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DIANAS TRAUM 1

 

Maureen O'Kelly

 

Dianas Traum

Fantasy-Roman

 


COPYRIGHT  2001 by Maureen O'Kelly

 

 

Alle Rechte der Verbreitung und bersetzung, auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tontrger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rckgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art sind vorbehalten.

                                                       . . . . . . .

Die schmale Gestalt bewegte sich tief gebckt und leichten, vorsichtigen Schrittes durch das dichte Unterholz. Kein Ast zeichnete eine auch noch so leichte Bewegung und selbst die Luft schien momentan erstarrt zu sein. Pltzlich hielt die Gestalt ruckartig inne: vor ihr zeigte sich eine winzige, mit einem ungebten Auge kaum wahrnehmbare ffnung im dichten Gestrpp. Die Gestalt sphte mit scharfem Blick hinaus auf die kleine Lichtung, die sich vor ihrem Auge ffnete und gewahrte den starken Rehbock, der ruhig send im Licht der Sonne vor ihr stand. Mit unendlicher Vorsicht, ohne den geringsten Laut, entsicherte die Gestalt das Gewehr, welches sie schon seit geraumer Zeit in den Hnden hielt und schaute durch das Zielfernrohr. Kein Laut drang zu dem Tier hinber, als es nun im Fadenkreuz erschien. Und doch hielt es fr einen winzigen Augenblick mit dem sen inne und hob den Kopf, als habe es die lauernde Gefahr erahnt. Pltzlich ein leiser Knall, der Bock sprang hoch flchtend auf, nicht wissend, da er eigentlich schon tot war, machte noch zwei torkelnde Schritte und brach dann im Feuer zusammen. Die Gestalt im Unterholz wartete reglos und mit angehaltenem Atem noch einige Augenblicke, dann schob sie sich, ohne Rcksicht auf ihre Kleider zu nehmen, durch die spitzen Dornen der Brombeerenhecke und schritt forsch zu ihrer Beute. Als sie sich berzeugt hatte, da der Bock tot war, brach sie einen kleinen Zweig von einem niedrig hngenden Ast ab, schob einen Teil davon dem Bock zwischen die ser, einen anderen Teil tauchte sie in den Schwei, welcher langsam aus der nicht allzu groen Wunde sickerte und steckte es sich an den sichtbar von Wind, Wetter, Sonnenschein und langem Tragen sehr mitgenommenen Hut, an welchem schon einige Federn von verschiedenen Vgeln steckten. Pltzlich hrte man eilig nherkommende Schritte im Unterholz: eine andere, hohe Gestalt in grner Kleidung trat offen und ohne Vorsichtsmanahmen zu ergreifen auf die Lichtung und ging direkt auf die erste Gestalt zu.

"Weidmanns Heil, Diana!" sagte die zweite Gestalt zu der ersten und diese erwiderte lchelnd mit angenehmer Stimme:

"Weidmanns Dank, Roger!" Dann machten sich die beiden Jger daran, den Bock fachgerecht aufzubrechen und fr den Transport vorzubereiten. Fr die junge Jgerin, die von ihrem Gefhrten Diana genannt wurde, war es das erste edle Wild, welches sie erlegen konnte, bisher hatte ihre Beute lediglich aus Hasen, Fasanen, Rebhhnern, Enten oder Wildkaninchen bestanden.

Diana Erdei hatte vor einigen zwanzig Jahren in der Weite der ungarischen Puszta das Licht der Welt erblickt. Ihr Vater, ein begeisterter Jger, hatte ihr sowohl den Respekt vor der Natur als auch die Liebe zur Jagd vermittelt. So wuchs das junge Mdchen glcklich und unbesorgt unter Pferden, Falken und Jagdhunden heran. Bis zu jenem schrecklichen Tag, als ihr Vater von einem Jagdausflug mit Freunden in den Karparten nicht mehr zurckkehrte. Den "bedauerlichen Jagdunfall" konnte die Witwe, Dianas Mutter, nicht vergessen, sie verlie das Land an der Seite eines auslndischen Freundes ihres Mannes, der diesen an dem schrecklichen Tag begleitet hatte, die kleine Tochter, die gerade erst ihren zwlften Geburtstag gefeiert hatte, nahmen sie mit. Auf Wunsch des Stiefvaters, mit dem sie sich nie sonderlich gut verstanden hatte, wuchs Diana in einem Internat auf, welches zwar zu den besten des Landes gehrte, ihr aber wie ein Gefngnis vorkam. Spter, nach Abschlu der Schule, fand sie Arbeit als bersetzerin, ein Beruf, der ihr gengend Freizeit lie, ihren Hobbys zu frnen. Sie kaufte mit ihrem vterlichen Erbe und einem geringen Zuschu ihrer Mutter einen kleinen Bauernhof, weit entfernt von der Stadt wo sich die Mutter mit ihrem zweiten Mann niedergelassen hatte und umgab sich dort mit ihren Tieren. Edle Pferde, Jagdhunde, Frettchen und Beizfalken lebten hier miteinander, aneinander gewhnt durch die liebevollen Bemhungen der jungen Frau.

Seit einiger Zeit nun begleitete sie auf ihren Unternehmungen ein junger Mann, Roger Dupont, ein ebenso passionierter Jger wie Diana, der sich mit der Zeit mehr erhoffte, als nur ihre Freundschaft. Diana jedoch schien seine Avancen zu ignorieren, lebte sie doch teilweise mehr in einer Traumwelt, die sie um sich herum aufgebaut hatte, als in der Wirklichkeit.

"Komm, ich helfe dir, den Bock zum Wagen zu bringen," meinte Roger und wollte das Wild hochnehmen, doch Diana lie ihn mit einer anmutigen Bewegung innehalten.

