens leben wir von Lajos' Gehalt mehr schlecht als recht und zweitens hat hier im Dorf jeder seine Tiere und den Garten, im Laden gibt es fast nur solche Dinge zu kaufen, die hier niemand hat. Aber keine Hhnchen, fast keine Eier und nur das Gemse und Obst, was die Leute hier zu viel haben und in den Laden bringen. Also ist es sicherer, alles selbst anzupflanzen. Und mir macht das Leben so Spa, mit dem Garten und den Tieren!" Aber das konnte meine Mutter nicht verstehen. Sie kannte nur den Supermarkt und die kleinen Lden, der Garten war nur zum Ansehen und Tiere mochte sie sowieso keine, zuviel Dreck und Arbeit! Mir fehlte natrlich mein Pferd, ich htte es gerne im Stall auf dem Hof gehalten, aber das war ein Problem zwischen mir und meinem Mann und das wollte ich ihr nicht auf die Nase binden. Allerdings.... Jetzt, wo meine Mutter das Kind hten konnte, war ich fest entschlossen, jeden Tag mit meinem Pferd auszureiten, komme, was wolle! Und fr spter hatte ich schon einmal mit meiner Nachbarin gesprochen, die sich gerne bereiterklrt hatte, Samstag oder Sonntag fr einige Stunden auf Marika aufzupassen, wenn ich einen Ausritt unternehmen wollte. Als wir wieder im Haus waren, begann ich das Mittagessen vorzubereiten.

"Was machst du denn da?" fragte mich meine Mutter, argwhnisch in die Kochtpfe schauend.

"Hhnergeschnetzeltes mit Paprika und Sauerrahmsoe, dazu Nockerl und Gurkensalat." antwortete ich stolz, denn meine Kochknste datierten aus jngster Zeit, zuhause hatte ich es nie lernen drfen, dort hatte die Oma immer fr uns alle gekocht.

"Ich habe heute frh schon ein Mittagessen im Fogad fr mich bestellt." verdarb mir meine Mutter die gute Stimmung. "Ich wollte euch nicht zur Last fallen und wute auch nicht, ob du gengend zu Essen haben wirst!" Jetzt wurde ich aber ernstlich bse.

"Du willst nicht auch noch im Fogad schlafen?" fauchte ich sie an. "Warum bist du berhaupt gekommen? Wenn du uns nicht zur Last fallen willst? Sollten wir einmal zu euch kommen, werden wir auch in einem Hotel bernachten und essen - wie wrde dir das gefallen?" Meine Mutter schien zu berlegen, doch wollte sich keine Einsicht bei ihr einstellen.

"Das ist etwas anderes - ich bin die Mutter und in Deutschland ist dein Zuhause."

"Oh Gott!" sthnte ich auf. "Deutschland ist nicht mehr mein Zuhause, sondern Ungarn und wenn du nicht sofort das Essen im Fogad abbestellst, dann kannst du wieder heimfahren!"

"Nun rege dich nicht gleich so knstlich auf!" beschwichtigte mich meine Mutter. "Ich lade dich zum Mittagessen ein, dann kommst du wenigstens einmal unter die Leute mit deinem Kind. Und das heutige Essen kannst du morgen deinem Mann servieren!" Oh, meine praktisch denkende Mutter! Wenn sie nur auch einmal denken wrde und nicht immer um fnfundzwanzig Ecken! Notgedrungen willigte ich ein - und dann fuhr meine Mutter das Kind spazieren, hatte es im Restaurant auf dem Scho, damit ich ja nur in Ruhe essen konnte, bezahlte selbstverstndlich fr uns beide und schob dann wieder stolz den Kinderwagen heimwrts. Abends wollte ich gerade die Couch im Wohnzimmer richten, als meine Mutter zur Tr hereinschaute.

"La das nur, Anne! Ich habe im Auto mein eigenes Bettzeug mitgebracht, da brauchst du deines nicht zu benutzen und hast dir eine Wsche und die ganze Bgelei erspart."

"Aber Mutter, das httest du doch nicht auch noch mitnehmen mssen! Du weit doch, das wir hier alles doppelt und dreifach haben."

"Ja, ja! Schon gut, aber ich habe es jetzt eben mitgebracht und da werde ich es auch benutzen!" beharrte meine Mutter auf ihrem Standpunkt. Und ich beugte mich - wie schon so oft in meinem Leben - ihrem Willen. Nachdem ich meine Tiere versorgt hatte und Marika gebadet und gefttert eingeschlafen war, bereitete ich das Abendessen. Doch hatte ich auch hier die Rechnung ohne meine Mutter gemacht. Sie holte aus ihrer Gefriertasche eine Menge Butter, Salami, Kse und Aufschnitt hervor und verteilte es auf dem Tisch.

