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PUSZTASTRME 5

TRAURIGE ZEITEN

Ende September verstarb ganz pltzlich Katas Tante, welche sie seit ihrem "Verkauf" an die Witwe Kovcsy nicht mehr gesehen hatte. Kata erhielt aus dem Nachla zwei kleine Gemlde und ein wenig Geld, der grte Teil des Vermgens der alten Tante ging aber an wohlttige Stiftungen. Als Kata von dem Notar die beiden Gemlde ausgehndigt bekam, erstarrte sie. Beide waren ganz im Stile Tibors gemalt, aber statt mit "Tibor" gezeichnet zu sein, stand in der einen Ecke "T. Balassy"! Verwundert und erschrocken fragte Kata den Notar, ob er wisse, wer die beiden Gemlde angefertigt hatte – und die Antwort des alten Mannes lie sie erstarren.

"Der Knstler heit Tibor Balassy, so sind die Gemlde auch gezeichnet. Der Maler hat eine ganz eigene Geschichte: Er ist der Sohn der Grafen Balassy, hat sich aber schon vor langer Zeit mit seiner Familie berworfen, weil er eine knstlerische Laufbahn einschlagen wollte und keine militrische, wie sie sein Vater von ihm, als dem ltesten Sohn und Erben, verlangte. Seit einiger Zeit geht jedoch das Gercht um, der junge Mann sei auf einer seiner Entdeckungsreisen verschollen. Deshalb sind seine Bilder jetzt auch sehr gefragt und erzielen hohe Preise – sollet ihr also einmal in Geldnot sein, verkauft die Bilder, sie werden euch eine schne Summe Geld einbringen!" schlo der Notar seinen Bericht. Kata dankte ihm fr seine Erklrungen und wute spter nicht mehr, wie sie auf die Strae gekommen war.

"Ein Graf!" flsterte sie mit erstickter Stimme. "Er ist ein Graf und Erbe einer grflichen Familie!" Ziellos irrte sie fr Stunden vllig durcheinander in der Stadt umher. Sie dachte nicht daran, da er auf sie wartete, dachte nur daran, da er sie in wenigen Wochen als seine Frau heimfhren wrde. Sie, die Tochter eines Pferdehirten, geschndet und nicht seinem Stand entsprechend! Warum hatte er ihr das nicht gesagt? Dann htte sie ihm nie ihre Liebe gestanden! Wie konnte sie es wagen, die Frau eines so hochgeborenen Mannes zu werden? Und wenn er sich eines Tages wieder mit seiner Familie vershnen wrde? Diese Familie wrde sie nie in ihren Kreisen akzeptieren, sollte einmal herauskommen, welcher Abstammung sie war und was sie alles hatte durchmachen mssen! Trnenblind irrte Kata durch die Straen und kam am Ende immer wieder zu dem einen Schlu: Sie mute ihrer Liebe entsagen, um dem geliebten Mann die Mglichkeit zu geben, eine standesgeme Ehe eingehen zu knnen! Aber sagen konnte sie ihm das nicht, er wrde nur lachen und sie zrtlich einen kleinen Dummkopf schimpfen. So beschlo sie, dem Rat des Notars zu folgen und die Bilder schweren Herzens zu verkaufen, waren sie doch die einzige Erinnerung an den geliebten Mann. Mit dem Geld knnte sie dann so lange berleben, bis sie eine Arbeit gefunden hatte, denn ins Kloster wollte sie nicht wieder zurck, zu viele Erinnerungen wrden immer wieder in ihr geweckt werden.

Sie fand endlich eine Galerie, wo man ihr fr die beiden Gemlde eine groe Summe aushndigte. Mit diesem und dem Geld der Tante versehen machte sie sich auf die Suche nach einer Arbeit. Im Westen zogen dunkle Wolken auf und der Wind blies schon einige Regentropfen ber die Stadt, welche sich auf dem traurigen Gesicht des jungen Mdchens mit ihren Trnen vermischten. Es zerri ihr fast das Herz, ihrer Liebe zu entsagen, doch mute sie es fr IHN tun. Sie durfte ihn nicht zu sich herab ziehen, deshalb gab sie ihn frei, auch wenn SIE sicher niemals mehr glcklich werden wrde. Zuerst dachte sie, ihm einen Abschiedsbrief zukommen zu lassen, doch dann sagte sie sich, da es besser sei, heimlich aus seinem Leben zu verschwinden. Als das Unwetter in seiner ganzen Heftigkeit losbrach, stellte sie sich unter die Arkaden eines groen Herrenhauses und beschlo das Ende des schlechten Wetters abzuwarten, bevor sie sich nach Arbeit umsehen wrde. In diesem Moment fuhr eine schne, von zwei herrlichen Rappen gezogene Kutsche vor und eine vornehme Dame entstieg ihr eilends, um dem Regen zu entgehen. Als sie unter den Arkaden vor der Eingangstr anlangte, sah sie das frierende, nasse Mdchen dort stehen. Ihr gutes Herz gebot ihr, dem jungen Ding anzubieten, sich im Hause aufzuwrmen und eine Tasse heier Suppe zu genieen. So wendete sie sich an Kata:

"Hast du keinen Ort, an dem du Zuflucht bei diesem schlechten Wetter nehmen kannst?" fragte sie mit angenehmer Stimme. Kata schttelte zitternd den Kopf.

"Nein, sehr verehrte Dame!"

"Dann komm bitte herein, ich werde dich in die Dienstbotenrume fhren lassen, dort kannst du dich trocknen, eine Tasse heie Suppe essen und warten, bis das Unwetter vorbei ist.

"Habt vielen Dank, edle Dame!" hauchte Kata und folgte der Einladung, ins Haus zu treten auf der Stelle. Dort wies sie die Hausherrin an einen der Diener, welcher Kata in die Kche fhrte und sie der Obhut der Kchin berlie. Diese, eine beleibte Frau mittleren Alters mit einem gutmtigen Gesicht und einem groen Herzen, hatte sogleich Mitleid mit der durchgefrorenen Gestalt.

"Komm her mein Kind, hier setzt dich, am Ofen ist es schn warm und auch deine Kleider werden im Nu wieder trocken sein!" meinte sie zu Kata, die ihr widerstandslos gehorchte und sich auf einen Schemel vor dem Ofen niederlie. dabei ging der Redeflu der Kchin ununterbrochen weiter.

"Hier i nur diese feine Suppe, das ist die Lieblingssuppe der Herrschaften! Die gibt Kraft und stillt den Hunger!" Damit reichte sie Kata eine groe Tasse mit heier Suppe, welche Kata heihungrig auslffelte.