"Vielen Dank, Roger, aber das ist mein erstes Stck Hochwild, ich mchte meinen Triumph voll auskosten, werde es also selbst zum Wagen bringen."

"Wie du meinst," schttelte der junge Mann achselzuckend den Kopf. "Er wird dir aber ziemlich schwer werden, denn die Kutsche steht in einiger Entfernung."

"Keine Bange, das schaffe ich schon, ich bin ziemlich austrainiert, weit du." wies ihn Diana zurecht. Sie band nun die Fe des Tieres zusammen und hngte sich die Beute ber die Schulter. Da sie dabei ihre schne, lederne Jagdweste beschmutzte, schien ihr nichts auszumachen, ebensowenig, da ihre Hnde, obwohl sie sie an einigen groen Blttern und im feuchten Gras notdrftig gereinigt hatte, mit Blut bedeckt waren und auch nicht gerade nach Lavendelwasser rochen. Roger konnte es immer noch nicht ganz verstehen, warum diese zierliche junge Frau mit den dunklen, fast schwarzen Haaren, die ihr normalerweise in langen Locken ber die Schulter bis weit auf den Rcken hinab fielen, heute jedoch zu einem Knoten im Nacken geschlungen waren und nur einzelne kleine Strhnen unter dem grnen Hut mit weiter Krempe hervorlugten, so anders war, als die jungen Frauen, die er bisher kennengelernt hatte. Gewi, Dianas Schnheit bestand nicht nur in ihren Haaren, sie besa einen perfekten Krperbau, schmal, aber doch muskuls, ihr ausdrucksvolles Gesicht wurde beherrscht von einem Paar dunkler Augen unter dichten, schn geschwungenen Brauen, die je nach Lichteinfall manchmal sogar lila schimmerten und ebenso sanft blicken, wie auch vor Wut Funken werfen konnten. Die kleine Nase hatte fast etwas aristokratisches an sich, ebenso die schngeformten Ohren. Ihr Mund war breit mit vollen, roten Lippen, die gerne lachten, sich aber auch zu einem schmalen Strich zusammenziehen konnten, wenn Diana rgerlich war. Ihre Haut war von einem matten Braun, was ihr zu Zeiten einen zigeunerhaften Anstrich gab, wer wei, vielleicht hatte ja vor Generationen eine Bohmienne den Kopf eines ihrer Vorfahren verdreht.

 

Roger Dupont schritt eiligen Fues der jungen Frau nach, die scheinbar mhelos das schwere Stck Wild ber den unebenen Boden den langen Weg bis zur Kutsche trug.

"Ich mag keine Autos hier im Wald!" hatte sie immer wieder gesagt und deshalb ihre beiden Reitpferde Orestes und Apollo auch zu Kutschpferden ausgebildet. Brav warteten die beiden Rappen nun vor dem leichten Gefhrt, bis ihre Fhrerin wieder erschien. Diana sah sich mehr als Kamerad, denn als Herrin ihrer Tiere, was diese ihr mit unverbrchlicher Treue und tiefem Vertrauen dankten. Am Wagen angelangt, warf sie den Krper des Bockes mit einem gekonnten Schwung ihrer Schulter auf den dafr am hinteren Teil der Kutsche angebrachten Rost und wartete auf Roger, der soeben unter den Bumen hervorkam.

"Du hast es ja ganz schn eilig, mit deiner Beute nach Hause zu kommen," rief er schmunzelnd, als er sah, da seine Gefhrtin schon auf dem Kutschbock Platz genommen hatte.

"Steig lieber auf, deine Reden kannst du auch von hier aus schwingen," lchelte Diana und gab den beiden Pferden das Zeichen zur Abfahrt. Roger schwang sich geschmeidig auf den Sitz neben der jungen Frau, dann ging es im munteren Trab zum Hof.

"Ich habe mit Monsieur Maurice gesprochen," meine Roger whrend sie ber den holperigen Waldweg rollten, "er will dich einladen, an seinem mittelalterlichen Fest mit deinem Pferd und den Falken teilzunehmen, auch deinen Hund knntest du mitbringen, wenn du willst, hat er gemeint." Diana schaute ihren Gefhrten an.

"Und warum will er mich jetzt so unverhofft einladen? Als ich ihm letztes Jahr geschrieben habe, da mich sein Fest interessiert, hat er mich keiner Antwort gewrdigt, dein Monsieur Maurice!" Sie war noch immer verrgert ber die Haltung des Organisators der mittelalterlichen Festspiele, war sie doch eine begeisterte Anhngerin jedweden Kostmfestes und stand sie jederzeit bereit, mit ihren Tieren daran teilzunehmen. Da gerade der Verantwortliche eines der grten Feste dieser Art in ihrer Region sie mit Nichtachtung strafte, war ihr ein Dorn im Auge.

"Ich glaube, er hat dich auf dem Karnevalsumzug gesehen und seine Mitarbeiter haben von dem lebenden Bild geschwrmt, welches du auf dem Tag des Pferdes letztes Jahr zur Schau gestellt hast. Das mu ihn berzeugt haben." Diana wollte schon schmollend abweisen, doch bot ihr die Aussicht auf Teilnahme an einem der grten Ritterfestspiele der Gegend Aussicht auf die Verwirklichung eines ihrer Trume und so verzog sie nur mibilligend das Gesicht.

"Nun gut, ich werde kommen, will aber noch eine persnliche Einladung von diesem Monsieur Maurice erhalten, sonst werde ich trotz allem nicht mitmachen!" schlo sie ihre berlegungen ab. Der junge Mann an ihrer Seite nickte nur zufrieden.

"Du wirst deine persnliche Einladung erhalten, Diana. Und glaube mir, auch ich bin gespannt, was du dir zu diesem Thema als Kostm und Schaubild einfallen lassen wirst."