"Das habe ich heute frh im Laden besorgt." meinte sie stolz. "Sogar an Brot habe ich gedacht." sagte sie und holte ein rundes Riesending von 5 Kilogramm aus ihrer Tasche. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Sicher, wir hatten nicht viel Geld, aber zur Bewirtung meiner Mutter htte es allemal gereicht und hatten wir nicht oft sehr viel mehr Gste mit Essen und vor allem Trinken zu versorgen? Aber ich mute mich wenigstens vorlufig in mein Los fgen. Eine kleine Revanche hatte ich aber doch: Auch ich packte meine Vorrte gut verteilt auf den Tisch - und nahm dann nur von meinem Eingekauften! Als Lajos dann am nchsten Mittag kam, ziemlich pnktlich und nchtern, da lie sich meine Mutter sogar herbei, ihn freundlich zu begren, obwohl sie ihn noch immer als ansah. Ich war berrascht und erfreut zu sehen, da Lajos sich von seiner besten und charmantesten Seite zeigte, ja er lud uns sogar fr den bernchsten Mittag, wenn er in der Puszta kochen wrde ein, zu ihm hinaus zu kommen und dort einen Slambuc zu genieen. Erstaunlicherweise willigte meine Mutter ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Nacht verlief ruhig. Lajos legte sich frh schlafen, nachdem er die Tiere gefttert hatte und auch ich ging zeitig zu Bett. Am nchsten Morgen saen wir beim Frhstck, als ich nicht mehr lnger an mich halten konnte.

"Lajos, bitte nimm mich heute auf dem Motorrad mit, wenn du zur Arbeit fhrst, ich will ein wenig ausreiten." Mein Mann schaute mich erstaunt an, hob ein wenig die dichten Brauen und - schwieg.

"Meine Mutter pat fr die kurze Zeit auf die Kleine auf und ich komme zu Fu zurck!" erklrte ich meinen Plan, an dem ich selbst nichts auszusetzen fand. Und in Gegenwart meiner Mutter beherrschte sich mein Mann, begngte sich mit einem: "OK" und a weiter. Zittrig vor Aufregung brachte ich den Vormittag hinter mich, zog nach dem Mittagessen schnell meine Reitkleidung an und wartete schon im Hof auf Lajos, das Motorrad neben mir, als er aus dem Haus trat. Whrend der kurzen Fahrt verlor er kein Wort ber die Sache und auch als er mich vor dem Stall absetzte meinte er nur:

"Erwarte nicht, da ich dich begleite, ich arbeite."

"Natrlich, das ist mir schon klar," erwiderte ich schnell, "ich kann schon alleine auf mich aufpassen, das mute ich in Deutschland auch immer!" Dann sattelte ich mein Pferd und begann einen wunderschnen, strefreien Ausritt. Ich hatte alle Zeit der Welt, mute lediglich zur Abendftterung wieder zuhause sein. Wie sehr geno ich diese stillen Stunden auf dem Rcken meines treuen Kameraden! Um uns herum nur weites Land, unberhrte Natur und lebendige Stille. Viel zu schnell verging der Nachmittag und ich kehrte zum Stall zurck. Dort fand ich Lajos, der sich um unsere Stute kmmerte. Sie wrde noch in der Nacht ihr Fohlen bekommen und litt sehr.

"Soll ich hierbleiben oder zumindest wiederkommen und dir helfen?" fragte ich meinen Mann. "Mit dem Motorrad bin ich in einer Stunde zuhause, habe gefttert und komme wieder zurck." Doch mein Mann winkte nur ab.

"Hier regiert das harte Gesetz der Puszta! Wenn sie es nicht schafft, dann war sie nicht stark genug, wenn das Fohlen stirbt, dann war es nicht lebensfhig. Hier hast du nichts zu suchen. Geh heim und kmmere dich um das Kind und deine Mutter. Morgen sehen wir uns dann am Mittag hier drauen." Damit war ich verabschiedet. Als ich jedoch mit hngendem Kopf aus dem Stall ging, rief mir Lajos hinterher:

"Mach dir keine Sorgen um das Tier, sie wird es schon schaffen und das Fohlen auch!" Das hoffte ich von ganzem Herzen. Auf dem Heimweg dachte ich nur an die kleine Stute und betete, da ihr und dem Fohlen nichts geschehen mge. Meine Mutter empfing mich mit einem vorwurfsvollen Blick, ihrer Meinung nach hatte ich meine freie Zeit weidlich berzogen! Nach einem kurzen Abendessen brachte ich Marika zu Bett und schaute mir dann noch einen alten Spielfilm im Fernsehen an. Gegen Mitternacht weckte mich das Geschrei meiner kleinen Tochter. Was war geschehen? Sie schlief doch sonst immer ruhig durch? Verschlafen suchte ich nach meinen Pantoffeln und sah dann, da Licht durch die Trspalte des Kinderzimmers fiel. War mir meine Mutter etwa schon zuvorgekommen? Als ich in das Kinderzimmer trat, empfing mich meine Mutter, die eben dabei war, Marika neu zu wickeln, mit einem bsen Gesichtsausdruck.

"Anne! Wie kannst du das Kind nur die ganze Nacht ber in ein und derselben Windel liegen lassen! Ich wollte dich schon gestern fragen, warum du die Kleine nicht auch in der Nacht trockenlegst. Heute wurde es mir zuviel und ich habe selbst nach dem rechten gesehen!" Ich starrte sie entgeistert an.

