„Ich bin die Komtesse Hajd“ stellte sich Julika nun vor und schaute ihm direkt in die Augen.
„Und wie nennt ihr euch?“
„Man nennt mich Huszr Jnos, der Brigant, gndige Komtesse, doch drft ihr mich ruhig Jnos rufen.“
Nachdenklich schaute Julika in das offene Gesicht des Rubers, endlich fragte sie zgernd:
„Wenn ich den Versuch unternehmen wrde, zu fliehen, wrdet ihr mich euren Mnnern verraten?“
Die Antwort kam sofort:
„Natrlich nicht, doch warum wollt ihr diese Gefahr auf euch nehmen, da doch bald das Lsegeld eintreffen mu. Ist euch meine Gegenwart wirklich so verhat?“
„Versteht mich richtig – Jnos“ es fiel ihr schwer, den ruhigen und selbstsicheren Mann ihr gegenber mit seinem Vornamen anzureden, „Ihr sollt nicht schlecht von mir denken, oder da ich eure Hilfe nicht zu schtzen wei, doch gibt es andere Grnde, die mich veranlassen, die bergabe des Lsegeldes nicht abzuwarten.“
„Darf ich diese Grnde erfahren?“ Er wute selbst nicht, warum er diese Frage gestellt hatte, doch etwas in der Person Julikas hatte eine Saite in seinem Innern berhrt, die er noch nie gesprt hatte. Diese tapfere kleine Person mit ihrem jungen, unschuldigen Gesicht und dem feuerroten Haar verlangte ihm sein ganzes Mitgefhl und seine Hochachtung ab - und vielleicht sogar noch etwas anderes? Schnell verschlo er diese Gedanken tief in sich. Der Moment dafr war jetzt noch nicht gekommen. Julika schaute ihn aufrichtig an:
„Ihr seid zwar Ruber, doch sprecht ihr wie ein Freund: wenn ich meinen Vater hier erwarte, bin ich zwar von euch befreit, doch wartet meiner eine Gefangenschaft, die sehr viel lnger dauern wird – ein ganzes Leben lang!“
Verstndnis malte sich auf den Zgen des Hauptmannes und nach einem inneren Kampf, bei dem er das Fr und Wider abzuwgen schien und bei dem seine eigenen Interessen ihn in einen Zwiespalt verwickelten, meinte er:
„Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um euch bei eurer Flucht zu untersttzen, doch mu ich euch warnen: sollten meine Mnner euch wieder ergreifen – so erwartet keine weitere Hilfe von mir, denn die knnte ich um meinetwegen euch niemals gewhren.“
„Ich danke euch fr eure Offenheit, doch sagt mir, wie komme ich von hier fort?“
„Lat mich euch meinen Plan erklren.“
Tief in der Nacht fhrte Jnos das Mdchen zu dem Gatter, in dem seine Pferde standen. Er sattelte seinen Rapphengst und bergab ihn Julika.
„Dies ist mein eigenes Reitpferd, er ist schnellfig und sicher im Tritt und kennt hier alle Wege, so wird er euch sicher auch in der Dunkelheit fortbringen. Folgt dem kleinen Pfad hier hinter dem Gatter, er fhrt euch durch dichtes Gestruch abseits vom Lager und dann durch ein lichtes Waldstck in Richtung auf die groe Strae und ihr findet im nchsten Dorf sicher jemanden, der euch eine Kutsche zur Verfgung stellen wird, damit ihr glcklich eure Heimat erreicht. Den Hengst lat frei, er findet den Rckweg schon alleine.“
„Ich danke euch fr euren Gromut, Gott beschtze euch!“ Julika wute selbst nicht, warum ihr gerade diese Worte in den Sinn kamen, doch der Hauptmann reichte ihr schon die Hand zum Abschied:
„Gott schtze euch auch, Komtesse.“ Dann war er wie ein Schatten in der Nacht verschwunden und Julika begann ihren gefahrvollen Weg. Diesen Moment hatte die alte Stute gewhlt, um sich niederzulegen und nach tagelangem Leiden ihr Fohlen auf die Welt zu bringen. Nach den langwierigen Geburtsvorbereitung der letzten Tage dauerte es jetzt nur einige wenige Augenblicke, bis das kleine Tier das Licht der Welt erblickt. Erschpft ruhte die alte Stute sich liegend aus, doch kaum hat das kleine Geschpf die Kraft zu stehen, so stie es auch schon ein zittriges Wiehern aus und kndigte so der Welt und seiner Mutter seine Anwesenheit an. Dann suchte es die lebensspendende Milchquelle bei der Stute, die sich mit wackligen Beinen erhob und ihr Fohlen bei seiner Suche untersttzte. Als der groe Hengst jedoch die Stimme seines Sohnes aus der Ferne hrte, war er nicht mehr zu halten. Steil stieg er auf die Hinterhand, warf sich mit einer kurzen Drehung herum, seine Reiterin verlor in dem ihr ungewohnten Sattel die Balance und strzte. Befreit von seiner Last, eilte das Tier in groen Stzen laut wiehernd zu Stute und Fohlen zurck.
Auch Jnos hatte den Ruf des Hengstes vernommen und bereitete sich auf das Schlimmste vor, denn die ungewohnten Laute hatten das Lager geweckt. Mikls war der erste, der zu seinem Pferd lief.