"Wer bist du und was machst du bei solch einem schlimmen Wetter drauen auf der Strae?" wollte die Kchin weiter wissen, whrend sie mit einem groen Lffel in einem kupfernen Topf rhrte.

"Ich heie Kata Molnr und war auf der Suche nach Arbeit, als mich das Wetter berraschte." gestand Kata schlielich. Die Kchin schttelte nur den Kopf.

"Da hast du dir aber einen schnen Tag ausgesucht, um dich nach Arbeit umzuschauen. Was kannst du denn?" fragte sie dann das junge Mdchen.

"Ich bin mit Pferden aufgewachsen und wei sehr viel ber deren Haltung und Pflege, auerdem kann ich sehr gut reiten und kutschieren." meinte Kata. "Auerdem wei ich einiges ber Krankenpflege, war Gesellschafterin und habe auch schon als Dienstmdchen in einem groen Haus gearbeitet." fgte sie hinzu.

Die Kchin dachte nach und in diesem Moment war auch ihr Redeschwall versiegt. Dann rief sie pltzlich:

"Natrlich, warum habe ich nicht gleich daran gedacht!" Erstaunt schaute Kata auf.

"Woran denn?" fragte sie neugierig.

Die Kchin lchelte ihr aufmunternd zu und meinte:

"Die Herrschaften suchen eine Gesellschafterin fr die betagte Mutter der Grfin. Die alte Dame wohnt hier im Haus, traut sich aber alleine nicht mehr so recht auf die Strae und da die Herrschaften sehr oft verreist sind, langweilt sie sich unsglich. Deshalb sucht man schon seit lngerem nach einer Gesellschafterin, aber noch haben sie kein Mdchen gefunden, das der alten Dame recht gewesen wre. Du knntest es ja wenigstens einmal versuchen." munterte sie Kata auf. Das junge Mdchen nickte nachdenklich.

"Sicher, versuchen schadet ja nichts! Aber wie knnte ich mich in meinem Aufzug hier vorstellen?"

"Ach, Kindchen, du siehst besser aus, als die meisten, die sich schon um diese Stelle beworben haben und auch deine Manieren sind anstndig, du weit dich zu benehmen und das ist die Hauptsache. Ich werde gleich mit der Zofe der Herrschaft reden, vielleicht kannst du ja schon gleich dich bei der alten Dame vorstellen." Damit rief die Kchin ein Kchenmdchen herbei, bergab dieser die Aufsicht ber die Tpfe und suchte die Zofe. Nach einer ziemlichen Weile kamen die beiden zurck. Die Zofe musterte mit unverhohlener Neugierde das junge Mdchen, dann aber nickte sie und meinte:

"Ich soll dich nach oben bringen! Folge mir!" Kata strich sich ihre noch immer nassen Haare aus der Stirn, schaute, ob ihre Kleidung auch ordentlich sei und folgte dann der Zofe durch mehrere Gnge und ber einige Treppen bis zu einer Zimmertr aus schwerer Eiche. Dort klopfte die Zofe an und ffnete, nachdem von drinnen ein lautes "Herein!" erklungen war. Furchtsam trat Kata hinter der Zofe ein und sah eine kleine, alte Frau, deren Zge trotz der vielen Falten, die sie jetzt durchzogen, einst sehr schn gewesen sein muten. Die Grfinmutter trug ein dunkelblaues Tageskleid, ihre ergrauten Haare waren zu einer Frisur hochgesteckt, welche schon seit langem aus der Mode gekommen war und ihre grnen Augen blickten durchdringend auf Kata, welche nun tief knickste.

"Hier bringe ich euch noch eine Anwrterin fr den Posten als eure Gesellschafterin." meinte die Zofe, dann lie sie die beiden allein.

"Komm her!" befahl die alte Grfin mit fester Stimme dem jungen Mdchen und Kata nherte sich dem bequemen Sessel, in welchem die alte Dame sa.

"Wie heit du, wer bist du und wo kommst du her?" schnarrte sie.

"Euer Durchlaucht, mein Name ist Kata Molnr, ich wurde in der Puszta geboren und habe schon als Gesellschafterin und Krankenpflegerin sowie Dienstmdchen in greren Husern gearbeitet. Zum Beispiel bei der Barone Szkelyi." Das war ihre verstorbene Tante. "Die Krankenpflege habe ich im Kloster erlernt und auch ausgebt, die Mutter Oberin wird euch sicher Auskunft ber mich geben." fgte sie noch an.

Die Grfin schaute ihr in das offene Gesicht und was sie sah, sagte ihr zu.

"Ich will es mit dir versuchen." beschlo sie pltzlich. Und Kata wurde vor Erleichterung pltzlich ganz schwach in den Knien.

"Ich werde meine Zofe rufen, sie soll dir das Zimmer neben mir richten, damit ich dich immer erreichen kann. Dann soll sie dir ein paar neue Kleider besorgen und auch sonst noch alles, was ntig ist." ordnete sie an. Kata knickste.

"Ich habe selbst ein wenig Geld, damit kann ich mir die Sachen selbst kaufen, da habt ihr keine Ausgaben fr mich zu ttigen!"

"Das ist ein sehr lobenswerter Vorschlag von dir, mein Kind, aber ich bin es gewohnt, mein Personal einzukleiden, deshalb behalte dein Geld nur!" wies sie die alte Dame an. Dann schien ihr noch etwas einzufallen.

"Ach ja, ich bin die Grfin Lilian Szcsenyi, meine Tochter ist hier die Hausherrin." Damit entlie sie Kata, nachdem sie ihrer Zofe gelutet hatte. Diese richtete das kleine Zimmer fr Kata her und stellte sie dann dem Hauspersonal vor. Kata war froh, da sie so schnell eine Arbeit gefunden hatte, doch in der Nacht weinte sie sich in den Schlaf. Ihre Gedanken gingen zu Tibor und was er wohl denken wrde. Vielleicht sollte sie ihm doch eine kurze Nachricht schicken? Aber schlielich fand sie es besser, heimlich fr immer aus seinem Leben zu verschwinden.

BERRASCHUNGEN

Tibor hatte derweil vergeblich auf Katas Heimkehr vom Notar gewartet. Zuerst hatte er gedacht, sie wrde noch auf den Friedhof gegangen sein und als das Unwetter ausbrach dachte er, sie habe vielleicht irgendwo Unterschlupf gefunden. Aber als sie selbst zur Abendzeit, als sich das Gewitter schon lange wieder verzogen hatte, noch nicht heimgekehrt war, bekam er wirklich Angst um sie.