"Mutter! Hast DU etwa Marika aufgeweckt, nur weil du schauen wolltest, ob die Windel na ist?"

"Sicher, so wie du sie wickelst, mu sie ja aufwachen, wenn man nachsehen will, ob sie noch trocken liegt!" warf mir meine Mutter streng vor. "Ich wei nicht, was du fr eine Mutter bist, vom Vater der Kleinen ganz zu schweigen! Aber du kannst weder ein Kind richtig wickeln, noch weit du die Verantwortung dafr zu tragen! Ich wei wirklich nicht, wie du dich so entwickeln konntest! ICH habe doch immer alles fr dich getan, da kannst du dich nicht beklagen!" Ich war entsetzt ber die Wut mit der mir meine Mutter die Worte entgegenschleuderte. Inzwischen hatte sich das Weinen Marikas zu einem wahren Gebrll verstrkt.

"Mutter, mein Kind kann ich wickeln, wie ich will. Auerdem ist sie noch nie nachts aufgewacht, selbst wenn einmal die Windel na war. Und einen entzndeten Popo hat sie auch noch nie gehabt! Wieso soll ich also mein Kind mitten in der Nacht aus dem Schlaf reien, nur um zu sehen, ob sie na ist? Wenn es ihr unangenehm wre, wrde sie ja sowieso aufwachen und weinen! Und jetzt haben wir die Bescherung! Jetzt wird es sicher eine ganze Weile dauern, bis sie sich beruhigt hat - aber diesmal wirst DU sie beruhigen, denn du hast sie ja auch aufgeweckt!" Damit drehte ich mich um und ging aufgeregt wieder ins Schlafzimmer zurck. Mochte meine Mutter sehen, wie sie damit fertig wurde.

"So einer Rabenmutter sollte man das Kind entziehen!" hrte ich meine Mutter noch laut mir nachrufen, dann schlo ich die Tr und versuchte, wieder Schlaf zu finden. Doch das Kind weinte noch eine ganze Stunde lang, ehe es sich wieder beruhigte. Und diese ganze Stunde lang hrte ich das Gemurmel meiner Mutter, die dem Kind erzhlte, was fr gemeine Eltern es htte, die sich nicht genug um es kmmern wrden! Schlielich wurde es wieder ruhig im Haus und auch ich konnte wieder einschlafen. Am nchsten Morgen ging ein Gewittergu ber uns nieder, als ich, wie immer, aus dem Haus trat, um meine Tiere zu fttern. Marika schlief wie immer um diese Zeit noch friedlich - es war mir noch nie passiert, da ich sie nach den zehn Minuten, die das Fttern in Anspruch nahm, wach oder weinend in ihrem Bettchen gefunden hatte. Aber als ich wieder, na bis auf die Haut und mit zerzausten Haaren, ins Haus trat, kam mir meine Mutter mit dem weinenden Kind auf dem Arm entgegen.

"Anne! Das ist ja nun wirklich die Hhe! Wie kannst du das Kind ganz allein in seinem Bett lassen und aus dem Haus gehen? Hast du denn kein Bichen Verantwortungsgefhl fr das Baby? Weit du nicht, was alles passieren kann, whrend du irgendwo da drauen bist?" fuhr sie mich an. Ich mute mich sehr zusammennehmen, um nicht sofort loszuschreien, aber ich kochte innerlich vor Wut.

"Mutter! Ich bitte dich darum, da du dich aus meinem Leben heraushltst! Das Kind ist noch nie um diese Zeit wach gewesen...." Ich brach ab, denn es kam mir ein ganz unglaublicher Gedanke. "Hast DU es etwa aufgeweckt?" Meine Mutter nickte eifrig.

"Natrlich. Das arme Wurm hat mir so leid getan, da sich niemand um es kmmert, da wollte ich es ein wenig bemuttern!"

"Oh Gott!" entfuhr es mir. "Kannst du dich denn nicht ein wenig zurckhalten? Marika schlft um diese Zeit immer und wacht erst lange danach auf, wenn ich wieder im Haus bin und das Frhstck zubereite! Auerdem kannst du mir bitte erklren, wie ich fttern soll, mit einem Baby auf dem Arm, im strmenden Regen?"

"DU warst nie alleine!" warf meine Mutter mir vor.

"Natrlich nicht! Zuhause gab es auer Omas Katze ja keine Tiere, und um die hast du dich ja nicht kmmern mssen und Oma war immer da, um auf mich aufzupassen. Hier aber ist alles anders. Ich habe mir mein Leben hier so aufgebaut und eingeteilt, wie ich es fr richtig halte - und da hast du gar nichts hineinzureden!"

"So! Das denkst aber auch nur du!" schrie meine Mutter zurck. "Wenn du meinst, mit deinem Leben so klarzukommen - na bitte! Aber rechne nicht mehr mit meiner Hilfe und Untersttzung!" Damit drckte sie mir das Kind in den Arm, rannte sie ins Wohnzimmer, packte eilig ihre Siebensachen in ihren Koffer, schnappte sich ihre Handtasche und verschwand im Eilschritt in den Hof, wo sie ihr Auto geparkt hatte. Als ich ihr, noch ganz starr vor Staunen, nachfolgte, hatte sie das groe Hoftor schon geffnet und den Motor angelassen.