„Der Hengst vom Hauptmann... gesattelt!“ rief pltzlich einer der Mnner, woraufhin Mikls schnell zu dem gewissen Baum eilte und dort seine Vermutung besttigt fand:
„Die Geisel ist entflohen! Mit dem Hengst vom Hauptmann!“ schrie er, „Auf die Pferde, los sucht sie!“
„So, so, der Hengst vom Hauptmann, der keinen an sich ran lt, auer seinem Herrn!“ knirschte Mikls, „Das sieht bse aus fr jemanden...!“ Eilig schwrmten die Banditen aus und fanden nach nicht allzu langer Zeit Julika, noch etwas benommen von ihrem Sturz und sich der berzahl ergebend und fhrten sie gefesselt und geknebelt ins Lager zurck. Einer der Banditen eilte voraus und klopfte an die Tr der Htte. Jnos erschien, scheinbar verschlafen, doch sah er sogleich, da seine Komdie nicht wirkte.
„Hauptmann, die Geisel ist entflohen, noch dazu auf eurem Pferd! Kommt mit zum Feuer!“ Dies war fast ein Befehl – ihm, dem Hauptmann gegenber wagte jetzt schon ein einfaches Bandenmitglied so aufzutreten – Jnos sah seine Autoritt gefhrdet, doch noch schwieg er und ging auf die Lichtung. Kaum wagte er Julika in die Augen zu schauen, so tief schmerzte ihn der Anblick der hilflosen und mihandelten Komtesse.
„Hauptmann!“ Mikls drngte sich wutschnaubend vor, „Dieses Mdchen war unsere Geisel fr ein gutes Lsegeld, sie hat versucht, mit eurem Hengst zu entfliehen! Was hat das zu bedeuten? Antwortet!“ Ob diesen frechen Tonfalls straffte sich die hohe Gestalt Jnos‘.
„Wer hat den Befehl gegeben, diese junge Dame zu berfallen?“ Wie Peitschenhiebe klangen seine Worte.
„Ich fand sie bewutlos an einen Baum gebunden – behandelt man so Geiseln, fr die man ein gutes Lsegeld erhalten will? Ja, ich habe sie freigelassen, um euch zu zeigen, wer hier das Sagen hat!“
„Das ist noch auszumachen“ grinste Mikls, „wer hier zu sagen hat! Leute!“ wendete er sich an die im Kreis versammelte Bande, „wie denkt ihr darber? Richten wir erst die Geisel und dann - den Hauptmann?“ Bevor sich noch Jnos der Bedeutung der Worte seines Unteranfhrers klar werden konnte, hatten seine Leute ihn schon umzingelt und maen ihn mit wilden Blicken, die nichts Gutes ahnen lieen, doch noch wagten sie es nicht, sich an ihm zu vergreifen. So mute er zwar unttig und in seinem Innersten bebend, zusehen, wie Julika zu einem groen Baum gefhrt wurde, den das neu angefachte und schnell hoch lodernde Feuer hell erleuchtete und dort von zwei Rubern angebunden wurde, doch konnte er sich in ihre Nhe begeben, wenn auch unter Bewachung.
Mikls wendete sich nun mit lauter Stimme an die versammelten Ruber:
„Mnner, die Geisel ist entflohen, wir haben sie zwar wieder, aber sie hat ihr Wort gebrochen, hat uns verraten. Was verdient ein Verrter?“
„Den Tod!“ schallte es aus allen Kehlen.
Verzweifelt stand Mrika vor dem Grafen Hajd, der noch immer nicht glauben konnte, was das junge Mdchen ihm da unter Trnen und mit stockender Stimme berichtete.
„Und es gibt keine andere Lsung, um meine Tochter zu retten?“
„Nein Herr Graf, morgen mu das Geld bei den Rubern sein, sonst tten sie die Komtesse!“
Gerade ffnete sich die Tr und bevor der Diener noch den Grafen Molnr ankndigen konnte, strmte dieser auch schon ins Zimmer.
„Ich habe soeben vernommen, da meine Braut von Rubern gefangen genommen wurde! Wollt ihr mir geflligst berichten, wie es dazu kommen konnte! Und was wollen diese Schurken von ihr?“
„Hier, lest den Brief, den meine Tochter mir schickt.“ Damit reichte der Vater dem Brutigam das Schreiben, dessen unhfliches Benehmen bersehend. Dieser berflog die Zeilen, ein lauernder Blick traf den Vater Julikas:
„Habt ihr denn so viel Geld im Haus?“ fragte er, gespannt die Antwort abwartend.
„Leider nein, ich hatte in der letzten Zeit groe Investitionen zu ttigen und habe dabei fast meine gesamten Bankguthaben erschpft. Und es dauert zu lange, das Geld anderweitig aufzutreiben, deshalb bin ich ja auch so in Sorge. Die Banditen machen ihre Drohung bestimmt wahr und tten Julika, wenn sie das Geld nicht zum angegebenen Termin erhalten!“ Er schaute seinen zuknftigen Schwiegersohn an und pltzlich schien ihm ein Gedanke gekommen zu sein.