"Was kann ihr nur zugestoen sein?" flsterte er heiser. "Sie ist doch sonst die Pnktlichkeit selbst! – Hoffentlich ist sie wohlauf!" Doch gleich darauf fuhr ihm ein weiterer Gedanke durch den Kopf:

"Sie kann nicht wohlauf sein, sonst htte sie mir eine Nachricht geschickt!" rief er verzweifelt aus. "Oh mein Gott! Warum bin ich nur immer noch so schwach! Ich htte sie zu dem Notar begleiten mssen!" warf er sich vor, wute aber doch im gleichen Augenblick, da er den Weg nie geschafft htte. So qulte er sich die ganze Nacht mit seinen ngsten und Selbstzweifeln, aber Kata kam nicht zurck. Als sie auch am nchsten Morgen nicht auftauchte, befrchtete Tibor das Schlimmste. Mit zitternden Hnden zog er sich an, doch mute er wieder den Rollstuhl bemhen, um an sein Ziel zu kommen, so schwach war er. Auf der Polizeiwache machte er dann seine Vermitenmeldung und der Beamte vor ihm schaute ihn mitfhlend an. Dieser schne, arme Mann war wirklich in hchster Aufregung um den Verbleib seiner Braut, der Beamte konnte Tibor aber zumindest dahingehend beruhigen, da Kata weder unter den wenigen Toten noch unter den verletzt in die Krankenhuser Verbrachten der letzten Nacht war. Er versprach Tibor, diesen sofort zu benachrichtigen, sollte die Polizei etwas ber den Verbleib des jungen Mdchens erfahren und damit mute sich der Maler vorerst zufrieden geben. Als aber nach drei Tagen noch immer keine Nachricht eingegangen war, war der junge Mann der Verzweiflung nahe. Er verbrachte die meiste Zeit eingeschlossen in seinem Zimmer, lag apathisch auf seinem Bett und hoffte und betete. Als das Ende des Monats nher rckte und die Miete fllig wurde, mute er sich fr kurze Zeit aus seiner Einsamkeit reien. Schon lange hatte er kein Bild mehr verkauft, das Geld wurde knapp und so beschlo er, seine zuletzt angefertigten Gemlde mit Szenen aus der Wste seiner Galerie anzubieten. Er mietete eine Droschke und lie sich bis vor die Galerie fahren. Dort rief er einem kleinen Jungen zu, doch fr ein paar Kreuzer seine Bilder in die Galerie zu tragen, whrend er, schwer auf seine Krcken gesttzt, folgte. Der Besitzer der Kunstgalerie begrte den jungen Maler freundlich und war freudig verwundert, zu sehen, da dieser seine Beine wieder gebrauchen konnte.

"Tibor, mein Junge! Ich kann meinen Augen kaum glauben! Seit wann knnt ihr denn wieder laufen?" fragte er den Maler.

"Seit ein paar Monaten schon." antwortete Tibor, "doch mu ich erst noch meine volle Kraft wiedererlangen. – Aber deshalb bin ich nicht gekommen. Ich mchte meine neuen Werke verkaufen. Alles Impressionen aus der Wste." Damit wies er den kleinen Jungen an, die Bilder aufzustellen. Daraufhin erhielt der Knabe sein Geld und verschwand aus dem Laden, auf der Suche nach neuen Kunden. Der Galerist schaute mit sachverstndigen Auge auf die Gemlde. Besonders eines von ihnen zog seine Aufmerksamkeit auf sich.

"Wie ist der Titel dieses Gemldes?" fragte er Tibor und deutete auf das Bild, auf welchem ein junger Mann ein schnes Mdchen im Arm hlt, whrend ein Sandsturm im Abklingen begriffen ist.

"Im Angesicht des Todes!" meinte Tibor mit rauher Stimme, die zu brechen drohte, als er sich vergegenwrtigte, da Kata vielleicht jetzt schon tot sein knnte. Den Sandsturm hatten sie berlebt, aber jetzt .....?

"Ein ergreifenden Werk!" rief der Galerist aus, der nicht zu merken schien, in welcher seelischen Verfassung der Knstler sich befand.

"Dieser Schmerz in den Zgen des jungen Mannes – und dieser Frieden auf dem Gesicht des Mdchens – ein wahres Meisterwerk, mein Freund!" Tibor konnte seinen Blick nicht mehr auf die Bilder richten, es wollte ihm das Herz brechen. Doch der Galerist holte auch schon das Geld, einen satten Vorschu wollte er dieses Mal dem jungen Knstler zahlen, denn er rechnete damit, die Werke zu hohen Preisen verkaufen zu knnen. Da fiel ihm pltzlich noch etwas ein.

"Ich habe vor kurzer Zeit zwei eurer frhen Werke von einem unbekannten Mdchen angeboten bekommen. Sie meinte, es wren Stcke aus dem Nachla der Barone Szkelyi, da sie aber dringend Geld brauchte, mute sie sie wohl oder bel verkaufen! Zwar habe ich sie noch nicht verkauft, aber sie waren es mir wert, vielleicht behalte sie ich ja sogar selbst!" meinte er schmunzelnd und zeigte auf die beiden Gemlde, welche Kata ihm verkauft hatte.

Bei dem Wort Nachla der Barone Szkelyi und junges Mdchen blitzte es wie Verstehen durch Tibor.

"Kann ich die beiden Bilder einmal sehen?" fragte er mit vor Erregung heiserer Stimme.

"Aber natrlich, mein Junge, warum denn so aufgeregt?" wollte der Galerist wissen, aber er erhielt keine Antwort von dem jungen Mann. Mit bebendem Herzen schaute Tibor auf seine Unterschrift, welche auf den beiden Gemlden prangte: "T. Balassy". Es waren Werke aus einer Zeit, als er noch im Hause seiner Eltern malte, als es noch nicht zum Bruch zwischen ihnen gekommen war. Wenn das junge Mdchen, welches die Bilder verkauft hatte, wirklich Kata gewesen war, dann konnte sich sein sensibler Verstand denken, warum sie verschwunden war! Zum einen empfand er Erleichterung, da ihr wahrscheinlich nichts Schlimmes zugestoen war, zum anderen aber wute er instinktiv, da er sie fr immer verloren hatte. Einen einfachen Maler konnte sie lieben und ihm angehren, einen Grafen Balassy aber konnte sie zwar lieben, ihm aber nicht angehren. Das junge Mdchen war so feinfhlig, da er sofort verstand, warum sie ihn ohne Nachricht verlassen hatte. Sie hatte ihrer Liebe zu ihm SEINETWEGEN entsagt!