"Ich fahre zurck nach Deutschland!" rief sie mir zu, als ob ich das nicht selbst sehen konnte. "Sieh zu, wie du mit deinem Leben und diesem Idioten von Ehemann, der vllig unter deinem Niveau ist, fertig wirst, aber bitte mich nicht mehr um Hilfe! Du hast mich schwer enttuscht - nach all dem, was ich fr dich getan habe...." fgte sie noch, wie immer, dazu, dann fuhr sie los. Zwar konnte ich mir ihre heftige Reaktion nicht ganz erklren, doch war ich fast erleichtert, als sie endlich hinter der Straenbiegung verschwand. Zumindest wrde sie sich nicht mehr in meine Ehe und die Kindererziehung einmischen! Erst als ich wieder ins Haus zurckkehrte, fiel mir ein, da wie ja eigentlich heute Mittag drauen in der Puszta mit Lajos verabredet gewesen waren! Da wrde ich sicherlich einige Erklrungen abzugeben haben. Na ja! Schnell bereitete ich alles Ntige vor und ging dann mit der Kleinen im Kinderwagen auf meinen Weg. Der noch feuchte Boden erschwerte zwar die ganze Sache ein wenig, doch war ich entschlossen, bis Mittag an der kleinen Htte zu sein. Als wir dort anlangten, streckte Lajos gerade seinen Kopf aus dem die Feuerstelle umgebenden Windfang aus Schilf. Auf seinem Gesicht spiegelte sich sein Erstaunen wider, als er sah, da meine Mutter nicht mitgekommen war.

"Hallo, Anne, wo hast du deine Mutter gelassen?" war dann auch seine erste Frage an mich.

"Meine Mutter ist abgereist." erwiderte ich, nicht ohne eine gewisse Genugtuung in der Stimme mitschwingen zu lassen.

"Wieso denn abgereist?" wollte mein Mann wissen, als er sich wieder seinem Kochkessel zuwendete.

"Nun ja, es hat heute frh einen heftigen Streit in Sachen Kindererziehung und hnliches gegeben," meinte ich. "Daraufhin hat meine Mutter mir Undankbarkeit und totales Unvermgen in Sachen Familie vorgeworfen und ist beleidigt abgerauscht. Und ich mu sagen, ich bin darber nicht allzu traurig." fgte ich noch hinzu. Lajos kam wieder aus der Kochstelle ins Freie und stellte den dampfenden Topf vor mich hin.

"Wenn ich gewut htte, da deine Mutter nicht kommt, htte ich auch dich gebeten, zuhause zu bleiben." sagte er lakonisch zu mir.

"Wie bitte?" fuhr ich aus meinen Gedanken auf, denn ich hatte mich die ganze Zeit ber gefragt, was denn mit der Stute und ihrem Fohlen los war und wann ich endlich erfahren wrde, was in der Nacht geschehen war.

"Ich sagte, du httest auch mit der Kleinen zuhause bleiben knnen, anstatt ohne deine Mutter hier anzukommen. Nur ihretwegen habe ich die ganze Kocherei heute auf mich genommen, sonst wre ich rbergeritten, um mit Gbor zu essen, der einen Schafspapriks vorbereitet hat." Ich war zutiefst gekrnkt. Ja freute er sich denn berhaupt nicht, da wenigstens ich angekommen war, anstatt ihn ohne Nachricht bei seinem Essen sitzen zu lassen? Aber so sind wohl die Mnner. Man kann es ihnen nie recht machen!

"Wenigstens hast du jemanden, der Slambuc mag, so da du nicht den ganzen Kessel alleine aufessen mut!" versuchte ich, die ganze Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. "Und jetzt sage mir bitte, wie es der Stute und dem Fohlen geht."

"Gut" war die ganze Antwort, dann verteilte mein Mann das Essen auf die Teller.

"Ich schaue mal kurz nach ihnen," meinte ich und lief zum Stall hinber. Im angenehmen Halbdunkel begab ich mich erst zu meinem Pferdchen und begrte es, bevor ich mich den Verschlag betrat, wo die Stute untergebracht war. Auf mein leises Rufen hin antwortete sie mit einem ebenso leisen Schnauben und machte mir etwas Platz, als ich mich zur hinteren Wand drngte, wo ein kleines, weiches Fellbndel lag und schlief. Ich beugte mich hinunter, um es zu begutachten und fuhr mit einem leichten Aufschrei zurck. Das Stutfohlen war nicht nur winzig, sondern auch sichtbar unterentwickelt! Die Mutterstute war schon tragend in ihrem verhungerten Zustand zu uns gekommen, selbst meine aufopfernde Pflege und das ausgewogene und reichliche Futter, das ich ihr gab, hatten nicht verhindern knnen, da das Fohlen an Mangelerscheinungen litt. Ich wrde zwar alles versuchen, um es dennoch in einen einigermaen gesunden Zustand zu bekommen, doch dazu mute ich es zuhause pflegen knnen und nicht hier drauen seinem Wohl und Wehe in der Herde berlassen mssen. Die Mutter war zum Glck stabil genug und hatte die schwere Geburt - ihre erste - ohne Schaden berstanden, wenngleich sie noch ein wenig erschpft schien. Ich streichelte sie ein wenig, dann begab ich mich wieder zu meinem Mann zurck.