„Mein lieber Graf Molnr! Sofort nach der Heimkehr meiner Tochter findet eure Hochzeit statt – knntet ihr nicht schon heute das festgesetzte Brautgeld geben, es wrde fast genau den Betrag ausmachen, der mir zum Lsegeld noch fehlt, ich werde es euch mit Zinsen belohnen?“
Der Graf berlegte scheinbar angestrengt, dann entschlo er sich:
„Ich glaube, es ist besser, wenn ihr mir euren Anteil an dem Lsegeld aushndigt, nach dem Essen hole ich dann meinen Teil und breche sofort auf, um das Geld selbst ins Ruberlager zu bringen und mir meine Braut zu holen, da kann sie dann nicht wieder vor mir fliehen!“ Graf Hajd hatte inzwischen aus einer verborgenen Lade seines Schreibtisches einen Lederbeutel genommen, in welchem es nach Gold klang.
„Hier habt ihr meinen Anteil, pat gut darauf auf! Und denkt daran, was Mrika sagte: der Fhrer, der euch ins Lager bringt, wartet im Gasthof zum Grauen Stier auf euch. Als Erkennungszeichen trgt er eine weie Feder am Hut! Sagt ihm nur: >Ich habe euer Pferd gefunden<, er wei dann, da ihr das Geld habt!“
„Keine Angst, ich bin kein Tor!“ lachte Graf Molnr und steckte den Beutel in seinen Rock, dann begab er sich in den Hof zu seinem Pferd. Erst als er auer Sichtweite des Gutes war, verlor er seinen zuversichtlichen Gesichtsausdruck.
„Zum Teufel“ murmelte er vor sich hin, „Woher soll ich jetzt schnell eine halbe Million Taler nehmen? Der Alte denkt, ich sei steinreich – wenn der wte! Aber haben mu ich das Geld, sonst ade Reichtum, ade reiche Braut, ade gemtliches Leben!“ Bei einem kleinen Gestruch machte er Halt, fhrte sein Pferd in Deckung und setzte sich selbst auch in den Schatten, um seine Gedanken zu ordnen und einen Plan zu schmieden.
Auf der Staub bedeckten Strae herrschte zu dieser Tageszeit nicht viel Verkehr. Ein alter, von zwei grauen Ochsen gezogener Leiterwagen rumpelte vollbeladen mit Heu daher, der Treiber ging mit einer langen Peitsche neben seinen Tieren, die nur widerwillig das Haupt mit den langen Hrnern unter das Joch beugen. Ein einsamer Wanderer zog vorbei, wohl ein armer Student, dem das Geld fehlte zu einem anderen Transportmittel als den eigenen Fen. In der Ferne erschien eine elegante Kutsche, ein schicker, kleiner Einspnner, leicht von einer Dame zu lenken, mit einem gut erzogenen kleinen Pferd im blitzenden Geschirr. Von einer der Weideflchen nhrte sich ein Reiter, seine weite Kleidung bauschte sich im Wind. Diese weiten, gefltelten, hosenrockhnlichen Beinkleider und das faltige, weitrmelige Hemd khlten den Trger im Sommer und hielten durch die in ihnen eingeschlossene Luft warm im Winter. Eine schwarze Joppe mit goldenen Rundknpfen und der Dreispitz mit Kranichfeder sowie glnzende schwarze Stiefel vervollstndigten das Bild des Pferdehirten. Seinen langen, schwarzen Filzmantel, der ihm im Sommer als Lager, Kissen und Decke diente, hat er in seiner Unterkunft gelassen, die sich auf einer der Weiden nahe des alten Ziehbrunnen befand. Pter, der Csiks, hatte fr kurze Zeit seine Herde dem Lehrbuben bergeben, er hatte Wichtiges auf dem Gut zu besprechen und sein Herz zog ihn seit kurzem sowieso dorthin, wo Mrika treu auf ihn wartete. Doch jetzt sah er sich pltzlich einer vornehmen Dame mit einem hellen Kleid aus teurer Seide und einem kleinen Htchen mit Spitzenschleier in ihrem Gespann gegenber.
„Sieh einmal einer an!“ grte diese nicht gerade glcklich. „Was fr eine berraschung! Pter der berhmte Pferdehirte! Wie kommst du denn hierher? Sag nur nicht, du hast mich gesucht?“
Notgedrungen hielt Pter aus Hflichkeit sein Pferd neben dem Wagen an:
„Guten Morgen. Warum so spttisch, Bernadette? Darf ich nicht reiten, wo ich will. Du vergit auerdem, das dies hier mein Arbeitsplatz ist! Wer hat mir meine Wege vorzuschreiben?“
Pltzlich nderte die stolze Dame den Tonfall, der nun bittend und schmeichelnd wurde:
„Aber Pter, ich wollte dich nicht krnken! Erinnerst du dich nicht an die vielen schnen Stunden, die wir zusammen verbracht haben?“
„Das ist schon lange her, Bernadette, die Zeiten haben sich gendert! Was war, ist nicht mehr und wird auch nie wieder sein! Ich bin verlobt und werde bald heiraten, deshalb sage ich dir auch nicht auf Wiedersehen, sondern adieu!“ Damit wendete Pter sein Pferd und wollte an der Kutsche vorbei reiten, doch Bernadette beugte sich geschickt vor und hielt seinen Zgel mit erstaunlich krftiger Hand fest.
„Du hast schnell jemanden gefunden, nachdem du mich so schmhlich verlassen hast! Ich htte dir alles gegeben mein Herz und mein Geld, das weit du genau!“
„Bernadette, benimm dich!“ rief Pter und ri ihr den Zgel mit einem Ruck aus der Hand.