"Da kannst du lange warten, Roger! Mein Geheimnis wird wie immer erst am Tag des Festes gelftet!" meinte die junge Frau, dann versanken sie in nachdenkliches Schweigen. Die Rappen zogen die leichte Kutsche sicher ber die breiten Waldwege, die hohen Bume, die den Weg sumten, bildeten ein lichtes Bltterdach ber ihren Kpfen, durch welches von Zeit zu Zeit die Sonne nun einen schmalen Lichtstreif schickte. Der Morgen machte dem warmen Vormittag Platz und spter wrde es sogar richtige sommerliche Hitze geben.

Nach einiger Zeit gelangten sie zu dem kleinen Hof, den Diana ihr Eigen nannte. Sie bog zu den Stllen ein, nachdem sie den Rehbock vor dem Eingang des Wohnhauses abgelegt hatte. Dort schirrte sie die beiden Pferde aus, brachte sie in den Auslauf und vergewisserte sich, da sie gengend Wasser in der Trnke hatten. Mit Rogers Hilfe brachte sie dann die Kutsche in die Remise, bevor sie sich dem Wild widmete. Als die Arbeit des Abdeckens und Zerkleinerns der Beute vollbracht war, suberte sie den Vorplatz von den Spuren ihres Tuns und zog sich ins Haus zurck, um nun auch selbst den Komfort einer heien Dusche zu genieen. Den jungen Mann hatte sie vorher freundlich verabschiedet und dieser war nach Hause zurckgekehrt.

Am Nachmittag sa Diana im Schatten einer kleinen, lauschigen Gartenlaube mit Blick auf die groen Koppeln und berlegte sich, welches lebende Bild sie wohl zu dem groen Fest zeigen sollte. Sie hatte mehrere Kostme zur Auswahl, scheute sich aber nicht davor, auch ein neues zu diesem Anla anzufertigen. Am besten gefiel ihr noch immer die Verkleidung als Beduine, die sie schon vor einiger Zeit geschneidert hatte. Dazu passend besa sie original arabisches Sattel- und Zaumzeug und eine Bekannte wrde ihr zwei arabische Windhunde, Salukis, zur Verfgung stellen, um das Bild zu vervollstndigen. Schlielich entschlo sie sich jedoch nach einigem Zgern, einem Traum Gestalt zu verleihen, der sie schon fter im Schlaf begleitet hatte. War sie schon im Wachen von romantischem Gemt, so konnte sie sich in ihren Trumen erst richtig ausleben. Seit einiger Zeit hatte sie nun einen Traum, der sich jedes Mal fast identisch wiederholte. In einem wunderbaren Land, wo Frieden und Freiheit herrschten, stand ein schnes Schlo, dessen junger Herr Diana in Liebe zugetan war und sie erwiderte diese Zuneigung. An Einzelheiten konnte sie sich beim Erwachen nie erinnern, doch die Gestalt des Prinzen war vor ihrem inneren Auge lebendig: ein junger Mann von hohem und edlem Wuchs, sein Gesicht von dunklen Locken umrahmt, mit einem kleinen, wohlgepflegten Brtchen ber der Oberlippe, besa er dunkle Augen unter schngeschwungenen, dichten Brauen und eine edle Nase. Diana sehnte sich nach diesem Traummann, suchte ihn bei jeder Begegnung in ihrem Gegenber zu entdecken und mute enttuscht feststellen, da er wohl doch nur in ihren Trumen und Wnschen existierte.

Sie entwarf mit wenigen, aber gekonnten Strichen die Skizze eines Kostms, welches ganz dem glich, welches ihr Traummann trug, denn sie zog es seit langem vor, mnnliche Verkleidungen anzulegen. Schnell waren auch Schabracken und Zgelbehnge fr ihr Pferd ausgedacht, all das schien aus einem Gemlde zu entspringen, welches Szenen am Hofe Ludwig XII. zeigte. Der Knig war bekanntermaen ein groer Jger, der die Falknerei der Parforcejagd vorzog. Und Beschreibungen seiner glnzenden Feste hatten schon immer einen groen Eindruck auf Diana gemacht. An einem der nchsten Tage fuhr sie mit ihrem kleinen Auto, das whrend langer Jahre ihrem Stiefvater als Fortbewegungsmittel gedient hatte, und welches dieser ihr grozgig berlassen hatte, als er sich einen neuen Wagen kaufte, in die Stadt, um sich Stoffe auszusuchen. Was sich als sehr schwierig erwies, denn ihren Vorstellungen entsprach keiner der angebotenen, modernen Stoffe. Erst in der Abteilung fr Polsterei und Vorhnge fand sie die schweren Samte und Brokate, die fr ihr Vorhaben erforderlich waren. Schwerbeladen machte sie sich auf den Heimweg.

 