"Lajos, ich wrde das Fohlen wenigstens die erste Zeit gerne zuhause pflegen, es braucht viele Vitamine und bald auch krftiges Futter, wie Luzerne und nicht das ausgedrrte Pusztagras." meinte ich, als ich mich wieder zu ihm an den Tisch setzte. Doch mein Mann winkte ab.

"Ich habe keine Lust, fr das Futter der beiden Pferde aufzukommen, wo sie hier drauen umsonst fressen knnen." wies er mich an. "Wenn es berlebt, dann gut, wenn nicht, auch nicht so schlimm. Hier gibt es keinen Platz fr Krppel." fgte er brutal hinzu.

"Und jetzt eile dich mit dem Essen, ich will hier weg, sowie meine Ablsung kommt." forderte er mich auf. Ich gehorchte seinem Wunsch oder Befehl, ganz wie man es nimmt und schlang das heie und schwere Essen in mich hinein. Marika schlief zum Glck die ganze Zeit ber und wachte auch nicht auf, als mein Mann sich auf sein Motorrad schwang und davonbrauste, sowie sein Kollege eingetroffen war. Ich besorgte noch den Abwasch, was zum Glck nicht lange dauerte, dann machte auch ich mich auf den Heimweg. Als ich zuhause anlangte, gab es natrlich keine Spur von meinem Mann, der hockte sicherlich wieder mit einigen Freunden und Bekannten im Fogad! So machte ich einen kurzen Besuch bei meiner Nachbarin, die mich freundlich empfing und sich bereiterklrte, am nchsten Tag und auch sonst, wenn es ihre Zeit zulassen wrde, fr einige Stunden auf Marika aufzupassen, solange ich in der Puta reiten wrde. Frohen Herzens kehrte ich heim und begann, meinen tglichen Arbeiten nachzugehen. Ich sagte Lajos nichts von meiner Absicht, am folgenden Nachmittag auszureiten, konnte es auch nicht, denn bis zum spten Abend war er noch nicht eingetroffen und danach legte ich mich erschpft Schlafen. In der Nacht jedoch wurde ich unsanft aufgeweckt, mein wieder einmal ziemlich betrunkener Mann forderte seine ehelichen Rechte bei mir ein!

"Bitte Lajos, la mich doch schlafen, ich bin hundemde, habe lange auf dich gewartet und einen emotionell schweren Tag hinter mir." bat ich ihn, doch stie ich, wie schon so oft, auf taube Ohren.

"Du bist meine Frau, du hast mir gegenber Pflichten im Bett, die du erfllen mut, wenn ich es mag!" herrschte er mich, trotz des bermigen Alkoholgenusses erstaunlich klar, an.

"Ich mag dir gegenber Pflichten haben," meinte ich seufzend, "aber du knntest zur Abwechslung auch einmal mir gegenber etwas Nachsicht ben."

"Nachsicht! Ha, da ich nicht lache! Ich bin schon sowieso viel zu nachsichtig mit dir!" rief er erzrnt aus. "Sogar deine Mutter hat mich vor dir gewarnt und gesagt, ich solle mich vor deinem sturen Charakter in acht nehmen!" Das war ja fein! Wie konnte meine Mutter es wagen, sich in meine Ehe einzumischen und mich vor meinem Mann schlecht zu machen? Aber natrlich hatte sie sich ja bei mir auch ber ihn beschwert. Er trinke zuviel, rauche zuviel, sei nie zuhause und wrde sich einen Dreck um seine Familie scheren. In gewissem Sinne hatte sie sogar recht, aber schlielich hatte ich gewhlt und mich mit meinem Leben hier angefreundet. Gerade weil es so anders war, als in Deutschland. Gerade weil das Land und die Leute hier mein wahres Zuhause bildeten und ich mich in der Puszta so unsglich wohlfhlte! Und von wegen sturem Charakter! Nein, ich war nicht stur, nur bestimmt und hatte Ziele vor Augen, um deren Verwirklichung ich auch kmpfen wrde, sollte es denn ntig sein.

"Lajos, ich bitte dich! Du hast meine Mutter sicher nur falsch verstanden." meinte ich beschwichtigend. "Und jetzt la mich bitte schlafen, ich bin sehr mde." Doch alles Bitten und Betteln half nichts, er drehte mich mit einer brsken Handbewegung zu sich um und drckte mich tief in die Kissen.