„La die alten Zeiten ruhen! Ich habe dich einmal sehr geliebt, doch du hast mich betrogen, hast meine Liebe nur fr deine eigenen Ziele ausgentzt! Deshalb habe ich dich verlassen!“ Er berhrte sein Pferd leicht mit den Stiefeln, doch die junge Frau deren Gesicht sich zu einer teuflischen Fratze verzerrt, schrie:
„Wer ist die andere? Ist sie schner als ich, jnger, reicher? Was hat sie fr Vorzge, die ich nicht habe?“ Pltzlich besann sie sich: „Ahh, ich wei es, sie ist aus adeligem Hause! Ich htte mir ja nie trumen lassen, das du, ausgerechnet du, dich einmal besinnst und eine dir ebenbrtige Frau nimmst! Warst nicht du es, der immer ber die alte Etikette gelacht hat, der lieber Pferdehirte wurde, von der Familie verstoen, als in deinem Schlo zu wohnen und deine Zeit mit leerem Gerede und veralteten Gebruchen auszufllen?“
Dieser unverhoffte Wutausbruch hatte den Hirten zum Halten gebracht:
„Bernadette, in deiner Eifersucht begehst du viele Fehler! Ich habe nie behauptet, da ich mir nichts aus meiner Herkunft mache. Ich wollte nur beweisen, da es nicht die adelige Geburt bewirkt, ob jemand ein guter oder ein schlechter Mensch ist. Auerdem liebe ich die Arbeit mit den Pferden und das an wenige Regeln gebundene Leben in freier Natur!“
Doch Bernadette geriet immer mehr auer sich.
„Geh doch zu deiner Braut und sage ihr, wen du vor ihr geliebt hast! Erzhle ihr nur alles! Und wenn sie dich dann noch will, dann ist sie es wert, einen solchen Halunken wie dich zum Manne zu erhalten! Jawohl, Halunken!“
Pter hatte bei ihren letzten Worten die Hand wie zum Schlage erhoben, doch mit einer letzten Willensanstrengung zwang er sich dazu, sie wieder zu senken.
„Nein, selbst einen Schlag meiner Hand bist du nicht wert. La mich in Frieden und geh deiner Wege!“
„Armer Narr, die Liebe hat dir den Verstand geraubt!“ zischte Bernadette ihm zu.
„Und wenn es so wre, dann la mich in meiner Torheit glcklich werden. Du kannst mir nichts anhaben mit deiner Wut und la dir eines gesagt sein: meine Braut besitzt etwas, was dir fehlt – ein weiches Herz!“ Damit wendete er sich endgltig ab, hatte jedoch nicht mit der hysterischen Reaktion Bernadettes gerechnet, die ihre Peitsche hob und blitzschnell auf sein Gesicht zielte. Er hatte gerade noch Zeit seinen Arm schtzend zu heben, als der harte, gut gezielte Schlag ihn traf und ihm Hemd und Haut zerfetzte. Auch sein Pferd sprte den Hieb und sprang erschreckt im Galopp mit seinem Reiter davon, das keifende Geschrei der ehemaligen Geliebten Pters in den Ohren.
„Jetzt bin ich mit dir fertig, du dreckiger Hund!“ klang es aus den zart scheinenden Lippen,
„Fr dieses Mal hast du deine Haut gerettet, doch hte dich davor, mir noch einmal zu begegnen! Dann wird nur einer lebend den Platz verlassen – und das bin ich!“
Wutschnaubend setzte sie ihr Pferd wieder in Bewegung. Noch hatte sie nur eine kurze Strecke zurckgelegt, als ein anderer Reiter sie einholte und mit einem verwegenen Satz neben sie auf den Kutschbock sprang. Erschrocken schrie sie auf, doch der Fremde nahm seinen groen Hut ab und sie sah in das lachende Gesicht eines alten Bekannten.
„Johann, du? Du hast mich ganz schn erschreckt! Ich dachte schon, es wren Ruber!“
„Ruber? Kann den Liebe nicht auch im Dunkeln oder in Verkleidung den Mann des Herzens erkennen?“ fragte der junge Mann spottend. Er war ganz so gekleidet wie die jungen Galane dieser Zeit, die sich mit nichts anderem vergngten, als mit ihrem ausschweifenden Lebenswandel ihre Angehrigen in Verruf zu bringen, Vermgen am Spieltisch und bei teuren Kurtisanen zu verschleudern und nicht an ihre Zukunft denkend. Der Hof in Wien war mit seiner strengen Etikette nicht sehr erfreut ber die Eskapaden einiger Mitglieder des Adels sei es in Ungarn oder in sterreich, zu vielfltig waren die Probleme des Herrschers und bei den Feinden der Monarchie waren die unzhligen Skandale, in die Mitglieder der vornehmsten Familien verwickelt waren, ein gefundenes Fressen fr ihre Propaganda. Doch nur wenige der jungen Aristokraten waren auf ihren Ruf bedacht und benahmen sich angemessen, die meisten, vor allen Dingen, wenn sie sich in Ungarn befanden, meinen, sie seien weit genug vom Hofe in Wien entfernt und ihre Eskapaden blieben unbeachtet. Auerdem waren sie jungen Ungarinnen von besonderem Liebreiz und haben wirklich Paprika im Blut!