"Oh mein Gott!" schluchzte der junge Maler auf, als er die Wahrheit erkennen mute. Kata, seine geliebte, se Kata hatte ihn wenige Tage vor der Hochzeit auf immer verlassen! Warum mute sie auch ausgerechnet diese Gemlde von ihm erben?! Warum nur hatte er ihr nicht gestanden, wer seine Eltern waren und wer er in Wirklichkeit war?! Aber fr ihn hatte das keine Rolle gespielt! Er liebte Kata mit jeder Faser seines Herzens – auerdem hatte er sich ja gerade deshalb von seiner Familie losgesagt, weil sie ihm die Selbstverwirklichung verbieten wollte, weil er in den Zwngen der adeligen Gesellschaft gefangen gewesen war! Ihm hatte es gengt, um die Reinheit ihrer Seele zu wissen. Nur Kata war von seiner Herkunft, die sie so pltzlich und unerwartet erfahren hatte, erschrocken und hatte wohl auch aus Furcht vor den Konsequenzen und seiner Familie ihrer Liebe entsagt. Warum nur hatte er nicht offen ber alles gesprochen? – Nun war es zu spt! Zu spt, ihr ber seine Herkunft persnlich reinen Wein einzuschenken, zu spt ihr zu erklren, da er sie so sehr liebe, da nichts anderes mehr zhlt, zu spt, um ihr zu beweisen, da nicht die Abstammung zhlt, sondern der Mensch. Zu spt auch, an eine Hochzeit zu denken. Zu spt, zu spt! Die Wucht der Erkenntnis lie den jungen Mann wanken und wenn der erschrockene Galerist ihm nicht einen Stuhl geholt htte, auf dem Tibor sich schwerfllig niedersinken lie, wre der Maler wohl zusammengebrochen. Auch so bedeckte kalter Schwei sein Gesicht, er zitterte an allen Gliedern und Trnen rannen ihm aus den Augen.

"Was ist denn los, mein Junge!" rief der Galerist erschrocken aus. "Ist euch nicht wohl? Soll ich nach einem Arzt schicken?" Aber Tibor sa nur da, in sich zusammengekauert und mit der Fassung ringend. Endlich hatte er sich wieder so weit in der Gewalt, da er den Kopf heben und dem Galeristen sagen konnte:

"Nein danke, es geht mir wieder besser, ich bentige auch keinen Arzt, denn fr mich gibt es keine Medizin!" seufzte er leise. In seinem Falle konnte er nur auf sich selbst zhlen und hoffen, da es ihm gelingen mge, seine Braut zu finden und sie davon zu berzeugen, da ihre Liebe zueinander mehr wert war, als alles andere. Er lie sich von dem Galeristen eine Kutsche rufen, dankte ihm fr den Vorschu auf seine Bilder und lief, schwer auf seine Krcken gesttzt, den kurzen Weg bis zu dem am Straenrand wartenden Fiaker, welcher ihn als einen seelisch gebrochenen Mann nach Hause brachte. Trotz allem hatte er aber doch wieder einen Funken Hoffnung geschpft und so verbrachte nun die meiste Zeit damit, seine Beine zu krftigen, damit sie es ihm erlauben mochten, zu Pferd und zu Fu nach Kata zu suchen.

Diese hatte sich inzwischen bei der Grfin Szcsenyi gut eingelebt und war bald von der alten Dame zu ihrer Vertrauten gemacht worden. An dem Tag, welcher eigentlich ihr Hochzeitstag htte werden sollen, war Kata tief bedrckt, denn es schmerzte sie noch immer sehr, ihrer Liebe entsagt zu haben. Die Grfin merkte dies und stellte Kata zur Rede.

"Mein liebes Kind, du bist heute so traurig. Hast du Kummer?" fragte sie mitfhlend und Kata nickte.

"Heute wre mein Hochzeitstag gewesen!" seufzte sie. "Aber ich habe um seinetwillen meiner Liebe entsagt." fgte sie schlielich fast stolz hinzu.

"So hast du ihn also mehr geliebt, als alles andere auf der Welt." stellte die Grfin trocken fest. "Das ist sehr lobenswert von dir und bestrkt mich nur in meinem Gefhl, da du es wert bist, meine Gesellschafterin zu sein, denn du hast ein Herz aus Gold!" Dabei seufzte auch sie auf.

"Schau mein Kind, um dich ein wenig zu trsten, will ich dir auch etwas anvertrauen: Heute ist der dreiigste Geburtstag meines ltesten Enkelsohnes – aber ich wei noch nicht einmal, ob er noch am Leben ist." Dieses Gestndnis verwunderte und erschreckte Kata sehr: War es reiner Zufall oder eine Fgung des Schicksals, da sie einen Mann kannte und liebte, welcher das gleiche Alter wie der vermite Enkel hatte? Kaum traute sie sich die folgenden Worte auszusprechen:

"Grfin, heit euer Enkelsohn vielleicht – Tibor?"

"Woher weit du das?" fuhr die alte Dame erschreckt auf. "Ja, ja, Tibor Balassy. Er stammt aus der ersten Ehe meiner Tochter mit dem Grafen Balassy. Dieser starb sehr frh und dann heiratete meine Tochter ihren jetzigen Ehemann, der den kleinen Tibor aber wie ein eigenes Kind aufzog!" Sie starrte Kata mit unverhohlener Freude an:

"Kennst du meinen Tibor? Weit du, was mit ihm geschehen ist und wo ich ihn finden kann?"

"Ja, gndige Frau Grfin, ich kenne euren Enkelsohn, wei einiges von seinem Schicksal und kann euch auch sagen, wo ihr ihn finden knnt."

"Mein Kind, du gibst mir das Glck zurck!" lchelte die alte Dame unter Trnen. "Als er sich mit seinen Eltern berwarf, wollte ich schlichten, doch mein guter Wille, die Familie zu erhalten wurde mir von beiden Seiten als unerwnschte Einmischung in ihre Probleme ausgelegt. Tibor verschwand und meine Tochter, trotzig und stolz, war nicht bereit, eine Ausshnung zu versuchen. Tibors Stiefvater war es nur recht, so wrde einer seiner Shne den Titel erben. Ich aber suchte meinen Enkel, doch vergebens, er schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Komm, setzt dich doch und erzhle mir von meinem geliebten Enkelsohn!" bat sie Kata, die der Aufforderung Folge leistete und sich neben die alte Dame auf das Sofa setzte.