Der groe Tag war gekommen! Sorgfltig prfte Diana noch einmal alle Einzelheiten ihrer Verkleidung. Dann sattelte sie ihren Rappen und nahm ihren Falken auf die Faust. So legte sie die wenigen Kilometer bis zum Ort des Festes zurck. Dort waren schon viele andere Teilnehmer versammelt, bunte Kostme leuchteten in allen Farben, Musikkapellen spielten und Pferde wieherten aufgeregt. Auch Apollo spitzte die Ohren, schritt aber ruhig weiter, ohne sich um die vielen Zuschauer und den Lrm zu kmmern. Auf dem Festplatz angelangt, stellten sich die einzelnen Gruppen der Jury, bevor sie sich zum groen Umzug formierten. Dianas Verkleidung und Darstellung einer Szene aus der Beizjagd zur Zeit Ludwig XIII. erregte allgemeine Bewunderung. Der Rappe war mit einer wunderschnen Brokatdecke ber dem Sattel geschmckt, in die Szenen der Jagd zu Pferd gewebt waren. Auch das Kopfstck und die Zgel waren mit dem gleichen Stoff berzogen. Diana war mit einer weien Bluse bekleidet, deren Kragen und rmel mit breiten Rschen verziert waren, dazu eine lange Jacke aus grnem Samt, mit goldenen Litzen geschmckt und einem breiten Kragen. Auf ihren Locken sa ein schwarzer Dreispitz, von dem lange Reiherfedern wehten. Ihre schlanken Beine steckten in braunen, eng anliegenden Hosen und braunen Lederstiefeln mit bis ber die Knie reichenden Stulpen. Die linke Hand war von einem wunderschn verzierten Falknerhandschuh aus wei gegerbtem Hirschleder mit grnem Besatz geschmckt. Darauf sa ihr Falke, den Kopf unter einer fein gearbeiteten, dunkelroten Lederhaube verborgen, die von einem kleinen Strau heller Federn gekrnt wurde. Stolzen Schrittes paradierte das Pferd unter seiner Reiterin vor den Juroren. Aber der Hhepunkt sollte noch kommen: Mit einer geschickten Bewegung nahm Diana die Haube vom Kopf des Vogels und gab die Fesseln frei, die sie bis jetzt in der Hand gehalten hatte. Der Falke schttelte sich kurz, dann schwang er sich mit einer eleganten Bewegung in die Lfte. Ein AH! der Bewunderung ging durch die Zuschauer, als der Vogel schnell an Hhe gewann und sich dann mit leichtem Schwingenschlag genau ber der Reiterin zentrierte. Diana lie ihm ein wenig Zeit, sich zu orientieren, dann holte sie das Federspiel aus der Falknertasche, die an ihrer Seite hing und schwang es in weitem Bogen an der Seite des Pferdes. Der Falke gewahrte das ihm bekannte Stck ausgestopften Leders, dessen Seiten mit Fasanenfedern besetzt waren, um noch mehr den Eindruck einer echten Beute zu erwecken, und kam in schnellem Flug herab. Kurz bevor er jedoch am Ziel war, zog Diana mit einer geschickten Bewegung das Federspiel vor seinen Fngen zur Seite, der Greif steilte schwungvoll auf und das Spiel begann von Neuem. Nach einer Weile wartete Diana auf einen passenden Moment, dann schleuderte sie das Federspiel hoch hinaus, um dem Falken Gelegenheit zu geben, es im Flug zu ergreifen, was dieser auch mit groem Geschick tat. Mit seiner Beute kam er dann auf den Boden, wo die junge Frau ihn schon erwartete, die Zgel ihres Pferdes vertrauensvoll freigebend, und sich zu ihm herabbeugte, um ihn mit einem Stck Fleisch zu belohnen und wieder auf den Handschuh zu nehmen. Lauter Applaus belohnte ihre Vorfhrung und die Fotoapparate der Journalisten knackten wie Gewehrfeuer, als sie nun wieder zu Pferde stieg und sich in den Festzug einreihte.

Am nchsten Morgen sah sie dann ihr Foto in der Zeitung und mute zugeben, da sie selbst so, in schwarzwei, keinen schlechten Eindruck machte. Doch die Freude sollte nicht lange anhalten, denn schon bald klingelte das Telefon und als sie den Hrer abhob herrschte sie eine unbekannte Stimme an.

"Sind Sie Diana Erdei? Und haben Sie am Sonntag die Ritterspiele mit ihrem Beizvogel besucht und dort eine Vorfhrung abgehalten?" Diana schwieg einen Augenblick verblfft, wer konnte wohl der unhfliche Gesprchspartner am anderen Ende der Leitung sein, der es sogar unterlie, sich vorzustellen?

"Guten Tag, ja, ich bin Diana Erdei - und wer sind sie?" fragte sie mit ihrer wohlklingenden Stimme den Unbekannten.

"Antworten sie auf meine Fragen, bevor sie selbst welche stellen!" wies sie die Stimme barsch zurecht. Einen Moment lang war Diana versucht, den Hrer einfach aufzulegen, doch dann beherrschte sie sich.

"Sie haben mich ja wohl selbst dort gesehen, sonst wten sie nicht, wer ich bin!" antwortete sie knapp.

"Sie irren sich, ich habe nur die Zeitung gelesen, die sie namentlich als Preistrgerin erwhnt, mitsamt dem Falken auf dem Foto." meinte der Mann streng. "Der Grund meines Anrufes ist aber folgender: Ich bin von der Behrde, die ihnen die Halterbewilligung fr den Falken ausgestellt hat - und die gilt nur fr die Beizjagd!" Bei seinen letzten Worten erschrak die junge Frau, hatte sie doch nie angenommen, da eine Teilnahme an einem Kostmfest fr ihren Beizvogel reglementiert sein knnte. Doch der Mann lie sie nicht zu Wort kommen sondern bellte nur noch lauter in den Hrer.

"Sie wissen wohl, da sie sich damit eines Vergehens gegen die gesetzlichen Bestimmungen schuldig gemacht haben, welches von meiner Behrde streng geahndet werden wird! Wo kommen wir denn hin, wenn jeder das mit seinen Falken macht, worauf er gerade Lust versprt! Und solche Veranstaltungen sind meiner Behrde schon lange ein Dorn im Auge - wenn sie verstehen, was ich meine!" Diana jedoch verstand seinen Zorn nicht und wagte dies auch in Worte zu fassen.

"Ich kann mich in ihre Gedanken nicht hineinversetzten," meinte sie. "Ich habe weder in einer Zeit auerhalb der Jagdsaison mit meinem Falken gejagt, noch eine ffentliche Vorfhrung gegen Entgelt veranstaltet - ich habe lediglich auf Einladung hin an den Festspielen teilgenommen mit einem sogenannten "lebenden Bild" - wo ist da meine Verfehlung?" wollte sie wissen. Doch der starrkpfige Beamte weigerte sich, genaue Auskunft zu geben.