So hatte sich auch Johann, jngster Spro einer alten sterreichischen Adelsfamilie bei seinem Besuch in Ungarn eine reiche Geliebte zugelegt, die ehemalige Freundin des Pferdehirten.
„Ach, du hast gut Lachen“ schmollte diese. „Ich komme eben von einem Treffen mit dem Pferdehirten-Grafen!“
„Mit dem?“ fragte Johann drohend. „Ich dachte, das ist eine alte Geschichte und es wre schon lange aus mit ihm?“
„Aber ja, Liebster, natrlich ist das vorbei! Stell dir vor, er war gerade auf dem Weg zu seiner Braut! Die rmste wei noch nicht einmal, da sie einen Grafen incognito heiraten wird, sie denkt, es sei ein einfacher Hirte!“ Beide lachten wie wild, dann sanken sie sich zu einem langen Ku in die Arme.
Pter war durch diese Begegnung aus seiner sonstigen Ruhe gebracht worden, so achtete er nicht genau auf seinen Weg und ritt fast den Grafen Molnr um, der noch immer im Schatten des kleinen Busches sa. Pters Pferd hatte die Gesellschaft des anderen Tieres gesucht und so einen falschen Weg genommen.
„Hallo, was treibt ihr hier im Busch!“ scherzte der Hirte, doch Molnr sah sich berrumpelt und versuchte, das Beste aus der Situation zu machen:
„Oh, ich habe etwas verloren, ich dachte es sei hier an der Stelle gewesen, doch wurde ich pltzlich so mde, da ich mich etwas ausgeruht habe.“ Dabei lie er vorsichtig die Geldbrse, die ihm Julikas Vater ausgehndigt hatte, ins Gras gleiten.
„Was sucht ihr denn, vielleicht kann ich euch helfen, es zu finden?“ meinte Pter und sprang ab, sein Pferd am Zgel neben sich her fhrend und den Boden mit seinen Blicken absuchend.
„Es war mein Geldbeutel!“ meinte in gespielter Zerknirschung Molnr, doch da hatte Pters scharfes Auge diesen auch schon entdeckt. Spielerisch wog er ihn in der Hand, dann warf er ihn Molnr zu:
„Seht her, ich habe ihn! Holla, ist der schwer! Da ist ja die Summe fr einen guten Brautpreis drinnen! Fangt auf und sucht euch eine gute Frau dafr!“ Lachend sprang er wieder auf sein Pferd und verschwand in einer Staubwolke auf der Strae.
Im Ruberlager stand Julika mit totenblassem Gesicht doch beherrscht vor ihren Henkern. Mikls erklrte ihr mit scharfer Stimme:
„Ihr werdet sterben, wie ein Verrter – durch die Kugel, doch da ihr eine Frau seid und Komtesse, erhaltet ihr eine Gunst: Der Tod wird euch bei unbedeckten Augen ereilen und ihr werdet nicht angebunden sein. Doch glaubt nicht, da ihr im letzten Augenblick noch fliehen knnt, meine Mnner sind alle bewaffnet und wrden euch bei einem unbeherrschten Schritt eurerseits sofort tten. Ihr erhaltet jedoch nur eine Kugel, nehmt dies als einen Ehrenbeweis meinerseits, solltet ihr nur verwundet werden, so seid ihr frei, doch mu ich euch sagen, da ich mein Ziel noch nie verfehlt habe! Doch genug der Worte! Habt ihr noch einen letzten Wunsch, so lat ihn mich wissen!“
Stolz schweigend schttelte Julika nur den Kopf, so da ihr wundervolles Haar um ihren Krper schwangt. Ihr wurden von einem der Banditen die Fesseln abgenommen, alle Ruber stellten sich in einem Halbkreis vor ihr auf und zogen ihre Pistolen. Mikls stellte sich ihr gegenber auf, nur einige wenige Schritte von ihr entfernt. Aus dieser Entfernung mute jeder Schu tdlich sein, ein Verfehlen war unmglich. Alle Augen waren auf die schne Komtesse gerichtet, die nun den Tod erleiden sollte, als Mikls den Arm hob und zielte.
„Verzeiht mir, Vater!“ dachte Julika und erwartete den Schu. Doch als dieser endlich fiel, sprang fast zur gleichen Zeit Jnos mit einem weiten Satz, der einem Panther alle Ehre gemacht htte, zwischen seinen Bewachern hindurch, die ebenso nur auf die Hinrichtung geschaut hatten, wie alle anderen, und warf sich vor das junge Mdchen, das wie versteinert auf den Knall des Schusses gewartet hatte. Erst jetzt schrie Julika laut auf und auch die Ruber waren auf diese Wendung der Dinge nicht gefat gewesen. Von der Kugel getroffen, die Julikas Leben auslschen sollte, sank Jnos langsam vor ihr zu Boden.
„Der hat sich selbst gerichtet!“ bemerkte einer der Ruber, der sich zu dem zusammengesunkenen Hauptmann niederbeugte und ihn mit einigen kurzen Handgriffen zu untersuchen schien, dann verlieen alle den Platz, sich nicht weiter um die Sache kmmernd, wo Julika sich unter Aufbietung aller ihrer Kraft bemhte, den leblosen Krper zur Htte zu schaffen.