"Euer Enkel ist wohlauf und lebt nicht weit von hier, in einem anderen Teil von Buda." begann das junge Mdchen seinen Bericht.

"Ich lernte ihn kennen, als er im Spital der heiligen Frauen war, denn dort war ich seine Pflegerin und Gesellschafterin."

"War er denn krank, mein geliebter Junge?" wollte die Grfin aufgeregt wissen. Kata schttelte den Kopf.

"Er war nicht krank, aber hatte den Gebrauch seiner Beine verloren - er war gelhmt!" hauchte sie, berwltigt von der Erinnerung an den hilflosen jungen Mann, dem sie seine Lebensfreude wiedergeben konnte.

"Mein Gott, was fr ein schlimmes Schicksal!" seufzte die Grfin erschttert. "Aber du sagtest vorhin, da er wohlauf sei – darunter kann man aber wohl kaum jemanden verstehen, der seine Beine nicht bewegen kann?"

"Er ist gesund und kann sich wieder bewegen, wenn es auch noch einige Zeit dauern wird, bis er wieder ganz der alte Sportsmann ist." bekrftigte Kata.

"Dann klre mich bitte ber alles auf." bat die alte Dame und Kata setzte ihren Bericht fort. Sie erzhlte von der Zeit im Spital, seinen Bildern, seinen Wnschen und Sehnschten, beschrieb seine Wandlung von einem verschlossen, in Selbstmitleid versunkenen Mann, welcher Selbstmordgedanken hegte zu einem frhlichen, sein Schicksal akzeptierenden Menschen, der ihr schlielich seine letzte Reise bis aufs kleinste Detail hin beschrieben hatte. Sie beschnigte nichts – und schlielich beschrieb sie, wie sie zu erkennen geglaubt hatte, da seine Behinderung durch den Fluch eines beleidigten Beduinen-Sheiks hervorgerufen sein konnte. Unglubig schttelte die alte Grfin immer wieder den Kopf, mute aber im weiteren verlauf von Katas Bericht einsehen, da das junge Mdchen Recht behalten hatte.

"Ich verkaufte also mein ganzes Erbe, um Tibor und mir die Reise nach gypten zu ermglichen." fuhr Kata fort. "Es war sehr schwer fr ihn, als Gehbehinderter auf so eine anstrengende Reise zu gehen, aber er hat alle Strapazen gut verkraftet. Wir gelangten nach einigen Tagen in der Wste mit unserem Fhrer zu dem Beduinendorf. Ali trug Tibor zum Sheik des Stammes und euer Enkel bat den Sheik um Verzeihung, da er das Gastgeschenk damals nicht angenommen habe. Er habe seine Bestrafung verdient, doch htte seinige jetzige Reise den Zweck, ihn mit dem Sheik auszushnen. Dieser erwies sich als ein einsichtiger Mensch, Tibor akzeptierte das fr ihn ausgewhlte Geschenk und der Sheik erhielt von eurem Enkelsohn eine in den Augen dieser armen Menschen reiche Gegengabe. Der Sheik aber belehrte Tibor, da nur eine groe Macht ihm den Gebrauch seiner Beine wiedergeben knne, er msse also warten und hoffen. Doch ein wenig enttuscht vom Ausgang der Sache machten wir uns wieder auf den Heimweg, als uns ein schrecklicher Sandsturm berraschte. Wir wurden in unserem Zelt verschttet und glaubten, unsere letzte Stunde sei gekommen, da wurden wir wie durch ein Wunder gerettet – und Tibor konnte seine Beine wieder bewegen! Unser Fhrer aber war im Sturm umgekommen. Die Pferde waren davongelaufen und nur unser Kamel war noch vorhanden. So erreichten wir glcklich die Botschaft, welche uns mit allen Mitteln untersttzte, damit wir nach Hause gelangen konnten. Dort half ich Tibor so lange, bis er krftig genug war, sich selbst versorgen zu knnen." schlo Kata ihren Bericht.

Die alte Grfin schaute ihr offen ins Gesicht:

"Ich danke dir fr diesen ausfhrlichen Bericht, mein Kind, auch wenn du die Hauptsache ausgelassen hast!"

"Die Hauptsache?" fragte das junge Mdchen verwundert.

"Natrlich, mein Kind. Oder hltst du mich fr so unerfahren und blind, da ich nicht wte, da du dich unsterblich in meinen Nichtsnutz von Enkelsohn verliebt hast?" schmunzelte sie.

Das junge Mdchen errtete und schlug schamhaft die Augen nieder.

"Ich wollte euch nicht belgen oder etwas vorenthalten, glaubte aber, die Sache gehre nicht hierher – auerdem ist sie beendet." schluckte sie tapfer ihre Trnen hinunter. Doch die alte Grfin war nicht so leicht zu befriedigen.

"Du sagtest, heute sei eigentlich dein Hochzeitstag gewesen – wolltest du Tibor heiraten?" fragte sie und schaute Kata dabei fest in die Augen. Vor diesem Blick wagte das junge Mdchen keine Ausflchte.

"Ja, Grfin, euren Enkelsohn! Glcklicherweise aber erfuhr ich noch rechtzeitig, da es sich bei meinem Brutigam keineswegs um den armen Maler Tibor handelt, sondern um einen Grafen Balassy. So verzichtete ich um seinetwillen auf meine Liebe." hauchte sie mit ersterbender Stimme und wendete sich ab, damit die Grfin ihre Trnen nicht sehen sollte. Doch diese fate sie mit ihrer knochigen Hand unter dem Kinn und drehte Katas Gesicht zu sich herum.

"Mein liebes Kind! Wenn mein Enkelsohn dich so liebt, wie du ihn, dann bist du es wert, seine Frau zu werden, gleich welchen Standes du bist!" stellte sie fest und lchelte dem jungen Mdchen aufmunternd zu. "Du hast eine reine Seele und ein gutes Herz, warum verzichtest du auf dein Glck? Komm, wir werden einen gemeinsamen Plan schmieden, der mir meinen Enkelsohn und dir den Brutigam zurckbringen wird."