"Sie haben gegen das Gesetz gehandelt und knnen von Glck sagen, da dies ihre erste Verfehlung dieser Art ist, die nur mit einer Geldbue belegt wird - im Wiederholungsfalle jedoch sehen wir uns gezwungen, den Vogel zu konfiszieren und ihnen die Ausbung der Beizjagd zu verbieten!" herrschte er sie an. "Ich werde ihnen einen Bugeldbescheid zusenden, den sie innerhalb von acht Tagen zu bezahlen haben, andernfalls ich die genannten Schritte gegen sie einleiten werde!" - Knack! er hatte abgehngt, noch ehe Diana ein weiteres Wort sagen konnte. Mit zitternden Hnden legte sie den Hrer auf, ihr Herz schlug wie wild. Das waren ja schne Aussichten! Glcklicherweise wute der Mann scheinbar nichts von ihren anderen, weit zurckliegenden oder in einem anderen Departement stattgefundenen Teilnahmen an solchen Veranstaltungen mit ihren Vgeln. Aber der Schreck sa tief! Niemand hatte sie je aufgeklrt, als sie die Jagd- und Haltererlaubnis beantragt hatte, da diese nur und ausschlielich fr die Beizjagd Gltigkeit habe! Sie beschlo, das Bugeld anstandslos zu zahlen und sich dann zu erkundigen, wie sie eine Erlaubnis fr die Teilnahme ihrer Vgel an Festen erhalten knne. Als am nchsten Tag der Postbote den Brief mit dem Stempel der Behrde brachte, ffnete Diana ihn mit zitterigen Fingern. Das Schreiben bestand nur aus wenigen Zeilen, die den Tatbestand erluterten, dann folgte die Summe des Bugeldes, bei der Diana ein Schrei der Entrstung entfuhr. Die Strafe betrug mehr als ein halbes Monatsgehalt der jungen Frau! Zum Glck hatte sie im Frhsommer die Nachzucht ihres Falkenpaares gut verkaufen knnen, von diesem Geld war ihr noch ein Rest verblieben, der etwas weniger war, als die zu zahlende Strafe. Schweren Herzens stellte Diana einen Scheck in der Hhe der geforderten Summe aus und adressierte den Umschlag an die Behrde, nicht ohne auf einem weiteren Blatt anzufragen, wie sie denn in Zukunft an Festspielen und Umzgen mit ihrem Falken teilnehmen knne. Nach einigen Wochen erhielt sie die Antwort. Man teilte ihr mit, da sie mit Beizvgeln nur an der Beizjagd teilnehmen drfe, es stnde ihr aber frei, sich einen weiteren Falken zuzulegen und fr diesen eine Erlaubnis fr "vereinzelte Vorfhrung vor Publikum - zu przisieren, ob immer am selben Ort oder an verschiedenen Pltzen" zu erwirken. Dieses Tier drfe jedoch dann ausschlielich zu diesem Zweck benutzt werden und nicht etwa auch als Jagdvogel geflogen werden. Diana zerknllte das Schreiben und warf es wutentbrannt in eine Ecke ihres Zimmers. Wie sollte sie einen Falken vorfhren, der nie jagdlich abgerichtet werden durfte, folglich also auch keinerlei Neigung verspren wrde, zu seiner Falknerin zurckzukehren. Oder dachten die Behrden gar an einen Vogel, der nie von der Faust gelassen werden durfte? Armes Tier! Dann lieber schweren Herzens auf alle weiteren Teilnahmen an solchen Veranstaltungen verzichten! Ihr blieben zwar immer noch Feste, wo sie Pferde und Hunde prsentieren konnte, doch irgend etwas wrde immer fehlen, eine Leere hinterlassen, die nur der Falke ausfllen konnte. So zog sie sich noch mehr in sich selbst zurck, lebte fast nur noch in ihrer Traumwelt. Selbst an ihrem Arbeitsplatz in dem kleinen Bro fr bersetzungen bemerkte man ihre Wandlung. Juliette, ihre Kollegin, die fr die spanische und portugiesische Sprache zustndig war und genau gegenber von Diana sa, sprach es eines Tages auch aus, als die beiden Frauen sich in der Mittagspause bei einem schnellen Imbi trafen.

"Diana, ich kenne dich nun schon einige Jahre, aber so verschlossen habe ich dich noch nie erlebt. Ist etwas geschehen, was dich bedrckt?" fragte die kleine Blonde und lie ihre Augen fragend auf Diana ruhen. Diese schttelte den Kopf.

"Danke der Nachfrage, Juliette, aber mir geht es gut und es ist auch nichts passiert. Ich fhre nun einmal ein etwas anderes Leben, als ihr hier und manchmal fllt es mir schwer, mich wenigstens ein wenig anzupassen."

"Ich wei schon, was du damit ausdrcken willst," meinte die Kollegin, "aber in den letzten Wochen hast du dir so etwas wie einen Panzer um dich herum aufgebaut und scheinst auch sehr oft whrend der Brostunden geistig abwesend zu sein." Diana fuhr auf.

"Hat sich der Chef etwa ber meine Arbeit beschwert?" fragte sie ngstlich. Juliette winkte schnell ab.

"Nein, nein! Deine Arbeit ist wie immer korrekt und ordentlich. Mir ist lediglich aufgefallen, da du noch weniger als sonst mit den Kolleginnen sprichst und an keiner unserer Aktivitten mehr teilnimmst, sondern immer sofort nach Broschlu wegfhrst. Deshalb meine Frage, ob du etwa Probleme hast, ich wrde dir gerne helfen, sie zu lsen."