Auf dem weichen Lager warf sich Jnos in Fiebertrumen unruhig hin und her, whrend Julika versuchte, ihm die Wunde in seiner Brust zu subern und zu verbinden. Hierbei kam ihr zu Hilfe, da sie auf dem Gut oft dem alten Arzt bei seiner Arbeit geholfen hatte, wenn gerade Not am Mann war oder die Hebamme wegen einer Geburt unabkmmlich war. Als die schwere Wunde endlich verbunden war, verlie sie ihre Kraft und schluchzend sank sie an der Seite des Verletzten nieder.
„Oh Jnos, warum habt ihr das getan? Bedeutet mein Leben euch denn so viel?“
Jnos sthnte und phantasierte. Leise, fast unverstndliche Worte murmelten seine trockenen Lippen:
„Julika, mein Leben, meine Liebe, verlat mich nicht!“ Doch sie hatte sein Flehen vernommen und ergriff nun seine im Fieber glhende Hand:
„Wie knnte ich euch denn verlassen, da ihr euer Leben riskiertet, um meines zu retten!“
„Julika, bevor ich sterbe, mu ich euch etwas gestehen: ich liebe euch von ganzem Herzen!“ flsterte der Ruberhauptmann mit geschlossenen Augen und leichenblassem Gesicht, auf dem der Tod schon seine Linien zeichnete.
„Oh, mein Gott, warum erbarmst du dich nicht seiner!“ flehte Julika und hauchte einen zarten Ku auf die aufgerissenen Lippen des jungen Mannes.
„Das ist der Himmel!“ seufzte dieser und versuchte, sich zu ihr umzudrehen. Dabei konnte sie sein Hemd auf dem Rcken sehen, auf dem sich ein groer Blutfleck abzeichnete und auch das Lager unter ihm war von seinem Blut getrnkt. Zutiefst erschrocken beugte sich Julika zu ihm, und bemerkte zu ihrem Entsetzen eine tiefe Stichwunde unterhalb seines linken Schulterblattes: jemand hatte ihn meuchlings ermorden wollen! Doch zum Glck war auch hier kein lebenswichtiges Teil getroffen und so war nur der hohe Blutverlust zusammen mit dem Schock zu frchten, der den starken Mann jetzt in die Knie zwang. Lange Stunden voller Zweifel, ob ihr Retter nicht doch noch sterben wrde, harrte Julika neben seinem Lager aus. Oft hob sie seinen Kopf und flte ihm etwas Wasser ein, dann wieder legte sie feuchte Tcher auf seine glhende Stirn. Es war tiefe Nacht, als das Fieber sich endlich brach und Jnos wieder zu sich kam. Im flackernden Schein einer Kerze gewahrte er Julika, die vor Erschpfung an seinem Lager in tiefem Schlaf niedergesunken war. Als er sich etwas bewegte, wurde sie wach. Mit einem Blick, in dem sich tiefe Dankbarkeit und Zuneigung spiegelten, schaute er ihr in die Augen:
„Warum seid ihr noch hier?
„Nachdem ihr meinetwegen fast gestorben seid, konnte ich euch doch nicht eurem Schicksal berlassen“ meinte sie lchelnd.
„Wer hat mich verbunden?“ fragend schaute er auf die weien Leinenstreifen um seine Brust.
„Ihr?“
„Es htte euch wohl niemand sonst geholfen, denn ihr habt nicht nur die mir zugedachte Kugel in euren Leib erhalten, sondern auch noch meuchlings einen tiefen Messerstich in den Rcken!“
„In den Rcken?“ Jnos wollte sich aufrichten, sank jedoch mit einem Schmerzenslaut wieder zurck.
„Jemand wollte mich tten, falls die Kugel nicht gereicht htte, ich war nicht verwundet, als ich mich vor euch warf! Euch habe ich mein Leben zu verdanken, Komtesse und dafr knnt ihr meines ewigen Dankes gewi sein.“
„Dann verratet mir bitte, was aus mir wird. Eure Mnner haben mir die Freiheit versprochen, sollte ich am Leben bleiben.“
Jnos schttelte traurig den Kopf:
„Euer Tod war so sicher, da htten sie euch alles versprochen, was sie dann nicht zu halten brauchten. Nein, Komtesse, ihr seid hier niemals mehr sicher.... es sei denn....“ Er versuchte, einen kleinen Gedanken, der ihm gekommen war, in einen Plan umzusetzen, doch Julika unterbrach ihn:
„Auch euer Leben ist in Gefahr, Jnos! Verget nicht, es war einer von eurer eigenen Bande, der den Dolchsto fhrte, der euch den sicheren Tod bringen sollte! Warum wollt ihr euch neuerlich fr mich in Gefahr begeben? Bedeute ich euch denn so viel?“
Jnos nahm zrtlich ihre Hnde in die seinen und zog die schmale Gestalt neben sich, dabei schaute er ihr tief in die Augen:
„Mehr als ihr ahnt, Komtesse!“ Dann beugte er sich nieder und berhrte zart mit seinen Lippen ihr Handgelenk. Pltzlich meinte sie, ihr Blut verwandle sich in Feuer, das brennend durch ihre Adern rann. Noch nie hatte sie so gefhlt! Verwirrt von diesem ihr unbekannten, sie berwltigenden Gefhl, entzog sie ihm ihre Hnde.
„Verzeiht mir, wenn ich euch zu nahe getreten bin! Ich mu nicht ganz bei Sinnen sein!“ flsterte er und versuchte aufzustehen.