RAUB DER BRAUT

Die alte Grfin machte sich also auf den Weg und lie Kata in einem Kaffeehaus zurck. Wenn ihr Plan gelingen sollte, dann wollte die alte Dame zusammen mit ihrem Enkel in das Kaffeehaus kommen und die beiden Liebenden wieder zusammenfhren. Whrend die alte Dame festen Schrittes die Strae hinunterging und in den Weg einbog, in welchem die Wohnung lag, welche Tibor bewohnte, nherte sich das Unheil in Gestalt des Barons Kovcsy von der entgegengesetzten Seite. Seine Kutsche hielt vor dem Kaffeehaus und bevor er absprang, wies er den Kutscher an, auf ihn zu warten. Kata bemerkte sein Eintreten nicht, da sie ganz in Gedanken versunken war. Sie stellte sich das Wiedersehen mit Tibor vor und konnte es nicht verheimlichen, da sie glcklich war. Als Baron Kovcsy durch das Lokal schritt, bemerkte er das junge Mdchen zunchst nicht. Doch einer der Kellner, welcher den Geschmack des Barons fr junge Mdchen kannte, gab diesem einen unaufflligen Wink zu Katas Tisch hin. Gbor drehte sich um – und war verblfft: Da sa Kata allein an einem Tisch und schien auf jemanden zu warten! Wenn sie so tief gesunken war, dann hatte er jetzt leichtes Spiel mit ihr! Er ging auf sie zu und sprach sie an. Kata fuhr beim Klang seiner Stimme auf, als ob sie der Blitz getroffen htte.

"Ihr!" entfuhr es ihr und ihre Augen glnzten vor Furcht.

"Wie schn, dich hier zu treffen!" grinste der Baron. "Du scheinst auf einen Freier zu warten, da werde ich dir ein wenig die Zeit verkrzen!"

Kata nahm all ihren Mut zusammen, der Baron wrde doch keinen Skandal wollen und sie hier vor all den Leuten blo stellen?

"Ich warte auf meinen Brutigam, den Grafen Balassy!" antwortete sie mit einer Stimme, die sie sich viel fester und sicherer gewnscht htte, als sie es in Wirklichkeit war.

"So, so!" lachte Baron Kovcsy. "Du lgst ja wie gedruckt! Der Graf ist seit Jahren verschollen und soll bald als tot erklrt werden! Wie knnte er da dein Brutigam sein?" zischte er jetzt wtend.

"Ich schwre euch, da der Graf lebt und mein Brutigam ist!" versicherte ihm Kata, doch vergeblich. Der Baron fate sie so schmerzhaft am Arm, da ihr ein leiser Wehlaut entfuhr.

"Du kommst jetzt ganz still mit mir, wage es nicht, um Hilfe zu rufen! Auerdem glaubt sowieso kein Mensch einer wie dir, da sie es mit ihrem Hilfeschrei ernst meinen knnte!" lachte er boshaft.

"Einer wie mir?" fragte Kata betroffen. "Was mein ihr damit?"

"Ich meine damit, da du bei mir in guter Gesellschaft sein wirst! Ich liebe leichte Mdchen – und auch Jungfrauen!" flsterte er heiser. "Ich glaube mich zu erinnern, da du vor einiger Zeit noch in die erste Kategorie gehrt hast! Jetzt natrlich nicht mehr!" grinste er hhnisch. Dann zog er Kata nach drauen zu seiner Kutsche, zwang sie zum Einsteigen und lie die Vorhnge fallen. Der Kutscher erhielt eine klare Anweisung und die Pferde zogen an. Nach kurzer Zeit erreichten sie eine Wechselstation, dort hatte der Baron immer einen unaufflligen Wagen mit zwei normalen Pferden stehen, fr alle Flle. Und jetzt war so ein Fall eingetreten. Da Kata sich wie eine Wildkatze wehrte, als sie sah, da sie in eine andere Kutsche steigen sollte, schlug er ihr mit der Faust so brutal an den Kopf, da sie bewutlos zusammenbrach. Als er sie in den zweiten Wagen getragen hatte, band er ihr Hnde und Fe mit Stricken zusammen und legte ihr einen Knebel an. Dann schwang er sich auf den Kutschbock und lie die Pferde antraben. In langen Tagesreisen ging es dann hinein nach Siebenbrgen, wo der Baron eine kleine, versteckte Jagdhtte besa, die sich fr das, was er nun vorhatte, hervorragend eignete.

Als die alte Grfin bei Tibors Wohnung anklopfte, rief dieser nur:

"Herein, wer immer es auch sei, ich bin gerade beschftigt!"

Seine Gromutter trat also in die Wohnung ein, fand ihren Enkelsohn aber erst im Garten unter einem in herbstlichem Laub stehenden Kirschbaum sitzend und ein Portrt malend. Als er ihre leichten Schritte hrte, drehte er sich verblfft um, im Glauben, es sei vielleicht seine Kata – und erstarrte.

"Gromutter – ihr!?" entfuhr es ihm, bevor er Pinsel und Palette ablegte, aufsprang, auf sie zueilte und sie mit seinen starken Armen umfing.

"Tibor, mein lieber Sohn!" schluchzte die alte Dame auf. "Ich bin ja so froh, dich wiederzuhaben! Und du kannst sogar wieder rennen, wie frher!"

Der junge Mann fuhr bei ihren letzten Worten auf:

"Gromutter! Woher knnt ihr wissen .....?"

"Von meiner Gesellschafterin – deiner Kata!" schmunzelte seine Gromutter, als sie sah, wie glcklich sein Gesicht bei ihren Worten wurde.

"Kata ist eure Gesellschafterin?" fragte er verblfft. "Wie ist denn das gekommen? Aber setzt euch doch, ich bin ja ein ganz miserabler Enkel!" lchelte nun auch er und bot ihr einen bequemen Gartenstuhl an.

"Ich will dir die Geschichte nicht vorenthalten." meinte die alte Grfin. "Aber Kata erwartet uns in einem Kaffeehaus nicht weit von hier, da kann sie dir alles selbst erklren."

Bei ihren Worten sprang Tibor wieder auf, obwohl er doch gerade erst Platz genommen hatte.

"Kata ist hier? Und sie will mich sehen?" fragte er mit einer Stimme, der man anhren konnte, da er sich nach dem geliebten Mdchen gesehnt hatte, wie noch kein Mensch zuvor, da er aber auch Angst hatte, das Treffen knnte sich nicht so abspielen, wie er es gerne htte. Doch seine Gromutter konnte ihn auch in diesem Punkt beruhigen.