"Vielen Dank, Juliette. Aber es gibt wirklich keinen Anla zur Sorge! Ich habe nur zur Zeit sehr viel Arbeit auf dem Hof und mit meinen Tieren. Da wei ich kaum, wo mir der Kopf steht und bin wahrscheinlich auch manchmal ein wenig mde, aber das wird sich schon wieder geben." meinte Diana ausweichend. Die wahren Grnde ihrer derzeitigen Gemtsverfassung konnte und wollte sie mit keinem anderen Menschen teilen, schon gar nicht mit der ewig plappernden Juliette. Natrlich war sie in gewisser Hinsicht ein Auenseiter. Welche junge Frau fand schon daran Gefallen, allein mit ihren Tieren auf einem abgelegenen Hof zu leben, zu jagen und Falken abzurichten? In ihrem Alter waren die meisten jungen Frauen schon verheiratet und mit einer Menge Kinder umgeben, doch vorlufig versprte Diana nicht den Wunsch, ihrem Leben eine andere Richtung zu geben. Nein, ihre Verschlossenheit hatte andere Grnde. Sie konnte einfach nicht so drauflosreden, wie die meisten ihrer Kolleginnen, die stundenlang ber nichtssagende Themen hei diskutieren konnten, die sich wchentlich zweimal beim Friseur trafen oder gemeinsame Kochabende veranstalteten. Auch die sonntglichen Ausflge in ein Caf oder der Besuch einer Tanzveranstaltung sagten der jungen Frau nichts, die lieber die frische Luft der Natur atmete als den verqualmten Dunst der geschlossenen Rume und der es leichter fiel, sich mit ihren Tieren zu verstndigen, als mit Gleichaltrigen in Kontakt zu kommen.

"Na schn," seufzte die blonde Kollegin. "Hoffentlich hast du bald weniger Arbeit und mehr Zeit frs Vergngen."

"Ja, das hoffe ich auch!" bekrftigte Diana, die bei Vergngen an ganz andere Dinge dachte, als ihre Kollegin ahnen konnte. So verging die Zeit und jedes Mal, wenn Diana von dem jungen Mann getrumt hatte, besserte sich ihre Laune fr einige Zeit und eine groe innere Ruhe erfllte sie. Dann gab sie auch manchmal dem Drngen ihrer Kolleginnen nach und nahm an einem Kaffeekrnzchen teil. Doch selbst dann entschuldigte sie sich schon nach kurzer Zeit mit dem – zum Teil wahren - Vorwand, ihre Tiere mten versorgt werden und berlie die schwafelnden Kolleginnen sich selbst. An einem Montagmorgen sa Diana gerade ber einer schwierigen technischen bersetzung, als der Chef ins Zimmer trat.

"Guten Morgen, Frulein Erdei. Wie ich sehe, sind Sie gerade sehr beschftigt, trotzdem mchte ich Sie bitten, in zehn Minuten in mein Bro zu kommen." Die junge Frau blickte erstaunt auf, denn es kam nur sehr selten vor, da der Chef eine von ihnen in sein Bro bat. Was er zu sagen hatte, sagte er normalerweise in Gegenwart aller. Trotzdem nickte sie sofort.

"Ich werde pnktlich dort sein, Chef!"

"Danke, Frulein Erdei!" sagte der Mann kurz angebunden, bevor er die Tr wieder hinter sich schlo.

"Was kann er nur von dir wollen?" wunderte sich Juliette laut und auch die anderen Frauen schauten neugierig auf Diana.

"Ich habe nicht die geringste Ahnung!" meinte Diana achselzuckend. "Aber in ein paar Minuten werde ich es ja wohl erfahren." Damit wendete sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Doch die bersetzung wollte ihr nicht mehr so leicht von der Hand gehen, denn ihre Gedanken jagten sich. Was hatte das zu bedeuten? Sollte ihr gekndigt werden? Und was dann? Wie sollte sie genug Geld auftreiben, um ihr Leben so wie bisher fortsetzen zu knnen? Wo schnell einen anderen Arbeitsplatz finden? Oder was sonst konnte der Chef ihr vertraulich sagen wollen? Doch ihre berlegungen fhrten selbstverstndlich zu keinem Ergebnis und so erhob sie sich endlich von ihrem Platz und begab sich in das Bro des Chefs. Nachdem sie angeklopft hatte und das "Herein" von drinnen erklungen war, ffnete sie die schwere Holztr und trat ein. Der Chef sa hinter einem groen, modernen Schreibtisch und hatte mehrere dicke Ordner vor sich liegen.

"Nehmen Sie Platz, Frulein Erdei!" bat er sie und Diana setzte sich auf den einzigen Stuhl, welcher vor dem Schreibtisch stand. Fragend schaute sie ihr Gegenber an, einen Mann von einigen vierzig Jahren, dessen braune Haare an den Schlfen schon anfingen zu ergrauen und dessen Gesichtsausdruck zwar immer streng aussah, mit leicht gerunzelter Stirn, schmalen Augen und eng zusammengekniffenen Lippen, der jedoch immer vllig korrekt gegenber seinen Angestellten agierte.

"Sie werden sich vielleicht wundern, da ich Sie zu mir gebeten habe, aber ich ziehe es vor, dieses Gesprch unter vier Augen zu fhren." Dianas Verwunderung wuchs von Minute zu Minute. Wozu diese Einfhrung? Oder wollte der Mann etwa persnlich werden? Diana wute zwar aus Gesprchen mit ihren Kolleginnen, da der Chef verheiratet war, aber auch nicht mehr. Ihre Hnde wurden langsam feucht, ein Phnomen, welches ihr selbst in den aufregendsten Augenblicken der Jagd nicht passierte! So nickte sie nur kurz.

"Ich mu zugeben, ich war etwas verwundert, als Sie mich vorhin zu sich baten."

"Das kann ich mir vorstellen." bekrftigte ihr Gegenber. "Doch lassen Sie es mich Ihnen erklren." Er rusperte sich leicht und ffnete einen der Ordner, der vor ihm lag.