"Ich will dich jetzt, und da hast du bereit zu sein, sonst setzt es was!" drohte er mir mit starrer Miene, dann nahm er mich mit Gewalt. Nach langer Zeit lie er mich endlich in Ruhe und ich kuschelte mich wie ein geschlagener Hund in die Bettdecke und versuchte, wieder einzuschlafen. Doch lange lag ich noch wach und konnte mich eines Gefhls des Ekels nicht erwehren. Welch verschiedene Gesichter konnte doch die krperliche Lust haben, auf der einen Seite liebevolles Kosen und gemeinsame Befriedigung und auf der anderen Seite Kampf und Gewalt am schwcheren Partner. Dennoch brachte ich am nchsten Nachmittag, als mein Mann zur Arbeit abgefahren war, Marika zur Nachbarin und machte mich dann mit dem alten und klapperigen Fahrrad auf den Weg in die Puszta. Zum Glck war mein Mann bei der Herde, die weit entfernt vom Stall friedlich im gleienden Sonnenlicht graste. Schnell schob ich mein Fahrrad in den Stall und nach einem kurzen Blick auf die Stute und das Fohlen, die beide wohlauf schienen, sattelte und zumte ich mein Pferdchen. Nachdem ich es ins Freie gefhrt und die groe Stalltr wieder fest verschlossen hatte, schwang ich mich in den Sattel und - nahm den der Herde entgegengesetzten Weg! Mir war schon klar, da mein Mann oder ein anderer der Hirten mich sehen konnte, doch versuchte ich anfangs, im Sichtschutz des Stalles zu bleiben und dann verdeckte mich der Schilfgrtel am Ufer des Flusses. An der Schwemme berquerte ich den Flu, der wie immer im Sommer nur sehr wenig Wasser fhrte, dann ging es im Galopp in die unendliche Weite! Da ich wute, da diese Woche die andere Herde an der Reihe war, bei der Csiksvorfhrung um die Kutschen getrieben zu werden, hatte ich gengend Zeit fr meinen Ritt. Auf dem Rckweg lie ich mein Pferdchen Schritt gehen, damit es nicht geschwitzt im Stall anlangte. Schnell hatte ich abgesattelt, es wieder in seinen Verschlag gestellt und war davongeradelt. Lajos hatte ich zum Glck nicht zu Gesicht bekommen, er war wohl noch zu einem Schwtzchen bei den anderen Hirten geblieben. Natrlich konnte ich nicht hoffen, da es immer so gut abgehen wrde, eines Tages wrde mein Mann sicher erfahren, da ich zum Reiten gegangen war, aber bis dahin wollte ich mein Glck weidlich ausnutzen. So verging die Zeit. Eines Tages, ich war gerade wieder einmal auf dem Weg zum Reiten, sah ich einen groen, offenen Lastwagen, der mit mehreren Pferden beladen war und eben aus der Zufahrtsstrae vom Gestt auf die Hauptstrae einbog. Eine unerklrliche Ahnung lie mich genauer hinschauen - und ich hielt wie versteinert inne! Die beiden letzten Pferde in der Reihe waren unsere Stute und ihr mickeriges Fohlen! Noch bevor ich mich bemerkbar machen konnte, war der LKW abgebogen und mit immer schnellerer Fahrt verschwunden. Mein Herz klopfte zum Zerspringen und ich zitterte vor Aufregung, als ich in einer Hllengeschwindigkeit in die Puta radelte. Mir war es jetzt egal, was mein Mann dazu sagen wrde, da ich herausgefahren kam. Der eigentliche Grund meines Kommens, der Ausritt, war total vergessen, als ich endlich das Fahrrad vor dem Stall in den Staub schmi.

"Lajos!" brllte ich mit aller Kraft meiner beranstrengten Lungen, doch nichts regte sich. Ich ffnete schlielich den Stall und sah zu meinem Erstaunen nicht nur meinen Wallach und Lajos' Hirtenpferd, sondern auch noch eine schneeweie Lipizzanerstute, die friedlich ihr Stroh kaute.

"Ja da soll doch gleich...." entfuhr es mir leise. "Hat er etwa ein neues Pferd gekauft? Oder schon wieder einmal getauscht? Und warum arbeitet er nicht?" Verwundert ging ich wieder ins Freie und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Warum hatte er mich nicht davon unterrichtet, da er die Stute mitsamt dem Fohlen verkaufen oder tauschen wollte? Und wo war er jetzt? Ich radelte also wieder Richtung Dorf, als Lajos mir auf dem Motorrad entgegenkam. Ich konnte die Verblffung auf seinem Gesicht lesen, als er wahrnahm, wer da auf dem Rad sa.

"Anne! Was machst du denn hier? Und wo hast du die Kleine gelassen?" herrschte er mich an. Ich fiel gleich mit der Tr ins Haus.

"Wo ist die kleine Stute mit dem Fohlen und warum steht eine Schimmelstute auf ihrem Platz?" Der eiskalte Blick meines Mannes schien mich zu durchbohren.

"Du warst also drauen im Stall?" fragte er gefhrlich ruhig. "Dann bist du auch aller Wahrscheinlichkeit nach dem Pferdetransporter noch begegnet!"

"Genau!" rief ich wutentbrannt. "Ich habe gesehen, wie die armen Tiere, ich wei nicht wohin, abtransportiert wurden! Und dann die Schimmelstute an der Seite meines Wallachs! Ist das deine Neuerrungenschaft? Warum hast du mir nichts davon gesagt?" Lajos stieg langsam vom Motorrad und kam auf mich zu.