"Ich habe deine Braut davon berzeugen knnen, da sie dir ebenbrtig ist. Ich wrde sogar sagen, " meinte sie schmunzelnd, "da du es in mancher Beziehung nicht wert bis, eine so edel gesinnte Braut mit einem so reinen Herzen zu besitzen." Tibor nahm diese Worte seiner Gromutter nicht bel. Zum einen wute er, da sie es nur im Scherz gemeint hatte, zum anderen war er sich dessen bewut, da sein Lebenswandel auch nicht immer ganz den vorgeschriebenen Normen entsprochen hatte. So lchelte er nur und bat:

"Genug der Worte, liebe Gromama! Bitte bringe mich so schnell wie mglich zu meiner Braut! Ich halte es kaum noch aus, bis ich sie wieder in meine Arme schlieen kann und ihr sagen kann, wie glcklich sie mich macht, indem sie meine Frau wird!" Die alte Grfin nickte und fhrte ihren Enkelsohn zu dem Kaffeehaus, in welchem sie Kata zurckgelassen hatte. Als sie durch die Tr eintraten, sah die Grfin sogleich, da Katas Tisch leer war. Auch Tibor schaute sich suchend nach dem geliebten Mdchen um.

"Ja wo ist sie denn, Gromutter?" fragte er erstaunt. "Ich hoffe nicht, da du dir nur einen Scherz mit mir erlaubt hast?" meinte er nun doch ein wenig bse. Seine Gromutter aber schttelte den Kopf.

"Mit einer so heiligen Sache, wie der Liebe, wrde ich nie scherzen, mein Sohn! Ich schwre dir, da ich Kata hier an diesem Tisch zurckgelassen habe, bevor ich dich aufsuchte."

"Vielleicht ist sie aber trotz allem wieder davongelaufen?" fragte sich Tibor, doch auch diese Vermutung verneinte seine Gromutter.

"Sie hat mir versprochen, hier zu warten und schien auch sehr glcklich darber zu sein. Ich habe Kata nicht als jemanden kennengelernt, der sein einmal gegebenes Wort bricht, also mu etwas anderes geschehen sein. Zuerst aber wollen wir einmal den Oberkellner fragen, vielleicht ist sie ja auch nur kurz hinaus gegangen. Sie suchte mit den Augen den Oberkellner, welcher hinter der Theke lehnte und wachsam die Gste musterte. Mit einer kurzen, befehlsgewohnten Geste winkte sie den Mann zu sich heran.

"Guten Tag, mein Herr! Ich bin die Grfin Szcsenyi und mchte gerne wissen, wohin die junge Dame gegangen ist, mit welcher ich vorhin an diesem Tisch dort gesessen habe!" zeigte sie auf den gewissen Tisch. Zuerst wollte der Oberkellner nicht so recht mit der Sprache heraus, doch als sich auch Tibor einmischte und ihm mit der Schlieung seines Lokales drohte, wenn er nicht sofort ber den Verbleib seiner Braut Auskunft erteilen wrde, gab der Mann klein bei.

"Vor ein paar Minuten kam Baron Kovcsy hierher und der Zoltn, unser zweiter Kellner, hat ihn auf das Mdchen an dem Tisch dort aufmerksam gemacht. Der Baron kommt hier nmlich oft her," fgte der Oberkellner an, "und sucht nach jungen Mdchen, deren Bekanntschaft er dann macht. – Wenn ihr wit, was ich meine!" fgte er mit einem Augenzwinkern hinzu, da hatte Tibor ihn aber auch schon am Kragen gepackt und ihm einen solchen Faustschlag versetzt, da der Mann beinahe bewutlos wurde.

"Die junge Dame ist meine Braut, die hier auf mich wartete und keine – keine Kokotte!" zischte er wutentbrannt. "Sie ist keinesfalls aus freiem Willen mit dem Baron gegangen!" Er hob seine Faust zu einem erneuten Schlag.

"Wohin kann sie der Baron gebracht haben? Sprich, oder ich schlage dir den Schdel ein!" sprach er nun mit einer Stimme, aus der tdliche Ruhe klang. Der Oberkellner versuchte, sich ein wenig aus dem eisernen Griff des Grafen zu befreien, um wenigstens ein wenig Luft zu bekommen, doch Tibor hielt ihn fest umklammert und drckte nur noch fester.

"Hat er sie zu sich entfhrt? Oder hat er irgendwo eine geheime Abstiege?"

"Ich glaube nicht, da er sie zu sich nach Hause genommen hat!" gurgelte der Oberkellner. "Sicher hat er irgendwo hier eine Wohnung, welche er nicht unter seinem eigenen Namen fhrt, aber darber kann ich euch keine Auskunft geben." flsterte der Mann mit fast erstickter Stimme. "Aber fragt einmal den Zoltn, vielleicht kann der euch mehr sagen." Tibor lie den Mann los, welcher in sich zusammensackte und geruschvoll nach Luft rang.

"Und wo ist dieser Zoltn?" lie sich nun die alte Grfin vernehmen, die bei dem gewaltttigen Verhr ihres Enkels mit keiner Wimper gezuckt hatte.

"Im Weinkeller!" flsterte der Mann rauh und zeigte auf eine Tr hinter der Theke. Schon wollte die alte Grfin sich auf den Weg dorthin machen, da verstellte ihr Tibor in seiner ganzen Breite die Tr.

"Gromutter, lat den meine Sorge sein!" knirschte er mit den Zhnen. "Pat lieber auf den Oberkellner hier auf, da der keine Dummheiten macht und uns vielleicht den Baron warnt!" Damit war er auch schon lautlos durch die Tr verschwunden. Leise nahm er die nur von einer trben Lampe krglich erhellten Stufen, dann stand er endlich im Weinkeller. Weit hinten sah er eine Gestalt, die sich an einem der groen Eichenfsser zu schaffen machte.

"Zoltn?" rief er leise, doch der Mann hatte ihn gehrt und kam neugierig nher, denn der Oberkellner erlaubte es normalerweise niemandem auer dem Personal, den Weinkeller zu betreten. Als er sich Tibor genhert hatte, schaute er den Eindringling verwundert an.

"Wer seid ihr, mein Herr und was wollt ihr?" fragte er erstaunt. Sein Erstaunen wuchs aber ins Unermeliche, als der Unbekannte ihn mit einer schnellen Bewegung ergriff und gegen die feuchte Wand des Kellers drckte.

"Wer ich bin, geht dich nichts an!" murmelte er drohend. "Und wissen will ich, wohin der Baron das Mdchen von Tisch Nummer 5 gebracht hat!"