"Ich mchte voran schicken, da ich mit Ihrer Arbeit vollstndig zufrieden bin und glcklich, eine bersetzerin fr die ungarische Sprache zur Verfgung zu haben, auch wenn es nicht immer ausreichend Arbeit fr Sie gibt. Auerdem ist es ein groer Vorteil, da Sie ja auch englisch sprechen und so ihrer manchmal berlasteten Kollegin helfen knnen." Diana nickte leicht und bereitete sich auf die Fortsetzung der Rede ihres Chefs vor. Diese lie auch nicht lange auf sich warten.

"Trotzdem mu ich Sie vor eine Wahl stellen, voran schicken mchte ich jedoch, da Sie nicht die einzige Betroffene sein werden: Entweder Sie arbeiten fortan als selbstndige Mitarbeiterin, bezahlt pro erledigtem Auftrag, von zuhause aus oder wir mssen Ihnen leider kndigen." Diana steckte den Schlag ein, ohne mit der Wimper zu zucken.

"Das heit, ich werde meine Beitrge regelmig selbst entrichten mssen aber unregelmige, unkalkulierbare Einknfte haben?"

"Ja, so ist das. Oder aber Sie akzeptieren die Kndigung, genieen eine Zeitlang das Recht auf Arbeitslosengeld und suchen sich zwischenzeitlich einen neuen Arbeitsplatz." nickte der Chef. Diana berlegte kurz.

"Welche Chancen werde ich haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden?" Der Mann ihr gegenber zuckte mit den Schultern.

"Die meisten bersetzungsbros arbeiten heute mit unabhngigen Mitarbeitern, also so, wie ich es Ihnen hier anbiete. Die Lage auf dem brigen Arbeitsmarkt kennen Sie so gut, wie ich." Das stimmte und Diana wute sehr genau, da es sehr schwer sein wrde, in angemessener Zeit eine neue Stelle zu finden. Die Region hatte einen sehr hohen Arbeitslosenanteil mit wenig angemessenen freien Stellen, die hauptschlich an Auszubildende und Langzeitarbeitslose vergeben wurden und die junge Frau war nicht gewillt, Haus und Hof aufzugeben und in eine andere Gegend zu ziehen und dort ihr Glck zu versuchen. Aber zuerst mute sie alles ganz genau ausrechnen.

"Wann mssen Sie meine Antwort haben?" wollte sie von ihrem Chef wissen.

"Bis Ende der Woche" war die knappe Antwort. Diana nickte mit einer kleinen Grimasse.

"Sie werden meine Antwort Freitag frh erhalten."

"Danke, Frulein Erdei." Damit war sie entlassen. Im Gang mute sie sich einen Augenblick gegen die Wand lehnen, denn ihr wurde pltzlich schwindlig. Zu schnell war die Hiobsbotschaft ber sie gekommen! Sie machte einen Umweg ber die Toilette, wo sie sich das Gesicht mit kaltem Wasser bespritzte und in die Wangen kniff, um ein wenig Farbe zu bekommen. Dann nahm sie ihre Willenskraft zusammen und ging in ihr Zimmer zurck. Auf die fragenden Blicke ihrer Kolleginnen zuckte sie nur die Achseln.

"Das Gesprch ist vertraulich!" war ihr ganzer Kommentar. Wenn der Chef die Wahrheit gesprochen hatte, wrden die Kolleginnen - wenigstens einige von ihnen – das gleiche Gesprch zu berstehen haben und das gleiche Schicksal erleiden, wie sie. Aber es entsprach nicht ihrem Charakter, sich der Verzweiflung hinzugeben. Sie suchte nach Lsungen und fand auch bald eine, die ihr zusagte, in Form einer Anstellung als berittene Waldhterin. So konnte sie ihre Liebe zur Natur und der Jagd auch beruflich nutzen. Noch vor einigen Jahren wre dies fr eine junge Frau unmglich erschienen, aber die Zeiten hatten sich etwas gendert und da Mangel an erfahrenen Krften in diesem Beruf herrschte, war man auch bereit, Frauen dies Aufgabe zu bertragen. Natrlich hatte sie einige Probleme seitens der mnnlichen Kollegen zu berwinden, doch wurden schlielich auch von den grten Zauderern ihre Erfahrung und ihr freundliches Wesen anerkannt. Diana kam ihren Aufgaben mit groem Eifer nach und trug viel dazu bei, da sich in einem groen Teil der Bevlkerung ein Sinneswandel vollzog, zum Nutzen der Natur.

Eines Morgens klingelte es zu fast noch nachtschlafender Zeit an der Haustr. Zwar war Diana schon seit lngerer Zeit wach, doch konnte sie sich nicht vorstellen, wer sie zu so frher Stunde besuchen kam. Vorsichtig sphte sie aus dem Kchenfenster und sah einen ihr bekannten Landwirt auf der Schwelle stehen, der irgend etwas in seinen Armen hielt. Eilig ffnete sie die Tr.

"Guten Morgen, Monsieur Jean, was bringen Sie mir denn da?" wollte sie mit einem Blick auf das Bndel in seinen Armen wissen.

"N'Morgen," grte der Mann zurck. "Das hab' ich grad vor'm Mhdrescher g'habt. Vielleicht bringen's durch." Damit ffnete er die Decke und gab den Blick frei auf ein kleines Rehkitz, auf dessen Flanke sich dunkelrote Striemen abzeichneten.

"Oh Gott!" entfuhr es der jungen Frau. "Das htten Sie zuerst zu einem Tierarzt bringen sollen."

"Der kostet mir aber zu viel." murmelte der Mann etwas geniert. "Fr so was hab' ich kein Geld brig. Ich hab' halt gedacht, Sie wrden's richten."