„Bleibt liegen, ihr habt mich nicht gekrnkt!“ stie Julika hervor, als sie sah, wie der Verletzte sich wankend erheben wollte. Doch Jnos schob sie sanft zur Seite.
„Lat mich, ich will versuchen, unser Leben zu retten! – Oder zumindest das eure!“ fgte er leise hinzu.
Im Lager standen die Mnner in kleinen Gruppen und redeten ber das Vorgefallene. Pltzlich ffnete sich die Tr der winzigen Htte, Jnos kam wankend und mit schneeweiem, vor Anstrengung und Schmerz verzerrten Gesicht hervor und lehnte sich an die Wand: Schweigen herrschte rundum. Drohendes Schweigen. Jnos nahm alle seine Kraft zusammen und sagte mit fester Stimme:
„Kommt nher, Leute, ich habe mit euch zu reden!“ In dem allgemeinen Staunen hrte Jnos hinter sich Julikas leichte Schritte. Ohne sich zu ihr umzuwenden flsterte er:
„Flieht jetzt, sonst ist es zu spt!“
„Niemals!“ antwortete ihm ihre zuversichtliche Stimme und eine kleine Hand schob sich von hinten in die seine. Diese unerwartete, vertrauensvolle Geste gab Jnos neuen Lebensmut und den festen Willen, ihretwegen zu berleben, koste es, was es wolle. Als die Bande um ihn versammelt war, hob er mit lauter Stimme an:
„Mnner, ihr habt die Geisel tten wollen, weil sie geflohen ist. Das ist Mord! Feiger Mord! Obwohl jeder von euch wei, das eine tote Geisel keine Geisel mehr ist! Auerdem wit ihr nicht, wie weit der Bote reiten mu, um auf das Land des Vaters unserer Geisel zu kommen? Dieser hat vielleicht so viel Geld nicht gerade flssig! Und dann noch der Rckweg hierher! Euer Zeitplan kann ja vielleicht bei bestem Willen gar nicht eingehalten werden!“
Einige der Ruber schienen dies einzusehen und senkten die Kpfe in stillem Einverstndnis. Jnos fuhr nun mit schneidender Stimme fort:
„Jemand unter euch hat versucht, mich zu tten! Meuchlings zu ermorden! Und fast wre ihm seine bse Tat auch gelungen, htte mich diese junge Dame nicht gerettet! Was habt ihr gegen mich vorzubringen? Hat ihr mich, weil ich unntiges Blutvergieen nicht dulden mag? Bisher war immer ausreichend Beute fr jeden vorhanden!“
„Aber nur ein toter Zeuge ist ein guter Zeuge!“ Mikls stand pltzlich vor Jnos und ma ihn mit einem stechenden Blick. Doch Jnos zuckte nicht mit der Wimper.
„So, denkt ihr? Ich meine, da es nicht schaden kann, wenn die Leute sagen, wir htten ihnen zwar alles geraubt, ihnen aber das Leben geschenkt! Im Falle eines Falles kann eine solche Aussage vor dem Galgen retten!“ Jetzt nickten ihm mehrere Ruber zu, junge Mnner, die vielleicht nur die Not dazu getrieben hatte, sich der Bande anzuschlieen, die das geraubte Geld ihren Familien zukommen lieen, aber in ihren Herzen keine Bsewichte waren.
„Der Hauptmann hat recht! Es lebe der Hauptmann!“ klang es nun von allen Seiten. Nur Mikls und seine Anhnger standen da mit bitterbsen Minen und schwiegen unheilvoll. Als Jnos dies sah, wendete er sich direkt an Mikls:
„Ich sehe, da meine Worte euch nicht berzeugen knnen, doch fgt euch meinem Befehl, diese junge Dame betreffend: Sie soll fr fnf Tage unser Gast sein. Ist nach dieser Zeit das Lsegeld noch nicht eingetroffen – so holen wir es uns eben!“ Er fhlte, wie sich Julika versteifte und ihm ruckartig ihre Hand entzog. In dem nun herrschenden Jubel hrte er ihre leise, enttuschte Stimme.
„Und ich habe euch vertraut!“ Aufschluchzend warf sie sich in einen Sessel. Jnos schlo vorsichtig die Tr, dann wankte er auf sein Lager zu und lie sich vollstndig erschpft darauf fallen. Mit letzter Kraft hauchte er:
„Ich mute es ihnen versprechen – um euretwillen. So seid ihr hier fr einige Tage noch in Sicherheit!“
„Verzeiht mir, Jnos, ich htte wissen mssen, da ihr nicht treulos handeln knnt!“ Julika warf sich neben ihm nieder und umarmte den von der Anstrengung total entkrfteten Mann.