Nun schien dem Kellner ein Licht aufzugehen. Verwundert fragte er sich, ob er nicht soeben eine Riesendummheit begangen hatte, als er den Baron auf das junge Mdchen aufmerksam gemacht hatte. Zwar kannte er das Mdchen nicht, sie war keinesfalls eine der Stammkundschaften des Barons, aber es schien doch so, als ob sich die beiden kennen wrden. Allerdings hatte er auch bemerkt, da das junge Mdchen scheinbar nicht ganz freiwillig mit dem Baron gegangen war. Jetzt wurde ihm angst und bange. War dieser gewaltttige Riese vor ihm etwa ein Verwandter des Mdchens? Dann konnte er gleich seine Siebensachen einpacken und verschwinden! Wenn der Hne vor ihm nicht noch ganz andere Dinge mit ihm vorhatte!

"Gnade, mein Herr! Ich habe damit nichts zu tun!" flehte er mit vor Angst zitternder Stimme, denn im Grunde seines Herzens war er ein richtiger Feigling.

"Ich wei nicht, wohin der Baron seine Damenbekanntschaften zu bringen pflegt! Er hat mich nur hin und wieder einmal gebeten, ihm die eine oder andere Dame zu vermitteln und er hat dafr sehr zu meiner Zufriedenheit bezahlt. Ich konnte ja nicht wissen, da das junge Mdchen an Tisch 5 keine von der Sorte war, die der Baron zu suchen pflegt."

"Schuft!" knirschte der Graf. "Du hast also wirklich nicht die geringste Ahnung, wohin der Baron seine Damenbekanntschaften zu bringen pflegt?" fragte er und schttelte den Kellner so, da dieser meinte, alle seine Knochen seien durcheinander geraten.

"Bei meiner Seele und allem, was mir lieb ist, ich schwre euch, da ich es nicht wei!" flsterte der Kellner mit vor Angst weit aufgerissenen Augen. Tibor sah darin die Wahrheit und mit einem letzten drohenden Blick lie er den vllig verstrten Mann im Keller zurck. Als er die Treppe wieder hinaufkam, konnte die Grfin an seinem Gesicht ablesen, da es nicht zum Besten stand.

"Kommt mit, Gromutter, ich mu schnellstens nach Hause!" rief ihr Tibor zu, dann war er auch schon aus dem Kaffeehaus verschwunden.

"Mein armer Sohn!" hauchte die Gromutter. "Hoffentlich ist es nicht zu spt!" Daraufhin folgte sie Tibor zu seiner Wohnung. Dort hatte dieser schon die Kleider gewechselt, sich einen Sack mit Reiseutensilien gepackt und wartete ungeduldig auf seine Gromutter. Als diese bei ihm eintrat staunte sie nicht schlecht:

"Das sieht ja ganz danach aus, als ob du dich auf eine Reise begeben willst, Tibor! Hast du denn auch gengend Geld? Und ein Pferd?"

Aber genau darber wollte der junge Mann mit ihr reden.

"Wenn ihr so gromtig sein wrdet und mir ein sehr gutes und ausdauerndes Pferd zu besorgen, wre ich euch ewig dankbar, Gromutter!" bat er sie. Die alte Dame lchelte.

"Du Dummkopf, ich will deinen ewigen Dank doch gar nicht! Ich bin ja so froh, da ich dich wiederhabe! Komm mit, ich will dir nicht nur ein gutes Pferd besorgen, sondern auch deine Reisekasse ein wenig aufstocken." Der junge Graf zgerte:

"Ich wrde eigentlich jetzt nicht gerne mit euch nach Hause gehen." meinte er dann. "Dies ist wirklich nicht der Zeitpunkt, meiner Mutter und dem Stiefvater gegenberzutreten."

"Deine Mutter und ihr Mann sind auf Reisen." bemerkte die alte Grfin ruhig. "Du kannst also ruhig mit mir kommen." So folgte ihr der junge Graf zu dem groen Stadthaus der Familie Balassy und erhielt dort von seiner Gromutter ein hervorragendes Reitpferd und eine grere Summe ausgehndigt.

"Viel Erfolg, mein Sohn!" wnschte ihm beim Abschied die alte Grfin und versprach, der Familie nichts ber das Wiedersehen mit Tibor zu erzhlen. Wenn er die Zeit fr gekommen hielte, wrde er versuchen, wieder Kontakt mit seiner Mutter und deren Ehemann aufzunehmen, bis dahin verabredete er mit seiner Gromutter, sich mit ihr zu bestimmten Zeiten in seiner Wohnung zu treffen. Er hauchte einen Ku auf die faltige Wange der alten Grfin.

"Pa gut auf dich auf, mein Sohn!"

"Ihr auch auf euch!" rief er zurck, dann gab er seinem Reittier die Sporen und war auch schon verschwunden. Er begann seine Suche nach Kata in der Nhe der Wohnung des Barons, weitete sie dann immer mehr auch auf dessen Landgter aus, doch ohne jeden Erfolg. Seine Braut war und blieb verschwunden. Mit Hilfe seiner Gromutter schaltete Tibor Privatdetektive ein, welche im Bekanntenkreis des Barons Nachforschungen anstellten – umsonst! Das junge Mdchen war wie vom Erdboden verschluckt! Da nach einiger Zeit der Baron wieder am ffentlichen Leben in der Hauptstadt teilnahm, mute davon ausgegangen werden, da Kata nicht mehr bei ihm zu suchen sei. Wo sie aber dann abgeblieben war und warum sie kein Lebenszeichen von sich gab, das war und blieb ein unlsbares Rtsel!

Tibor suchte zwar immer noch nach einer Spur, doch wurde auch ihm langsam die Hoffnungslosigkeit der Lage klar. Allein seine Gromutter konnte ihn vor einer nicht wieder gutzumachenden Dummheit bewahren, aber er glitt wieder in tiefe Depressionen ab, ber welche ihn selbst seine knstlerische Bettigung nicht hinweghelfen konnte. Er schob das Zusammentreffen mit seiner Familie immer wieder vor sich her: allein Kata htte ihm die Kraft gegeben, sich dem Wiedersehen mit seiner Mutter und dem Stiefvater zu stellen. Hin und wieder traf er mit seiner Gromutter zusammen, doch auch deren mit grter Diskretion gefhrten Nachforschungen brachten keinen Erfolg. So verging der Winter und auch ein groer Teil des darauf folgenden Frhlings. Der junge Mann konnte es nicht ber sich bringen, den Tatsachen ins Auge zu sehen, allein der letzte Funken Hoffnung in seiner Seele, Kata eines schnen Tages doch noch wiederzufinden, gab ihm die Kraft, weiter zu leben.

 
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