"Hr mir mal zu, kleine Spitzelin! Die Stute hatte ich organisiert, ich habe also auch das Recht, mit ihr zu machen, was ich will! Da brauche ich dich nicht erst um Rat zu fragen! Und was die neue Stute betrifft, so la dir gesagt sein, da sie dich genausowenig etwas angeht, wie die andere, die brigens morgen schon in der Wurst sein wird, wenn du es denn so genau wissen willst!" fgte er hmisch grinsend hinzu. Ich war wie vom Blitz getroffen. Wie konnte er nur so roh und unbeteiligt von dem armen Tier sprechen, dem weiter nichts gefehlt hatte, als ein bichen Zuwendung und gutes Futter.

"Und da du das Kind so gut untergebracht zu haben scheinst, wolltest du sicherlich auf deinem fetten Vieh einen kleinen Ausritt unternehmen, stimmt's?" meinte er argwhnisch. Ich hatte keinen Grund, es zu leugnen.

"Ja, ich wollte ausreiten, auf meinem eigenen Pferd! Und da hast du mir nicht dreinzureden, Lajos! Auch ich habe Rechte, nicht nur Pflichten!" wies ich ihn zurecht. Doch das schien ihm nicht zu gefallen. Er packte meinen Arm mit einem schmerzhaften Griff, so da mir ein kleiner Schmerzensschrei entfuhr, und schaute mich starr an.

"Du hast das Recht, bei deinem Kind zu sein und die Hausarbeit zu verrichten! Sei froh, da du noch nicht arbeiten mut, wie all die anderen Frauen und Mtter! Wie wolltest du da noch Zeit finden, fr solch lcherliche Dinge, wie Reiten! Ich verbiete dir ein fr alle Mal hier drauen in der Puszta zu erscheinen! Keine andere Hirtenfrau wird hier je herkommen - nur du! Die auslndische Extrawurst!"

"Aber ich habe mein Pferd hier, die anderen Frauen nicht!" wagte ich einzuwerfen.

"Nicht mehr lange!" zischte Lajos. "Ich werde es zu den anderen Pferden in die Herde stecken und dort bleibt es, bis es verreckt!"

"Nein!" schrie ich ihm entgegen. "Das kannst du nicht tun! Es ist mein Pferd und ich werde dafr sorgen, da es nach Hause kommt. In der Garage ist mehr als genug Platz, denn ein Auto werden wir wohl nie haben, dazu reicht das Geld nicht! Und fr sein Futter werde ich selbst aufkommen! Und reiten werde ich, wann ich will!"

"Und das wirst du nicht!"

"Und das werde ich doch!"

"Du hast hier berhaupt keine Rechte! Du bist Auslnderin, arbeitest nicht und gehrst nicht zum Staatsgut - du bist ein Nichts!" brllte mein Mann mich an, dann hob er die Hand, wie zum Schlag, lie sie aber wieder sinken, trat wtend gegen sein Motorrad und fuhr dann mit aufheulendem Motor davon. Dies war der Moment, ab welchem ich begann, mich ernsthaft um die ungarische Staatsbrgerschaft zu bemhen. Die Jahreszeiten kamen und gingen und es wurde wieder Frhling. Da erreichte mich eines Tages ein Telegramm, da meine Gromutter gestorben sei und Anfang der nchsten Woche beerdigt werden sollte. Ich rief sofort meine Eltern an, da ich, sofern mglich, mit dem nach Deutschland fahren wrde, Ankunftstag und Zeit wrde ich noch durchgeben, damit mich jemand vom Bahnhof abholen knne. So weit, so gut. Jetzt mute ich mir nur noch eine Fahrkarte besorgen. Am Schalter unseres kleinen Bahnhofs grte mich der Beamte freundlich.

"Na, Frau Molnr, wo soll es denn hingehen?"

"Nach Deutschland und zurck und zwar die Hinfahrt so schnell wie mglich, sptestens aber am Freitag." war meine Antwort.

"Das macht 300 deutsche Mark." wies mich der junge Mann an. Mir verschlug es die Sprache.

"Wieso denn deutsche Mark? Die besitze ich ja gar nicht! Seit ich die ungarische Niederlassungsgenehmigung habe, ist es mir doch verboten, auslndisches Geld zu haben!"

"Sie haben aber noch einen deutschen Pa und deshalb mssen Sie in Mark bezahlen." war die lakonische Antwort. Mir wurde ganz hei.

"Schauen Sie, meine Gromutter ist gestorben und ich mu dringend zu ihrer Beerdigung - gibt es denn keine Lsung fr mein Problem?" Der Beamte zuckte die Schultern.

"Da mten Sie schon nach Debrecen auf die Hauptstelle der Bahn und vielleicht auch mit der ungarischen Nationalbank reden, vielleicht machen die dort eine Ausnahme. Ihr Fall ist ja sowieso kein Gewhnlicher!" lchelte er mich an. Ich rannte also wieder nach Hause und brachte Marika bei Bekannten unter. Dann schrieb ich ein paar Zeilen fr Lajos und nahm den nchsten Zug nach Debrecen. Viel Zeit blieb mir ja nicht mehr, wenn ich Freitag fahren wollte und jetzt war schon Mittwoch! Auf dem Bro der ungarischen Staatsbahnen hrte man sich hflich meine Erklrungen an, dann schttelte die Dame den Kopf.