"Na schn, dann lassen Sie mich einmal sehen." meinte Diana und nahm ihm das Tier ab. Sie wollte gerade im Haus verschwinden, als die Stimme des Bauern sie zurckhielt.

"Die Decke knnten's mir aber gleich zurckgeben." Diana nickte.

"Ich lege es nur bei mir drinnen ab, dann bringe ich Ihnen die Decke zurck."

"Aber b'eilen's sich, ich hab' nicht so viel Zeit, wissen's." rief ihr der Mann noch nach. Die junge Frau legte das kleine Tier sanft auf den weichen Teppich, brachte dem Mann seine Decke zurck und sah ihn mit Erleichterung wieder zu seinem Wagen gehen. Natrlich htte er erst den Tierarzt aufsuchen mssen, aber so wie die Dinge standen, war das kleine Tier bei ihr vielleicht doch besser aufgehoben, zumal die Verletzungen nicht allzu schwer aussahen. Diana holte ihre Hausapotheke hervor, die ihr auch schon des fteren bei leichten Wehwehchen ihrer diversen Tiere geholfen hatte, und machte sich ans Werk. Das Kitz schien noch vollstndig unter Schock zu stehen, es rhrte sich auch dann nicht, als Diana mit zarten Hnden die Wunden desinfizierte und verband. Danach holte sie ein Flschchen mit Schnuller und bereitete etwas warme Milch vor. Als sie sich auf den Boden setzte und den kleinen Kopf des Tieres in ihren Scho legte, sprte sie eine erste Reaktion des Kitzes. Doch sanft zwang sie den Schnuller in das Mulchen und sah mit Genugtuung, da, obwohl auch einiges danebenflo, das kleine Wesen doch etwas von der Milch zu sich nahm.

"Es wird schon wieder werden!" flsterte die junge Frau dem Tier zu und streichelte es sanft. "Hier wirst du gut gepflegt und bist in bester Gesellschaft."

 

Roger Dupont kam an einem der nchsten Tage vorbei, um Diana einen Besuch abzustatten. Als er das Rehkitz sah, welches auf staksigen Beinen im Wohnzimmer herumlief wunderte er sich doch sehr.

"Wo hast du denn das aufgegabelt, Diana?" fragte er die junge Frau, die mit einer dampfenden Kaffeekanne aus der Kche kam. Diana erzhlte ihm die Geschichte, wie der Landwirt ihr das Kitz gebracht hatte und welche Fortschritte das Tier in seiner Genesung machte. Der junge Mann schttelte nur staunend den Kopf.

"Aber Diana, das ist ja alles schn und gut, ich verstehe nur eines nicht: warum pflegst du das Tier gesund, um es dann eines Tages zu schieen?" Dianas Augen wurden zu schmalen Strichen, als sie dem jungen Mann antwortete.

"Es tut mir leid, Roger, aber du scheinst immer noch nicht verstanden zu haben, was die Jagd fr mich bedeutet, obwohl du dich ja ebenfalls einen Jger nennst. Schau," sie schenkte ihm den Kaffee ein und nahm sich selbst auch eine Tasse voll, "ich bin Jgerin, aber verstehe die Jagd auch als Hege und Pflege des Wildes. Du weit ganz genau, wie sehr ich diese

"Trotzdem ist es doch widersinnig, ein Tier gesundzupflegen und es dann in einigen Jahren abzuschieen." wagte er einzuwerfen. Diana schttelte heftig den Kopf, da die dichten Locken nur so durcheinander gewirbelt wurden.

"Roger, du vergit, da das Kitz hier ein Lebewesen ist, welches Hilfe bentigt. Ich kann und will sie ihm geben, bis es in der Lage ist, sich selbst zu ernhren und im Wald zurechtzufinden. Sollte es in einiger Zeit krank werden, so ist der Hegeschu angebracht, um es von seinen Leiden zu erlsen. Andernfalls kommt es auf seine Entwicklung an, was einmal aus ihm wird. Zumal es eine Ricke ist, die nur in den seltensten Fllen zum Abschu gelangt. Aber selbst bei einem Rehbock ist das Ende nicht immer der Schu des Jgers. Und genau deshalb helfe ich jeder Kreatur in Not. Jagd ist nicht nur der Schu, sondern Beobachten, Hegen, Kennenlernen, Pflegen, Helfen und sich Auskennen. Jagd ist Liebe zur Natur, Respekt vor der Schpfung und eine Form des Lebens, die viele Menschen nicht verstehen knnen. Jagd mit Tieren, wie die Falknerei oder die Baujagd mit Hund und Frettchen verlangen auerdem viel Verantwortungsgefhl und Zeit vom Jger. Ein Gewehr kann man, gut gepflegt, versteht sich, auerhalb der Jagdsaison in den Schrank stellen, die lebenden vierbeinigen und geflgelten Helfer aber mssen jeden Tag des Jahres versorgt werden. Dazu gehrt jemand, der sich auch in ihre Verhaltensweisen hineindenken kann, der nicht nur Dresseur, sondern Freund und Vertrauter der Tiere ist, so werden sie es ihm mit Treue und Leistungsbereitschaft danken." Der junge Mann war nachdenklich geworden, mute er doch die Worte der jungen Frau erst in sich aufnehmen, verarbeiten und seine Schlsse daraus ziehen. So hatte er die Jagd und all das Drumherum noch nie gesehen, mute sich aber in die Seele der jungen Frau hineindenken und ihre Lebensweise akzeptieren, wollte er eine engere Beziehung zu ihr erreichen. Diana jedoch hatte keine Lust, sich an den jungen Mann zu binden. Er war zwar ein netter Kumpel, aber sie erwartete mehr von ihrem Partner, als er ihr je wrde bieten knnen. So blieben ihr ihre Trume, die Natur und ihre Tiere, die ihr Leben ausfllten.

 
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