Auf dem Gut verlor sich mehr und mehr die Hoffnung, die Komtesse retten zu knnen. In ihrem Zimmer sa Mrika und las einen Brief. Als es an die Tr klopfte, versteckte sie das Papier unter einem Buch und ging nachsehen, wer da Einla begehrte. Es war jedoch nur ein alter Diener, der sich nach Neuigkeiten erkundigen wollte. Da Mrika aber auch nicht mehr wute, als die anderen, verlie er sie bald wieder. Nun konnte sie endlich ihren Brief ungestrt zu Ende lesen. Leichte Rte berzog ihre Wangen, als sie an den Schlu gelangte: las sie leise und dachte bei sich: „Was kann er nur so Wichtiges wollen? Und um diese Zeit!“ Doch war sie schlielich pnktlich zur Stelle und wurde von einem leisen Pfeifen zu einer kleinen Hecke an der einen Seite des Gatters gelenkt. Dort erwartete sie Pter der Pferdehirt, ihr Verlobter. Still sanken sie sich in die Arme und es dauerte eine ganze Weile, bis Mrika wieder zu Atem kam:
„Aber Liebster, was um alle Welt soll das bedeuten?“
„Hier gehen seltsame Dinge vor“ meinte dieser. „Vor kurzem traf ich den Grafen Molnr mit einem Beutel voll Gold und hier trgt alle Welt eine Trauermiene zur Schau! Die Welt ist schon verrckt!“
„Aber Pter, so weit du noch nicht...?“
„Was sollte ich den wissen, Liebste?“ meinte dieser und drckte ihr einen Ku auf die Wange. Mrika begann leise zu weinen und der junge Hirte war vollstndig verwirrt.
„Aber so sag mir doch, was hast du, was ist hier los?“
„Oh Pter! Ruber haben die Komtesse in ihre Gewalt gebracht und nun wollen sie eine Million Taler, damit sie wieder freikommt!“ schluchzte Mrika. „Oder diese Banditen bringen sie um!“
„Mein Gott, das ist ja entsetzlich – kann ihr Vater denn so viel Geld rechtzeitig aufbringen?“ fragte der junge Mann erschrocken.
„Wenn Graf Molnr auch seinen Teil dazugibt, dann ja!“ hauchte Mrika.
Pter war mehr und mehr davon berzeugt, da hier noch etwas anderes mit im Spiel war, darum fragte er:
„Und wieso sollte der Graf seinen Teil dazu geben?“
„Er ist doch der Brutigam der gndigen Komtesse!“ weinte Mrika.
„Und warum weint ihr dann?“ wollte Pter wissen. "Das ist doch eher ein Grund zur Freude, wenn es eine Hochzeit gibt."
„Aber vor dem sind wir doch gefloh...“ Mrika bi sich auf die Lippen, aber es war schon zu spt, der junge Mann hatte aus diesen Worten alles erraten.
„Geflohen willst du sagen? Ja ist die Komtesse denn nicht mit dieser Hochzeit einverstanden?“
„Oh, Pter, bitte verrate mich nicht. Aber deshalb waren wir doch unterwegs, damals, als wir dich trafen und die Komtesse dich vor dem Tod bewahrte. Der Graf ist ein abscheulicher Mensch, alle haben sie Angst vor ihm, die Knechte und vor allem die Mgde und auch mir jagt er immer Schauer ber den Rcken, wenn ich ihn sehe.“
„Also der Graf will die Hlfte des Lsegeldes bezahlen, dann ist ihm die Braut sicher, wenn schon nicht aus anderen Grnden, so mu sie ihn aus Dankbarkeit zum Mann nehmen. Ein sauber durchdachter Plan!“ Der junge Mann schttelte zornig den Kopf und zog Mrika fester an sich.
„Hab keine Angst um deine Komtesse, die Ruber werden sie hten, wie einen wertvollen Schatz – einen Schatz von einer Million Taler!“ Gerade wollte er sie wieder kssen, als ihn ein leises Schnauben einhalten lie. Aus Erfahrung wute er, da ein Pferd so nur Laut gibt, wenn es Gefahr wittert. Lautlos nherte er sich dem edlen Hengst, der mit gespitzten Ohren, weit geffneten Nstern und hoch aufgeworfenen Hals in Richtung eines kleinen, versteckten Gartentores blickte. Von dort schimmerte nun ein kaum wahrnehmbares Licht. Pter versteckte sich hinter einem Strauch und konnte so ungesehen die gespenstische Szene beobachten. Eine in einen dunklen Umhang gehllte Gestalt ffnete vorsichtig den Riegel des Trchens, dessen Angeln sich, ohne einen Ton von sich zu geben, drehten. Die Gestalt schlpfte heimlich in den Garten und bewegte sich immer in Deckung der Bume zielstrebig auf das Herrenhaus zu. Dort ffnete sie eine Hintertr und verschwand im Innern des Gebudes. Pter war dem Unbekannten vorsichtig gefolgt, doch wagte er es nicht, sich dem Haus zu sehr zu nhern.
In der groen Halle trafen sich Graf Hajd und sein Nachtwchter.
„Alles in Ordnung, Herr Graf!“ meldete dieser.
„Im Haus ist alles ruhig, ich werde noch meinen Rundgang durch den Garten machen, doch glaube ich nicht, da etwas unsere Ruhe stren wird.“
„Sehr gut, Lajos. Aber sagt, ich habe gehrt, da es eurer Frau nicht so gut geht, wollt ihr mir da nicht den Wachgang berlassen und nach Hause gehen um nach ihr zu sehen?“
„Aber Herr Graf knnen doch nicht Nachtwchter spielen?“ erstaunte sich der Mann.
„Fr dieses eine Mal la es mich nur probieren!“ lachte der Graf und gab dem Mann, der schon seinem Vater ein treuer Bediensteter gewesen ist, einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter „du wirst sehen, ich mache mich gar nicht schlecht in diesem Beruf!“ Mit einer tiefen Verbeugung eilte der dankbare Nachtwchter davon. Graf Hajd verlie das Haus und begann seinen Rundgang. |