"Meine liebe Frau, Sie sind ein ganz ungewhnlicher Fall. Ich verstehe, da Sie als hier lebende Auslnderin keine westlichen Devisen besitzen drfen, wir jedoch drfen uns nur nach dem Pa richten und der Ihre ist deutsch, also mssen Sie in deutschem Geld bezahlen!" meinte sie achselzuckend. Als sie das Unverstndnis in meiner Miene sah, setzte sie trstend hinzu. "Sie versuchen es vielleicht einmal bei der Staatsbank hier gegenber, eventuell knnen die Ihnen weiterhelfen."

"Vielen Dank!" meinte ich, vielleicht ein wenig sarkastisch und beeilte mich, die Bank aufzusuchen. Dort schickte man mich zuerst von einem Schalter zum anderen, bis sich endlich eine ltere Dame meiner erbarmte und in die Chefetage telefonierte.

"Der Verantwortliche Abteilungsleiter ist jetzt fr Sie zu sprechen," wies sie mich an, "Zimmer 315, dritter Stock, zweite Tr rechts."

"Haben Sie recht herzlich Dank!" rief ich ihr zu, dann verschwand ich Richtung Treppe, einen Aufzug gab es hier nicht. In dem genannten Zimmer empfing mich ein jngerer Mann, der sich in aller Ruhe meinen schwierigen Fall erlutern lie. Als ich geendet hatte, schttelte er traurig den Kopf.

"So leid es mir tut und so gut ich Ihren Fall verstehen kann, ich kann hier nichts fr Sie tun. Da mten Sie schon nach Budapest auf die Hauptgeschftsstelle fahren! Vielleicht knnen die Ihnen eine Sondergenehmigung ausstellen."

"Und wann knnte ich dort vorsprechen?" fragte ich eilig, denn ich kannte nur zu gut die raren ffnungszeiten der staatlichen Einrichtungen.

"Freitags von 14 bis 17 Uhr und Montags von 10 bis 12 Uhr ist die Hauptstelle fr private Kunden geffnet." teilte mir der Mann mit.

"Aber ich mu sptestens am Freitag Mittag den Zug nach Deutschland nehmen!" fuhr ich rgerlich auf. Hatte der Mann denn gar nichts verstanden?

"Das tut mir leid, aber das wird wohl nicht gehen, auf Wiedersehen!" Damit wies er auf die Tr und ich mute zhneknirschend klein beigeben. Als ich wtend aus der Bank schritt, kam mir eine Idee. Ein kleiner Hoffnungsfunke zwar, aber immerhin. Ich ging wieder zur Bahn. Zum Glck war die Frau von vorhin noch da und der Schalter eben frei. Sie schaute mich erstaunt an, als ich mich ber den Tisch beugte und zu flstern begann.

"Wrden Sie gegebenenfalls einen Herkunftsbeweis der Devisen verlangen?" fragte ich leise. Die Frau schttelte den Kopf.

"In Ihrem Falle gengt es mir, wenn Sie die Fahrkarte mit deutschem Geld bezahlen, ich werde nicht fragen, woher das Geld stammt!" flsterte sie ebenso leise zurck. Ich atmete tief durch.

"Herzlichen Dank, ich komme morgen frh wieder, sind Sie dann im Dienst?"

"Ja, ab acht Uhr bis Mittags."

"Dann also bis morgen!" verabschiedete ich mich und rannte weiter zum Bahnhof, wo ich gerade noch einen Bummelzug nach Hortobgy erwischte. Zuhause suchte ich eine befreundete Familie auf, von der ich wute, da sie sich die im Sommer vermieteten Fremdenzimmer mit auslndischer Whrung bezahlen lie. Als ich dort meinen Fall erklrte und ihnen versprach, von Deutschland den geliehenen Betrag in Mark wieder mitzubringen, hndigte mir die Frau das Geld ohne weiteres aus. Auf Treu und Glauben. So war das nun einmal in Ungarn! Jetzt mute ich nur noch mit Lajos reden, Marika irgendwo fr eine Woche unterbringen und dann konnte es losgehen! Mein Mann war schon zuhause, als ich mit der Tochter dort eintraf. Er empfing mich ziemlich griesgrmig, denn ich hatte keine Zeit gehabt, etwas zu Essen vorzubereiten und meine kurze Nachricht hatte ihn auch nicht sehr erfreut.

"Na, was ist? Fhrst du zur Beerdigung? Und was wird aus dem Kind?"

"Ich werde Freitag frh aufbrechen, dann Mittags von Budapest aus nach Deutschland fahren und dort am Montag an der Beisetzung teilnehmen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch fahre ich dann wieder zurck und bin sptestens Mittwoch Nacht wieder zuhause. Inzwischen will sich die Nachbarin um das Kind kmmern, aber du mtest dich organisieren, damit die Tiere hier gefttert werden." meinte ich in seine Richtung. Lajos berlegte kurz, dann zuckte er mit den Achseln.

 
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